Zitat von Paul im Beitrag #48Wenn der "Westen" bei seiner gegenwärtigen Politik bleibt, werden die Kämpfer der Ukraine wie "Lämmer zur Schlachtbank geführt". Diese Halbherzigkeit der Unterstützung der Ukraine wird weiter unnötige Todesopfer fordern und den Bestand der Ukraine nicht sichern. Die Vereinbarung von Minsk erinnert fatal an das Münchener Abkommen.
Richtig. In erster Linie geht es noch nicht um die Aufrüstung Westeuropas, sondern um massive Hilfe für die Ukraine. Sowohl wirtschaftlich, als eben auch militärisch. Grundsätzlich hat ja auch die verbliebene Ukraine das Potential für eine starke Armee. Aber die muß man halt ausbilden und ausrüsten.
Und hier kann Europa auch seine Stärken ausspielen. Trotz Schuldenkrise, trotz Griechenland, trotz Wachstumsschwäche: Es ist grundsätzlich überhaupt kein Problem für die EU-Staaten, jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag für die Ukraine-Unterstützung zu überweisen. Rußland hat nicht annähernd die Basis, da mitzuhalten.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #46Wir sollten aber erst einmal davon ausgehen, daß Putin nicht so verblendet sein wird, den Bündnisfall auszulösen ...
Natürlich würde er das nicht offiziell tun, per Kriegserklärung. Und bestimmt auch nicht in Polen - die würden sich nämlich wirklich wehren.
Aber was wäre denn, wenn z. B. in Lettland "Separatisten" auftauchen, die die Rechte der russischen Minderheit (immerhin ein Viertel der Bevölkerung) "schützen" wollen. Die lettische Armee hat gerade mal 5000 Mann und keine Reserven - da wird es schnell ungemütlich, wenn 10 000 Separatisten feststellen, daß sie in der Garage noch zufällig ein paar fast alte Panzer gefunden haben und die Grenzen ihres Autonomiegebiets "verteidigen". Wo wäre denn da der Punkt erreicht, an dem die NATO einen russischen Angriff konstatieren würde?
Was bei den Esten die ungesicherte Grenze ist in Lettland der Status der russischstämmigen Minderheit. Sie sind keine Bürger Lettlands, sondern gelten als Nichtbürger. Staatenlos.
Zitat von Werwohlf im Beitrag #47Und welche ((Druckmittel)) hätte ein aufgerüstetes Westeuropa? Eine Kriegsdrohung?
Nicht wirklich, da stimme ich völlig zu. Aber darum geht es auch nicht. Auch im kalten Krieg ging es bei Aufrüstung nicht um den konkreten Einsatz, sondern um die Signalwirkung.
Eine demonstrative Nachrüstung würde das Verhandlungsklima deutlich zugunsten der EU ändern. Denn es ist völlig klar, daß Europa angesichts der veränderten Größenverhältnisse mit Rußland jederzeit das machen könnte, was im kalten Krieg nur die USA mit der Sowjetunion machen konnten: Schlichtes Totrüsten. Es steht ein Wirtschaftsraum von 500 Millionen Menschen mit einem BIP von 15.000 Milliarden $ gegen eine Mittelmacht mit 140 Millionen Einwohnern und 2.000 Milliarden $ BIP. Wenn der politische Wille da ist, kann die EU Putin mit der linken Hand auf allen Gebieten militärisch übertrumpfen. Denn er hat ja schon oberste Priorität auf Militarrüstung gesetzt und kann nur noch begrenzt zusetzen - wir fangen dagegen bei ziemlich wenig an.
Zitat Die einzigen, die dem Kreml glaubhaft mit Militärmaßnahmen drohen können, sind die Amerikaner.
Wenn es um offensive Maßnahmen geht: Ja. Aber da gibt es ja noch mehr. Wenn ich z. B. das unten beschriebene Lettland-Szenario betrachte: Das wird dann interessant, wenn z. B. die Bundeswehr mit einer Brigade die lettische Grenze sichern hilft. Denn die ganze "Separatisten"-Nummer basiert ja darauf, daß diese ungehindert Nachschub und Verstärkung aus Rußland bekommen. Derzeit wäre eine Bundeswehr-Brigade zu stationieren eher eine Lachnummer. Wenn die wirklich vernünftig ausgerüstet wäre, hätte man ja schon fast die komplette Kampfkraft der Bundeswehr vor Ort.
