Es geht derzeit viel durcheinander in der öffentlichen Diskussion. Und sehr oft wird ganz bewußt gelogen. Also muß einmal an einige Basiswahrheiten erinnert werden.
Zitat (...) es wäre kaum möglich, durch die (teure und aufwendige) Wiedereinführung einer eigenen Währung die nötigen Anpassungsmaßnahmen besser durchzuführen als mit dem Euro. Denn alle diese Maßnahmen liefen ja letztlich darauf hinaus, daß mit dieser Währung durch Abwertung reale Gehaltskürzungen durchgeführt würden. Die dann Firmen konkurrenzfähiger machen und den Staatshaushalt sanieren sollen. Aber in der Wirkung sind solche indirekten Kürzungen in Drachme völlig identisch zu den direkten Kürzungen in Euro.
Es sind ja nicht nur die Löhne, sondern alle Faktorpreise, die durch eine Drachmen-Abwertung günstiger werden. Also zum Beispiel auch Mieten und Kreditkosten. Und die sind oft starr und über Jahrzehnte festgeschrieben. Wenn diese Festschreibung in Drachme erfolgt ist und die Drachme abwertet, dann werden auch diese Faktorkosten in Euro gerechnet günstiger. Diesen Effekt kann es nicht geben, so lange Griechenland im Euro ist.
Zitat von Florian im Beitrag #2Es sind ja nicht nur die Löhne, sondern alle Faktorpreise, die durch eine Drachmen-Abwertung günstiger werden. Also zum Beispiel auch Mieten und Kreditkosten. Und die sind oft starr und über Jahrzehnte festgeschrieben.
Das kann man als linke Regierung doch auch durch einen verordneten Mietpreisrückwärtsgang erreichen.
Zitat von Florian im Beitrag #2Es sind ja nicht nur die Löhne, sondern alle Faktorpreise, die durch eine Drachmen-Abwertung günstiger werden. Also zum Beispiel auch Mieten und Kreditkosten. Und die sind oft starr und über Jahrzehnte festgeschrieben.
WENN man festgeschriebene Löhne ändern kann (und das ist in Griechenland geschehen), DANN kann man auch andere Festlegungen ändern. Wie Emulgator schon geschrieben hat: Mietsenkungen sind gerade für eine linke Regierung (falls die überhaupt an der Macht bliebe) kein Problem. Überhaupt sind Lohnkürzungen mit die politisch schwierigste Übung, alles andere ist vergleichsweise leicht umzusetzen.
Umgekehrt würde eine Rückkehr zur Drachme nicht nur organisatorisch schwierig und teuer sein - sie wäre auch sehr nachteilig für das Investitionsklima. Speziell für die dringend nötigen ausländischen Investoren.
Sehr richtig! Basiswahrheiten auszusprechen ist doch oft recht hilfreich.
Das einzige, worüber ich mir nicht ganz so sicher bin, ist, ob nicht die Wiedereinführung der Drachme doch der bessere Weg wäre. Darüber kann man sicherlich streiten.
Das ändert aber nichts daran, dass am Sonntag für die Griechen die Stunde der Wahrheit gekommen ist. Trotz aller Infantilität der Regierungspolitik von Syriza finde ich es inzwischen doch das Beste, das Volk direkt zu befragen (wenn es auch ein an sich unzulässiges Abschieben der Verantwortung darstellt). Ich möchte gerne annehmen, dass es in Griechenland so viele Menschen gibt, die entgegen aller Lügen, die ihnen aufgetischt wurden, zu vernünftigem und logischem Denken fähig sind, dass eine Mehrheit mit "ja" stimmt.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Wie Emulgator schon geschrieben hat: Mietsenkungen sind gerade für eine linke Regierung (falls die überhaupt an der Macht bliebe) kein Problem. Überhaupt sind Lohnkürzungen mit die politisch schwierigste Übung, alles andere ist vergleichsweise leicht umzusetzen.
Umgekehrt würde eine Rückkehr zur Drachme nicht nur organisatorisch schwierig und teuer sein - sie wäre auch sehr nachteilig für das Investitionsklima. Speziell für die dringend nötigen ausländischen Investoren.
Das ist ein Widerspruch in sich. Ein staatlicher Eingriff in bestehende Verträge wird mögliche ausländische Investoren sicher ebenso abschrecken. Emulgator hat den Begriff "Mietpreisrückwärtsgang" sicher nicht zufällig gewählt.
Zitat von Martina im Beitrag #5Das einzige, worüber ich mir nicht ganz so sicher bin, ist, ob nicht die Wiedereinführung der Drachme doch der bessere Weg wäre. Darüber kann man sicherlich streiten.
