Ich habe mir zuerst überlegt, ob ich hinter die Überschrift nicht ein Fragezeichen setzen sollte. Aber je mehr ich über den Artikel nachgedacht habe, desto sicherer war ich mir, daß ich das weglassen kann.
Es wird speziell in Deutschland ein Umdenken geben. Es hat nach 1990 wahrscheinlich einige Phasen gegeben, da hätte im pazifistischen Überschwang die komplette Abschaffung der Bundeswehr eine Mehrheit im Volk gefunden. Und mit Kaputtsparen und Desorganisation war man ja fast auf dem Wege dahin ... Und das ist der Bevölkerung plötzlich bewußt geworden. Einerseits, daß man die Bundeswehr noch braucht. Und andererseits, daß sie nicht leistungsfähig genug ist. Derzeit wird in jeder Büttenrede der desolate Zustand der Truppe thematisiert. Und so etwas trifft die Deutschen empfindlich. Keine Armee zu haben könnten sie aushalten, aber eine Lachnummer als Armee nicht.
An diesen Passus würde ich das eingesparte setzen. Der Unmut kapriziert sich ja auf den desolaten Zustand der einzelnen Systeme - und hier zumal auf die kaum vorhandenen Transportmöglichkeiten - um die aktuell anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Und die bestehen nicht darin, aktiv gegen eine aggressive Militärmacht aufzutreten, sondern am Hindukusch Verkehrskasper im Knöllchenverteilen anzulernen, das THW zu imitieren & ansonsten die Blauhelmtruppe zu geben, die solange den Einhalt des Status Quo sichert, wie ihn niemand gefährdet. (Der einzige "Einsatz" im Kosovo bestand 2001 darin, bei einer Massenschlägerei nahe Pristina zwischen Serben & Albanern für Ruhe zu sorgen. Unsere Helden haben 5 Stunden bis zur Herstellung der Abmarschbereitschaft benötigt - d.h. bis der Anruf der lokalen Polizeistation kam, daß die Luft rein war & keine Gefahr bestand, mit Flaschen oder Steinen beworfen zu werden. Als offizielle Begründung wurde allen Ernstes ausgegeben, zwei Soldaten hätten sich zwengs überschäumendem Einsatzeifers gegenseitig in der engen Barackentür eingeklemmt.) Die Mittelmeerpatrouille, deren Aufgabe darin bestand, acht Jahre kein einziges Schiff zu kontrollieren, war ja voriges Jahr der Beitrag zur Sammlung "1000 Jahre deutscher Humor".
Für einen aktiven militärischen Einsatz war die BW nie gerüstet, auch nicht zu FJS' Ägide als BMVg (die Spiegel-Affäre drehte sich ja nicht um die Bekanntgabe dieses Allgemeinplatzes, sondern um das Servieren des Ausmaßes & der Details). Dafür gab es die atomare Abschreckung in Kopplung mit dem Bündnisfall. Daß in dieser Hinsicht in der Bevölkerung eine mentale Aufrüstung vonstatten gehen könnte, ist nach 65 Jahren Angst & vor der Folie von 100 Jahren "Krieg ist fies & mit uns erst recht", sobald es um die Herbeiführung des Friedens geht, eher wenig wahrscheinlich. Das überläßt man den bewährten Imperialisten USA/UK/F. Man möchte nur, daß das Geschieße in den Nachrichten aufhört, damit man mit besserem Gewissen über die dann lästern kann.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2An diesen Passus würde ich das eingesparte setzen.
Da hast Du recht. Bei meiner Zentralaussage, daß Putin sich ziemlich in die Sackgasse manövriert hat, bin ich mir recht sicher. Aber ansonsten habe ich natürlich viele Mutmaßungen und Prognoseversuche gebracht, bei denen Fragezeichen unvermeidlich wären.
So insbesondere natürlich bei der Frage, wie sich die Bundeswehr entwickeln wird. Aber trotz Fragezeichen bin ich da optimistischer als Du. Weil ich meine einen Stimmungsumschwung festzustellen. Und da wird es am Ende nicht reichen, wenn einige Flugzeuge störungsfrei in die Luft kommen. Sondern es werden m. E. Defizite in der Kampfbereitschaft viel kritischer gesehen und berichtet werden.
So ein Vorfall wie von Dir aus dem Kosovo geschildert wird in Zukunft wohl ein ganz anderes Presse-Echo bekommen als damals. Und eben nicht das Presse-Echo, wie es der Frau Minister gefällt, oder der Koalition insgesamt. Sie werden auf jeden Fall etwas tun, der Umfang und der Erfolg bleiben natürlich abzuwarten.
Bei allen diesen Themen gibt es natürlich ganz merkwürdige Frontlinien. Ich sehe derzeit sowohl bei der Bevölkerung wie in der Politik deutliche Mehrheiten für eine Stärkung der Bundeswehr. Aber bei Grünen und SPD ist das mehr eine Sache der Parteispitzen und Parlamentarier, an der Basis ist da nur die Traditions-SPD zuverlässig, der Rest schwebt immer noch im pazifistischen Wolkenkuckucksheim. Rechts dagegen ist die normale bürgerliche Bevölkerung wie immer klar für Verteidigung und eine einsatzfähige Bundeswehr. Aber die Unions-Politiker trauen sich nicht so recht, ihre neugewonnene Kuschelei mit den Medien zu riskieren. Und die AfD setzt ja eher auf Putin.