Das würde anders aussehen, wenn das vereinigte Deutschland auch nur die halbe Kampfkraft wieder hätte, die Westdeutschland vor 1990 alleine unterhalten hat. Also kein unrealistisches Ziel.
Zitat Im Übrigen glaube ich nicht, dass Merkel und Hollande sich gedemütigt fühlen. Deren Skepsis nach dem Abkommen war sozusagen mit Händen zu greifen.
Das ist richtig. Aber zu erwarten war, daß an irgendwelchen Frontabschnitten Feuergefechte weitergehen. Mit unklarer Lage, wer denn nun jeweils angefangen hat und daher nicht als klarer Verstoß gegen das Abkommen. Mit der offenen Eroberung von Debalzewe hat Putin dagegen offen demonstriert, daß ihn das ganze Abkommen überhaupt nicht interessiert. Das ist eine sehr klare Brüskierung seiner Verhandlungspartner - er gibt sich nicht einmal die Mühe, ihnen einen gesichtswahrenden Ausweg zu gönnen.
Zitat Wobei ich die oft bemühte Vokabel von "Appeasement" sowieso für verfehlt halte.
Ich gebe Dir recht, was die handelnden Regierungspolitiker betrifft. Aber in der politischen und medialen Klasse gibt es sehr wohl eine starke Appeasement-Fraktion - und gegen die muß man argumentieren.
Zitat von Paul im Beitrag #48Wenn der "Westen" bei seiner gegenwärtigen Politik bleibt, werden die Kämpfer der Ukraine wie "Lämmer zur Schlachtbank geführt". Diese Halbherzigkeit der Unterstützung der Ukraine wird weiter unnötige Todesopfer fordern und den Bestand der Ukraine nicht sichern. Die Vereinbarung von Minsk erinnert fatal an das Münchener Abkommen.
Richtig.
Und hier kann Europa auch seine Stärken ausspielen. Trotz Schuldenkrise, trotz Griechenland, trotz Wachstumsschwäche: Es ist grundsätzlich überhaupt kein Problem für die EU-Staaten, jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag für die Ukraine-Unterstützung zu überweisen. Rußland hat nicht annähernd die Basis, da mitzuhalten.
Lieber R.A. bewusst habe ich "Westen" geschrieben, weil ich meine, dass auch außereuropäische Länder, insbesondere Amerika, ein Interesse, mindestens ein humanitäres, daran haben könnten, ich meine sollten, den Bestand der Ukraine in den alten Grenzen zu sichern. Dazu sollten sie ihren finanziellen, materiellen und militärischen Beitrag leisten oder Poroschenko klipp und klar mitteilen, dass sie ihm nicht helfen können. Ansonsten setzt sich das Leid der Zivilbevölkerung fort. Sie, nicht die Militärs, leidet am meisten unter den Kämpfen. Das letztlich sinnlose Töten setz sich sonst fort.
Zitat von R.A. im Beitrag #50Aber was wäre denn, wenn z. B. in Lettland "Separatisten" auftauchen, die die Rechte der russischen Minderheit (immerhin ein Viertel der Bevölkerung) "schützen" wollen. [...]
Was bei den Esten die ungesicherte Grenze ist in Lettland der Status der russischstämmigen Minderheit. Sie sind keine Bürger Lettlands, sondern gelten als Nichtbürger. Staatenlos.
Nichtbürger in Lettland ist nicht exakt dasselbe wie staatenlos, aber sie haben keine Staatsangehörigkeit. Das ist schon ein Skandal und eine Zeitbombe, für die es überhaupt keinen Imperator/Buhmann Putin braucht. Wenn Sie hier etwas in ironische Anführungszeichen setzen wollen, dann wohl eher das Wort "Rechte":
Zitat von wikipediaDie lettischen Nichtbürger sind zahlreichen Einschränkungen bezüglich ihrer bürgerlichen Rechte und teils auch persönlichen Rechte unterworfen. So haben sie kein aktives oder passives Wahlrecht weder bei nationalen noch bei kommunalen Wahlen. Sie sind von der Wahl bestimmter Berufe ausgeschlossen, zum Beispiel ist es ihnen nicht möglich, als Beamte, Polizisten oder Notare zu arbeiten. Für Arbeitszeiten im Ausland erhalten die Nichtbürger keine Rente in Lettland, falls dies nicht durch spezielle Verträge anders geregelt ist.