Die Unwägbarkeiten liessen sich ausräumen, wenn man statt der auch vorher nicht als Hartwährung verschrieenen Drachme die dort & in den Umländern vor dem € beliebteste Münze emittieren würde: die D-Mark. (Obschon dies wmgl. nicht von der Bundesbank gestützt würde & die Wirtschaftskraft der deutschen Industrie als vertrauensfördernder Faktor auch nicht garantiert scheint. Es sei denn, wir wählen die AfD in pole position & setzen aufs gleiche Manöver. )
Die Hauptschwierigkeit bein einer Währungsumstellung dürfte darin liegen, dass kein Investor Lust darauf haben wird, Vorschuss auf dies unerprobte Eis zu geben. Es bleibt dann bei "Käsch op de Täsch" & Wirtschaft gegen Vorkasse ist das sichere Gegenteil von Wachstumsmarkt. Dasselbe gilt aber auch beim Verbleib im Währungsverband. Realistischerweise solte man davon ausgehen, dass jede Kopeke an Buchungsaussenständen perdü ist. Bei einer Beibehaltung des bisherigen Rückzahlungstermins ab 2020/22 würde jedes Bestehen auf tatsächlicher Bedienung als eine Sabotage der Erholung & späte Rache rüberkommen. Bei einer Umstellung kann man wenigstens sowohl den Griechen als auch der Rest-EU das Abschreiben aller künftigen Nothilfen bzw. der Fantastilliarden als alternativlos erklären. Die Abwertungsmöglichkeit der Drachme ändert zwar nichts an den wirtschafltichen Rahmenbedingungen (und würde deswegen auch wohl nicht nur 1x zum Zug kommen). läuft aber auf eine Kappung der Verbindlichkeiten hinaus; zudem ist dergleichen, finanzhistorisch, alternativlos & schon ein paar 100 Mal vorgekommen.
Was aber nie von der Politik (sowohl EU, Athen oder Spree-Athen) zu hören sein wird, ist. dass die Aufblähung zu diesen doch recht beachtlichen Schuldständen einen Anwendungsfall eines Pyramiden-Schemas, eines Schneeballgeschäfts darstellt, bei dem nicht die Basis der Teilnehmer exponentiell zunahm, sondern Schulden mit Neuschulden bedient wurden; & dass so etwas im Geschäftsleben eigentlich mit gesiebter Luft geahndet wird. Aber im Bereich der supranationalen Politik, zumal im Rahmen der EU, bestand anscheinend der Zweck von Maastricht an darin, den Publikum vorzuführen, daß Verträgsbrüche unter keinen Umständen Sanktionen nach sich ziehen.
PS: Dass bei den diversen Griechenlandverstehern noch nicht "Brechung der Zinsknechtschaft" zu hören war, führe ich mal auf schlichte historische Unkenntnis zurück & nicht darauf, dass ihnen die damit verbundenen Konnotationen peinlich wären.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Martina im Beitrag #5Das einzige, worüber ich mir nicht ganz so sicher bin, ist, ob nicht die Wiedereinführung der Drachme doch der bessere Weg wäre. Darüber kann man sicherlich streiten.
Sicher. Eigentlich habe ich den Punkt nur noch aufgenommen, um auf die Sieben zu kommen ;-) Aber er paßt nicht wirklich. Denn der Rest sind ja Fakten aus der Vergangenheit, die Rückkehr zur Drachme eine Spekulation in die Zukunft.
Man muß hier wohl unterscheiden: In einem Land mit eingeführter nationaler Währung kann eine Abwertungspolitik helfen, Strukturprobleme auszugleichen. Ich teile diese Position zwar nicht, aber es scheint die etablierte Mehrheitsmeinung zu sein. M. E. beruht die Wirksamkeit einer solchen Politik fast nur auf dem "Etikettenschwindel". Man kann Preise oder Löhne über die Abwertung anpassen und damit Strukturprobleme abmildern, ohne daß die Leute es merken - weil sie meist nur in ihrer gewohnten Währung denken und den Wertverlust nicht wirklich mitbekommen.
Und genau dieser Effekt ist in Griechenland jetzt nicht mehr möglich. Das Land hat 15 Jahre Erfahrung mit einer "echten" Währung. Und obwohl das volkswirtschaftliche Verständnis dort noch schwächer ausgeprägt ist als in Deutschland dürfte jeder Dorftrottel mitbekommen, daß die Wiedereinführung der Drachme nur den Sinn hat, sie gegenüber dem Euro zu entwerten. Damit sind die psychologischen Möglichkeiten einer Weichwährung weg. Eine erneute Währungsumstellung führt nicht mehr zu den Verhältnissen, die es vor 2000 gab.
Zitat von Eierkopp im Beitrag #6Ein staatlicher Eingriff in bestehende Verträge wird mögliche ausländische Investoren sicher ebenso abschrecken.
Das kommt darauf an, in welcher Richtung diese Eingriffe wirken. Investoren können sehr gut mit staatlichen Rechtsänderungen leben, wenn diese ihnen nützen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Die Hauptschwierigkeit bein einer Währungsumstellung dürfte darin liegen, dass kein Investor Lust darauf haben wird, Vorschuss auf dies unerprobte Eis zu geben.
Ja. Das betrifft aber weitgehend nur die Frage, ob eine spätere Rückzahlung / ein Gewinn in Gummiwährung noch irgendwie im Verhältnis zur Investition steht. Bei Euros hat man nur die normalen Risiken (also des Geschäftsverlaufs selber und der Bonität seiner Partner), nicht aber noch ein völlig unkalkulierbares Währungsrisiko.
Zitat Realistischerweise solte man davon ausgehen, dass jede Kopeke an Buchungsaussenständen perdü ist.
Ab jetzt redest Du offenbar nicht mehr von Geschäftsleuten, sondern von den griechischen Staatsschulden.
Die halte ich für relativ nebensächlich! Letztlich bestehen die zum größten Teil aus frisch gedrucktem EZB-Geld, und das haben die Märkte weitgehend unbeschadet überstanden (das niedrige Zinsniveau hat zwar diverse Nachteile, aber nichts wirklich Wichtiges). Solange die Bürgschaften der EU-Länder nicht formal fällig gestellt werden müssen, werden die Etats auch nicht belastet.