Lieber R.A., Ihr Wort in Gottes Ohr. Aber ich fürchte, die ganz große deutschland- oder eu-weite Einigkeit bei der Verurteilung von Putins Vorgehen gibt es nicht.
Ich bin eigentlich ziemlich beunruhigt darüber, welch breite Basis die "Putin-Versteher" in der Bevölkerung zu haben scheinen.
Natürlich ist z.B. ein Jakob Augstein ein Spinner. In seiner letzten Kolumne schiebt er z.B. den USA mindestens 50% der Schuld an der Ukraine-Situation zu, mit geradezu grotesken Argumenten. (Zitat: "Was ist aus der Ukraine geworden? Eine Beute der Großmächte. Amerikaner und Russen zerren an dem Land an der Grenze zwischen Ost und West. Sie zerren, bis das Land darüber zerreißt. (...) Da haben die Deutschen die Rechnung ohne die USA gemacht. Amerika hatte nie vor, die Ukraine in der Blockfreiheit zu belassen").
Nur: Man schaue sich mal eine Handvoll der Kommentare zu dem Artikel an und wundere sich über die viele Zustimmung.
Natürlich ist so etwas nicht repräsentativ.
Aber umgekehrt fürchte ich, dass Ihre Vermutung eines großen europaweiten antirussischen Sinneswandels auch nicht stimmt.
Und erst recht wäre ich mir nicht sicher, ob in Deutschland deshalb auf einmal Mehrheiten für einen höheren Wehr-Etat da sind.
Zitat von R.A. im Beitrag #1Ich habe mir zuerst überlegt, ob ich hinter die Überschrift nicht ein Fragezeichen setzen sollte. Aber je mehr ich über den Artikel nachgedacht habe, desto sicherer war ich mir, daß ich das weglassen kann.
Eine (für mich) sehr informative sowie plausible Analyse und Prognose, danke dafür.
Vor einigen Tagen bin ich auf faz.net auf diesen Artikel gestoßen, der sich mit den mentalitätsbedingten Eigenarten russischer Verhandlungsführung beschäftigt und den ich sehr überzeugend fand. Wenn man sich EU-Lichtfiguren wie Ashton (als sie noch im Amt war) oder Schulz, in solchen Verhandlungen vorstellt, dann wird allein schon dadurch klar, wieso ihnen zunächst dauernd das Fell über die Ohren gezogen worden ist. Vielleicht hat man inzwischen etwas besser drauf, wie man Putin persönlich begegnen muß, um von ihm überhaupt ernst genommen zu werden. Merkel traue ich das durchaus zu. Manchmal sind es ja solche trivialen Details, die über deutlich mehr entscheiden als man zunächst wahrhaben will.
Zitat von Doeding im Beitrag #5Vor einigen Tagen bin ich auf faz.net auf diesen Artikel gestoßen, der sich mit den mentalitätsbedingten Eigenarten russischer Verhandlungsführung beschäftigt und den ich sehr überzeugend fand.
Vielen Dank für den Artikel. Was Poulet beschreibt, trifft komplett zu. Auf russischer Seite existiert eine Art intuitives Verständnis für Spieltheorie, eine andere Priorisierung der Moral und eine andere Argumentationskultur. Drei illustrierende Vergleiche:
1. Die deutschen Polizeien raten bei Überfällen, dem Räuber seine Habe auszuhändigen. Die russische Variante ist Система: Sich auch durch Gewalt nicht einschüchtern lassen, nicht vor Schreck verkrampfen und die Blöße, die sich jeder Angreifer immer geben muß, zum Gegenangriff ausnutzen. Damit können auch Frauen sich männlicher Angreifer erwehren. Der Rat der deutschen Polizei ist hingegen vergeblich, wenn beim Räuber nicht wie bei einem normalen Mensch die Tötungshemmung höher ist als die Hemmung zur Gewaltandrohung oder wenn er einen lebenden Zeugen fürchtet. Man gibt alle Initiative dem Räuber und vielleicht dem Polizeibeamten, der später vielleicht mit dem Fall zu tun hat.
2. In der orthodoxen Tradition ist Aufopferung für das Heimatland ein höherer Wert als im Westen. Zwar gab es auch im Westen einen Hurra-Patriotismus wie 1914, aber die Grundlagen sind andere: Im Westen ist die Moral abgeleitet von allgemein gedachtem Christentum (katholisch) und Zivilisation ("internationale Gemeinschaft"). In der Orthodoxie wertet man das Bibelwort "suchet allzeit der Stadt bestes" ganz anders. Da ist der Patriotismus ein fester Bestandteil des Moralkodex, der nicht erst von einem Staatschef erfunden werden muß. In der Politik ist letztere Haltung durchsetzungsstärker, denn wenn man überfallen wird, nutzt es nichts, in der Situation moralisch höherstehend zu sein.