Daß man einen Staat, der in diesem Ausmaß (14% der Bevölkerung sind solche offiziellen Unpersonen, davon 2/3 Russen) seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, in die EU (und NATO) aufgenommen hat, zeigt, wie blind und hastig die Ostexpansion vorangetrieben wurde.
Zitat von Paul im Beitrag #54bewusst habe ich "Westen" geschrieben, weil ich meine, dass auch außereuropäische Länder, insbesondere Amerika, ein Interesse, mindestens ein humanitäres, daran haben könnten, ich meine sollten, den Bestand der Ukraine in den alten Grenzen zu sichern.
Da stimme ich völlig zu!
Natürlich ist das eine Sache für den Westen insgesamt. Und wird ja auch so gesehen - man muß da gar nicht immer nur die USA schauen. Zum Beispiel fahren die Kanadier zum Ärger des Kreml auch eine ganz deutliche Linie und haben gerade auf eigene Faust die Sanktionen ausgeweitet.
Trotzdem wird Europa künftig stärker für sich selber sorgen müssen. Die Amtszeit Obamas hat gezeigt, daß die USA auch mal als Stütze ausfallen können.
Und wir müssen uns m. E. endlich aus dieser geistigen Selbstverzwergung befreien. Wir sind nicht mehr zweitrangiges Anhängsel der USA, und umgekehrt ist Rußland nicht mehr der übermächtige Gegner wie im kalten Krieg. Damals mußten Westeuropa und Nordamerika ihre Kräfte bündeln, um dem Ostblock gerade mal Paroli bieten zu können. Erst in der Schlußphase der sowjetischen Sklerose (und durch den anhaltenden wirtschaftlichen Fortschritt im Westen) kippt die Balance allmählich zu Gunsten der NATO. Heute wäre die vergrößerte EU problemlos in der Lage, der halbierten Sowjetunion ohne Hilfsstaaten auf mehr als Augenhöhe gegenübertreten zu können. Wir haben das Potential dazu, sind uns dessen aber nicht bewußt und der pazifistische Virus steckt noch in den Hinterköpfen.
Zitat von R.A. im Beitrag #57 Da stimme ich völlig zu!
Natürlich ist das eine Sache für den Westen insgesamt. Und wird ja auch so gesehen - man muß da gar nicht immer nur die USA schauen. Zum Beispiel fahren die Kanadier zum Ärger des Kreml auch eine ganz deutliche Linie und haben gerade auf eigene Faust die Sanktionen ausgeweitet.
Trotzdem wird Europa künftig stärker für sich selber sorgen müssen. Die Amtszeit Obamas hat gezeigt, daß die USA auch mal als Stütze ausfallen können.
Und wir müssen uns m. E. endlich aus dieser geistigen Selbstverzwergung befreien. Wir sind nicht mehr zweitrangiges Anhängsel der USA, und umgekehrt ist Rußland nicht mehr der übermächtige Gegner wie im kalten Krieg. Damals mußten Westeuropa und Nordamerika ihre Kräfte bündeln, um dem Ostblock gerade mal Paroli bieten zu können. Erst in der Schlußphase der sowjetischen Sklerose (und durch den anhaltenden wirtschaftlichen Fortschritt im Westen) kippt die Balance allmählich zu Gunsten der NATO. Heute wäre die vergrößerte EU problemlos in der Lage, der halbierten Sowjetunion ohne Hilfsstaaten auf mehr als Augenhöhe gegenübertreten zu können. Wir haben das Potential dazu, sind uns dessen aber nicht bewußt und der pazifistische Virus steckt noch in den Hinterköpfen.
Lieber R.A., da stimme ich Ihnen völlig zu. Diese fehlende Bereitschaft, Fähigkeit, Wille, man mag es nennen wie man will, wenigstens in dieser Angelegenheit außenpolitisch mit einer (gewaltigen) Stimme zu sprechen, ist für mich ein Ärgernis (es gibt auch noch Andere) und ein deutlicher Hinweis darauf, dass die EU zu schnell, zu überhastet und zu groß aus der Taufe gehoben wurde. Weniger wäre da mehr gewesen. Aber ich will damit keine neue Debatte entfachen. Es liegt mir nur so sehr auf der Seele, dass es mal raus musste.
Zitat von Fluminist im Beitrag #55Daß man einen Staat, der in diesem Ausmaß (14% der Bevölkerung sind solche offiziellen Unpersonen, davon 2/3 Russen) seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, in die EU (und NATO) aufgenommen hat, zeigt, wie blind und hastig die Ostexpansion vorangetrieben wurde.
