Zitat von Paul im Beitrag #15Stimmen die Griechen mit NEIN, dann eröffnen sie der Regierung, unter Wahrung des Gesichts, den Ausstieg aus dem Euro und damit einen Neuanfang. Die Schulden wären die Griechen dann auch los.
Überhaupt nicht. Mit einem "Nein" im Rücken legen die Irren von Syriza erst richtig los - aber mit einem "Neuanfang" im Sinne des Sozialismus. Einen Wirtschaftsaufschwung wird es da nicht mehr geben können.
Und die Schulden sind die Griechen selbstverständlich nicht los. Eine festgestellte Insolvenz heißt NICHT, daß die Schulden gestrichen werden. Sondern die werden im Gegenteil sofort fällig gestellt. Das bedeutet ganz erhebliche Einschränkungen für die griechische Außenwirtschaft.
Alles richtig, lieber R.A., aber sollen doch die Griechen machen was sie wollen. Geht das uns was an? Hatten sie nicht schon mal eine "sozialistische" Periode? Sollen sie doch machen was sie wollen, sage ich. Aber da kommt wieder die Politik mit den Einflusssphären. Natürlich hat die EU Angst die Griechen schlüpfen bei den Russen unter die Decke. Mir ist das egal. Aber damit liege ich wieder falsch.
Natürlich sind die Griechen die Schulden los. Jetzt schon! Was kratzt sie die Fälligkeitsstellung? Wenn sie nicht zahlen, schickt dann die EU den Zwangsvollstrecker? Wovon noch nicht gesprochen wurde: Die Chinesen haben überschüssiges Kapital. Wie ich gehört habe, haben sie schon halb Amerika "gekauft".
Wegen der politischen Gemengelage wird die EU Griechenland, auch bei Nichttilgung der Altschuld, notwendige Hilfen nicht verwehren. Das halte ich auch für gut. Einen offiziellen Tilgungsverzicht kann und wird es nicht geben. Auch wohl aus haushaltstechnischen Gründen. Die Verluste wirken sich dann im Etat nur häppchenweise aus. Bis dahin wahrt man den Schein, es könnte doch noch ein Wunder geschehen und die Tilgung erfolgen.
Zitat von Paul im Beitrag #23Die Fakten sprechen für die Drachme.
Nein. Jede Währung kann nur funktionieren, wenn die Leute ihr wenigstens halbwegs vertrauen. Das wäre bei einer Krisen-Drachme nicht der Fall.
Gegenfrage: Kannst Du Dir einen Fall vorstellen, wo die Leute einer Währung zu sehr vertrauen? So sehr, dass sie aufhören, effizient zu wirtschaften und zu arbeiten, weil sie wissen, dass die Währung bzw. die dahinterstehende Notenbank in jedem Fall dafür geradesteht?
Der Vorschlag mit dem Paralleleuro hätte zumindest den Charme, dass die Böcke kein Vorstandsmandat in der Gärtnereidirektion (sprich: Eurogruppe) mehr hätten...
Zitat von Paul im Beitrag #23 Deshalb ist Sinn für mich, was die ökonomische Zukunft Griechenlands angeht, ein ausgewiesener Fachmann.
Wenn die Finanzer ihren Gewinn machen, hat das nichts mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Griechenlands zu tun, weil sie auchn aus der Verschlechterung einer Lage, wenn sie richtig gewettet haben, ihren Gewinn machen. Deshalb sind sie gerade nicht die Fachleute.
LG, Paul
Lieber Paul,
ich bezweifle nicht, dass Sinn ein ausgewiesener Fachmann seiner Zunft ist. Ich bezweifle, dass, was eine Beurteilung der Zukunft Griechenlands angeht, Sinn das komplette fachliche Instrumentarium besitzt. Es geht ja nicht nur um das Verständnis der Transaktionen innerhalb der Eurozone, oder des Verständnisses, dass eine griechische Notenbank sich mit einer neuen Drachme leichter an die ökonomischen Entwicklungen anpassen kann, es geht auch um finanztechnische Abwicklungsfragen u.a.. Und es geht sicher auch darum, die Interessen von Spekulanten richtig einzuschätzen, die mächtig genug sind, auf die Politik von beteiligten Ländern Einfluss auszuüben. Der Ökonom hat im Zweifel nichts zu sagen, wenn in Folge seiner Empfehlung beispielsweise ein amerikanisches Finanzsystem zusammenbrechen würde. Nicht, dass ich das befürchtete, es gibt aber Stimmen, die die Folge eines sogenannten Defaults als unkontrollierbar sehen, Leute, die darauf hinweisen, dass das weltweite Derivatevolumen in die zig Billionen geht. Unter diesen Stimmen ist auch die Zentralbank der Zentralbanken BIZ. Sinn hat sich dort bisher völlig herausgehalten.
Es kann also sein, dass die EU von außen oder innen gedrängt wird, Griechenland weiter am Tropf zu halten. Nicht nur Griechenland, sondern alle Länder, die schon Schlange stehen.
Zitat von R.A. im Beitrag #25[Im wesentlichen schon. Es waren alleine griechische Entscheidungen, die zum 300-Milliarden-Schuldenberg geführt haben. Kein Euro Kredit wurde der griechischen Regierung aufgedrängt. Was die EU falsch gemacht hat hat höchstens dazu geführt, daß die Sache für die übrigen Europäer teurer wird. Aber ohne die EU-Intervention wären die Folgen für Griechenland noch viel härter gewesen.