Wichtig ist, daß Griechenland seine internen Verhältnisse halbwegs in Ordnung bekommt. Also einen leichten Primärüberschuß im Haushalt hinbekommt und ein paar Prozent Wirtschaftswachstum. Und das war Anfang des Jahres schon fast erreicht - bis Syriza kam und alles wieder vor die Wand gefahren hat.
Ab dann reicht es aber, wenn Griechenland seine Schulden in kleinen Schritten zurückbezahlt. Da kann man noch einige Male umschichten - tut nicht wirklich weh. Das kann locker auch ein Jahrhundert brauchen - wen stört's? Deutschland hat seine Schulden aus dem ersten Weltkrieg erst vor einigen Jahren fertig zurückbezahlt, dito die Russen die Staatsschulden aus der Zarenzeit.
Real ist nur wichtig, daß Griechenland nicht weiter abrutscht und auf Transfers angewiesen ist. Weil es die nicht mehr wirklich geben wird. Der Rest ist nur politische Gesichtswahrung und finanztechnisch immer darstellbar.
Zitat von R.A. im Beitrag #9Das kommt darauf an, in welcher Richtung diese Eingriffe wirken. Investoren können sehr gut mit staatlichen Rechtsänderungen leben, wenn diese ihnen nützen.
Das scheint in diesem Fall eher unwahrscheinlich. Die griechische Regierung, egal ob die aktuelle oder die Wachablösungen, müssen dem Wahlvolk auch Zuckerbrot auftischen. Das wird also eher in Richtung von Preiskontrollen, Mietpreisbremsen, Arbeitsplatzgarantien & Staatsdirigismus gehen als ungekehrt. In Lateinamerika, zu dem Griechenland politisch gehört (= Revolutionsromantik mit Che als Schutzheiligem, Landespolitik als jahrzehntelange Veranstaltung von 2 oder 3 korrupten Denver Clans; Generalsdiktatur mit ostentativ wirtschaftsliberal angestrichener Aussendarstellung), entwickeln demokratisch unterfütterte Hammerreformen in Richtung Turboliberalismus meist wenig Standvermögen.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Florian im Beitrag #2Es sind ja nicht nur die Löhne, sondern alle Faktorpreise, die durch eine Drachmen-Abwertung günstiger werden. Also zum Beispiel auch Mieten und Kreditkosten. Und die sind oft starr und über Jahrzehnte festgeschrieben.
WENN man festgeschriebene Löhne ändern kann (und das ist in Griechenland geschehen), DANN kann man auch andere Festlegungen ändern. Wie Emulgator schon geschrieben hat: Mietsenkungen sind gerade für eine linke Regierung (falls die überhaupt an der Macht bliebe) kein Problem. Überhaupt sind Lohnkürzungen mit die politisch schwierigste Übung, alles andere ist vergleichsweise leicht umzusetzen.
Umgekehrt würde eine Rückkehr zur Drachme nicht nur organisatorisch schwierig und teuer sein - sie wäre auch sehr nachteilig für das Investitionsklima. Speziell für die dringend nötigen ausländischen Investoren.
Wenn das Rumfummeln an der Währung und andere administrative Maßnahmen in Hinblick auf wünsch-dir-was Preise (beides ist eigentlich dasselbe) zielführend wären, stellt sich die Frage, wieso dann überhaupt noch jemand arbeiten gehen sollte und wofür man eigentlich so was Unsinniges wie Kapital braucht.
Wir setzen uns einfach gemütlich hin und leben von den administrativen Weisheiten der Preisregulierer und Geldversorger.
Man könnte auch alle Preise per Parteitagsbeschluss auf null setzen, dann braucht man überhaupt keine Währung mehr.
Löst aber die Probleme in GR wohl eher weniger, die da sind:
Sieben Wahrheiten. Und bei mindestens dreien davon bin ich der Meinung, dass es sich weniger um eine Wahrheit handelt, sondern eher um eine Meinung, der ich noch dazu widersprechen würde. :) Doch auch hier im Einzelnen:
1. Die Milliardenkredite sind selbstverständlich den Banken zugute gekommen. Das die Griechen das Geld am Ende verpulvert haben ist nur die halbe Wahrheit. Richtig ist aber auch, dass die Banken den Griechen Kredite gegeben haben und damit auch (selbstverständlich) das Kreditrisiko eingegangen sind und für dieses Risiko auch einen Zins erhalten haben. Und wie immer wenn man Kredite vergibt ist das Risiko eben auch, dass es zu einem Zahlungsausfall kommt. Das Geld das seit 2010 eingepumpt wird diente zunächst vor allem dazu, diesen Zahlungsausfall abzuwenden. Das ist nicht "für die Griechen" gemacht worden, sondern damit die "systemrelevanten" Banken nicht auf dem Hintern gelandet sind, auf dem sie es verdient hatten zu landen. Simpel gesagt: Es handelte sich zunächst um ein Problem der Banken und wurde erst durch "alternativlose" Politik zu einem Problem für uns alle. Die Griechen haben das Geld der Banken verpulvert. Und dann ist nicht zuletzt die deutsche Politik hingegangen und hat dieses Geld den Banken ersetzt.
