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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Paul Offline




Beiträge: 1.285

07.07.2015 05:21
#76 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #75
Auch Nestlé verkauft weniger, wenn es die Preise erhöht, genau wie alle anderen Anbieter auf vergleichbaren Märkten auch. Und Ungleichgewichte entstehen dadurch in wesentlichem Umfang auch nicht - zumindest nicht auf mehr als kurze Sicht.


Damit Nestlé, Nivea et al, dann wieder mehr verkaufen bieten sie ihre Markenprodukte mit anderer Produktbezeichnung und mit verschleiertem Hersteller (z.B. hergestellt für...) billiger bei Aldi et al an. Damit stören sie dann den Markt nicht?

Ist das dann schon ein Schattenmarkt?

Das ist alles sicherlich sehr interessant. Aber was hat das mit Griechenland zu tun?

___________________________
JE SUIS JUIF

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.07.2015 11:07
#77 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #71
Griechenland halte ich für einen failed state.

Dem widerspreche ich vehement.
Griechenland hat eine Reihe Defizite (die wir hier auch oft genug diskutiert haben), ist aber ansonsten ein völlig funktionsfähiger europäischer Staat.
Die Griechen haben ein relativ ordentliches Bildungssystem, eine gut ausgebaute Infrastruktur (trotz der sehr schwierigen Geographie), Militär, Polizei und Justiz funktionieren, ihre Exportindustrie verkauft jährlich für 30 Milliarden Güter ins Ausland und alle üblichen Waren und Dienstleistungen sind vorhanden.

Zitat
Es hat kein Kataster. Die Privilegien der orthodoxen Kirche widersprechen dem westlichen Geist. (Die Kirche ist Hauptgegner des Katasters.)


Ja.
Und?
Nur weil wir uns nach deutschen Maßstäben ein Leben ohne Kataster nicht vorstellen können heißt das ja nicht, daß das wirklich so lebensnotwendig ist.
Fakt ist, daß die Eigentumsrechte an Grundbesitz offenbar ausreichend definiert sind. Man kann Häuser und Grundstücke kaufen und verkaufen und auch Hypotheken darauf aufnehmen. Das Wirtschaftsleben scheint wunderbar ohne Kataster auszukommen.
Wo das fehlende Kataster stört, das ist bei der Erhebung von Grundsteuern. Aber das ist ohnehin eine archische und eher sinnlose Steuerart.

Staaten sind grundsätzlich ziemlich fehlerhaft und ineffizient. Es gibt viele Aspekte in unserem schönen hochzivilisierten Nachbarland Frankreich, da drängt sich mir auch das "failed state" auf - aber das wäre natürlich völlig überrissen. Es sind nun mal wenige Länder so gut organisiert wie Deutschland oder die Schweiz - und wir haben ja auch genug Mißstände.
Man kann sehr wohl dauerhaft ein Land betreiben, das in vielen Punkten nicht dem Ideal an Organisation und Staatstätigkeit entspricht.

Zitat
Ich war schon vor wenigen Jahren auf Schäffler-Linie.


Das waren wir hier wohl alle.
Und obwohl ich bis heute glaube, daß die Schäffler-Linie die bessere gewesen wäre: Es ist doch festzustellen, daß auch die Merkel-Politik irgendwie funktioniert hat. Bisher jedenfalls ist es ganz gut gelaufen, und egal was jetzt in Griechenland passiert - ich sehe nicht, daß uns daraus größerer Schaden entstehen wird.

Zitat
Merkel und Schäuble wurde viel vorgeworfen. Was ich bisher als Vorwurf vermisste: Naivität.


Den Vorwurf halte ich auch für unberechtigt. Ich glaube nicht, daß Merkel Dankbarkeit von Griechenland erwartet hat. Daß es Widerstand geben würde war auch zu erwarten. Aber daß das für eine Mehrheit für einen so durchgeknallten Extremisten wie Tsipras reichen würde war unwahrscheinlich.
Ist aber letztlich auch egal, denn im wesentlichen müssen die Griechen selber für ihre politische Dummheit büßen.

Zitat
Ich denke auch, dass die Bundesregierung ein sehr starkes Eigeninteresse hatte, Griechenland zu stützen.


Richtig. Man hat Zeit gekauft. Sehr teuer gekauft.
Aber heute wäre jedes Endergebnis der Griechenlandkrise verkraftbar.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

07.07.2015 12:33
#78 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #76
Damit stören sie dann den Markt nicht?

Ist das dann schon ein Schattenmarkt?
Wieso sollte das den Markt "stören"? Jeder Hersteller ist in seiner Produktdifferenzierung frei.
Zitat von Paul im Beitrag #76
Aber was hat das mit Griechenland zu tun?
Nichts. Warum gehst Du dann drauf ein ?

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

07.07.2015 12:38
#79 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #77
Man kann Häuser und Grundstücke kaufen und verkaufen und auch Hypotheken darauf aufnehmen.
Das scheint aber mit einigen Schwierigkeiten verbunden zu sein und erfordert ggf. auch das Schmieren geeigneter Stellen. Jedenfalls gibt es da eine Insel, die tatsächlich ein Katasterwesen hat (ich glaube, es war Rhodos), und für die das ein großer Vorteil ist beim Wettbewerb um Bauprojekte.
Zitat von R.A. im Beitrag #77
ich sehe nicht, daß uns daraus größerer Schaden entstehen wird
Zitat von R.A. im Beitrag #77
Man hat Zeit gekauft. Sehr teuer gekauft.
Die beiden Aussagen gehören zusammen
Zitat von R.A. im Beitrag #77
Aber daß das für eine Mehrheit für einen so durchgeknallten Extremisten wie Tsipras reichen würde war unwahrscheinlich.
Das ist der wirklich entscheidende Punkt: Natürlich hat man damit rechnen können. Ein Herr Baring hat schon 1997 ziemlich genau das aktuelle Szenario beschrieben. Die "Euro-Rettung" hat viel Geld gekostet und vor allem zwei Dinge bewirkt: Private Schulden wurden durch öffentliche ersetzt, und zwischen die Völker Europas wurden und werden Keile getrieben.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

07.07.2015 12:44
#80 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat
Aber das ist ohnehin eine archische und eher sinnlose Steuerart.



