Man kann zumindest eine etwas kritischere Selbstreflexion der Medien beobachten. Zumindest bei den Printmedien (die es ja - anders als die öffentlich-rechtlichen Sender - in der eigenen Kasse spüren, wenn die Leser ihre politische Schlagseite nicht mehr goutieren). Im aktuellen Print-Spiegel ist eine sehr lange Geschichte, die die Entfremdung von Lesern und Medien thematisiert. Und insbesondere auch die gutmeinende Filterblase kritisch hinterfragt, in der sich viele Redaktionen bei Themen wie Flüchtlinge, Atomausstieg, EU, Klimawandel oder Frauenquote befinden. Lesenswert. Und dass man diese Filterblase wenigstens einmal als Problem wahrnimmt ist zumindest ein kleines Indiz für schwindenden Mehltau.
Kleines Beispiel aus dem Artikel, die sehr gut die aktuelle Situation in vielen Redaktionen illustriert: Die "Mittelbayerische Zeitung" hat in den letzten Monaten ganz bewusst versucht, das bei ihr vertretene Meinungsspektrum zu erweitern. Etwa indem man kritische Leserbriefschreiber zu einem Gespräch einlud. Oder mit dem Format "Ein Thema - zwei Meinungen". Zitat aus dem Artikel: "Das soll auch ein Signal in die Redaktion sein: Kollegen sollen den Mut haben zu sagen, dass sie anderer Meinung sind. "Früher gab es in der Redaktion ja auch viele stramme CSUler, nicht bloß linksliberale Geisteswissenschaftler" sagt [die Chefredakteurin der Mittelbayerischen Zeitung]".
Nota bene: Das ist die Situation bei der "Mittelbayerischen Zeitung" - einer Zeitung aus der konservativen oberpfälzer Provinz, in deren Verbreitungsgebiet die CSU typischerweise Wahlergebnisse deutlich jenseits der 60% einfährt. Und selbst DIESE Zeitung leistet sich heutzutage eine Redaktion, in der es spezielle Maßnahmen braucht, damit sich Mitarbeiter trauen, eine vom linksliberalen Redaktionskollektiv abweichende Meinung zu formulieren. Eine Redaktion in der die Existenz von CSUlern nur noch aus Anekdoten aus der Vergangenheit erzählt wird. Eine noch krassere Abweichung von Redaktions-Einheitsmeinung und Leser-Mehrheitsmeiung ist kaum vorstellbar. Ganz sicher liegt das übrigens nicht daran, dass der Herausgeber eine solche politische Schlagseite in der Redaktion WÜNSCHT. Sondern es liegt daran, dass er kaum Bewerbungen von nicht-linksgrünen Journalisten bekommt. Wie gesagt: Dass dieser Sachverhalt nun zumindest von den Zeitungsverlagen als Problem ERKANNT wird, ist ja zumindest schon ein Lichtblick.
Man weiß ja nie, ob das eine nachhaltige Entwicklung sein wird, aber momentan kann man schon den Eindruck gewinnen, daß der Mehltau ein wenig schwindet.
Heute hörte man nicht nur von einigen SPD-Politikern (u.a. von Frau Schwesig), daß es beim Thema Integration vielleicht doch mehr Probleme gebe, als man bislang gedacht habe. Es war auch, und zwar in der SZ, ein Kommentar zur Tellkamp/Grünbein-Diskussion zu lesen, der erstaunlich wohlwollend gegenüber Tellkamp war.
Daß der Text (von Hilmar Klute) in der SZ erschien, fand ich auch bemerkenswert. Leider ist er (noch?) hinter einer Bezahlschranke. Dafür gibt es einen weiteren Kommentar zum gleichen Thema kostenlos, der genau so ist, wie man das in der SZ erwarten würde:
Besonders gut hat mir die scharfsinnige Beobachtung gefallen, Tellkamp habe nicht etwa Meinungen artikuliert, sondern bloß "Meinungen":
Zitat Natürlich umfasst die Meinungsfreiheit sowohl Meinungsschwankungen als auch "Meinungen", denen man diesen neutralen Namen kaum noch zubilligen mag.