3. Russen argumentieren deduktiv, Amerikaner induktiv. Da verweise ich auf Schugk:
Zitat Deduktives Denken lässt sich in ausgeprägter Weise [...] in Russland vorfinden. So verlangen Russen in Verhandlungen beständig zunächst die Festlegung der allgemeinen Prinzipien und erst danach die Behandlung spezifischer Fälle, technischer und administrativer Einzelheiten und praktischer Fragen. Für sie gilt es somit zunächst Übereinstimmung in den Prinzipien zu finden und erst dann von diesem Punkt aus zu den Einzelheiten fortzuschreiten. [...] In Verhandlungen beginnen russische Verhandlungspartner zumeist mit extremen Verhandlungspositionen, um sich im laufe der Gespräche zu den speziellen Punkten und Aspekten der Verhandlung vorzuarbeiten.
Aber auch eine Art historischer Deduktion ist üblich. Putin: "NATO hat Serbien das Kosovo abgespalten. Wenn es ein allgemeines Prinzip ist, daß man bei Unruhen in einem Land von ihm Provinzen abspalten kann, dann kann ich das auch in der Ukraine." Dabei spielt keine Rolle, ob Putin das selber glaubt, sondern daß dies Art der Argumentation in Rußland verstanden und geübt wird. Die Argumentation ist: Historisches Ereignis -> daraus wird auf die Geltung eines Prinzips geschlossen -> daraus kann abgeleitet werden, ein ähnliches künftiges Ereignis herbeizuführen. Auf westlicher Seite ist es eine Art induktiv-utilitaristischer Argumentation: "Wenn wir in Jugoslawien nicht eingreifen, dann wird die Glaubwürdigkeit der NATO schwinden und es ein Massaker geben." Egal, ob Shea und Solana an den Hufeisenplan geglaubt haben, die Argumentation wurde verstanden und geübt.
Man hat sich mit all den Sachen schon auseinandergesetzt. Es gibt bestimmt auch Experten im AA, die davon wissen und entsprechend verhandeln und kommunizieren würden. Aber ich bin sicher, daß sie sich spätestens bei Obamas und Merkel Wort, es würde keinen Krieg geben, an den Kopf gefaßt haben.
Dieser Anti-Putin-Artikel geht von einer völlig falschen Vorausetzung aus. Er stellt Putin als Aggressor dar.
Das ist er aber nicht. Seit Jahren und Jahrzehnten dehnt USA/Nato den westlichen Einfluß immer mehr nach Osten aus, während EU/Merkel im Schlepptau hinterher-dackeln. In dieser Zeit wurden mehrere demokratisch gewählte Regierungen in der Ukraine von USA und HiWis weg-geputscht und durch US-Marionetten ersetzt.
Putin wurde vom Westen angegriffen und hat - zum ersten Mal in dieser Klarheit - seine Position behauptet und hat den Aggressor zurückgeschlagen. Und das ist ein Sieg, der nichts mit "Pfürrus" zu tun hat.
PS: Merkel ist in diesem Konflikt nur eine Witzfigur. Sie spielt in "Guter Bulle, böser Bulle" halt den "guten Bullen", während US-Präsident Oh-Bummer den Säbelrassler gibt.
Zitat von Martin Teller im Beitrag #7Seit Jahren und Jahrzehnten dehnt USA/Nato den westlichen Einfluß immer mehr nach Osten aus, während EU/Merkel im Schlepptau hinterher-dackeln. In dieser Zeit wurden mehrere demokratisch gewählte Regierungen in der Ukraine von USA und HiWis weg-geputscht und durch US-Marionetten ersetzt.
Putin wurde vom Westen angegriffen und hat - zum ersten Mal in dieser Klarheit - seine Position behauptet und hat den Aggressor zurückgeschlagen.
Derartig frech vorgetragene Propagandalügen, ohne jeden Beleg und argumentative Substanz, haben in diesem Forum nichts verloren. Sie sind hier, um eine begründete Meinung zu äussern, Gedankenaustausch zu pflegen - auf einem angemessenen Niveau. Wir gehen davon aus, daß jemand, der sich hier anmeldet, vorher die Diskussionen, die Blogbeiträge sowie die Forumsregeln anschaut und sich darüber im Klaren ist. Wenn Sie an solchem Austausch interessiert sind, sind Sie hier willkommen, andernfalls nicht. Bitte nehmen Sie diesen Hinweis ernst.
Zitat von Martin Teller im Beitrag #7Putin wurde vom Westen angegriffen und hat - zum ersten Mal in dieser Klarheit - seine Position behauptet und hat den Aggressor zurückgeschlagen.
Indem er - nach eigenem Eingeständnis - in die Krim einmarschiert ist und die Insel einfach mal so der Ukraine weggenommen hat? Indem er terroristisch arbeitende eigene Truppen in die Restukraine mit modernsten Waffen einschleust und als Separatisten ausgibt? Selbst wenn man Verständnis für Putins Politik hat und/oder seine Anliegen für berechtigt hält, ist das kein Grund von den deutlich erkennbaren Fakten abzuweichen - die größtenteils (zumindest was die Krim betrifft) von Putin auch gar nicht abgestritten werden.
__________________________________________ Wegen der aktuellen Krise werde ich fortan Krimsekt, russischen Kaviar, russische Puppen, russische Eier und Boeuf Stroganoff boykottieren
Zitat von Doeding im Beitrag #5Vor einigen Tagen bin ich auf faz.net auf diesen Artikel gestoßen, der sich mit den mentalitätsbedingten Eigenarten russischer Verhandlungsführung beschäftigt und den ich sehr überzeugend fand.