Huch, das sehe ich nun gar nicht. Im Gegenteil, es wäre die wohl am einfachsten umzusetzende Steuer. Und die am ehesten gerechtfertigte.

1. Die Steuerbasis kann nicht ins Ausland abhauen. Für Griechenland Gold wert.

2. Wenn jemand nicht bezahlt, dann muss man niemanden ins Gefängnis werfen (kostet selber Geld), man konfisziert und versteigert das Grundstück. Das kann nicht über die Grenze gebracht werden. Kommt dabei nicht die bisher gezahlte Steuerschuld heraus, hat man mit diesem Schritt zu lange gewartet oder die Grundsteuer war zu hoch angesetzt. Das konkrete Vorgehen für die Zukunft muss dann korrigiert werden.

3. Es behindert keine Transaktionen, wie die Mehrwerts- oder Einkommenssteuer.

4. Wenn unterschiedliche Steuersätze für den Boden- und den Immobilienwert angesetzt werden, mit deutlich höherem Satz für den Bodenwert, kommen als Vorteile dazu:

a) Legitimität: Es wird die Verwendung einer knappen, unvermehrbaren Naturresource besteuert.

b) Sie ungenutzt liegen zu lassen wird durch eine solche Steuer unattraktiv. Ohne das Investitionen in die zusätzliche Produktion des Produktes reduziert werden - da eh kein neues Land erstellt werden kann.

c) Wertsteigerungen durch sinnvolle Investitionen in Infrastruktur kommen wieder der Allgemeinheit zu gute. Lässt man das in dies Kasse der Kommunalebene fließen, belohnt dies vorausschauende Investitionen der Gemeinden. Ohne das Transaktionen in der Gemeinde besteuert werden, inklusive der Verkauf von Arbeitskraft.

d) Pacht- und Mietkosten für Pächter und Mieter steigen dadurch nicht (direkt). Denn die erzielbare Pacht hängt von Angebot und Nachfrage ab. Das Angebot wird durch die Besteuerung von Grundstücken, die sich auf den Bodenwert anstatt den Immobilienwert fokussiert, nicht reduziert (gibt eh nicht neu hergestelltes Land, dafür wird eventuell ungenutztes Land der Wirtschaft zugeführt, das es nun auch nennenswert Kostet, selbst wenn es unbebaut und ungenutzt bleibt). Die Verpächter kann nicht mehr verlangen, als die Nachfrage hergibt. Dafür muss er es nun möglichst schnell einer wirtschaftlichen Nutzung zuführen, um die zu zahlenden Steuern wieder rein zu bekommen. Was die Verhandlungsposition potentieller Pächter/Mieter stärkt. Höchstens indirekt kann es zu einer Steigerung kommen, wenn im Gegenzug andere Steuern gesenkt werden und damit die nominelle Nachfrage steigt.

Die Erkenntnis ist auch nicht neu, es war klassisch liberale Politik die Besteuerung auf Land zu fokussieren. Schon bei Adam Smith, der Besteuerung von Land und Luxuskonsumgütern für die sinnvollsten Steuern hielt, da sie Investitionen nicht unatraktiver machen und nicht den Alltagskonsum belasten.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Florian Offline



Beiträge: 3.171

07.07.2015 12:50
#81 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #77

Zitat
Es hat kein Kataster. Die Privilegien der orthodoxen Kirche widersprechen dem westlichen Geist. (Die Kirche ist Hauptgegner des Katasters.)

Ja.
Und?
Nur weil wir uns nach deutschen Maßstäben ein Leben ohne Kataster nicht vorstellen können heißt das ja nicht, daß das wirklich so lebensnotwendig ist.
Fakt ist, daß die Eigentumsrechte an Grundbesitz offenbar ausreichend definiert sind. Man kann Häuser und Grundstücke kaufen und verkaufen und auch Hypotheken darauf aufnehmen. Das Wirtschaftsleben scheint wunderbar ohne Kataster auszukommen.
Wo das fehlende Kataster stört, das ist bei der Erhebung von Grundsteuern. Aber das ist ohnehin eine archische und eher sinnlose Steuerart.



Dass es in Griechenland kein funktionierendes Grundbuch gibt, wird ja oft als sehr gravierendes Defizit genannt.

Einerseits gebe ich R.A. Recht:
Ein Kataster ist nicht so entscheidend wie gerne getan wird.
Und so perfekt wie in Deutschland läuft es auch in wenigen Ländern.
(Lustigerweise habe ich gestern abend einen Barnaby-Krimi gesehen, bei der die Handlung um ein Grundstück kreiste, dessen Besitzrechte ungeklärt waren. Daraufhin habe ich bei Wikipedia nachgelesen (https://en.wikipedia.org/wiki/HM_Land_Registry). Tatsächlich ist in England eine Erfassung im Kataster nicht zwingend und es sind "nur" ca. 80% der Landflächen im Kataster erfasst. Scheint aber auch zu funktionieren.)