Genau umgekehrt wird ein Schuh draus. Der hohe Anteil der russischen Bevölkerung ergibt sich ja aus der sowjetischen Besiedlungspolitik der Nachkriegszeit, als bis zu Ende der 50er Jahre eine halbe Million Russen in Lettland angesiedelt wurden - nachdem in den späten vierziger Jahren mehr als ein Zehntel der "ethnischen Letten" - die gesamte Elite - in die Lager der SU verschleppt wurden. Die russische Regierung und das russische Militär haben in den frühen 90er Jahren so deutlich gemacht, daß sie die Beibehaltung dieser Verhältnisse auf der Agenda hatten, daß es ratsam war, hier von westlicher Seite Fakten zu schaffen & nicht, wie üblich, 2 Generationen = 40 Jahre abzuwarten, bis "die Versöhnung stattgefunden" hat. Das klappt nur bei räumlicher Entflechtung der antagonistischen Parteien.
Zitat von Fluminist im Beitrag #55 Das ist schon ein Skandal und eine Zeitbombe, ...
Zeitbombe ja, Skandal nein.
Zeitbombe deswegen, weil es Autokraten wie Putin einen Vorwand liefert, diese Minderheit zu radikalisieren und zu missbrauchen.
Skandal: ein Skandal ist es eher, wie geschichtsvergessen in Deutschland argumentiert wird. Wie ignorant und übertolerant. Solche starken Minderheiten sind durch aktive Bevölkerungspolitik des Hegemon entstanden; genau wie im Verhältnis Tibet - China. Die Idee ist, möglichst schnell Menschen aus dem Zentralland des Hegemon in das eroberte Land zu transportieren und dafür Menschen des eroberten Landes zwangsweise in das Hegemonialland zu transportieren. Da das Hegemonialland 100 mal mehr Menschen besitzt, klappt das in kürzester Zeit. Und schon hat der Hegemon in dem eroberten Gebiet die "demokratische Mehrheit" oder doch zumindest eine lautstarke Minderheit.
Gerade Russland hat diese menschenfeindliche Vorgehensweise über die Jahrhunderte perfektioniert - die Krim ist das beste Beispiel dafür. Ein Gebiet das ursprünglich von Tataren besiedelt war und mit Weissrussland REIN GAR NICHTS zu tun hatte. Nach Jahrzehnten faschistoider Bevölkerungspolitik (nur als Beispiel sei an die Deportation der Tataren nach dem 2. Weltkrieg erinnert) haben wir es jetzt mit "Separatisten" zu tun, die den "Anschluss" an Russland "wünschen".
Das die Letten nicht so genau wissen, wie sie mit dieser zwangsimportierten fünften Kolonne umgehen sollen, ist kein Skandal, sondern völlig verständlich.
Putin ist sich vollkommen bewusst, dass er mit solchen Mitteln Europa neutralisieren kann, denn unsere edelsten Werte sind damit adressiert: "One man one vote" und so was. Europa hat auf eine solch autokratisch-imperialistische Politik keine Antwort; uns fehlen gewissermaßen die weißen Blutkörperchen, um solche Propaganda zu erkennen und zu neutralisieren.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Paul im Beitrag #58 ... ein deutlicher Hinweis darauf, dass die EU zu schnell, zu überhastet und zu groß aus der Taufe gehoben wurde.
Ja - und doch Nein.
Sie ist "zu schnell" gewachsen in Relation zur ihrer Integrationsfähigkeit und der Kapazität, die nötigen Strukturen zu entwickeln. Und deswegen hat es dauernd fürchterlich geknirscht und wir haben bis heute heftige Strukturprobleme in diversen Bereichen.
Aber sie ist nicht "zu schnell" gewachsen in Bezug auf die sich wandelnden weltpolitischen Rahmenbedingungen. Sondern da hat man es geschafft, die neuen Staaten schnell genug an Bord zu nehmen, bevor Rußland wieder auf Expansionskurs geht und die Beitrittsstaaten zur Einflußsphäre erklären kann.