Vielen Dank für den Artikel. Was Poulet beschreibt, trifft komplett zu. Auf russischer Seite existiert eine Art intuitives Verständnis für Spieltheorie, eine andere Priorisierung der Moral und eine andere Argumentationskultur. Drei illustrierende Vergleiche:[...]
Den zitierten Artikel fand ich auch sehr treffend. Nach meiner Erfahrung kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Russen neigen (auch privatim) dazu, in Gesprächen und Debatten nicht nur auf intellektueller/sachlicher Ebene vorzugehen, sondern immer auch auf emotionaler/psychologischer. Besonders am Anfang sondieren sie mit provokanten, extremen, manchmal ans Beleidigende grenzenden Äußerungen das Nervenkostüm des Gegenüber aus und markieren ihren Status in der Kommunikation relativ aggressiv. Ich weiß nicht, ob das in anderen Fachbereichen auch so ist, aber ich kenne fast keine größere wissenschaftliche Tagung, bei der nicht mindestens ein Russe (im allgemeinen Sinne, der Ukrainer u. dgl. einschließt) meint, auf seine Existenz und Kompentenz hinweisen zu müssen, indem er Vortragende regelmäßig mit (nicht immer sehr durchdachten oder stichhaltigen) Einwürfen, Behauptungen und Fragen unterbricht, deren einzige erkennbare Funktion die Verunsicherung des Vortragenden ist. Auch im Privatgespräch stoßen sie einen gern erst einmal vor den Kopf. Das ist aber in der Regel gar nicht bös gemeint. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, sich hier nicht einschüchtern zu lassen und nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, dann verschwindet das Hindernis.
Das muß man sich vor Augen halten, wenn man versucht, einzelne Aussage von Putin oder anderen russischen Staatsmännern dialektisch zu filetieren und zu interpretieren.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #8Derartig frech vorgetragene Propagandalügen ... haben in diesem Forum nichts verloren.
Ich habe eher den Eindruck, "Putin-Versteher" haben in diesem Forum nichts verloren. Ein "Putin-Versteher" scheint in diesem Forum das zu sein, was in anderen Foren ein "Nazi-Troll" ist.
Zitat von Martin Teller im Beitrag #7PS: Merkel ist in diesem Konflikt nur eine Witzfigur. Sie spielt in "Guter Bulle, böser Bulle" halt den "guten Bullen", während US-Präsident Oh-Bummer den Säbelrassler gibt.
Das ist nun eine interessante Frage: Handelt es sich hier wirklich um ein abgesprochenes Spiel von "Zuckerbrot und Peitsche", bei dem die USA von Waffenlieferungen schwärmen (und das dann des surrealistischen Effekts wegen auch immer wieder halb dementieren), während gleichzeitig Deutschland und Frankreich Verhandlungsbereitschaft demonstrieren? Oder sind hier zwei echt verschiedene Strömungen am Werk, einerseits die USA, die traditionell den Versuch militärischer Lösungen gern unternehmen, selbst wenn diese Lösungen gar nicht so viele Probleme wirklich lösen wie sie erzeugen; andererseits davon unabhängig die beiden europäischen Kernländer, denen die Kriegstreiberei vor ihrer Haustür zu brenzlig wird, und die in der Verzweiflung eine diplomatische Lösung suchen, auch wo diese bereits extrem unwahrscheinlich geworden ist?
Es ist ja immerhin bemerkenswert, daß Frankreich und Deutschland, die in der Euro-Sache ja schon zu gegensätzlichen Lagern gehören, hier noch einmal so einträchtig gemeinsame Sache gemacht haben.
Es wurde auch (z.B. in der FAZ) kommentiert, daß man von Großbritannien gar nichts höre. Das liegt wohl daran, daß hier einiges zusammenkommt. Großbritannien hat spätestens seit der Litvinenko-Affäre ein gespanntes Verhältnis zu Rußland und eignete sich daher weniger gut zum Vermittler; daß es aber andererseits immer den Wauwau für die USA abgeben muß, steht seit der Verweigerung 2013, an der geplanten US-Militäraktion in Syrien teilzunehmen, auch nicht mehr völlig fest. Außerdem stehen allgemeine Wahlen vor der Tür, bei denen Cameron an UKIP, den aus der überhasteten Behandlung des Schottland-Problems erwachsenen Verfassungsschwierigkeiten, dem leidigen Verhältnis zur EU usw. schon mehr als genug zu beißen hat, so daß er eine ggf. nach hinten losgehende Festlegung im internationalen Verhältnis zu Rußland im Moment brauchen könnte wie einen Kropf. Zu allem Überfluß ist da auch noch die Sache mit dem Chilcot-Untersuchungsausschuß, der der Frage der Rechtmäßigkeit der Irak-Aktion nachgeht; die Publikation des Berichts wurde nun anrüchigerweise auf nach den Wahlen verschoben, was den Verdacht nahelegt, daß das Ergebnis kein all clear sein wird… jedenfalls ein erneutes militärisches Engagement der allgemeinen Bevölkerung derzeit so gut wie nicht vermittelbar macht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #12andererseits davon unabhängig die beiden europäischen Kernländer, denen die Kriegstreiberei vor ihrer Haustür zu brenzlig wird, und die in der Verzweiflung eine diplomatische Lösung suchen, auch wo diese bereits extrem unwahrscheinlich geworden ist?