Andererseits:
Dass ein Kataster fehlt, behindert die wirtschaftliche Entwicklung natürlich schon.
Ganz praktisch:
Ein Grundstück-Eigentümer kann in Griechenland ein und dasselbe Grundstück mehrfach verkaufen. Entsprechend kann es für ein Grundstück widersprüchliche Besitzansprüche geben. Wenn ich ein Grundstück (von dem ich glaube, dass es mir gehört) ein paar Jahre liegen lasse, kann es also passieren, dass irgend jemand anders gutgläubig sein Haus drauf baut. Irgendjemand (entweder er oder ich) ist dann gekniffen.
Bautätigkeit und Immobiliengeschäfte sind also inhärent unsicherer und damit riskanter als in Deutschland.
Davon geht das Land nicht unter. Aber es ist sicher ein Standortnachteil.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.07.2015 12:52
#82 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #79
Zitat von R.A. im Beitrag #77
Man kann Häuser und Grundstücke kaufen und verkaufen und auch Hypotheken darauf aufnehmen.
Das scheint aber mit einigen Schwierigkeiten verbunden zu sein und erfordert ggf. auch das Schmieren geeigneter Stellen.

Es ist für uns Mitteleuropäer schwer zu akzeptieren - aber bis zu einem gewissen Grad kann eine Gesellschaft damit leben, wenn staatliche Dienstleistungen inoffizielle Gebühren kosten. Wichtig ist halt, daß das alles im bezahlbaren Rahmen bleibt und daß es halbwegs planungssicher funktioniert.

Zitat
Jedenfalls gibt es da eine Insel, die tatsächlich ein Katasterwesen hat (ich glaube, es war Rhodos), und für die das ein großer Vorteil ist beim Wettbewerb um Bauprojekte.


Sicher. Ich würde auch weiterhin empfehlen, daß Griechenland eine vernünftiges Grundbuchverwaltung aufbaut. Aber wenns fehlt, ist es halt noch lange nicht "failed state".

Zitat
Die beiden Aussagen gehören zusammen


Richtig. Halbwegs kontrolliert einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr zu verlieren ist für die Bundesrepublik noch kein wirklich großer Schaden.
Ein großer Schaden ist z. b. die Energiewende. Weil da nicht nur solche Milliardenbeträge verloren gehen (das wirft uns noch nicht um), sondern massiv Investitionen fehlgesteuert werden.

Zitat
Ein Herr Baring hat schon 1997 ziemlich genau das aktuelle Szenario beschrieben.


Baring hat vorhergesehen, daß die Trotzkisten in einem europäischen Staat die Regierung übernehmen?
Ohne Syriza hätte sich die Szene m. E. in den nächsten Jahren wieder beruhigt. Griechenland hätte wieder eine halbwegs normale Wirtschaftsentwicklung hingelegt, die wesentlichsten Bereiche reformiert (andere halt nicht) und mit etwas Strecken und Abschreiben wäre die Kreditkrise ad acta gelegt worden.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.07.2015 13:02
#83 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #80

Zitat
Aber das ist ohnehin eine archische und eher sinnlose Steuerart.

Huch, das sehe ich nun gar nicht. Im Gegenteil, es wäre die wohl am einfachsten umzusetzende Steuer. Und die am ehesten gerechtfertigte.


Zu "einfach umzusetzen" ist Griechenland ja wohl ein hervorragendes Gegenbeispiel. Dito die deutsche Vermögenssteuer, die seit Jahren auf Eis liegt, weil man keine vernünftige Grundstücksbewertung hinkriegt.
Und zu "gerechtfertigt": Gerecht ist eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Und ein Grundstück per se bringt überhaupt nichts. Sondern nur, wenn es genutzt wird - und dieser Nutzen bringt ohnehin Einkommenssteuer.

Die weiteren Punkte von wegen "man kann drakonisch Steuerschulden eintreiben" scheinen mir bei einem ansonsten halbwegs funktionsfähigen Steuersystem nicht wirklich überzeugend zu sein.

Zitat
3. Es behindert keine Transaktionen, wie die Mehrwerts- oder Einkommenssteuer.


Siehe oben: Diese Transaktionen erzeugen Mehrwert bzw. führen zu Leistungsfähigkeit.
Alle übrigen Steuern gehen auf die Substanz, das führt zu Ungerechtigkeit und Doppelbesteuerung.

Zitat
a) Legitimität: Es wird die Verwendung einer knappen, unvermehrbaren Naturresource besteuert.


Und wieso soll das legitim sein?

Zitat
b) Sie ungenutzt liegen zu lassen wird durch eine solche Steuer unattraktiv.


Und? Es ist das Recht jedes Menschen, sein Eigentum zu verwerten oder darauf zu verzichten.

Zitat
c) Wertsteigerungen durch sinnvolle Investitionen in Infrastruktur kommen wieder der Allgemeinheit zu gute.


Die kann man auch durch direkte Umlage erfassen, das ist deutlich gerechter.

Zitat
Die Erkenntnis ist auch nicht neu, es war klassisch liberale Politik die Besteuerung auf Land zu fokussieren.


Zu einer Zeit, als andere Steuerarten organisatorisch zu schwierig waren.

Edit: Fehlerkorrektur nach Hinweis durch Techniknörgler - "Erbschaftssteuer" im zweiten Satz durch "Vermögenssteuer" ersetzt.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

07.07.2015 13:41
#84 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #83
Zu einer Zeit, als andere Steuerarten organisatorisch zu schwierig waren.



Smith hatte schon seine Gründe.