Die Eigentümer und die Kunden einer Bank haben Anspruch darauf, dass Kreditvergaben einer kritischen Prüfung standhalten. Das, was der seriöse Banker in der Vergangenheit mal gelernt hat. Einen ähnlichen Anspruch haben die Bürger der Euroländer, wenn Kredite über die Mechanismen der EZB an Länder gewährt werden. Die Entscheidung, ELA-Kredite zu gewähren fällen nicht die Griechen, sondern ein Gremium der EZB. Der Fall Griechenland ist nun lange genug verschleppt worden, sodass die ursprünglich kreditgebenden Banken ihren Kopf wohl aus der Schlinge gezogen haben dürften. Diese Banken haben aber offensichtlich genau darauf spekuliert, dass im Zweifel die EZB einspringen würde. Natürlich haben die Griechen die Kredite auch angenommen, Entscheidungsträger waren aber nur wenige Personen in den jeweiligen Regierungen. Vielleicht haben diese ebenfalls spekuliert, dass man sie irgendwann einfach retten wird, vielleicht wollten sie auch nur eigene Schäfchen ins Trockene bringen. In diesem Geflecht, das ja auch politische Agenden beinhaltet, ist eine Schuldzuweisung in Richtung der Griechen doch wenig fundiert.
Zitat von Martin im Beitrag #30Die Entscheidung, ELA-Kredite zu gewähren fällen nicht die Griechen, sondern ein Gremium der EZB.
Eigentlich läuft es umgekehrt. Gewährt werden die ELA-Kredite von der griechischen Zentralbank, die auch über die zu hinterlegenden Sicherheiten entscheidet. Die Vergabe kann allerdings vom Rat der EZB untersagt werden, wozu aber eine 2/3 Mehrheit nötig ist.
Im Focus wird beschrieben, wie ELA zur Zeit in Griechenland genutzt/missbraucht wird.
Zitat von Martin im Beitrag #30Die Entscheidung, ELA-Kredite zu gewähren fällen nicht die Griechen, sondern ein Gremium der EZB.
Eigentlich läuft es umgekehrt. Gewährt werden die ELA-Kredite von der griechischen Zentralbank, die auch über die zu hinterlegenden Sicherheiten entscheidet. Die Vergabe kann allerdings vom Rat der EZB untersagt werden, wozu aber eine 2/3 Mehrheit nötig ist.
Im Focus wird beschrieben, wie ELA zur Zeit in Griechenland genutzt/missbraucht wird.
Sie haben recht. Aber die EZB hat das Instrumentarium, die Kredite zu untersagen. Wenn die entsprechende Mehrheit nicht zustande kommt, gleicht das einer Gewährung.
Zitat von Martin im Beitrag #32Wenn die entsprechende Mehrheit nicht zustande kommt, gleicht das einer Gewährung.
Natürlich! Ich wollte Ihren Post eigentlich nur missbrauchen, um auf die völlige Fehlkonstruktion des ELA-Mechanismus hinzuweisen.
Wenn sich genug Pleitestaaten einig sind (die genaue Zahl hängt von deren Wirtschaftskraft ab), können die praktisch die Druckerpressen übernehmen.
In allen bisherigen Fällen hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass es keine Möglichkeit geben darf, Deutschland unbegrenzt Schulden/Verpflichtungen auf den Deckel zu schreiben. Die Debatten um die Konstruktion des ESM, um diesen verfassungskonform hinzubiegen (Haftungsbeschränkung und Ausweitung nur mit qualifizierte Mehrheit von 80%, d.h. praktisches Vetorecht Deutschlands mit seinem Stimmgewicht von 27%), sind da ein gutes Beispiel. ELA hat man dabei wohl übersehen.
Zitat von R.A. im Beitrag #19 Die Banken haben zurückbekommen, was ihnen zustand.
Was ihnen zusteht ist erst einmal so klar nicht. Wenn jemand einem Pleitier Geld nachwirft kann man sich auf den Standpunkt stellen und sagen, dass dem Werfer sein Geld zusteht. Ebensogut kann man sich aber auch auf den Standpunkt stellen und sagen: Selber schuld. Dein Risiko, dann eben auch dein Problem. Das die selber einen Schuldenschnitt erlitten haben ändert ja nichts daran, dass sie wesentlich mehr bekommen haben als ihnen tatsächlich zustand. Nämlich das Geld des Steuerzahlers.
Zitat Die 300 Milliarden Staatsschulden sind unterm Strich auch von den Griechen konsumiert worden - und nicht in die Gewinnbilanz von Banken geflossen.
Aber auch nicht in deren Verluste. Wo sie hingehört haben.
Zitat Der gängige Mythos, das wäre alles nur eine Finanzmarktgeschichte und die armen Griechen müßten leiden, obwohl sie nie etwas davon gehabt hätten, der ist grundfalsch.
Unbestritten. Aber ich glaube so gängig ist der gar nicht. Allenfalls bei unseren Weltrevolutionären.
Zitat Da zählt nur, daß sie die 300 Milliarden auch selber konsumiert haben und deswegen im Obligo sind, nicht nur finanzpolitisch, sondern auch moralisch.
Da spricht das Deutsche in Dir. Ich sehe das ein bischen sportlicher. Es gibt eine finanzpolitische Schuld, die ist vollkommen klar. Aber mit Moral hat das wenig zu tun. Ein Schuldner der von seiner Bank Geld bekommt und das verjubelt verhält sich nicht besonders klug. Aber nicht unmoralisch. Und ein Schuldner der dann irgendwann in die Insolvenz geht auch nicht. Vielleicht mit der Einschränkung wenn er die Insolvenz von vorneherein geplant hat. Dann wäre das aber ein Betrug. Aber an der Tatsache seine Schulden nicht zahlen zu können sehe ich erst mal noch nichts unmoralisches. Auch nicht darin, dass in Zukunft nicht mehr zu tun.
Zitat Die Situation mit allen Problemen war ausreichend bekannt, und sie wollten unbedingt die Verantwortung übernehmen, um es besser zu lösen als die Vorgänger.