In meiner begrifflichen Naivität war ich immer davon ausgegangen, man könne z.B. die Meinung haben, daß Impfungen Autismus verursachen oder daß die SZ eine lesenwerte Zeitung ist. Gut daß ich es jetzt besser weiß.
Zitat von DrNick im Beitrag #254Daß der Text (von Hilmar Klute) in der SZ erschien, fand ich auch bemerkenswert. Leider ist er (noch?) hinter einer Bezahlschranke.
Ich wollte Sie gerade, interessehalber, nach der Quelle fragen, da ich frei zugänglich nur den von Ihnen hier verlinkten und einen sehr ähnlichen Text in der Süddeutschen ergoogeln konnte. Ich habe mir übrigens das Streitgespräch inzwischen beim MDR angehört. Ich fand es interessant. Mit guten und schlechten Argumenten auf beiden Seiten.
Zitat Natürlich umfasst die Meinungsfreiheit sowohl Meinungsschwankungen als auch "Meinungen", denen man diesen neutralen Namen kaum noch zubilligen mag.
Zu diesem Zitat fällt mir allerdings nicht viel ein, außer dass in der Süddeutschen Kulturredakteure über Meinungsfreiheit schreiben, die Meinungen maximal für Variationen ihrer eigenen Weltsicht halten, welche natürlich im ontologischen Sinn, die faktische und moralische Wirklichkeit definiert. So formuliert der Kulturteil der Süddeutschen die besten Argumente der Gegenseite und bemerkt es nicht.
Das ist wohl auch im Wesen das Dilemma dieser Diskussion über Meinungsfreiheit und "Gesinnungsdiktatur".
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von DrNick im Beitrag #252Man weiß ja nie, ob das eine nachhaltige Entwicklung sein wird, aber momentan kann man schon den Eindruck gewinnen, daß der Mehltau ein wenig schwindet.
Der Beitrag lässt einen den Atem stocken und ist nur was für starke Nerven. Es geht um muslimische Frauen, die Ehrenmorden zum Opfer fielen. Etwa eine junge, schwangere, 17-jährige muslimische Frau, die von ihrem Bruder und ihrem doppelt so alten "Ehemann" erstochen wurde, weil sie sich vom Mann trennen wollte. "Ehemann" deshalb in Anführungszeichen, weil die Ehe nur nach islamischen Recht geschlossen wurde, nicht aber nach deutschem Zivilrecht. Was ja auch gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Frau für die (vor Jahren geschlossene) Ehe ja auch noch zu jung gewesen wäre. Nach der Tag nimmt sich der Bruder mit seinem Handy auf, stellt einen Livestream auf Facebook, brüstet sich mit der Tat und kündigt an, dass es allen muslimischen Frauen so ergehen werde, die sich nicht shariakonform verhalten möchten.
Zu Wort kommen auch die Eltern der Ermordeten. Beide finden absolut richtig, was passiert ist. Schließlich hätte ein islamischer Richter ein Todesurteil gegen die Tochter verhängt - und das muss dann natürlich auch exekutiert werden. Die Mutter hat nur einen Punkt, über den sie sich beklagt: Nämlich dass sie das Tatmesser - ihr Küchenmesser - von der Spurensicherung noch nicht wieder zurück bekommen hat.
Jenseits der an und für sich schon unglaublichen Tat schildert Spiegel TV da weitere Abgründe. Da gibt es also offenbar in Deutschland islamische Richter, die Todesurteile (!) verkünden an die sich die Gläubigen wie selbstverständlich halten. Da gibt es Ehen, die nach islamischen Recht geschlossen werden, die für die Familien absolut vollumfänglich gelten. Auch Ehen, bei denen die Frau noch ein höchsten 15-jähriges Mädchen ist und der Ehemann mehr als doppelt so alt.
Alles absolut widerlich von vorne bis hinten. Und es spricht für Spiegel TV, diese Zustände einer archaischen Kultur offen zu zeigen. Wie gesagt: Es wäre zwar eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass darüber berichtet wird. Aber bis vor kurzem wäre so ein Beitrag wohl eher nicht gezeigt worden.