Zitat
"Following the Union, the English system of revenues colected in twenty-four branches was extended to Scotland, together with the complicated apparatus of bounties and drawbacks which was part of the prevailing mercamtilism. In consequences, a new Scottish Customs Establishment had to be created under Godolphin, the Lord Treasurer of the United Kingdom. A five member Board of Commissioners was established in Edinburgh, together with ist staff, to superintend operations at each out port handled by a collector, comptroller, and surveyor, supported by a number of landwaiters (officers who superintended landing of goods and examined them) and boatmen. ...

Because of the widespread resistance in Scotland to the new Revenue System, and the lucrative nature of smuggling, also the nature of the rugged Scottish coastline with its many landing-places, as well as the inexperience, human failure, and corruption of some of the Customs officers, there was considerable leakage of revenue (Riley 1964; chs. 3. 4, 9, 13). Our Adam Smith served on the Edinburgh Board as a Commissioner, and heard about the same kind of problems from 1778 until his death."


- Ian Simpson Ross, The Life of Adam Smith, 2nd ed. Oxford UP 2010, S. 6-7.

Wildes Gelände, Wilde Schmuggler im Widerstand gegen die Zentralmacht... Passt schon.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.07.2015 14:46
#85 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #73
Es ist der Wesenskern einer Marktwirtschaft, dass Angebot und Nachfrage zum Ausgleich gebracht werden.




Lieber Florian,
klar stellt sich irgendein Preis ein, es ist erst mal ein zu Fixpreisen alternativer Preisfindungsmechanismus. Was sagt das aber aus? Ein ‚Gleichgewicht‘ ist kein Wert per se. Die Motivation der Marktteilnehmer ist ja entweder den Gewinn zu maximieren, oder auf der anderen Seite die Kosten zu minimieren. Ob dahinter ein Gleichgewicht ist, ist denen gleichgültig.

Es ging ursprünglich darum, ob Märkte selbstregulierend sind. In dem Sinn, dass ich heute ein Haus zu seinem Marktwert kaufen und in zehn Jahren zu seinem Marktwert verkaufen kann, sicher ja. Ob ich aber danach meinen Kredit zurückzahlen kann oder aber Privatier werden kann, dafür gibt es keine in die Zukunft schauende Formel. Der Preis für das Haus in der Zukunft hängt davon ab, ob vielleicht Opel noch sein Werk dort hat, ob die Zentralbank Zinsen gesenkt oder angehoben hat, ob eine neue Regierung plötzlich teure Dämmungsmaßnahmen fordert, oder, oder.

Über allem stehen Nationalstaaten, die ihre Wirtschaft am Laufen halten wollen. So wird Einfluss genommen auf die Zinsentwicklung der Nationalbanken, es werden Fördergelder verteilt, es werden Steuern als Steuerinstrumente benutzt, es werden die Normen verschärft, es werden Exportkreditgarantien gewährt, bei Regierungen wird gebettelt und Lobbyarbeit gemacht.

Freie Marktwirtschaft ist hier nur so weit, als dass sich die Preise an all diese Eingriffe irgendwie anpassen.
Varufakis Buch beschäftigt sich aber mit einer Größenordnung höher: Dort, wo von einer Nation Einfluss genommen wird auf eine andere, wo Handelswaren in die eine Richtung fließen, die erwirtschafteten Gewinne gleich hinterher, wo Parallelwährungen außerhalb der Kontrolle der Regierungen entstehen, die ganze Wirtschaftssysteme ins Wanken bringen, wo Preisfestsetzungen auf mathematischen Modellen beruhen, deren Funktion zwar die Handelspartner nicht verstehen, die Produkte dafür ersatzweise mit Ratings geadelt werden. Freie Marktwirtschaft kann es nur geben, wo die Teilnehmer verstehen, was sie tun. Was beim Erdbeerverkauf auf dem Wochenmarkt funktioniert, funktioniert auf den Finanzmärkten nicht.
Wobei:

Nehmen wir den Wochenmarkt, auf dem die Erdbeeren dem Ende zu immer billiger werden. Effizient wäre der Wochenmarkt aus Ihrer Sicht wohl, wenn keine Ware übrigbleibt, wenn die Händler Schildchen aufstellten, bis wie tief sie bereit sind zu gehen, bevor sie den Rest wegwerfen. Oder besser, der Banker steht gleich daneben und sagt den Kunden, mit welcher Summe und welchem Zinssatz der Händler bei ihm in der Kreide steht. Noch besser gleich ein Computerprogramm, das Händler und Kunden das optimale Ergebnis präsentiert – denn beide sind nicht in der Lage das zu kalkulieren. Selbstverständlich kennt das Programm dann die Daten aller anderen Händler, wie viele Kunden heute noch auftauchen werden, der künftig zu erwartenden Ernten und den Gesundheitszustand der Händler. Damit wären dann ja alle verfügbaren Informationen im Markt berücksichtigt .

Gruß, Martin

Florian Offline



Beiträge: 3.171

07.07.2015 15:46
#86 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Lieber Martin,

ich glaube, so langsam ufert die Diskussion hier aus.

Es ging hier doch eigentlich nur um folgendes:
R.A. hatte geschrieben, dass Märkte zum Gleichgewicht tendierten.
Sie hatten das in Zweifel gezogen.

Und ich habe dann versucht klarzustellen, dass Märkte sehr wohl zum Gleichgewicht tendieren.
Und ferner auch, dass Kapitalmärkte i.d.R. recht effizient sind. Und nicht mehr.
Irgendeine moralische Wertung bestimmter Marktergebnisse war damit nicht verbunden.