6. Die Syriza trägt in der Tat die Verantwortung für das Land. Aber es ist schon reichlich (!) spitzfindig daraus eine Verantwortung im Sinne des Wortes für die Vergangenheit abzuleiten. Denn bei aller Dehnung des Wortes so gibt es sicher auch eine Verantwortung der deutschen Regierung für das dritte Reich aber kein Mensch käme auf die Idee zu sagen, die CDU sei für den Holocaust verantwortlich. Im Gegenteil, man muss es ja beispielsweise dem Politclown Varoufakis ja durchaus anerkennen, dass er bereits 2012 deutlich gesagt hat, was die Rettungspolitik taugt. Er war vor drei Jahren schon weiter als so manche europäische Regierung heute. Syriza trägt eine politische Verantwortung, und genau so sollte man es auch ausdrücken. Aber verantwortlich sind zunächst mal die Deppen, die bis heute Bilanzen gefälscht haben und es bis heute nicht geschafft haben einen funktionierenden Staatsapparat aufzubauen.
7. Die Rückkehr zur Drachme ist die einzige Chance für Griechenland überhaupt noch einmal auf einen grünen Zweig zu kommen. Denn die Abwertung der Drachme hat im Inneren erst einmal gar keine große Wirkung. Nur weil die Drachme im Vergleich zum Euro zehn Prozent verloren hat, steigt der Preis für Brot, Olivenöl oder Feta nicht am nächsten Tag um zehn Prozent. Das braucht immer etwas Zeit. Wo die Wirkung gross ist, ist vor allem im Aussenhandel direkt spürbar. Somit hat das Land die Möglichkeit massiven Einfluss auf die Aussenhandelsbilanz zu nehmen, was gerade für ein Land mit spürbaren Wettbewerbsdefiziten nahezu lebensnotwendig sein dürfte. Vergleichen wir einfach die griechische Industrie (oder was man dort so nennt) mit der deutschen. Die können sich auf den Kopf stellen, in den nächsten 20 oder auch 30 Jahren werden die nicht ansatzweise dahin kommen wirklich wettbewerbsfähig zu sein. Wo die griechische Industrie eine Tonne eines industriellen Produktes herstellt, ist für den selben Preis in Deutschland eine zweite erstellt worden. Die einzige Chance, dass diese Tonne nicht importiert wird, ist den Preis für Importe durch eine Weichwährung nach oben zu schrauben. Dann wird auch die griechische Tonne gekauft. In Griechenland. Übrigens sollte man auch die psychologischen und praktischen Unterschiede einer tatsächlichen Lohnkürzung sehen: In Deutschland dürfen beispielsweise Löhne oder Renten nicht einfach gekürzt werden. Aber sie können inflationiert werden. Habe ich eine steinharte Währung, ist es damit vorbei. Gerade in Bezug auf das deutsche Rentenproblem ist die Inflation vielleicht irgendwann die einzige Möglichkeit überhaupt noch ein Maß von Gleichgewicht herstellen zu können. Wird einem das verbaut, so ist man in politischer Hinsicht damit nicht besser aufgestellt. Ich erlaube mir vielleicht auch mal einen ganz praktischen Vergleich mit einem deutschen Problem: Dem Mindestlohn. Der Mindestlohn ist ja effektiv nix anderes als ein Arbeitsverbot für Geringsqualifizierte und Staates Antwort darauf lautet Alimentierung. Wenn wir durch die Währung dafür sorgen, dass die Griechen nicht mehr arbeiten können (weil sie keine Wettbewerbsfähigkeit haben) dann darf man sich auch nicht wundern, wenn Varoufakis die (in diesem Zusammenhang völlig richtige) Forderung erhebt, dass die Griechen dann für immer alimentiert werden müssen. Was sollen sie auch tun ? Wenn ich jemandem die Möglichkeit nehme für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, dann muss ich entweder dessen Lebensunterhalt bezahlen oder er muss verhungern. Dass die Griechen nicht verhungern wollen kann ich nachvollziehen.
Roland Tichy hat in einer Fiktion geschildert, was passieren könnte, wenn der griechische Staat Pleite geht. Sehr interessant zu lesen. Das Szenario ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Da die Griechen ausreichend Zeit gehabt haben ihre Konten aufzulösen und Bargeld zu bunkern, trifft sie eine inflationäre Drachme nicht sofort mit aller Härte. Einiges wird dann durch den "Markt" geregelt. Natürlich wird es Gewinner und Verlierer geben. Das sind dann sowieso immer die Falschen.
Das habe ich soeben im Züricher Tages-Anzeiger gefunden:
Zitat Hinter dem Vorgehen der Griechen steckt politisches Kalkül. Tsipras und seine Regierung waren trotz anderslautender Bekundungen nie an einer Einigung im Schuldenstreit interessiert, sondern haben von Anfang an den Austritt aus der Eurozone angestrebt. So stellten sie absichtlich Forderungen, von denen sie wussten, dass sie die Gläubigerstaaten auf keinen Fall akzeptieren können. Gleichzeitig wurden die Bedingungen der Gläubiger stets als nicht annehmbar bezeichnet, um diese als Schuldige der Krise darzustellen und damit die griechische Bevölkerung gegen die Währungsunion aufzubringen. Langfristiges Ziel war von Beginn weg die Aufgabe der Mitgliedschaft im Euroraum. Tsipras strebt demnach die (Wieder-)Einführung einer eigenen Währung an. Davon verspricht er sich langfristig neue Wettbewerbsfähigkeit in der Volkswirtschaft und eine Stabilisierung und Erholung der griechischen Wirtschaft.
Das ist genau auch meine Meinung. Hans Werner Sinn hat das schon vor einem halben Jahr gesagt. Aber niemand hört auf ihn. Das hat auch Bosbach am Donnerstag bei Maibritt Illner beklagt. Die Politiker sollten mehr auf ausgewiesene Fachleute hören, sagte er sinngemäß.