Das ist ähnlich wie bei der deutschen Wiedervereinigung: Wirtschaftlich ging die auch zu schnell, und das hat heftige, bis heute wirkende Probleme verursacht. Aber politisch gab es halt nur ein beschränktes "window of opportunity". Und das wurde zu Recht genutzt, und deswegen haben wir die Einheit überhaupt geschafft. Wenn man auf die Bedenkenträger gehört hätte, und erst einmal die komplette "Einigungsbereitschaft" der DDR abgewartet hätte - dann hätte es für alle Zukunft ein geteiltes Deutschland gegeben.
Auf die EU bezogen: Wenn die Ukraine zusammen mit Rumänien und Bulgarien beigetreten wäre - dann hätten wir ganz erhebliche Integrationsprobleme bekommen und würden wahrscheinlich täglich über diese "Fehlentscheidung" jammern. Aber es hätte mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Krieg gegeben. Nur hätten wir diese Alternative überhaupt nicht sehen können und deswegen gar nicht wissen können, welche schlimmen Folgen der Nicht-Beitritt gebracht hätte.
Im übrigen finde ich das bisherige Verhalten der EU in der Krise überraschend gut. Man hat sich zusammengerauft und eine erstaunlich stabile gemeinsame Linie gefahren. Die mangels Machtmitteln noch nicht sehr erfolgreich ist, aber mit den Sanktionen dem Kreml schon stark bremst. Merkel und Hollande haben eben nicht nur für sich gehandelt, sondern hatten die volle Unterstützung aller wesentlichen EU-Partner. Wie so oft in der Geschichte kann eine gemeinsame Krise bzw. ein äußerer Feind eben sehr hilfreich sein, um eine desolate Truppe auf Kurs zu bringen. Und ich habe den Eindruck, daß das Scheitern von Minsk diesen Prozeß noch deutlich befördern wird.
Auf die EU bezogen: Wenn die Ukraine zusammen mit Rumänien und Bulgarien beigetreten wäre - dann hätten wir ganz erhebliche Integrationsprobleme bekommen und würden wahrscheinlich täglich über diese "Fehlentscheidung" jammern. Aber es hätte mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Krieg gegeben. Nur hätten wir diese Alternative überhaupt nicht sehen können und deswegen gar nicht wissen können, welche schlimmen Folgen der Nicht-Beitritt gebracht hätte.
OT Sie haben soeben bei mir einen überraschenden Nebeneffekt erzielt: Hadere nicht mehr wegen des Beitritts von Rumänien und Bulgarien. Den Aspekt habe ich bisher nicht gesehen.
LG, Paul
Nachtrag: Ja, es wäre aus heutiger Sicht gut gewesen, wenn die Ukraine in die EU aufgenommen worden wäre. Vor einigen Jahren wäre ich sehr dagegen gewesen. Bin eben kein Hellseher.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #59 Die russische Regierung und das russische Militär haben in den frühen 90er Jahren so deutlich gemacht, daß sie die Beibehaltung dieser Verhältnisse auf der Agenda hatten, daß es ratsam war, hier von westlicher Seite Fakten zu schaffen & nicht, wie üblich, 2 Generationen = 40 Jahre abzuwarten, bis "die Versöhnung stattgefunden" hat. Das klappt nur bei räumlicher Entflechtung der antagonistischen Parteien.
Die Aufnahme Lettlands und seiner Nachbarn in NATO und EU war sicher richtig, aber es war nicht richtig, daß dort danach die russischstämmige Bevölkerung in einem Schwebezustand gelassen wurde, und daß die EU das so hat durchgehen lassen. Das ist ja auch inkonsequent gewesen, denn bei anderen Ländern hat man sehr wohl Minderheitenrechte angemahnt, etwa der Türkei. Warum nicht bei Lettland? Zumal es dort sogar im Eigeninteresse ist, keine fünfte Kolonne Rußlands entstehen zu lassen. Daß es sowjetische Politik war, dort eine russischstämmige Minderheit zu haben, spielt dabei keine Rolle. Man kann daran ja nichts ändern, oder sollte man diese Leute einfach vertreiben? Sowieso war das Baltikum historisch immer von verschiedenen Ethnien durchmischt besiedelt gewesen; sogar Deutsche gab es dort vor dem Krieg.
Zitat von Fluminist im Beitrag #55Daß man einen Staat, der in diesem Ausmaß (14% der Bevölkerung sind solche offiziellen Unpersonen, davon 2/3 Russen) seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, in die EU (und NATO) aufgenommen hat, zeigt, wie blind und hastig die Ostexpansion vorangetrieben wurde.