Das macht sie aber nicht im moralischen Sinne verantwortlich für das was früher gewesen ist. Klar müssen sie die Schulden tragen, aber gemacht haben sie die erst einmal nicht. Übrigens habe ich keinen Zweifel das in Anbetracht dessen, was die in einem halben Jahr angerichtet haben, die noch genug eigenes Zeug in viel kürzerer Zeit zusammenkriegen für das sie dann tatsächlich verantwortlich sind. Nichtmal der Clown im weissen Haus kann mit denen konkurrieren und das will wirklich was heissen,
Zitat Voldefakis hatte damals Unrecht und hat es heute. Die Rettungspolitik war aus deutscher Sicht zu teuer. Aber für Griechenland durchaus erfolgreich.
Langfristig ganz und gar nicht. Ein früher Bankrott wäre ehrlicher und die wären jetzt schon drei Jahre weiter. Übrigens: Voldefakis ? Ist das nicht ein bischen sehr viel Aufwertung für den Hampelmann ?
Zitat Außerdem widerspricht er sich laufend. Er beklagt (mit einer gewissen Berechtigung), daß immer mehr neue Schulden aufzunehmen schlecht sei. Aber seit er selber im Amt ist tut er laufend nichts Anderes, als beständig neue Kredite zu fordern.
Ja, aber er meint das ja gar nicht so. :) Nein, ganz im Ernst, wenn er von neuen Krediten spricht, dann meint er schlicht Geschenke. Nur das so deutlich in Worte zu fassen würde selbst dem dümmsten EU-Zahler-Schaf klarmachen, worum es geht.
Zitat Erst einmal noch der generelle Hinweis: Bis die Syriza-Chaoten kamen, war Griechenland schon fast wieder auf dem grünen Zweig. Mit dem Euro. Es ist ja auch kein Problem mit einer vernünftigen Währung ordentlich zu wirtschaften.
Wenn man was hat, ja. Nur ham die eben nix. Zu dem Thema war auch ein Artikel in der FAZ heute. Nur: Ich trau dem Braten nicht. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und griechische Bilanzen sind mit absoluter Vorsicht zu geniessen, Das Problem ist ja nicht einfach von heute auf morgen zu lösen. In Griechenland gibt es eine gewaltige Diskrepanz zwischen Anspruch und wirtschaftlicher Realität. Da kommt der grüne Zweig nicht so schnell.
Zitat Nicht bei denselben Produkten. Die Griechen werden nicht beim Porsche-Bau konkurrieren. Aber bei den Produkten, die sie herstellen, sind sie derzeit völlig wettbewerbsfähig und verkaufen diese auch.
Und welche sollten das sein ? Feta und Olivenöl ? Das ist ja das Problem: Da ist nix und da kommt auch nix. Auf Tourismus zu bauen ist bestenfalls eine sehr wackelige Angelegenheit, eine Volkswirtschaft daran zu orientieren ist ein ziemlich sicherer Weg in die Krise. Was also kann Griechenland verkaufen um deutsche Autos, amerikanische Software oder koreanische Elektronik zu kaufen ? Denn das sind Dinge, die auch in Griechenland massiv nachgefragt werden.
Zitat Mit der Einführung der Drachme ist das vorbei. Da MÜSSEN die Arbeitnehmer mit aller Kraft Lohnsteigerungen erreichen, weil sie sonst massiv verlieren. Einfach mal ein paar Jahre nur den Status quo halten geht nur mit einer starken Währung.
Aber den halten sie ja eben nicht und das ist das Problem. Nehmen wir den Euro als den Status quo. Dieser ist eben nicht fix, sondern steht im Verhältnis zu anderen Währungen. Wenn Euroland nun produktiver wird, dann sinken die Preise der Produkte im internationalen Vergleich. Und wer immer konkurriert muss entweder im selben Maß besser werden oder abwerten. Zumindest wenn er im Wettbewerb bestehen will. Durch den fixen Kurs einer Gemeinschaftswährung sind alle auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, Schritt zu halten. Aber mit den Deutschen ist derzeit für viele Länder nur schwer Schritt zu halten. Griechenland kann nicht gleichzeitig eine funktionierende Verwaltung aufbauen, bessere Qualifikation herstellen, den Staat zurückdrängen und dann noch mit der deutschen Industrie konkurrieren. Das schaffen die nicht auf kurze Bank.
Zitat von Llarian im Beitrag #34Wenn jemand einem Pleitier Geld nachwirft kann man sich auf den Standpunkt stellen und sagen, dass dem Werfer sein Geld zusteht. Ebensogut kann man sich aber auch auf den Standpunkt stellen und sagen: Selber schuld.
Beide Standpunkte sind richtig - aber gegenüber verschiedenen Adressaten. Wir sind und waren uns einig, daß man den Banken 2010 hätte sagen sollen: "selbst schuld". Aber das ist keine Ausrede für den Pleitier. Ob die Banken unvorsichtig waren oder das Einspringen der EU 2010 falsch ändert nichts an dem, was ich hier gegenüber Griechenland konstatieren wollte: Die haben das Geld konsumiert, es ist ihnen zugute gekommen, nicht irgendwelchen Banken.
Zitat
Zitat Voldefakis hatte damals Unrecht und hat es heute. Die Rettungspolitik war aus deutscher Sicht zu teuer. Aber für Griechenland durchaus erfolgreich.
Langfristig ganz und gar nicht. Ein früher Bankrott wäre ehrlicher und die wären jetzt schon drei Jahre weiter.
Vielleicht. Ist aber eine schwierige Diskussion. Aber die Möglichkeit, daß es vielleicht einen schnelleren Weg gegeben hätte, widerlegt nicht die Aussage, daß die Reformen unterm Strich durchaus Erfolg hatten. Während ja in den Medien oft so getan wird, als wäre alles völlig folgenlos geblieben, es hätte sie nichts getan und Griechenland wäre ein hoffnungsloser Fall.