Es könnte sich noch auszahlen, daß unsere VerteidigungsministerInnen-DarstellerIn die Bundeswehr dermaßen runtergewirtschaftet hat, daß diese "Armee" überhaupt nicht in der Lage ist, einen militärischen Konflikt mit Rußland vom Zaun zu brechen - auch wenn Merkel das noch so gerne will.
sehr würde ich begrüßen, wenn Sie sich vom Zimmer freiwillig zurückziehen würden, aus der Erkenntnis heraus, es ist eindeutig nicht Ihr Habitat.
Ansonsten schlage ich vor, nicht nur aus den hier oben Vorgegangenen, sondern auch in Kenntnis der anderen bisherigen Beiträge des werten Autors, ihn moderationshalber beherzt zur Tür zu begleiten, auf daß er sich mit Erfolg woanders einbringen dürfe.
Ich vergleiche zunächst mit München 1938 und den Folgen.
Erster Unterschied: Putin spielt gezielt mit dem Feuer; mit der Inkohärenz, Verwirrtheit und Liebedienerei im Westen; mit der Chance, ausgiebig zu drohen und zu schubsen mit zunehmendem Erfolg. Einen echten offenen großen Krieg für jetzt, bald oder später beabsichtigt er nicht.
Zweiter Unterschied: Er beabsichtigt durchaus auch einen gesamten außenpolitischen Erfolg von langer Dauer.
Dritter Unterschied: Er ist weit skrupelloser als Hitler in der Wahl der momentanen direkten, komplexen, sogenannten "hybriden" Gewalt- und Druckmethoden.
Vierter Unterschied: Im Gegensatz zur Politik von Hitler ist das jetzige russische Vorgehen seit sehr vielen Jahre vorbereitet. In der Nomenklatura und in den Streitkräften gehört es offen seit Jahren zum Lehrmaterial. Eine ausführliche Rede darüber seitens des (soweit ich mich erinnere) Generalstabschefs ist vor wenigen Jahren auch international veröffentlicht worden. (Zur völligen Nicht-Beachtung seitens der Öffentlichkeit und der Politiker im Westen. "Natürlich", muß ich beinah sagen... )
Fünfter Unterschied: Die russische Öffentlichkeit unterstützt ziemlich vorbehaltlos dieses Vorgehen.
Sechster Unterschied: Es gibt keinerlei pragmatische Widerstandsvorstellungen im Westen. Es gibt kein Churchill, kein de Gaulle, kein Benes, kein Roosevelt. Es gibt Merkel. Wer nicht davon genug hat, greife zur Höchstdosis Hollande. Eine reale Präsenz der USA, oder eigene politische Vorstellungen seitens der USA gibt es ganz und gar nicht.
Siebter Unterschied: Der Defätismus ist stärker als 1938.
Achter Unterschied: Der riesige Wohlstand vernebelt und verwirrt*.
Spätere Überlegungen kann ich gerne noch im Gespräch mit den anderen Zimmerleuten entwickeln.
Meine bisherigen Anmerkungen verleiten mich jedoch nicht unbedingt zur Begeisterung.
abifiz
* Selbstredend ohne die einzige Quelle von Verwirrtheit und Vernebelung zu sein. PS Wenn ich den blauen moderativen Text nun lese, muß ich zugeben: schon wieder bin ich zu spät dran...
_______________________________________________________________________________________ Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
Zitat von Lalelu im Beitrag #13Während in den Meinungsschlachten der siebziger Jahre zumindest die Fakten anerkannt wurden, werden diese heute schon an sich geleugnet – oder zum Gegenstand einer absurden Verschwörungsakrobatik gemacht
Das hatte wohl in den 70ern eher was mit einer Art "Größenwahn" zu tun. Die verschiedenen Lager haben die Zeitungen gelesen und wähnten sich dann gut genug informiert, um überall mitquatschen zu können. Weil alle auf dem gleichen (Des-)Informationsstand waren, ergab sich die Art von "Meinungsschlacht", die dort gepriesen wird.
Natürlich völliger Blödsinn. Entscheidend war und ist, was nicht in der Zeitung steht. Heute wissen das zumindest manche Menschen. Es gibt immer mehr Leute, die ihre Informations-Grenzen kennen und zugestehen, daß es Dinge gibt, die aus gutem Grund unter der Decke gehalten werden. Das bringt natürlich ein gewisses Maß an Unsicherheit und Spekulation in die Diskussion, die gerne als "Verschwörungsakrobatik" verunglimpft wird.
Zitat von Lalelu im Beitrag #13Während in den Meinungsschlachten der siebziger Jahre zumindest die Fakten anerkannt wurden, werden diese heute schon an sich geleugnet – oder zum Gegenstand einer absurden Verschwörungsakrobatik gemacht
Das hatte wohl in den 70ern eher was mit einer Art "Größenwahn" zu tun. Die verschiedenen Lager haben die Zeitungen gelesen und wähnten sich dann gut genug informiert, um überall mitquatschen zu können. Weil alle auf dem gleichen (Des-)Informationsstand waren, ergab sich die Art von "Meinungsschlacht", die dort gepriesen wird.