Genau umgekehrt wird ein Schuh draus. Der hohe Anteil der russischen Bevölkerung ergibt sich ja aus der sowjetischen Besiedlungspolitik der Nachkriegszeit, als bis zu Ende der 50er Jahre eine halbe Million Russen in Lettland angesiedelt wurden - nachdem in den späten vierziger Jahren mehr als ein Zehntel der "ethnischen Letten" - die gesamte Elite - in die Lager der SU verschleppt wurden. Die russische Regierung und das russische Militär haben in den frühen 90er Jahren so deutlich gemacht, daß sie die Beibehaltung dieser Verhältnisse auf der Agenda hatten, daß es ratsam war, hier von westlicher Seite Fakten zu schaffen & nicht, wie üblich, 2 Generationen = 40 Jahre abzuwarten, bis "die Versöhnung stattgefunden" hat. Das klappt nur bei räumlicher Entflechtung der antagonistischen Parteien.
Inwiefern das nun "genau umgekehrt" sein soll, ist mir nicht ganz klar. Was Sie schreiben, ist richtig, aber das ist nicht ein umgekehrter Schuh, sondern - im Bild zu bleiben - zwei Paar Stiefel. Der Skandal und der blinde Eifer bestehen darin, daß man ein Land in die EU aufgenommen hat, das den demokratischen Maßstäben, auf die man sich sonst in der EU geeinigt hat, in diesem Punkt nicht genügt. (Es geht also nicht um allgemeine hohe Prinzipien, wie Frank2000 meinte, à la "one man, one vote", sondern um Homogenität in der EU.) Daß diese Menschen Nachfahren von in der Mitte des 20. Jahrhunderts dort aus politischen Gründen Angesiedelten sind, kann doch kein Grund sein, ihnen in der EU sonst allgemein übliche Bürgerrechte zu verweigern. Und wie Emulgator geschrieben hat, es war nicht nur inkonsequent, nicht auf einer Lösung dieser Frage als Voraussetzung für den EU-Beitritt zu bestehen, es war sträflich unvorsichtig.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #60Gerade Russland hat diese menschenfeindliche Vorgehensweise über die Jahrhunderte perfektioniert - die Krim ist das beste Beispiel dafür. Ein Gebiet das ursprünglich von Tataren besiedelt war und mit Weissrussland REIN GAR NICHTS zu tun hatte.
Ein Gebiet, das ursprünglich von Tataren besiedelt war und mit Weissrussland und Ukraine REIN GAR NICHTS zu tun hatte, nicht wahr? Ist aber kein besonders gutes Argument. England ist ein Gebiet, das ursprünglich von Kelten besiedelt war und mit Germanen (Angeln, Sachsen, Dänen, Normannen) rein gar nichts zu tun hatte. Was schließen wir daraus?
Zitat von Fluminist im Beitrag #64 Der Skandal und der blinde Eifer bestehen darin, daß man ein Land in die EU aufgenommen hat, das den demokratischen Maßstäben, auf die man sich sonst in der EU geeinigt hat, in diesem Punkt nicht genügt.
Dieses Argument wird auch nach mehrfachem Wiederholen nicht richtiger. Mit der Rückgewinnung der staatlichen Autorität haben sich die Letten gegen die Einführung des Territorialprinzips und für die Einführung eines Personalprinzips entschieden. Das eine wie das andere ist eine mögliche Form der vollen Staatsbürgerschaft. Es ist überhaupt nicht erkennbar, warum das Territorialprinzip die einzig erlaubte bzw. moralisch gerechtfertigte Form der Staatsbürgerschaft sein sollte und wenn es auch noch so oft wiederholt wird.
Die Schotten haben sich bei ihrem Referendum für das Territorialprinzip entschieden und das ist auch OK - aber in manchen Kreisen kommt so etwas eben sooo viel besser an als das Personalprinzip. So what?
Die schwierige Situation ist ja dann auch dadurch entstanden, dass Russland sich weigerte, den lettischen Nichtbürgern die russische Staatsangehörigkeit zuzugestehen... warum wohl? Im übrigen könnten Sie wissen, dass das aktuelle Recht es den Nichtbürger ermöglicht, relativ leicht die lettische Staatsbürgerschaft zu erreichen. Dazu sind lediglich eine Sprachprüfung sowie Grundkenntnisse in lettischer Geschichte und Verfassung erforderlich. Weitere formale Anforderungen wie wirtschaftlicher Stand, Beruf, Aufenthaltsdauer und sonstiges gibt es nicht. Wer also jetzt noch Nichtbürger ist, ist es in weit überwiegender Mehrzahl deswegen, weil er/sie sich gerade NICHT als Teil der lettischen Gesellschaft fühlt. Warum sollten die Letten Menschen aufnehmen, die sich bewusst von der lettischen Gesellschaft abgrenzen? Nur weil das in Deutschland gerade Mode ist?