Noch ist der "Zug nicht abgefahren". Stimmen die Griechen mit NEIN, dann eröffnen sie der Regierung, unter Wahrung des Gesichts, den Ausstieg aus dem Euro und damit einen Neuanfang. Die Schulden wären die Griechen dann auch los.
Die EU-Regierungen müssen dann nur noch erkennen, dass nichts mehr zu retten ist. Sie sollten die Verhandlungen mit Griechenland nicht mehr aufnehmen und Griechenland stattdessen beim Neuanfang unterstützen. "Vogel-Strauß-Politik" hilft nicht weiter. Das den Griechen gegebene Geld ist eh den "Bach runter".
Wenn ich Grieche wäre, der noch Euros auf dem Konto hat, würde ich mit JA stimmen, weil die Hoffnung zuletzt stirbt und ich nach dem Strohhalm greifen würde. Hätte ich mein Geld schon im "Sparstrumpf gebunkert", würde ich mit NEIN stimmen, weil mir der dann nicht von der Inflation erfasste Euro eine Weile das Leben leichter machen würde.
Alles Andere führt nur noch zu noch höheren Kosten für uns Steuerzahler. Daran bin ich nicht interessiert. Durch die notwendige Unterstützung Griechenlands werden sowieso noch Kosten für uns entstehen. Das wäre dann aber sinnvoll angelegtes Geld, statt es wie bisher im griechischen "Sumpf" zu versenken.
Momentan würde ich keiner Nachricht viel Wert beimessen.
Zitat Hans Werner Sinn hat das schon vor einem halben Jahr gesagt. Aber niemand hört auf ihn. Das hat auch Bosbach am Donnerstag bei Maibritt Illner beklagt. Die Politiker sollten mehr auf ausgewiesene Fachleute hören, sagte er sinngemäß.
Zum einen hat Griechenland mit Yanoufakis - im Gegenteil zu Deutschland - einen Wirtschaftswissenschaftler als Finanzminister. Am Sachverstand dürfte es nicht liegen. Vor zwei Tagen kam es zur Veröffentlichung einer IWF-Studie, die die Rechnung der griechischen Regierung gegenüber IWF und der EU stützt - der Bericht wurde auf Druck der USA lanciert, die Europäer wollten die Veröffentlichung anscheinend verhindern.
Sinn hat seit Längerem den Grexit als einzig gute Lösung gesehen, aber kürzlich auch festgestellt, dass es auch ohne ginge, man müsse halt einen praktikablen Weg finden, das Lohnniveau in Griechenland den Verhältnissen anzupassen.
Auf der anderen Seite bin ich mir nicht so sicher, ob Sinn der richtige Fachmann ist. Die Geldströme der Welt werden heute nicht von Ökonomen kontrolliert, sondern von Finanzfachleuten - das kann ein großer Unterschied sein. In der Finanzwelt wird nur noch mit Wetten und mathematischen Modellen gearbeitet. Ich würde mal behaupten, dass Sinn von diesen Abläufen wenig Ahnung hat.
Theoretisch ist es heute möglich, Wetten auf den eigenen Bankrott abzuschließen, und mit dem Bankrott besser zu verdienen als mit dem Weiterbetrieb.
Zitat von Martin im Beitrag #16Zum einen hat Griechenland mit Yanoufakis - im Gegenteil zu Deutschland - einen Wirtschaftswissenschaftler als Finanzminister. Am Sachverstand dürfte es nicht liegen.
Ja, und zwar spezialisiert auf Spieltheorie. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß sich das etwas in seinem politischen Handeln niederschlägt. Und wenn sich jemand selbst als "libertären Marxisten" bezeichnet, relativiert das auch die Sache mit dem Sachverstand.
Zitat von Martin im Beitrag #16Die Geldströme der Welt werden heute nicht von Ökonomen kontrolliert, sondern von Finanzfachleuten - das kann ein großer Unterschied sein. In der Finanzwelt wird nur noch mit Wetten und mathematischen Modellen gearbeitet.
Könnte es sein, daß das auf einer grundlegenderen Ebene ein wesentlicher Teil des Problems ist? Daß zuviel Einfluß bei Leuten liegt, die aus den Augen verloren haben, daß Geld nur dann sinnvoll ist, wenn auch jemand etwas produziert, das man für das Geld kaufen kann?
Zitat von Fluminist im Beitrag #17 Ja, und zwar spezialisiert auf Spieltheorie. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß sich das etwas in seinem politischen Handeln niederschlägt. Und wenn sich jemand selbst als "libertären Marxisten" bezeichnet, relativiert das auch die Sache mit dem Sachverstand.
Ich glaube, dass die Sache mit der Spieltheorie in der Presse gerne erwähnt wird, weil das für den Unbedarften zu einem emotional negativen Attribut wird. Für Jemanden, der Marktmechanismen verstehen will, ist die Spieltheorie einfach ein Werkzeug: Wie verhält sich ein Marktteilnehmer in welcher Situation. Das auf das politische Taktieren zu übertragen ist Spekulation. Die Presse mag aber solche Reizthemen nach dem Motto, wer ist der Überlegene, Schäuble mit seiner Erfahrung, oder Varoufakis mit der Spieltheorie. Moderner Gladiatorenkampf, davon lebt der Billigjournalismus.
Was die Schubladen angeht, in die man sich und andere unbedingt stecken muss, so sei jedem sein Hobby gegönnt. Für mich zählt das Argument.
Zitat Könnte es sein, daß das auf einer grundlegenderen Ebene ein wesentlicher Teil des Problems ist? Daß zuviel Einfluß bei Leuten liegt, die aus den Augen verloren haben, daß Geld nur dann sinnvoll ist, wenn auch jemand etwas produziert, das man für das Geld kaufen kann?