Nun gibt es für die beiden Begriffe "Marktgleichgewicht" und "Markteffizienz" übliche volkswirtschaftliche Definitionen.
Übrigens Definitionen, über die in der Volkswirtschaftslehre auch im Wesentlichen Einigkeit besteht.
"Marktgleichgewicht" bedeutet zum Beispiel nicht "die Marktpreise sind konstant".
"Effiziente Märkte" bedeutet nicht, dass am Wochenmarkt mit Computermodellen gearbeitet werden muss.

Ich hatte womöglich fälschlich vermutet, dass Sie beruflich mit volkswirtschaftlichen Fragen zu tun haben und dass Ihnen die Definitionen daher geläufig sind. Bitte entschuldigen Sie, falls ich da etwas falsch interpretiert habe.
Es steht Ihnen natürlich frei, die Begriffe für sich persönlich anders zu definieren und dann zu anderen Ergebnissen zu kommen.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

07.07.2015 15:53
#87 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Laut H.M.Broder versucht man bei den Griechenland-Finanzen nun die "Quadratur des Kreises".
( http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...tur_des_kreises )

Da ist es ja ein Schritt in die richtige Richtung, dass Griechenland nun einen neuen Finanzminister namens Euklid hat ...

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

07.07.2015 16:03
#88 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #87
Laut H.M.Broder versucht man bei den Griechenland-Finanzen nun die "Quadratur des Kreises".
( http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...tur_des_kreises )

Da ist es ja ein Schritt in die richtige Richtung, dass Griechenland nun einen neuen Finanzminister namens Euklid hat ...



Noch hübscher ist, dass der Letzte, der einen ... ernstzunehmenden ... Beweis für die Lösung dieses Problems vorgelegt hat, ein gewisser Thomas Hobbes war.

http://www.uh.edu/engines/epi2372.htm



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Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.07.2015 17:12
#89 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #86
Lieber Martin,

ich glaube, so langsam ufert die Diskussion hier aus.

Es ging hier doch eigentlich nur um folgendes:
R.A. hatte geschrieben, dass Märkte zum Gleichgewicht tendierten.
Sie hatten das in Zweifel gezogen.




Lieber Florian,

es ging um das Überschussrecycling, beispielsweise um die Überschüsse, die in D (Exportüberschuss) angehäuft werden, die sich dann in den griechischen Schulden widerspiegeln, bis die Hoffnung auf Rückzahlung geschwunden ist. Die Preise der Waren wurden sicher alle nach Angebot und Nachfrage ermittelt. In einem Ausgleichsystem mit verschiedenen Währungen wäre die 'Drachme' im Wert so lange gefallen, bis griechische Exporte die Importe wieder ausgleichen. Alternativ wäre deutsches Kapital nach Griechenland zurückgeströmt, sodass es wenigstens zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz gekommen wäre. Für das letztere fehlen aber die Anreize / das Angebot. Die Währung fällt auch weg. Käme als regulativ eine allgemeine Lohnabsenkung, die einer Währungsanpassung gleich käme. Der stehen aber griechische Regularien im Wege. Wo also ist das selbstregulierende System?

Gruß, Martin

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

07.07.2015 17:14
#90 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #82
Baring hat vorhergesehen, daß die Trotzkisten in einem europäischen Staat die Regierung übernehmen?
Nein, Baring hat genau die Stimmungslage (finanzielle Disziplin als angebliche Ursache der Probleme, Deutsche als "Wirtschaftspolizisten" und "bestgehasstes Volk Europas") vorhergesehen, die dann wenig verwunderlich dazu führte, dass eine radikale Regierung gewählt wurde (ja nicht nur Kommunisten, sondern auch ihre Querfront-Freunde - mehr purer Protest geht nicht).

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Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

07.07.2015 17:18
#91 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #89
Der stehen aber griechische Regularien im Wege.
Das ist ein Argument gegen sich selbst regulierende Märkte?
Zitat von Martin im Beitrag #89
Wo also ist das selbstregulierende System?
Das wäre durch steigende Zinsen auf griechische Kredite zustande gekommen. Die Finanzmärkte haben aber offenbar von Anfang an mit dem Bruch der Maastricht-Verträge gerechnet - wenn so ein "deus ex machina" zur Verfügung steht, braucht man auf sich selbst regulierende Märkte nicht zu warten.

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(Reinhard Mey)

Florian Offline



Beiträge: 3.171

07.07.2015 17:32
#92 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #89
Zitat von Florian im Beitrag #86
Lieber Martin,

ich glaube, so langsam ufert die Diskussion hier aus.

Es ging hier doch eigentlich nur um folgendes:
R.A. hatte geschrieben, dass Märkte zum Gleichgewicht tendierten.
Sie hatten das in Zweifel gezogen.




Lieber Florian,

es ging um das Überschussrecycling, beispielsweise um die Überschüsse, die in D (Exportüberschuss) angehäuft werden, die sich dann in den griechischen Schulden widerspiegeln, bis die Hoffnung auf Rückzahlung geschwunden ist. Die Preise der Waren wurden sicher alle nach Angebot und Nachfrage ermittelt. In einem Ausgleichsystem mit verschiedenen Währungen wäre die 'Drachme' im Wert so lange gefallen, bis griechische Exporte die Importe wieder ausgleichen. Alternativ wäre deutsches Kapital nach Griechenland zurückgeströmt, sodass es wenigstens zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz gekommen wäre. Für das letztere fehlen aber die Anreize / das Angebot. Die Währung fällt auch weg. Käme als regulativ eine allgemeine Lohnabsenkung, die einer Währungsanpassung gleich käme. Der stehen aber griechische Regularien im Wege. Wo also ist das selbstregulierende System?

Gruß, Martin


Ja, das ist alles richtig.
So langsam verstehe ich daher gar nicht mehr, worüber wir diskutieren.
Bzw. vielleicht sind wir uns von Anfang an 100% einig gewesen ohne es zu merken.