Ihre Argumentation empfinde ich doch als sehr einseitig und simplifizierend. Genau so würde ein Putin argumentieren: "die armen, unterdrückten Menschen in Lettland... kein Wunder, dass die sich wehren..."
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Fluminist im Beitrag #65 Ist aber kein besonders gutes Argument. ...Was schließen wir daraus?
Daraus schließen wir, dass es ein weiteres Beispiel für die russisch-imperialistische Bevölkerungspolitik ist und das man die komplexe Situation in den Anrainerstaaten Russlands ohne diese Geschichte nicht verstehen kann. Wenn in der Diskussion immer nur 3 Monate nach hinten geschaut wird, dann ist das eben falsch.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
OK, mal was anderes: In einem anderen Forum fragte jemand, welche Beweise es gibt für die Verwicklung Russlands in den Krieg in der Ukraine. Bevor ich jetzt mühselig alles zusammensuche: hat vielleicht jemand ein Medienarchiv, wo er das schon gesammelt hat? Ich weiß, es gibt einen Bericht über Attileriebeschuss aus Russland und es gab Fotos über Truppenbewegungen aus Russland heraus und Berichte über Uniformen, an denen sogar noch die Hoheitsabzeichen waren... aber es würde mich Stunden kosten, dass alles wieder rauszusuchen...
wäre das nicht mal ein Artikel in Zettels Raum?
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von R.A. im Beitrag #50Und da kann er noch einige Pyrrhussiege einfahren - immer noch ein Gebiet mehr, das zu erobern und zu halten enormes Potential kostet.
Ist das wirklich so teuer? Militärisch ist für Rußland jedes Gebiet fast kostenlos zu halten, weil ja keiner etwas dagegen täte. Manpower hat Rußland genug. Die Sicherheitskräfte sind personell wirklich üppig ausgestattet.
Zitat von R.A. im Beitrag #50Und da kann er noch einige Pyrrhussiege einfahren - immer noch ein Gebiet mehr, das zu erobern und zu halten enormes Potential kostet.
Ist das wirklich so teuer? Militärisch ist für Rußland jedes Gebiet fast kostenlos zu halten, weil ja keiner etwas dagegen täte. Manpower hat Rußland genug. Die Sicherheitskräfte sind personell wirklich üppig ausgestattet.
Militärisch sind die Kosten gering, aber Russland muss die eroberten Regionen finanziell unterstützen, insbesondere die Regierungs- und Sicherheits-/Polizeiapparate. Auch dürfte sich die industriell/wirtschaftliche Schlagkraft durch neue Gebiete nicht verbessern (eher schlechter werden als besser), so dass nur geringfügig mehr Wirtschaftsleistung auf wesentlich mehr Gebiete und Menschen verteilt wird.
Das könnte sich ökonomisch rechnen, wenn Russland außer Rohstoffen noch etwas exportieren würde, so aber...
Zitat von Frank2000 im Beitrag #68OK, mal was anderes: In einem anderen Forum fragte jemand, welche Beweise es gibt für die Verwicklung Russlands in den Krieg in der Ukraine. Bevor ich jetzt mühselig alles zusammensuche: hat vielleicht jemand ein Medienarchiv, wo er das schon gesammelt hat? Ich weiß, es gibt einen Bericht über Attileriebeschuss aus Russland und es gab Fotos über Truppenbewegungen aus Russland heraus und Berichte über Uniformen, an denen sogar noch die Hoheitsabzeichen waren... aber es würde mich Stunden kosten, dass alles wieder rauszusuchen...
Zitat In einem anderen Forum fragte jemand, welche Beweise es gibt für die Verwicklung Russlands in den Krieg in der Ukraine. Bevor ich jetzt mühselig alles zusammensuche: hat vielleicht jemand ein Medienarchiv, wo er das schon gesammelt hat? Ich weiß, es gibt einen Bericht über Attileriebeschuss aus Russland und es gab Fotos über Truppenbewegungen aus Russland heraus und Berichte über Uniformen, an denen sogar noch die Hoheitsabzeichen waren... aber es würde mich Stunden kosten, dass alles wieder rauszusuchen...