Ich lese gerade 'Der Globale Minotaurus', ich finde Yaroufakis zeigt die Entwicklung der Nachkriegszeit bis zu dem von ihm so genannten 'globalen Minotaurus' recht plausibel auf, also auch wie jetzt die Finanzwirtschaft die Politik bestimmt. Welche Schlüsse man daraus ziehen kann, weiß ich nicht, das einzige, was ich so sehe ist, dass unser Glaube in die Macht der Politiker naiv ist - sollten wir tatsächlich daran glauben.
Zitat von Llarian im Beitrag #13Und bei mindestens dreien davon bin ich der Meinung, dass es sich weniger um eine Wahrheit handelt, sondern eher um eine Meinung, der ich noch dazu widersprechen würde. :)
Ich bitte darum. Ohne Widerspruch wäre es hier doch langweilig.
Zitat 1. Die Milliardenkredite sind selbstverständlich den Banken zugute gekommen.
Die Banken haben zurückbekommen, was ihnen zustand. Ja, sie haben höhere Zinsen kassiert - aber umgekehrt gab es ja auch einen Schuldenschnitt. Der entscheidende Punkt ist für mich: Die 300 Milliarden Staatsschulden sind unterm Strich auch von den Griechen konsumiert worden - und nicht in die Gewinnbilanz von Banken geflossen. Der gängige Mythos, das wäre alles nur eine Finanzmarktgeschichte und die armen Griechen müßten leiden, obwohl sie nie etwas davon gehabt hätten, der ist grundfalsch.
Zitat Die Griechen haben das Geld der Banken verpulvert. Und dann ist nicht zuletzt die deutsche Politik hingegangen und hat dieses Geld den Banken ersetzt.
Da stimme ich zu. Und wie Du weißt, habe ich diese "Rettung" immer kritisiert. Aber da geht es letztlich nur um das deutsche Binnenverhältnis. Die Gläubiger sind nun deutsche (und andere europäische) Steuerzahler, nicht mehr deutsche (und andere europäische) Banken. Für das Außenverhältnis zu Griechenland ist das nicht relevant. Da zählt nur, daß sie die 300 Milliarden auch selber konsumiert haben und deswegen im Obligo sind, nicht nur finanzpolitisch, sondern auch moralisch.
Zitat Die Syriza trägt in der Tat die Verantwortung für das Land. Aber es ist schon reichlich (!) spitzfindig daraus eine Verantwortung im Sinne des Wortes für die Vergangenheit abzuleiten.
Das tue ich auch nicht. Ich widerspreche nur dem gängigen Mythos, die armen Syrizas könne man doch nicht die Fehler oder die Versprechen der Vorgängerregierungen vorhalten. Die Regierung ist ihnen nicht aufgedrängt worden. Die Situation mit allen Problemen war ausreichend bekannt, und sie wollten unbedingt die Verantwortung übernehmen, um es besser zu lösen als die Vorgänger. Da gibt es jetzt keine Ausreden mehr, diese Verantwortung haben sie nun.
Zitat Im Gegenteil, man muss es ja beispielsweise dem Politclown Varoufakis ja durchaus anerkennen, dass er bereits 2012 deutlich gesagt hat, was die Rettungspolitik taugt.
Voldefakis hatte damals Unrecht und hat es heute. Die Rettungspolitik war aus deutscher Sicht zu teuer. Aber für Griechenland durchaus erfolgreich. Außerdem widerspricht er sich laufend. Er beklagt (mit einer gewissen Berechtigung), daß immer mehr neue Schulden aufzunehmen schlecht sei. Aber seit er selber im Amt ist tut er laufend nichts Anderes, als beständig neue Kredite zu fordern.
Zitat Die Rückkehr zur Drachme ist die einzige Chance für Griechenland überhaupt noch einmal auf einen grünen Zweig zu kommen.
Erst einmal noch der generelle Hinweis: Bis die Syriza-Chaoten kamen, war Griechenland schon fast wieder auf dem grünen Zweig. Mit dem Euro. Es ist ja auch kein Problem mit einer vernünftigen Währung ordentlich zu wirtschaften.
Zitat Denn die Abwertung der Drachme hat im Inneren erst einmal gar keine große Wirkung.
Doch. Sie gibt das Signal, daß man wieder zu den alten Untugenden zurückkehren muß: Möglichst hohe Lohnerhöhungen durchdrücken, weil man sich nur so gegen den Abstieg schützen kann. Eine schwache Währung ruiniert die Sparquote und belohnt unsolides Wirtschaften.
Zitat Nur weil die Drachme im Vergleich zum Euro zehn Prozent verloren hat, steigt der Preis für Brot, Olivenöl oder Feta nicht am nächsten Tag um zehn Prozent.
Nein. Im Zweifelsfall steigen die Preise schneller und höher. Weil die Händler einen weiteren Verfall erwarten und einpreisen.
Zitat Vergleichen wir einfach die griechische Industrie (oder was man dort so nennt) mit der deutschen. Die können sich auf den Kopf stellen, in den nächsten 20 oder auch 30 Jahren werden die nicht ansatzweise dahin kommen wirklich wettbewerbsfähig zu sein.