Zitat Voldefakis ? Ist das nicht ein bischen sehr viel Aufwertung für den Hampelmann ?
Vielleicht. Aber ich kann kein Bild von dem Tip sehen, ohne an den Film zu denken ...
Zitat
Zitat Nicht bei denselben Produkten. Die Griechen werden nicht beim Porsche-Bau konkurrieren. Aber bei den Produkten, die sie herstellen, sind sie derzeit völlig wettbewerbsfähig und verkaufen diese auch.
Und welche sollten das sein ? Feta und Olivenöl ?
Auch. Lebensmittel dieser Art machen etwa ein Drittel der griechischen Exporte aus. Und bringen immerhin über 10 Milliarden pro Jahr. Daneben exportiert Griechenland Pharmaprodukte, Metallwaren und Textilien.
Griechenland ist ein schwaches Exportland nach unseren Maßstäben. Hat aber durchaus auch etwas zu bieten. Und dazu dann die Tourismus-Einnahmen. Wenn man die schuldenfinanzierte Blase wegrechnet, dann kommt Griechenland immer noch auf ein selbst erwirtschaftetes Niveau, daß über dem der baltischen und diverser osteuropäischer Staaten liegt. Auch sonst hat es zwar immens Strukturprobleme (nicht nur verglichen mit dem Ideal, sondern auch mit deutschen Realität), aber es ist kein "failed state", sondern ein europäisches und westliches Land, in dem auch viel gut funktioniert (z. B. das Bildungssystem).
Zitat Durch den fixen Kurs einer Gemeinschaftswährung sind alle auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, Schritt zu halten.
Richtig. Ostfriesland und die Uckermark müssen ja auch mit Südbayern und Stuttgart mithalten. In einer globalisierten Welt muß letztlich jeder schauen, daß er halbwegs mit dem Produktivitätszuwachs Schritt hält - sonst fällt er eben zurück. Das hat aber verblüffend wenig mit Währungen zu tun. In der großen Zeit der Industrialisierung gab es de facto eine weltweite und sehr stabile Einheitswährung. Hat sehr gut funktioniert - m. E. viel besser als die Politik der Währungsmanipulationen nach dem zweiten Weltkrieg.
Zitat Griechenland kann nicht gleichzeitig eine funktionierende Verwaltung aufbauen, bessere Qualifikation herstellen, den Staat zurückdrängen und dann noch mit der deutschen Industrie konkurrieren. Das schaffen die nicht auf kurze Bank.
Sicher nicht. Aber sie haben ja schon fünf Jahre dran gearbeitet, mit guten Zwischenerfolgen - und sie werden auch nicht nächstes Jahr das deutsche Niveau erreichen. Aber wenn sie heute nicht auf die linksradikalen Demagogen reinfallen und sich mit dem "Nein" ins Aus schießen, ist eine weitere gute Entwicklung machbar.
Zitat von R.A. im Beitrag #8 Man muß hier wohl unterscheiden: In einem Land mit eingeführter nationaler Währung kann eine Abwertungspolitik helfen, Strukturprobleme auszugleichen. Ich teile diese Position zwar nicht, aber es scheint die etablierte Mehrheitsmeinung zu sein. M. E. beruht die Wirksamkeit einer solchen Politik fast nur auf dem "Etikettenschwindel". Man kann Preise oder Löhne über die Abwertung anpassen und damit Strukturprobleme abmildern, ohne daß die Leute es merken - weil sie meist nur in ihrer gewohnten Währung denken und den Wertverlust nicht wirklich mitbekommen.
Ich stimme in vielem zu aber hier (Punkt 7) nicht. Der "Etikettenschwindel" spielt zwar eine Nebenrolle, aber die Hauptrolle ist ein Koordinierungsproblem. Die Griechen müssten Löhne und Preise um etwa senken. Und das geht umso einfacher und schmerzloser je mehr dies im Gleichschritt über alle Branchen und Bereiche hinweg geschieht, weil dann neben den Löhnen auch die Preise (bis auf die Importe) sinken. Mit einer eigenen Währung ist das einfacher; obgleich es natürlich eine Frage ist was denn schmerzhafter wäre: Den Lohnsenkungsprozess im Euro durchzuführen oder die Drachme wieder einzuführen. Lokal in Griechenland wäre eine gut geführte Drachme möglicherweise sogar stabiler als der Euro.
Dazu kommt eine langfristige Komponente: Wenn ein Land dauerhaft geringeres Wachstumspotenzial hat als andere, dann müsste es in der Währungsunion dauerhaft die Löhne senken. Auch hier stellt sich wieder das Koordinierungsproblem. Ebenso bräuchten sie niedrigere Zinsen als im Rest der Union (momentan stellt sich das Problem nicht, aber wehe wenn).
Ich will es mal so sagen: Der Euro gibt den Griechen die Möglichkeit in Euro zu sparen und damit das Geld in Deutschland zu investieren (wodurch es aus Griechenland abfliess und dann erst über deutsche Banken und dann den Deutschen Staat in Form von Krediten an den Griechischen Staat wieder zurückfloss). Mit der Drachme wären sie gezwungen das Geld in Griechenland zu investieren (oder umzutauschen, aber dann macht es ein anderer) statt es abfliessen zu lassen.
Zitat von R.A. im Beitrag #35Aber wenn sie heute nicht auf die linksradikalen Demagogen reinfallen und sich mit dem "Nein" ins Aus schießen, ist eine weitere gute Entwicklung machbar.
Tja, nun sieht es nach 61% für Nein aus, und Tsipras hat vollen Wind in seinen Segeln auf der Reise in die sozialistische Volksrepublik Griechenland.
Zitat von Fluminist im Beitrag #37Tsipras hat vollen Wind in seinen Segeln auf der Reise in die sozialistische Volksrepublik Griechenland.