Natürlich völliger Blödsinn. Entscheidend war und ist, was nicht in der Zeitung steht. Heute wissen das zumindest manche Menschen. Es gibt immer mehr Leute, die ihre Informations-Grenzen kennen und zugestehen, daß es Dinge gibt, die aus gutem Grund unter der Decke gehalten werden. Das bringt natürlich ein gewisses Maß an Unsicherheit und Spekulation in die Diskussion, die gerne als "Verschwörungsakrobatik" verunglimpft wird.
Ja, heute nutzen die Menschen das Internet und wissen dann mehr. Zum Beispiel, dass wenn Putin in der Ukraine einmarschiert, der US-Präsident und die Kanzlerin die Kriegstreiber sind. Das hebt die Menschheit auf eine neue Stufe der Logik.
Ich bitte von ganzem Herzen die Zimmer-Foristen, auf die Provokationen von Teller nicht einzugehen. Mit dem Eingehen auf ihn wird aus seiner anfänglichen noch einhegbaren Störung ein beherrschendes Störhindernis.
abifiz
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Zitat von Lalelu im Beitrag #17Ja, heute nutzen die Menschen das Internet und wissen dann mehr.
Zumindest wissen sie, daß sie nicht alles wissen. Das ist schonmal eine Erkenntnis, die sie den Diskutanten in den 70ern voraus haben.
Ich habe Forumsmitglied Martin Teller bis auf weiteres gesperrt. Grund ist der Versuch, eine Metadiskussion zur Moderation von Ulrich Elkmann anzuzetteln. Insbesondere vor dem Hintergrund des Artikels von Llarian zur Moderation vor wenigen Tagen erscheint mir das mehr als frech. Letztentscheidung durch die admins
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #8Derartig frech vorgetragene Propagandalügen ... haben in diesem Forum nichts verloren.
Ich habe eher den Eindruck, "Putin-Versteher" haben in diesem Forum nichts verloren. Ein "Putin-Versteher" scheint in diesem Forum das zu sein, was in anderen Foren ein "Nazi-Troll" ist.
Das Problem liegt weit weniger bei dem, was Sie gesagt haben und mehr bei dem, wie Sie es ausgedrückt haben.
Zitat von Fluminist im Beitrag #10Den zitierten Artikel fand ich auch sehr treffend. Nach meiner Erfahrung kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Russen neigen (auch privatim) dazu, in Gesprächen und Debatten nicht nur auf intellektueller/sachlicher Ebene vorzugehen, sondern immer auch auf emotionaler/psychologischer. Besonders am Anfang sondieren sie mit provokanten, extremen, manchmal ans Beleidigende grenzenden Äußerungen das Nervenkostüm des Gegenüber aus und markieren ihren Status in der Kommunikation relativ aggressiv. Ich weiß nicht, ob das in anderen Fachbereichen auch so ist, aber ich kenne fast keine größere wissenschaftliche Tagung, bei der nicht mindestens ein Russe (im allgemeinen Sinne, der Ukrainer u. dgl. einschließt) meint, auf seine Existenz und Kompentenz hinweisen zu müssen, indem er Vortragende regelmäßig mit (nicht immer sehr durchdachten oder stichhaltigen) Einwürfen, Behauptungen und Fragen unterbricht, deren einzige erkennbare Funktion die Verunsicherung des Vortragenden ist.
Da hat wohl jeder auch ein bißchen unterschiedliche Kommunikationspräferenzen. Ich selber finde es eher unterhaltsam, unfundierte Widersprüche abschmettern zu können. Speziell in der Wissenschaft, wo de facto Reputation ja eine große Rolle spielt, ist das einfach eine besonders offene Weise, um die Reputation zu kämpfen. Hingegen heißt es von einem indischen Kollegen (die stehen ja im Ruf, immer besonders diplomatisch zu kommunizieren und nie direkt "Nein" zu sagen), daß er als anonymer Gutachter grundsätzlich alles ablehnt, was nicht ehrfürchtig genug ihn zitiert.
Zitat von Fluminist im Beitrag #10Das muß man sich vor Augen halten, wenn man versucht, einzelne Aussage von Putin oder anderen russischen Staatsmännern dialektisch zu filetieren und zu interpretieren.
Es ist Zeit, das Wort Putinversteher mit positiver Konnotation zu verwenden. Wenn man Putin versteht, darf man sich weder von seiner Behauptung einer amerikanischen Einkreisungspolitik noch von der russischen Armee beeinducken lassen. Genau wie Oberst Poulet aus dem FAZ-Artikel kann man dem energisch widersprechen. Putin kann dann antworten: "Kann man auch so sehen -- laß uns frische Luft schnappen." Fertig. Man hätte ruhig auch signalisieren können, militärisch dagegenhalten zu wollen, solange man Putin noch eine Brücke offengelassen hätte, seine wahren Belange (und die sind schnöder ökonomischer Natur) friedlich gesichert zu sehen. Das Gerede aus der NATO, man wolle keine Soldaten in die Ukraine zu schicken, war von Anfang an sowieso nicht haltbar, weil man selber aktiv das Prinzip etabliert hat, daß in innerstaatlichen Konflikten eine Intervention nötig sei. Und tatsächlich schickt man jetzt doch Soldaten unter OSZE-Mandat in die Ukraine. Aber erst, wo in Donezk und Luhansk alles zerschossen ist.