R.A. vertritt (wie ich) die Auffassung, dass marktwirtschaftliche Systeme selbstregulierend sind.

Nun ist aber eine Einheitswährung gerade KEIN marktwirtschaftliches System. Der Selbstregulierungsmechanismus wird eben ausgeschaltet, wenn man Markt durch Staat ersetzt (hier: durch eine staatlich verordnete Einheitswährung). Und es kommt zu Ungleichgewichten, die sich nicht ausgleichen lassen. Eben gerade, weil der marktwirtschaftliche Mechanismus (hier: Währungsanpassungen) nicht möglich ist.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.07.2015 17:51
#93 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #92
Nun ist aber eine Einheitswährung gerade KEIN marktwirtschaftliches System.

Sie widerspricht diesem System aber auch nicht.

Marktwirtschaft funktioniert im Prinzip mit jeder Währung, schließlich ist Geld nur ein Hilfsmittel für die marktwirtschaftlichen Transaktionen. Die Griechen hätten im Grunde ihren Außenhandel auch in Dollar abrechnen können.

Martin wirft hier zwei Aspekte zusammen: Die griechischen Staatsschulden (die eigentlich über steigende Zinsen hätten reguliert werden müssen) und die durch überzogene Lohnsteigerungen geschädigte Wettbewerbsfähigkeit (die dann zu einem Handelsdefizit geführt haben).

Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit kann es natürlich in jedem Währungssituation geben. Und daraus dann auch Handelsbilanzungleichgewichte.
Aber auch dafür gibt es natürlich marktwirtschaftliche Selbstregulierung. Entweder wird das Handelsdefizit anderswo ausgeglichen (z. B. durch Tourismuseinnahmen oder Vermögensverkäufe) oder aber es werden wenig produktive Arbeitsplätze wegfallen, so daß auch der entsprechende Konsum wegfällt.

Es wird dazu keine explizite Statistik geben - aber schon lange vor dem Platzen der Blase 2010 müssen in der griechischen Exportindustrie Arbeitsplätze verloren gegangen sein.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

07.07.2015 18:00
#94 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #82
Baring hat vorhergesehen, daß die Trotzkisten in einem europäischen Staat die Regierung übernehmen?


Die BILD-Zeitung hat das vor 4 Tagen entdeckt; sie war aber nicht die erste.

Zitat von MoPo, 26.07.2012
Ein Hellseher sei er nicht, er habe sich nur gründlich informiert und durch einen erfahrenen Bankier beraten lassen, sagt Professor Arnulf Baring. Er hat bereits 1997, fünf Jahre vor der Einführung des Euro, in seinem Buch "Scheitert Deutschland?" vor der Währungsunion ebenso gewarnt wie vor der Aufnahme Griechenlands in die Europäische Union. Und er sagte voraus, was jetzt tatsächlich eingetreten ist: Deutschland drohe finanzpolitisch erpresst zu werden; und weil wir Währungsdisziplin fordern, würden die anderen Länder uns für deren Probleme verantwortlich machen. Helmut Kohl zu verantworten. Der Kanzler (Amtszeit 1982 bis 1998) habe damals empört auf seine düsteren Prognosen reagiert, erinnert sich Baring. "Als ich eine Kurzfassung in der ,Frankfurter Allgemeinen Zeitung' veröffentlich hatte, schrieb Bundeskanzler Kohl an jeden der fünf Herausgeber einen eigenen Brief des Inhalts: Sie dürften mir ihr Blatt nicht länger als Forum zur Verfügung stellen. Es sei doch unerhört, dass dieses großartige Projekt durch Schmierfinken wie mich in den Dreck gezogen würde."

Die Währungsunion, sagt Baring, sei von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen. Weil Mentalität und Leistungskraft in den Ländern der gemeinsamen Währungszone viel zu unterschiedlich seien. "Das führt zwangsläufig zu Spannungen und lässt den Laden irgendwann auseinanderfliegen." Der ihn beratende Bankier habe ihm damals auch vorhergesagt, dass das Ganze am Ende auf eine gigantische Erpressung hinauslaufe.

Auf die Frage, ob denn aus seiner Sicht noch etwas zu retten sei, antwortet der emeritierte FU-Professor mit der Gegenfrage: "Wie wollen Sie etwas retten, wenn auf unsere Kosten etwas saniert werden soll, was nicht zu sanieren ist? Da stockt mir der Atem."


http://www.morgenpost.de/printarchiv/wir...oraussagte.html

Und ausserdem:

Zitat von Focus, Interview, 24.2.1997
FOCUS: Wir haben zumindest den Kanzler, der mehr will, der – ohne Zustimmung der Bevölkerung – seiner Europa-Idee die D-Mark zu opfern gedenkt.

Baring: Der Kanzler, der ja sein Lebenswerk mit der europäischen Währungsunion zu krönen hofft, wird möglicherweise erleben, daß sie sein Werk zerstört. Daß die Währungsunion irgendwann sinnvoll und notwendig wäre, da stimmen wir, glaube ich, alle überein – aber nicht unter den heutigen Umständen, wo sie in eine allgemeine europäische Krisensituation fällt. Ich halte es für gefährlich, daß Kohl die Bevölkerung bei einem Experiment dieser Art nicht offen über die Risiken aufklärt. Es gibt in allen drei Parteien Politiker, die hinter vorgehaltener Hand sagen: Bei einer Volksabstimmung kämen wir mit dem Euro nie durch. Es fragt sich, was diese Leute für ein Demokratieverständnis haben. Was ist, wenn die Sache schiefgeht – und die Bevölkerung ist vorher nicht in die Haftung einbezogen worden?