Zitat von Emulgator im Beitrag #69Ist das wirklich so teuer? Militärisch ist für Rußland jedes Gebiet fast kostenlos zu halten, weil ja keiner etwas dagegen täte. Manpower hat Rußland genug. Die Sicherheitskräfte sind personell wirklich üppig ausgestattet.
Eine Truppeneinheit zu unterhalten ist eine Sache, eine Truppeneinheit außerhalb der eigenen Grenzen zu unterhalten eine ganz andere. Die lächerliche Präsenz in Moldawien hat Rußland jedenfalls einen gehörigen logistischen Aufwand gekostet. In Georgien dürften die Kosten überschaubar sein. Aber der Krim fehlt ja die Landverbindung zum "Mutterland" und nach diversen Berichten muß Rußland da monatlich hohe Summen versenken, um Land und Leute zu versorgen. Und in der Ostukraine hat der von Putin angezettelte Krieg so viel Trümmer hinterlassen, daß das auf Jahre heftige Zuschüsse kosten wird.
Und das alles auf einer recht schwachen wirtschaftlichen Basis. Putin hat ja an den maroden sowjetischen Verhältnissen nicht viel geändert, sondern nur von den gestiegenen Rohstoffpreisen profitiert. Und die gehen jetzt wieder in den Keller. Plus die Wirkung der Sanktionen.
http://de.rbth.com/politik/2015/02/18/ru...aine_32865.html Lieber Erling Plaethe, Ist obiger link nicht geradezu eine Bestätigung dafür, daß es sich bei Russland nicht um eine Art "Diktatur" handelt? Das ist doch mW vom Russischen Staats-TV gefördert.
Mir fehlt hier ein klein wenig die Gegenseite der Ansichten. Was meine ich damit? Ich lese hier immer nur (verkürzt geschrieben, aber ich gehe davon aus, das die Forianer durchaus wissen, was ich meine)über Putin. Hat die Ukraine bzw.deren Regierung so gar keinen Anteil am Geschehen? Haben die nicht ganz massiv damit begonnen, ähnliche Proteste wie auf dem Maidan im Osten des Landes mit Gewalt zu unterdrücken? Dies zu einem Zeitpunkt, an dem Janukowitsch sogar noch Präsident war! Wurde nicht das Abkommen zwischen Janukowitsch, dem Maidan und den Aussenministern von D und F schon am Tag darauf gebrochen? Hab ich das übersehen oder gabs da keine Proteste z.B. durch uns? Bricht nur Putin Verträge? Sind die Aussagen von Victoria Nuland nur ein "Fake"? Bilde ich mir die Besuche diverser Westpolitiker wie von CIA-Chef Brennan oder von Biden incl. deutscher Politiker nur ein? Ist es friedensfördernd, wenn ein amerikanischer General in Kiew ukrainische Soldaten mit Medaillen beglückt? Wenn die Amerikaner keine oder wenig Interessen dort haben, dann ist die Berufung des Vize-Sohns Biden in den Vorstand der grossen ukrain. Gasgesellschaft nur ein Zufall ebenso wie die Berufung einer amerik. Hedgefondmanagerin zur Finanzministerin der Ukraine? Vom Brzesinski- Buch "Die einzige Weltmacht" will ich gar nicht anfangen.......obwohl sich das durchaus wie eine Regieanweisung liest (es ist übrigens sehr gut geschrieben). Liege ich falsch, wenn Russland in den Minsk-Verhandlungen den Debalzewo-Kessel einbeziehen wollte, aber Poroshenko dessen Existenz einfach verneint hat? Hat Poroshenko das Abkommen überhaupt unterschrieben?
Sicher bin ich da kräftig im Widerspruch zu vielen Ansichten, aber dafür diskutieren wir doch.
Es ist schwer zu diskutieren, wenn Sie Ihren Standpunkt nur durch Fragen andeuten, anstatt klar zu machen, worauf Sie hinauswollen.
Alles was Sie hier aufzählen oder anzudeuten versuchen rechtfertigt nicht den Einfall der Russen in der Ukraine. Wenn die Russen Interesse an der Ukraine haben, müssen sie die Ukraine ohne Gewalt an sich binden. Wenn sie das nicht schaffen, müssen sie sich mehr anstrengen oder es eben sein lassen.
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