Mal dumm gefragt: Was macht unsere alternativlose Euroklatura, wenn nach 18 Monaten Allende-Spielen, Chaos & Strassenkämpfen das Militär erklärt, dass niemand die Absicht habe, einen Putsch durchzuführen? PS: ""Merkel muss jetzt den Grexit organisieren""
"Mehrere deutsche Politiker fordern nun den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro."
Nur nochmal zur Erinnerung: diese Möglichkeit gibt es nicht. Es gibt kein Prozedere, keine gesetzliche Grundlage, keinen Hebel, so etwas umzusetzen. Das ist schlicht nicht vorgesehen worden.
Sowenig wie der Zusammenbruch des Ostblocks. Die Weiterexistenz der DDR nach dem Mauerfall diente allein dem Zweck, ein Regelwerk für die de facto Auflösung & die Übernahme durch den Westen zu erstellen: was passiert mit den Vermögensverhältnissen, mit den Ansprüchen, mit der rechtlichen Aufarbeitung der Staatsverbrechen. Nicht zuletzt: Wer zahlt? Schäuble hat ja bekanntlich im Juli 1990 Funkstille verordnet, nachdem als Schätzwert für die Wiedervereinigung die ungeheuerliche Summe von 80 Milliarden (D-Mark!) in den Raum gestellt wurde.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Fluminist im Beitrag #37Tsipras hat vollen Wind in seinen Segeln auf der Reise in die sozialistische Volksrepublik Griechenland.
Mal dumm gefragt: Was macht unsere alternativlose Euroklatura, wenn nach 18 Monaten Allende-Spielen, Chaos & Strassenkämpfen das Militär erklärt, dass niemand die Absicht habe, einen Putsch durchzuführen?
Interessantes Szenario und auch kein unwahrscheinliches, wenn man unterstellt, dass Griechenland vom mentalen Zustand seiner Bewohner und vom Zustand seiner sozialen Institutionen her keine moderne funktional differenzierte Industriegesellschaft ist. Lösung: Griechenland tauscht einen Demokratieprozess gegen einen Schuldenerlass und weitere Alimentierungen ein.
Zitat von R.A. im Beitrag #35Aber wenn sie heute nicht auf die linksradikalen Demagogen reinfallen und sich mit dem "Nein" ins Aus schießen, ist eine weitere gute Entwicklung machbar.
Tja, nun sieht es nach 61% für Nein aus, und Tsipras hat vollen Wind in seinen Segeln auf der Reise in die sozialistische Volksrepublik Griechenland.
Eigentlich konnte gar nichts besseres passieren. Ein Chaotischer Grexit mit einer ) inkompetenten sozialistischen Regierung garantiert das Griecheland zwar die Schulden nicht bedient aber danach nicht schnell wieder auf die Beine kommt. Seht Euch das an, Italiener und Spanier.
Schlimmer wäre es wenn die Regierung kompetent wäre und bald ein schuldenfreies, in der Währung abgewertetes und prosperierendes Land darstünde.
"Mehrere deutsche Politiker fordern nun den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro."
Nur nochmal zur Erinnerung: diese Möglichkeit gibt es nicht. Es gibt kein Prozedere, keine gesetzliche Grundlage, keinen Hebel, so etwas umzusetzen. Das ist schlicht nicht vorgesehen worden.
Einen Hebel würde ich schon sehen, lieber Ulrich Elkmann: Einfach den Geldhahn zu drehen und "aus die Maus".
"Mehrere deutsche Politiker fordern nun den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro."
Nur nochmal zur Erinnerung: diese Möglichkeit gibt es nicht. Es gibt kein Prozedere, keine gesetzliche Grundlage, keinen Hebel, so etwas umzusetzen. Das ist schlicht nicht vorgesehen worden.
Einen Hebel würde ich schon sehen, lieber Ulrich Elkmann: Einfach den Geldhahn zu drehen und "aus die Maus".
Oder geht das auch nicht?
LG, Paul
Der Geldhahn ist zu, und die Griechen haben unter Tsipras' Anleitung gerade das Gewinde abgedreht. Die EZB kann ohne wenigstens den Anschein einer Kompromißbereitschaft von griechischer Seite legal (nicht einmal semilegal) keine weiteren ELA-Zahlungen leisten, die Regierungen der anderen Eurostaaten werden sich außerstande sehen, weitere Hilfeleistungen politisch vermitteln zu können. Will die griechische Regierung irgendwann in absehbarer Zeit die Banken wieder öffnen, dann brauchen sie dazu irgendwelche selbstgedruckten Gutscheine ("Drachmen"), sonst gibt es nichts auszugeben.
Aber für Bolschufakis & Co ist das kein Problem, notfalls führen sie eben den Kommunismus ein, was ohnehin ihrem politischen Ideal entspräche. Putin lacht sich gerade einen Ast.
"Mehrere deutsche Politiker fordern nun den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro."
Nur nochmal zur Erinnerung: diese Möglichkeit gibt es nicht. Es gibt kein Prozedere, keine gesetzliche Grundlage, keinen Hebel, so etwas umzusetzen. Das ist schlicht nicht vorgesehen worden.
Einen Hebel würde ich schon sehen, lieber Ulrich Elkmann: Einfach den Geldhahn zu drehen und "aus die Maus".
Oder geht das auch nicht?
LG, Paul
Der Geldhahn ist zu, und die Griechen haben unter Tsipras' Anleitung gerade das Gewinde abgedreht. Die EZB kann ohne wenigstens den Anschein einer Kompromißbereitschaft von griechischer Seite legal (nicht einmal semilegal) keine weiteren ELA-Zahlungen leisten, die Regierungen der anderen Eurostaaten werden sich außerstande sehen, weitere Hilfeleistungen politisch vermitteln zu können. Will die griechische Regierung irgendwann in absehbarer Zeit die Banken wieder öffnen, dann brauchen sie dazu irgendwelche selbstgedruckten Gutscheine ("Drachmen"), sonst gibt es nichts auszugeben.