Nicht bei denselben Produkten. Die Griechen werden nicht beim Porsche-Bau konkurrieren. Aber bei den Produkten, die sie herstellen, sind sie derzeit völlig wettbewerbsfähig und verkaufen diese auch. Der Hauptdevisenbringer ist ohnehin der Tourismus. Und der ist preislich völlig konkurrenzfähig. Was da gebraucht wird, sind Ruhe und Stabilität. Also wieder eine normale Regierung. Gerade angesichts der Islamismus-Probleme bei den direkten Wettbewerbern in Ägypten, Tunesien und der Türkei könnten die Griechen richtig gut mit Tourismus verdienen.
Zitat Übrigens sollte man auch die psychologischen und praktischen Unterschiede einer tatsächlichen Lohnkürzung sehen: In Deutschland dürfen beispielsweise Löhne oder Renten nicht einfach gekürzt werden. Aber sie können inflationiert werden.
Das habe ich ja schon geschrieben: Das ist die alte Welt. In Griechenland SIND Löhne und Renten gekürzt worden. Auf ein durchaus ausreichendes Level (bei den Renten muß wohl noch etwas ...). Mit der Einführung der Drachme ist das vorbei. Da MÜSSEN die Arbeitnehmer mit aller Kraft Lohnsteigerungen erreichen, weil sie sonst massiv verlieren. Einfach mal ein paar Jahre nur den Status quo halten geht nur mit einer starken Währung.
Zitat von Paul im Beitrag #15Stimmen die Griechen mit NEIN, dann eröffnen sie der Regierung, unter Wahrung des Gesichts, den Ausstieg aus dem Euro und damit einen Neuanfang. Die Schulden wären die Griechen dann auch los.
Überhaupt nicht. Mit einem "Nein" im Rücken legen die Irren von Syriza erst richtig los - aber mit einem "Neuanfang" im Sinne des Sozialismus. Einen Wirtschaftsaufschwung wird es da nicht mehr geben können.
Und die Schulden sind die Griechen selbstverständlich nicht los. Eine festgestellte Insolvenz heißt NICHT, daß die Schulden gestrichen werden. Sondern die werden im Gegenteil sofort fällig gestellt. Das bedeutet ganz erhebliche Einschränkungen für die griechische Außenwirtschaft.
Zitat von Martin im Beitrag #16Zum einen hat Griechenland mit Yanoufakis - im Gegenteil zu Deutschland - einen Wirtschaftswissenschaftler als Finanzminister. Am Sachverstand dürfte es nicht liegen.
Auch Karl Marx gilt vielen Leuten als Wirtschaftswissenschaftler. Krugmann und Stiglitz sind auch welche, aber außerhalb ihres sehr speziellen Fachgebiets einfach nur linke Spinner. Varoufakis mag im Elfenbeinturm ein paar schlaue Sachen geschrieben haben - von der Praxis hat er keine Ahnung und seine politischen Aktivitäten sind extrem schädlich für Griechenland.
Zitat Vor zwei Tagen kam es zur Veröffentlichung einer IWF-Studie, die die Rechnung der griechischen Regierung gegenüber IWF und der EU stützt - der Bericht wurde auf Druck der USA lanciert, die Europäer wollten die Veröffentlichung anscheinend verhindern.
Die USA haben derzeit den linksradikalsten Präsidenten ihrer Geschichte, der selber voll auf Vulgär-Keynes setzt. Für den ist grenzenloses Schuldenmachen ganz normal. Und für die machtpolitischen Interessen der USA ist ein hochgerüstetes Griechenland ein wichtiger Verbündeter. Solange die Europäer die Zeche zahlen.
Zitat Die Geldströme der Welt werden heute nicht von Ökonomen kontrolliert, sondern von Finanzfachleuten ...
Die Geldströme dieser Welt werden von niemanden kontrolliert. Sie sind einfach die Summe von vielen Einzelentscheidungen, die sich nicht an politischen Wunschvorstellungen orientieren.
Zitat In der Finanzwelt wird nur noch mit Wetten und mathematischen Modellen gearbeitet.
Dieses gängige Vorurteil ist falsch. Natürlich wird viel mit Mathematik gearbeitet - aber Basis ist immer die Realwirtschaft, da spielt die Musik.
Zitat von R.A. im Beitrag #21Auch Karl Marx gilt vielen Leuten als Wirtschaftswissenschaftler. Krugmann und Stiglitz sind auch welche, aber außerhalb ihres sehr speziellen Fachgebiets einfach nur linke Spinner. Varoufakis mag im Elfenbeinturm ein paar schlaue Sachen geschrieben haben - von der Praxis hat er keine Ahnung und seine politischen Aktivitäten sind extrem schädlich für Griechenland.Die USA haben derzeit den linksradikalsten Präsidenten ihrer Geschichte, der selber voll auf Vulgär-Keynes setzt. Für den ist grenzenloses Schuldenmachen ganz normal.
Und lieber R.A., was war das Thema Ihrer Habilitation?
Zitat Die Geldströme dieser Welt werden von niemanden kontrolliert. Sie sind einfach die Summe von vielen Einzelentscheidungen, die sich nicht an politischen Wunschvorstellungen orientieren.
Wenn sich Einzelne für eine Investition entscheiden, dann kontrollieren sie doch wohin ihr Geld fließt. Einzelne sind nicht 'Niemand'.
Zitat Dieses gängige Vorurteil ist falsch. Natürlich wird viel mit Mathematik gearbeitet - aber Basis ist immer die Realwirtschaft, da spielt die Musik.
Dann waren LTCM, Enron und Lehman Brothers Realwirtschaft und gängiges Vorurteil?
Momentan würde ich keiner Nachricht viel Wert beimessen.