Und nicht zuletzt:

Zitat
Das Besondere an unserer Zuwanderungspolitik ist ja, daß es keine gibt und damit auch keine Kriterien, an denen wir die Nützlichkeit der Zuwanderung messen. Angesichts unserer weitverbreiteten Neigung, Ausländer an sich für großartig zu halten, würden solche Kriterien in weiten Kreisen auf äußerstes Befremden treffen, und genau deshalb gibt es keine. ... Wir sind in erster Linie verantwortlich für unsere eigenen Leute. Ein 80-Millionen-Volk mit einem beträchtlichen, inzwischen aber veralteten Industrieapparat kann sich nur bestimmte, begrenzte Dinge vornehmen, und alles, was darüber hinausgeht, müßte zur Verzweiflung führen. Jedenfalls ist es kaum möglich, daß diese 80 Millionen die Probleme von sechs Milliarden Erdenbewohnern lösen. Die Sentimentalisierung dieses Problems ist mir unerträglich.



http://www.focus.de/politik/deutschland/...aid_163386.html



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.07.2015 18:00
#95 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #91
Das ist ein Argument gegen sich selbst regulierende Märkte?


Nein, es ging ja darum, dass dies ein Wunschtraum ist.

Zitat
Das wäre durch steigende Zinsen auf griechische Kredite zustande gekommen. Die Finanzmärkte haben aber offenbar von Anfang an mit dem Bruch der Maastricht-Verträge gerechnet - wenn so ein "deus ex machina" zur Verfügung steht, braucht man auf sich selbst regulierende Märkte nicht zu warten.



Das gilt dann für die Banken, nicht aber für Griechenland - bis jetzt.

Gruß, Martin

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

07.07.2015 20:39
#96 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Wieder einmal Nicolaus Fest - nicht, weil davon etwas neu ist, aber weil er es wie immer so prägnant formuliert:

Zitat von Juli 06
Was bedeutet der Grexit für Europa? Für Deutschland und andere Geldgeber den Verlust vieler Milliarden. Für viele Griechen ein Ende mit Schrecken, aber eben auch die Chance zur Besserung. Für Jean-Claude Juncker und Martin Schulz eine vollständige, ungemilderte Niederlage – nicht einmal die Probleme eines volkswirtschaftlichen Zwergenstaates haben sie lösen können. Für EZB-Chef Draghi die Implosion der „dicken Bertha“. Für die EU die Erkenntnis, dass viele sie zum Teufel wünschen, weil sie weder Frieden noch Prosperität sichert. Für Merkel und Schäuble das definitive Ende ihrer Glaubwürdigkeit als verantwortungsbewusste Staatslenker. Und für alle anderen die Frage, ob sich das Risiko einer gemeinsamen Währung wie auch einer elitären, undemokratischen und unbelangbaren Kaste in Brüssel rechtfertigen lässt.



http://nicolaus-fest.de/besteuerung-nach-kulturkreisen/



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Paul Offline




Beiträge: 1.285

08.07.2015 16:39
#97 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Das habeich "gerade aufgelesen"

11:46 Uhr: Das schuldengeplagte Griechenland hat sich kurzfristig frisches Geld am Kapitalmarkt besorgt. Wie der griechische Rundfunk unter Berufung auf die Schuldenagentur PDMA am Mittwoch berichtet, konnten insgesamt 1,625 Milliarden Euro für 26 Wochen in Form kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen werden. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,97 Prozent. Athen hat sich das Geld geliehen, weil es am 10. Juli zwei Milliarden Euro Schulden refinanzieren muss. In der griechischen Finanzpresse wird damit gerechnet, dass das restliche Geld an diesem Donnerstag in die Staatskasse fließt. Denn dann dürfte Athen wie üblich im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zusätzliche Wertpapiere versteigern.

China says has limited Greek investments, little default impact http://t.co/bMIsyTsFln pic.twitter.com/LEEVjwzeua
— Kathimerini English (@ekathimerini) July 8, 2015

_____________________________________________________________________________________________________________________________
http://web.de/magazine/wirtschaft/griech...slabor-30754392


Verstehe ich das jetzt richtig?

1. Wetten jetzt welche auf Griechenlandrettung?
2. Sind jetzt die Chinesen im Spiel?

___________________________
JE SUIS JUIF

Paul Offline




Beiträge: 1.285

08.07.2015 16:53
#98 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Wen es interessiert:
"Vollständiger Brief von griechischen FinMin Tsakalotos zu ESM Chef fragt nach einem neuen Darlehen an Griechenland":
(In Übersetzung von Google)Ergänzung: Bitte runter scrollen und dann noch mal anklicken. Entschuldigung, aber ich kann nicht anders.

https://translate.google.de/translate?sl...t-text=&act=url

Sehr interessant und wohl auch ohne Sinnentstellung übersetzt.

___________________________
JE SUIS JUIF

TF Offline



Beiträge: 281

09.07.2015 20:23
#99 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #92

Nun ist aber eine Einheitswährung gerade KEIN marktwirtschaftliches System. Der Selbstregulierungsmechanismus wird eben ausgeschaltet, wenn man Markt durch Staat ersetzt (hier: durch eine staatlich verordnete Einheitswährung). Und es kommt zu Ungleichgewichten, die sich nicht ausgleichen lassen. Eben gerade, weil der marktwirtschaftliche Mechanismus (hier: Währungsanpassungen) nicht möglich ist.