Aber für Bolschufakis & Co ist das kein Problem, notfalls führen sie eben den Kommunismus ein, was ohnehin ihrem politischen Ideal entspräche. Putin lacht sich gerade einen Ast.
So sehe ich das auch, lieber Fluminist. Deshalb bin ich im Augenblick auch ganz entspannt. Die Griechen haben so entschieden. Das ist ihr gutes Recht. Da sage ich nur noch Adele und lehne mich zurück. Jedenfalls so lange, bis ich mich über unsere Politiker aufregen muss, weil sie meinen, dass sie mit den Griechen verhandeln müssen. Es gibt nichts mehr zu verhandeln. Geld können sich die Griechen auf dem freien Kapitalmarkt besorgen. Vielleicht hat China Interesse? Oder die Saudis kaufen mal zur Abwechslung nicht Firmen auf, sondern ein ganzes Land. Hat doch auch seinen Reiz? Denke ich. Na ja, nicht gleich das ganze Land. Aber ein paar Inseln könnte Griechenland schon verkaufen. Entschuldigung für die Rumblödelei, aber etwas anders fällt mir zur Idiotie der Griechen nicht mehr ein. Damit meine ich die 61% und die Regierungsclowns.
Zitat Ministerpräsident Tsipras hat sich mittlerweile zu dem Ergebnis geäußert - und fordert neue Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der Banken, erklärte er in einer Fernsehansprache. Athen sei zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien jedoch Investitionen sowie die Umstrukturierung der Schulden. Mit anderen Worten: ein Schuldenschnitt.
Leider glaube ich nicht, dass dies eine Falschmeldung ist. Tsipras hat den Kontakt zur Realität verloren.
Wenn ich Politiker wäre, würde ich ihm sagen, dass er die Banken sofort aufmachen könne. Niemand wird ihn daran hindern. Das kann er auch ohne jede Verhandlung tun.
Die Gläubiger sollten sich damit abfinden, dass sie ihr Geld in den "Sand" gesetzt haben. Sie kommen mit einem blauen Auge davon. Weshalb sollten sie sich jetzt auch noch das zweite Auge blau schlagen lassen. Oder sind sie Masochisten?
Zitat von Paul im Beitrag #43Vielleicht hat China Interesse? Oder die Saudis kaufen mal zur Abwechslung nicht Firmen auf, sondern ein ganzes Land.
Oder die Türkei. Dann können die Elgin Marbles wenigstens an die Rechtsnachfolger der Hohen Pforte restituiert werden, die dem Lord 1801 den Firman für den Abtransport ausgestellt hat.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Ich denke, alle Theorien und Verfahrensvorschläge sind Makulatur, die griechische Seite interessiert sich dafür sehr wenig. Sie wollen ein Maximum an Geld heraus holen aus diesem System und sich dann verabschieden oder auch nicht, mit oder ohne Drachme, egal, je nach Nützlichkeit. Wenn ich mir anschaue, was Griechenland an EU-Zahlungen erhalten hat, dazu die aufgenommenen Kredite, dazu die Target 2 Summen und dazu jetzt die ELA-Gelder und diesen gesamten Betrag dann auf die erwerbstätigen Griechen umrechne, muss ich feststellen, dass das griechische Verhalten sehr erfolgreich war und wohl schon deshalb weiter praktiziert werden wird. Die Verhandlungen über 7 Mia € in die Länge zu ziehen, während gleichzeitig 90 Mia ins System fließen, wohl wissend, dass eine Rückzahlung dieser Gelder nicht in Frage kommt, das hat schon was Einnehmendes. Dass dabei keine Pfänder wie z.B. Goldreserven, Bohrlizenzen oder gar Inseln verlangt worden sind, hat zumindest auf unserer Seite einen starken Bezug zu Veruntreuung von Staatsgeldern. Ich bin mir sicher, dass das Verlangen von Pfändern das griechische Verhalten sofort und grundlegend geändert hätte.
Auch wenn Manchem Obiges als etwas irrationales Gedankengebäude erscheinen mag, so zeigt es doch auf, wie man den Griechen etwas mehr Verantwortlichkeit hätte bei bringen können.
Viel realistischer, praktikabler und zumutbarer, ja geradezu unverzichtbar erscheint mir aber der Verzicht der Gläubiger auf eine Korrektur der Korruption zu sein. Hätte führend Merkel und andere ihre Kreditzusagen an die Bedingung geknüpft, dass vor einem Geldfluss das Parlament eine strenge Korruptionssanktionierung umsetzen muss, es ginge uns heute allen und besonders den Griechen um vieles besser. Alles, was die Gläubiger umgesetzt haben wollen, es wird wirkungslos bleiben, weil die eigentliche Steuerung in Griechenland nicht das Parlament sondern die Korruption ist. Der Verzicht der Institutionen auf die Korruptionsbeeinflussung zeigt nebenbei meines Erachten sehr präzise, wie diese Institutionen zur Korruption stehen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #42[Der Geldhahn ist zu, und die Griechen haben unter Tsipras' Anleitung gerade das Gewinde abgedreht. Die EZB kann ohne wenigstens den Anschein einer Kompromißbereitschaft von griechischer Seite legal (nicht einmal semilegal) keine weiteren ELA-Zahlungen leisten, die Regierungen der anderen Eurostaaten werden sich außerstande sehen, weitere Hilfeleistungen politisch vermitteln zu können.
Meines Wissens gibt es keine Regularien im Euro-System, die weitere ELA-Transfers illegal machen würden. Das ist lediglich eine politische Entscheidung. Was die politische Situation angeht, so würde ich mal davon ausgehen, dass bis zur Abstimmung erhebliche Drohkulissen aufgebaut worden sind, die jetzt ad acta gelegt werden.