Lieber Martin, danke für den Hinweis auf Focus. Er widerspricht nicht meiner Auffassung, dass es nur noch um die Wahrung des Gesichts geht. Die Fakten sprechen für die Drachme. Zunächst betonte ich, dass die griechische Regierung ihr Gesicht wahren will. Das gilt natürlich für die EU-Regierungen auch. Jeder will versuchen unter Wahrung des Gesichts aus der Sache raus zu kommen. Das bedeutet jeder möchte mit guten Gründen der anderen Seite die Schuld zuschieben können. Das halte ich auch für legitim. An diesem Desaster sind nicht die Griechen alleine schuld. Die Europäer haben diese Situation, im Bestreben Geld zu retten, mit verursacht. Mich interessiert auch nicht, wer Schuld hat, sondern, wie es vernünftig weiter gehen kann.
Deshalb, lieber Martin, halte ich beide Nachrichten für richtig und messe ihnen den entsprechenden Wert zu.
Zitat von Paul im Beitrag #15 Zitat: Hans Werner Sinn hat das schon vor einem halben Jahr gesagt. Aber niemand hört auf ihn. Das hat auch Bosbach am Donnerstag bei Maibritt Illner beklagt. Die Politiker sollten mehr auf ausgewiesene Fachleute hören, sagte er sinngemäß.
Sinn hat seit Längerem den Grexit als einzig gute Lösung gesehen, aber kürzlich auch festgestellt, dass es auch ohne ginge, man müsse halt einen praktikablen Weg finden, das Lohnniveau in Griechenland den Verhältnissen anzupassen.
Auch hier hat Sinn recht, wenn er diese theoretische Variante in's Spiel bring. "Theoretisch" deshalb, weil es wohl niemanden gibt, der ernsthaft der Annahme ist, dass die griechische Regierung das Lohnniveau so entscheidend senkt, dass der gewünschte Effekt eintreten könnte. Vermutlich würde das auch zum Aufstand in Griechenland führen.
Also, bei Senkung der Löhne würde es auch ohne Grexit gehen, theoretisch. Insofern widerspricht Sinn sich nicht.
Auf der anderen Seite bin ich mir nicht so sicher, ob Sinn der richtige Fachmann ist. Die Geldströme der Welt werden heute nicht von Ökonomen kontrolliert, sondern von Finanzfachleuten - das kann ein großer Unterschied sein. In der Finanzwelt wird nur noch mit Wetten und mathematischen Modellen gearbeitet. Ich würde mal behaupten, dass Sinn von diesen Abläufen wenig Ahnung hat.
Theoretisch ist es heute möglich, Wetten auf den eigenen Bankrott abzuschließen, und mit dem Bankrott besser zu verdienen als mit dem Weiterbetrieb.
Da möchte ich ein Bild gebrauchen: Die Finanzer sind die Techniker, die , wie Sie zutreffend schreiben, "Geldströme kontrollieren". Die Ökonomen sind die Lenker des Fahrzeuges, die Geldströme nutzbar anwenden. Ich kann Auto fahren, habe aber keine Ahnung von der Fahrzeugtechnik. Muss ich auch nicht. Jeder Vergleich hinkt. Ich hoffe Sie haben verstanden was ich damit meine?
Deshalb ist Sinn für mich, was die ökonomische Zukunft Griechenlands angeht, ein ausgewiesener Fachmann.
Wenn die Finanzer ihren Gewinn machen, hat das nichts mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Griechenlands zu tun, weil sie auchn aus der Verschlechterung einer Lage, wenn sie richtig gewettet haben, ihren Gewinn machen. Deshalb sind sie gerade nicht die Fachleute.
Zitat von Martin im Beitrag #16Zum einen hat Griechenland mit Yanoufakis - im Gegenteil zu Deutschland - einen Wirtschaftswissenschaftler als Finanzminister. Am Sachverstand dürfte es nicht liegen.
Ja, und zwar spezialisiert auf Spieltheorie. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß sich das etwas in seinem politischen Handeln niederschlägt. Und wenn sich jemand selbst als "libertären Marxisten" bezeichnet, relativiert das auch die Sache mit dem Sachverstand.
Zitat von Martin im Beitrag #16Die Geldströme der Welt werden heute nicht von Ökonomen kontrolliert, sondern von Finanzfachleuten - das kann ein großer Unterschied sein. In der Finanzwelt wird nur noch mit Wetten und mathematischen Modellen gearbeitet.
Könnte es sein, daß das auf einer grundlegenderen Ebene ein wesentlicher Teil des Problems ist? Daß zuviel Einfluß bei Leuten liegt, die aus den Augen verloren haben, daß Geld nur dann sinnvoll ist, wenn auch jemand etwas produziert, das man für das Geld kaufen kann?
Lieber Fluminist, ich bin erfreut, dass wir einer Meinung sind.
Zitat An diesem Desaster sind nicht die Griechen alleine schuld.
Im wesentlichen schon. Es waren alleine griechische Entscheidungen, die zum 300-Milliarden-Schuldenberg geführt haben. Kein Euro Kredit wurde der griechischen Regierung aufgedrängt. Was die EU falsch gemacht hat hat höchstens dazu geführt, daß die Sache für die übrigen Europäer teurer wird. Aber ohne die EU-Intervention wären die Folgen für Griechenland noch viel härter gewesen.
Zitat Also, bei Senkung der Löhne würde es auch ohne Grexit gehen
Und diese Senkung der Löhne hat längst stattgefunden. Griechenland braucht keiner weiteren Lohnkürzungen, sondern politische Stabilität.
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