Nach der Logik existiert auch in den USA keine Marktwirtschaft, weil allen 50 Staaten eine staatlich verordnete Einheitswährung haben und damit Selbstregulierung ausgeschaltet wird. Märkte neigen zwar zur Stabilität, das schließt aber instabile Phasen keineswegs aus. Der Staat verschärft aber das Problem, das sieht man gerade an Griechenland. Nach der Euro-Einführung in Griechenland musste das Land zunächst kaum Risikoaufschläge zahlen, weil die Marktteilnehmer offenbar meinten, die anderen Euro-Staaten würden im Notfall einspringen. Diese Einschätzung war leider vorerst richtig, wie sich von 2010 bis jetzt zeigte, nun kommt es in Griechenland vielleicht doch zum Knall. Hätte die anderen Staaten Griechenland schon 2010 pleite gehen lassen, hätte es dort zwangsläufig große Veränderungen zum Positiven gegeben und das Land wäre längst auf der Weg der Besserung. Kern des Problems war also nicht die gemeinsame Währung, sondern die vom Markt richtig antizipierte (falsche) Reaktion anderer Staaten auf die griechischen Finanzprobleme.

In den USA geht eine Gebietskörperschaft einfach pleite, wenn sie sich nicht mehr refinanzieren kann, wie Chicago oder aktuell Puerto Rico.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

11.07.2015 01:38
#100 RE: Sieben griechische Wahrheiten Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #83
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #80

Zitat
Aber das ist ohnehin eine archische und eher sinnlose Steuerart.

Huch, das sehe ich nun gar nicht. Im Gegenteil, es wäre die wohl am einfachsten umzusetzende Steuer. Und die am ehesten gerechtfertigte.

Zu "einfach umzusetzen" ist Griechenland ja wohl ein hervorragendes Gegenbeispiel. Dito die deutsche Erbschaftssteuer, die seit Jahren auf Eis liegt, weil man keine vernünftige Grundstücksbewertung hinkriegt.



Seit wann liegt die deutsche Erbschaftssteuer auf Eis?

Zitat

Und zu "gerechtfertigt": Gerecht ist eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Und ein Grundstück per se bringt überhaupt nichts. Sondern nur, wenn es genutzt wird - und dieser Nutzen bringt ohnehin Einkommenssteuer.



Mitnichten. Wieso ist eine Besteuerung von Leistung "gerecht"? (Leistungsfähigkeit wird übrigens nicht besteuert, nur die Leistung auch zu erbringen.) Ein Grundstück wurde dagegen von keinem Menschen geschaffen. Natürlich erziehlt man nur dann Einkommen mit dem Grundstück, wenn es genutzt wird. Warum sollte man es belohnen, dass die Knappe Ressource Grundstück ungenutzt bleibt und erst die zur Verfügung Stellung durch Steuern belasten?



Zitat

Die weiteren Punkte von wegen "man kann drakonisch Steuerschulden eintreiben" scheinen mir bei einem ansonsten halbwegs funktionsfähigen Steuersystem nicht wirklich überzeugend zu sein.



Wieso "drakonische Steuerschulden"? Die Staatsquote muss nicht höher sein als heute.

Zitat

Zitat
3. Es behindert keine Transaktionen, wie die Mehrwerts- oder Einkommenssteuer.


Siehe oben: Diese Transaktionen erzeugen Mehrwert bzw. führen zu Leistungsfähigkeit.




Warum besteuer man sie dann? Das ist doch Kontraproduktiv, Arbeit und Investitionen in Kapital zu besteuern, während man jemanden, der Land ungenutzt brach liegen lässt, die zur Nutzung verfügbaren Grundstücke verknappen lässt.

Zitat

Alle übrigen Steuern gehen auf die Substanz, das führt zu Ungerechtigkeit und Doppelbesteuerung.



Was soll das in diesem Zusammenhang heißen: "auf die Substanz"? Das Grundstück wird durch die Besteuerung nicht weniger ertragreich.

Eine Steuer geht nur dann real an die Substanz, wenn sie den Aufbau oder Erhalt eines Gutes verhindert. Dies kann bei Vermögenssteuern auf Maschinen, Immobilien, Werkzeuge, etc... der Fall sein, wenn die Steuer zu hoch ist. Grundstücke als solche (ohne das Kapital darauf, wie Immobilien) dagegen werden durch die Besteuerung nicht schlechter oder besser.

Zitat

Zitat
a) Legitimität: Es wird die Verwendung einer knappen, unvermehrbaren Naturresource besteuert.


Und wieso soll das legitim sein?



Da Naturresourcen nicht durch menschliche Arbeit geschaffen wurden sind.

Zitat

Zitat
b) Sie ungenutzt liegen zu lassen wird durch eine solche Steuer unattraktiv.


Und? Es ist das Recht jedes Menschen, sein Eigentum zu verwerten oder darauf zu verzichten.





Und wie ist das Eigentum an Grundstücken zustande gekommen?

Zitat

Zitat
c) Wertsteigerungen durch sinnvolle Investitionen in Infrastruktur kommen wieder der Allgemeinheit zu gute.


Die kann man auch durch direkte Umlage erfassen, das ist deutlich gerechter.




Oder man fasst es einfach in der Grundsteuer zusammen.

Zitat

Zitat
Die Erkenntnis ist auch nicht neu, es war klassisch liberale Politik die Besteuerung auf Land zu fokussieren.


Zu einer Zeit, als andere Steuerarten organisatorisch zu schwierig waren.




Das gilt eigentlich nur für die heutige Einkommenssteuer. Und selbst hier gilt: Organisatorische Probleme bei anderen Steuern waren nicht der Grund, warum klassische Liberale (wie auch noch Winston Churchill) die Besteuerung von Land über die Besteuerung von Arbeit und Kapital bevorzugten.

Edit: Zitat eingefügt.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

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