Zitat Will die griechische Regierung irgendwann in absehbarer Zeit die Banken wieder öffnen, dann brauchen sie dazu irgendwelche selbstgedruckten Gutscheine ("Drachmen"), sonst gibt es nichts auszugeben.
Aber für Bolschufakis & Co ist das kein Problem, notfalls führen sie eben den Kommunismus ein, was ohnehin ihrem politischen Ideal entspräche. Putin lacht sich gerade einen Ast.
Ich habe Varoufaki's 'Der globale Minotaurus' nun weitgehend durch. Ich kann das Buch durchaus demjenigen empfehlen, der einen guten Überblick über das globale finanztechnische und wirtschaftliche Zusammenspiel seit dem zweiten Weltkrieg im Bücherschrank stehen haben will, mit einer guter Zusammenfassung der Abläufe von 2008. Ich denke, es ist gut, sich diese Dinge ab und zu ins Gedächtnis zurückzuholen. Man muss nicht jeder Interpretation zustimmen, ich kenne aber kein vergleichbares Buch.
Ich kann dabei keine kommunistischen Tendenzen ausmachen. Das Hauptaugenmerk von Varoufakis sind die Waren- und Kapitalströme, die Ungleichgewichte, und die Frage, wie Ungleichgewichte ausgebügelt werden können (Überschussrecycling). Er ist mit seiner Kritik an dem fehlenden Ausgleichmechanismus innerhalb des Euro-Systems ja nicht allein, mit dem Wegfall der nationalen Währungen ist dieser gestrichen. V. möchte mit GR nicht aus dem Euro, sondern er schlägt einen Ausgleichmechanismus vor, um den Konstruktionsfehler des Euro zu beseitigen. Ich wüsste gerne, ob dies auf der Tagesordnung der Verhandlungen stand.
Man sollte bei der Diskussion um Griechenland ein paar Dinge im Auge behalten: 1. Innerhalb Deutschlands gibt es einen Ausgleichmechanismus, der leider so konstruiert ist, dass die Geberländer nicht viel zu sagen haben, so lange sie in der Minderzahl sind. Das erinnert an so manche EU-Konstruktion. 2. Griechenland ist lediglich das schwächste Glied in einer Kette hochverschuldeter Staaten. Während alle wie das Kaninchen auf die Schlange starren wissen schon einige andere Länder nicht, wie es weiter gehen soll. So lange die Zinsen für die Staatsanleihen niedrig gehalten werden können machen sich die Politiker noch Illusionen, dass man den Offenbarungseid bis zum St. Nimmerleinstag verschieben kann. Die Realität ist manchmal schneller als Politiker sich das vorstellen können.
V. vergleicht die Mechanismen der EU (EFSF u.a.) mit einer Seilschaft in den Bergen. Der Schwächste verliert den Halt, wird von den Stärkeren gehalten, bis auch den zweitschwächsten die Kraft verlässt. Irgendwann können auch die Starken nicht mehr halten. Ich denke, das ist ein ziemlich zutreffendes Bild. Die EU-Politiker wissen das, sie haben nur kein Rezept, dies zu verhindern. Exempel am Schwächsten zu statuieren ist keine nachhaltige Lösung.
Zitat von Fluminist im Beitrag #42[Der Geldhahn ist zu, und die Griechen haben unter Tsipras' Anleitung gerade das Gewinde abgedreht. Die EZB kann ohne wenigstens den Anschein einer Kompromißbereitschaft von griechischer Seite legal (nicht einmal semilegal) keine weiteren ELA-Zahlungen leisten, die Regierungen der anderen Eurostaaten werden sich außerstande sehen, weitere Hilfeleistungen politisch vermitteln zu können.
Meines Wissens gibt es keine Regularien im Euro-System, die weitere ELA-Transfers illegal machen würden. Das ist lediglich eine politische Entscheidung. Was die politische Situation angeht, so würde ich mal davon ausgehen, dass bis zur Abstimmung erhebliche Drohkulissen aufgebaut worden sind, die jetzt ad acta gelegt werden.
ELA ist definiert als der Transfer von Zentralbankgeld an ein solventes Finanzinstitut, das vorübergehend Liquiditätsprobleme hat. Der Nachweis, daß diese beiden Bedingungen erfüllt sind, dürfte immer schwieriger werden. Aber Sie haben natürlich recht, Legalität ist im Zusammenhang mit dem Euro schon lange kein Kriterium mehr.
Zitat von Martin im Beitrag #47Ich habe Varoufaki's 'Der globale Minotaurus' nun weitgehend durch. Ich kann das Buch durchaus demjenigen empfehlen, der einen guten Überblick über das globale finanztechnische und wirtschaftliche Zusammenspiel seit dem zweiten Weltkrieg im Bücherschrank stehen haben will, mit einer guter Zusammenfassung der Abläufe von 2008. Ich denke, es ist gut, sich diese Dinge ab und zu ins Gedächtnis zurückzuholen. Man muss nicht jeder Interpretation zustimmen, ich kenne aber kein vergleichbares Buch.
Ich kann dabei keine kommunistischen Tendenzen ausmachen. Das Hauptaugenmerk von Varoufakis sind die Waren- und Kapitalströme, die Ungleichgewichte, und die Frage, wie Ungleichgewichte ausgebügelt werden können (Überschussrecycling). Er ist mit seiner Kritik an dem fehlenden Ausgleichmechanismus innerhalb des Euro-Systems ja nicht allein, mit dem Wegfall der nationalen Währungen ist dieser gestrichen. V. möchte mit GR nicht aus dem Euro, sondern er schlägt einen Ausgleichmechanismus vor, um den Konstruktionsfehler des Euro zu beseitigen. Ich wüsste gerne, ob dies auf der Tagesordnung der Verhandlungen stand.