Zitat von Emulgator im Beitrag #21Da hat wohl jeder auch ein bißchen unterschiedliche Kommunikationspräferenzen. Ich selber finde es eher unterhaltsam, unfundierte Widersprüche abschmettern zu können. Speziell in der Wissenschaft, wo de facto Reputation ja eine große Rolle spielt, ist das einfach eine besonders offene Weise, um die Reputation zu kämpfen.
Für den direkt Angesprochenen mag es unterhaltsam und eine willkommene Gelegenheit sein dagegenzuhalten. Aber wenn man im Publikum sitzt und gekommen ist, um den Vortrag, nicht die eitlen Gockeleien eines anderen Publikumsmitglieds zu hören, kann es vor allem im regelmäßigen Wiederholungsfall schon nerven. In Maßen - etwa so wie Schlammringen - unterhaltsam wird das dann nur, wenn mal zwei "Russen" auf diese Weise aneinandergeraten und man die Nichtigkeit alberner, auf bloßen Behauptungen fußender Prioritätsstreitigkeiten als gewissermaßen Außenstehender analysieren kann.
Zitat von Emulgator im Beitrag #21Es ist Zeit, das Wort Putinversteher mit positiver Konnotation zu verwenden. Wenn man Putin versteht, darf man sich weder von seiner Behauptung einer amerikanischen Einkreisungspolitik noch von der russischen Armee beeinducken lassen. Genau wie Oberst Poulet aus dem FAZ-Artikel kann man dem energisch widersprechen. Putin kann dann antworten: "Kann man auch so sehen -- laß uns frische Luft schnappen." Fertig. Man hätte ruhig auch signalisieren können, militärisch dagegenhalten zu wollen, solange man Putin noch eine Brücke offengelassen hätte, seine wahren Belange (und die sind schnöder ökonomischer Natur) friedlich gesichert zu sehen. Das Gerede aus der NATO, man wolle keine Soldaten in die Ukraine zu schicken, war von Anfang an sowieso nicht haltbar, weil man selber aktiv das Prinzip etabliert hat, daß in innerstaatlichen Konflikten eine Intervention nötig sei. Und tatsächlich schickt man jetzt doch Soldaten unter OSZE-Mandat in die Ukraine. Aber erst, wo in Donezk und Luhansk alles zerschossen ist.
Zitat von Emulgator im Beitrag #21 Es ist Zeit, das Wort Putinversteher mit positiver Konnotation zu verwenden. Wenn man Putin versteht, darf man sich weder von seiner Behauptung einer amerikanischen Einkreisungspolitik noch von der russischen Armee beeinducken lassen. Genau wie Oberst Poulet aus dem FAZ-Artikel kann man dem energisch widersprechen. Putin kann dann antworten: "Kann man auch so sehen -- laß uns frische Luft schnappen." Fertig. Man hätte ruhig auch signalisieren können, militärisch dagegenhalten zu wollen, solange man Putin noch eine Brücke offengelassen hätte, seine wahren Belange (und die sind schnöder ökonomischer Natur) friedlich gesichert zu sehen. Das Gerede aus der NATO, man wolle keine Soldaten in die Ukraine zu schicken, war von Anfang an sowieso nicht haltbar, weil man selber aktiv das Prinzip etabliert hat, daß in innerstaatlichen Konflikten eine Intervention nötig sei. Und tatsächlich schickt man jetzt doch Soldaten unter OSZE-Mandat in die Ukraine. Aber erst, wo in Donezk und Luhansk alles zerschossen ist.
So verstanden möchte ich Ihnen ausdrücklich zustimmen. Die Diskussionen zum Thema, bislang von mir weitgehend gemieden, sind ihrem Wesen nach ja ziemlich dichotom und erinnern mich zuweilen an dieses Glanzstück ostdeutschen Liedgutes .
Mal meine recht unbedarfen 2 cents dazu. In der Bewertung der Gegenwart stimme ich R.A. zu. Dennoch muß einen das, auch als überzeugter Anhänger des Westens und der Westbindung, nicht daran hindern, mal selbstkritisch zu schauen, wo man selbst in der Vergangenheit nicht richtig hingeschaut hat. Mir fallen zwei Dinge ein. Putins auf deutsch gehaltene Rede vor dem deutschen Bundestag Anfang der 2000er Jahre, die in die fast flehentlich vorgetragene Aussage mündete, daß "wir bis heute nicht gelernt haben, uns gegenseitig zu vertrauen". Ich habe das damals als sehr weit gehendes Angebot zur Kooperation (und eben zur Vertrauensbildung) empfunden, und ich sehe bis heute keinen Anlaß daran zu zweifeln, daß er das damals ernst gemeint hat. Das zweite Schlaglicht war die Münchner Sicherheitskonferenz 2007(?), auf der er bereits einen völlig anderen Ton angeschlagen hat und ziemlich deutlich gemacht hat, was mit ihm geht und was nicht. Auch in diese Zeit fällt meiner Erinnerung nach der immer drastischer werdende autokratische Regierungsstil Putins nach innen.