Man sollte bei der Diskussion um Griechenland ein paar Dinge im Auge behalten: 1. Innerhalb Deutschlands gibt es einen Ausgleichmechanismus, der leider so konstruiert ist, dass die Geberländer nicht viel zu sagen haben, so lange sie in der Minderzahl sind. Das erinnert an so manche EU-Konstruktion. 2. Griechenland ist lediglich das schwächste Glied in einer Kette hochverschuldeter Staaten. Während alle wie das Kaninchen auf die Schlange starren wissen schon einige andere Länder nicht, wie es weiter gehen soll. So lange die Zinsen für die Staatsanleihen niedrig gehalten werden können machen sich die Politiker noch Illusionen, dass man den Offenbarungseid bis zum St. Nimmerleinstag verschieben kann. Die Realität ist manchmal schneller als Politiker sich das vorstellen können.
V. vergleicht die Mechanismen der EU (EFSF u.a.) mit einer Seilschaft in den Bergen. Der Schwächste verliert den Halt, wird von den Stärkeren gehalten, bis auch den zweitschwächsten die Kraft verlässt. Irgendwann können auch die Starken nicht mehr halten. Ich denke, das ist ein ziemlich zutreffendes Bild. Die EU-Politiker wissen das, sie haben nur kein Rezept, dies zu verhindern. Exempel am Schwächsten zu statuieren ist keine nachhaltige Lösung.
Ich gebe zu, Varoufakis' Weisheiten nicht gelesen zu haben, aber ist das, was Sie hier beschreiben, nicht typisches linkes Wunschdenken, nach dem man Leistungen von anderen fordert, weil man sie braucht (oder zu brauchen meint), nicht weil man eine Gegenleistung anbieten kann oder will?* Wer hier an wem ein Exempel statuiert, ist noch nicht so klar. Tsipras zieht das unterste Konservenglas aus der Pyramide im Vertrauen darauf, daß schon jemand einspringen wird, die Pyramide zu stützen, weil es sonst einen großen Scherbenhaufen gäbe. Angewandte Spieltheorie sozusagen. Das geht dann so in beiden Richtungen. Bei einer Verbrecherbande darf sich der, der ankündigt, alle anderen mitzunehmen, wenn er in die Bredouille kommt, auch nicht wundern, wenn er zum Frühstück mit den Haien eingeladen wird. Das ist dann ein lehrreiches Exempel für die, die vielleicht ähnliches planen.
Durch ein sehr schwammig formuliertes Referendum ohne klare Alternative haben die Griechen sich nun ihrer linken Regierung ausgeliefert und müssen das böse Spiel ausbaden. Ich fürchte, der Jubel wird ihnen in den nächsten Tagen noch im Hals steckenbleiben.
*NACHTRAG: Er schreibt selbst
Zitat von VaroufakisThe referendum of 5th July will stay in history as a unique moment when a small European nation rose up against debt-bondage.
... der historische Augenblick, in dem eine kleine europäische Nation gegen die Schuldknechtschaft aufstand ...
Like all struggles for democratic rights, so too this historic rejection of the Eurogroup’s 25th June ultimatum comes with a large price tag attached. It is, therefore, essential that the great capital bestowed upon our government by the splendid NO vote be invested immediately into a YES to a proper resolution – to an agreement that involves debt restructuring, less austerity, redistribution in favour of the needy, and real reforms.
... Umverteilung zugunsten der Bedürftigen ...
Mir ist das Tendenz genug. Unter "wirklichen Reformen" stellt er sich wahrscheinlich auch etwas anderes vor als Schäuble.
Zitat von Fluminist im Beitrag #48Ich fürchte, der Jubel wird ihnen in den nächsten Tagen noch im Hals steckenbleiben.
Richtig. Sie haben die "Austerität" abgewählt gegen wirkliche Knappheit.
Zitat von SPONDie griechischen Banken sind seit Tagen geschlossen, für Abhebungen an Geldautomaten gilt ein Limit von 60 Euro und die Geldinstitute erwägen, es auf 20 Euro herabzusetzen.
Zitat von Christoph Schwennicke, CiceroDenn kein Regierungschef der Eurogruppe, kein Regierungschef der EU kann wiederum seinem Volk nun noch erklären, warum die große Schuldenumwälzpumpe weiter Geld nach Athen bringen soll. Damit wird folgendes Szenario eintreten: Die griechische Verwaltung wird nicht mehr in der Lage sein, Renten und andere staatliche Transferleistungen in Euro auszubezahlen. Eine zweite Währung muss her, die Drachme, was auch immer. Und dann wird schnell der Punkt kommen, an dem Griechenland von sich aus den Austritt aus der Europäischen Union und dem Euro beschließen muss. Grexit.
Nein. Renten, Staatslöhne pp. werden von den ELA-Krediten abgedeckt. Das sind aber die laufenden Staatsausgaben. Haklig wird es mit den Zahlungen im privaten Sektor. Denn die unterliegen den Kapitalbegrenzungen & müssen aus der Firmenkasse entnommen werden. Also das Szenario, dass es bis zum Winter keinen Lohn gibt, nur um im Job zu sein, wenn & falls das wieder anläuft. In Argentinien propagierten unsere Medien 2002, wie toll die sich dort in der gleichen Lage über Wasser hielten, indem sie sich gegenseitig die Haare schnitten.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Und - Überraschung? Näh - was immer er angerichtet hat, schuld sind daran natürlich die Anderen:
Zitat von Varoufakis' TwitterprofilEconomics professor, quietly writing obscure academic texts for years, until thrust onto the public scene by Europe's inane handling of an inevitable crisis
Professor für Volkswirtschaftslehre, der jahrelang in Ruhe unauffällige akademische Texte schrieb, bis er durch Europas dumme Behandlung einer unausweichlichen Krise ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geschoben wurde
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