Meine Frage ist: was ist in diesen 15 Jahren seit Putins Rede vor dem BT passiert? Wo und wann hat man nicht ernst genommen was doch ernst gemeint war und man besser hätte ernst nehmen sollen? Ich bin mir ziemlich sicher, daß Putin in den letzten Jahren eine riesige Veränderung vollzogen hat (und nicht etwa jetzt seine "Maske fallenläßt" oder seine "wahren Motive" zeigt wie man verschiedentlich liest). Selbst zwischen Putins Rede 2007 und dem deutlich neoimperialistischen Verhalten der letzten Jahre ist ja immer noch eine Menge Zeit vergangen. Es ist unerläßlich, Putins Motive der Vergangenheit zu verstehen um sein Verhalten der Gegenwart angemessen bewerten zu können und, wichtiger noch: um ihn besser prognostizieren zu können als das offenbar in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Daher, ja: Putin zu verstehen ist eine Notwendigkeit, und dazu gehört wohl auch die Fähigkeit zur Selbstkritik, was jedoch nicht das Geringste an der Verantwortung Putins für seine heutige Politik ändert.
Zitat von Florian im Beitrag #4Ich bin eigentlich ziemlich beunruhigt darüber, welch breite Basis die "Putin-Versteher" in der Bevölkerung zu haben scheinen.
Die ist eher lautstark als breit. Sicher, es gibt eine solide Basis an US-Haß in Deutschland (u. a. bei den älteren SED-Kadern), und die Putinisten mögen 10%, vielleicht 20% hinter sich haben. Aber das ist eben weit weg von irgendeiner Mehrheit.
Zitat Und erst recht wäre ich mir nicht sicher, ob in Deutschland deshalb auf einmal Mehrheiten für einen höheren Wehr-Etat da sind.
Wie schon gesagt: Das ist tatsächlich der unsicherste Teil meiner Prognosen.
Aber es gibt so Anzeichen. Es wird manche überraschen, wo ich die sehe. Es ist ja Karnevalszeit. Und bei den Sitzungen hat man die seltene Situation, daß in der Bütt auch aktuelle politische Themen gebracht werden - und man sieht die direkte Reaktion des Publikums. Und dieses Publikum ist bei einem normalen Verein vor Ort eine recht typische Mischung aus der normalen Mittelschicht. Berufstätige, Steuerzahler, zuverlässige Wahlbürger. Politisch etwas traditioneller als die Gesamtwählerschaft - es fehlen fast komplett Grüne und Linke, und das Vernissage-Bürgertum von FDP und CDU. Aber ansonsten repräsentativ für breite Wählerschichten.
Wieder und wieder habe ich über die Jahre festgestellt: Die Themen die dort "ankommen", werden in den Folgejahren auch in der großen Politik eine zentrale Rolle spielen. Nach PISA waren das Schulfragen, auch Atomangst, später Mindestlohn oder Ablehnung von Islamismus. Und wann da jetzt plötzlich die Halle lautesten Beifall gibt, wenn Putin niedergemacht wird und vor allem, wenn es um die schlechte Ausstattung der Bundeswehr geht - dann sagt mir das deutlich mehr als die Kommentar-Irren bei Spiegel Online.
Zitat von Fluminist im Beitrag #12Das ist nun eine interessante Frage: Handelt es sich hier wirklich um ein abgesprochenes Spiel von "Zuckerbrot und Peitsche", bei dem die USA von Waffenlieferungen schwärmen (...), während gleichzeitig Deutschland und Frankreich Verhandlungsbereitschaft demonstrieren? Oder sind hier zwei echt verschiedene Strömungen am Werk, einerseits die USA, die traditionell den Versuch militärischer Lösungen gern unternehmen, selbst wenn diese Lösungen gar nicht so viele Probleme wirklich lösen wie sie erzeugen; andererseits davon unabhängig die beiden europäischen Kernländer, denen die Kriegstreiberei vor ihrer Haustür zu brenzlig wird, und die in der Verzweiflung eine diplomatische Lösung suchen, auch wo diese bereits extrem unwahrscheinlich geworden ist?
Ich sehe da keinen Widerspruch. Es gibt die beiden Strömungen, mit den USA und Deutschland als den beiden Antipoden (Frankreich ist ja eigentlich ähnlich interventionistisch wie die USA). Und das kann man natürlich als glaubhafte Basis für ein "good cop, bad cop"-Szenario nutzen.
Wobei Obama als "bad cop" natürlich die völlige Fehlbesetzung ist. Er dürfte Putin eher zum Lachen bringen als ihn einschüchtern. Weswegen es auch besser ist, daß er im Hintergrund geblieben ist. Aber Putin weiß natürlich, daß in den USA (bei den Reps sowieso, aber auch stark bei den Dems) die Neigung zu einer harten Linie wächst. Das muß er einkalkulieren, egal was er vom auslaufenden Präsidenten hält.
Ich glaube sogar, daß wegen der Situation in den USA die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß sich Putin vorerst an die Vereinbarungen von Minsk halten wird. Gerade in der US-Vorwahlphase kann er es eigentlich gar nicht gebrauchen, daß die Ukraine-Situation in den Fokus kommt und sich die Kandidaten mit Hardliner-Positionen überbieten. Lieber erst einmal seine Position konsolidieren und darauf hoffen, daß der nächste Präsident mit anderen Themen beim Wähler im Wort steht.
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