Zitat von Florian im Beitrag #256Die Mutter hat nur einen Punkt, über den sie sich beklagt: Nämlich dass sie das Tatmesser - ihr Küchenmesser - von der Spurensicherung noch nicht wieder zurück bekommen hat.
Alleine dafür wäre - völlig Sharia-gerecht - verschärfte Prügelstrafe angebracht.
Zitat von Florian im Beitrag #256 Da gibt es also offenbar in Deutschland islamische Richter, die Todesurteile (!) verkünden an die sich die Gläubigen wie selbstverständlich halten.
Da stellt sich mir eigentlich eine ganz andere Frage: Müsste nicht eigentlich die Staatsanwaltschaft hier tätig werden und den "Richter" wegen Anstiftung zum Mord anklagen? Das die Eltern hier dumm wie zehn Meter Feldweg sind, glaube ich gerne, aber ich würde schon gerne wissen wie solche "Richter" darauf reagieren, wenn sie demnächst lebenslänglich in einem deutschen Knast Recht sprechen müssen....
Und noch ein Hinweis auf ein interessantes Interview mit dem Soziologen Wolfgang Eßbach. Angesprochen auf die Frage, ob die AfD so etwas die 68er Bewegung mit umgedrehtem Vorzeichen sei, sieht er eine Parallele in einer gewissen ideologischen Verblendung und sagt dann folgendes:
Zitat Leider erinnert aber auch die Reaktion der heutigen Etablierten auf diese Rechten sehr stark daran, wie man damals auf uns junge Linke reagierte. Es ist der gleiche Unwille, die Veränderung der Gesellschaft wahrzunehmen, weil sie nicht dem eigenen Weltbild entspricht. Das zeigt mir, dass die deutsche Gesellschaft leider immer noch nicht in der Lage ist, anzuerkennen, dass es verschiedene Deutungen und Linien der deutschen Geschichte gibt.
Zitat von Llarian im Beitrag #258Müsste nicht eigentlich die Staatsanwaltschaft hier tätig werden und den "Richter" wegen Anstiftung zum Mord anklagen? Das die Eltern hier dumm wie zehn Meter Feldweg sind, glaube ich gerne, aber ich würde schon gerne wissen wie solche "Richter" darauf reagieren, wenn sie demnächst lebenslänglich in einem deutschen Knast Recht sprechen müssen....
Zitat von DrNick im Beitrag #259Und noch ein Hinweis auf ein interessantes Interview mit dem Soziologen Wolfgang Eßbach. Angesprochen auf die Frage, ob die AfD so etwas die 68er Bewegung mit umgedrehtem Vorzeichen sei, sieht er eine Parallele in einer gewissen ideologischen Verblendung und sagt dann folgendes:
Zitat Leider erinnert aber auch die Reaktion der heutigen Etablierten auf diese Rechten sehr stark daran, wie man damals auf uns junge Linke reagierte. Es ist der gleiche Unwille, die Veränderung der Gesellschaft wahrzunehmen, weil sie nicht dem eigenen Weltbild entspricht. Das zeigt mir, dass die deutsche Gesellschaft leider immer noch nicht in der Lage ist, anzuerkennen, dass es verschiedene Deutungen und Linien der deutschen Geschichte gibt.
Finde ich ziemlich überzeugend. Und es erklärt auch genau die Reaktion der damaligen Revoluzilazis (Weiß Ferdl) und heutigen Etablierten. Die schämen sich natürlich insgeheim, nach dem Marsch durch die Institutionen mittlerweile zu den Stützen des reaktionären Systems zu gehören und sind natürlich ganz wild drauf, mal wieder gegen "Nazis in Nadelstreifen" zu kämpfen. Dass sie dabei die gleichen Methoden anwenden wie die "Unterdrücker" früher, zu dieser Transferleistung sind nur die wenigsten in der Lage. Und so schwingt das Pendel munter hin und her, Diffamierung und Jammern (TM) wechseln sich ab, je nach dem, wer gerade obenauf ist.
Zitat von Florian im Beitrag #256Etwa eine junge, schwangere, 17-jährige muslimische Frau, die von ihrem Bruder und ihrem doppelt so alten "Ehemann" erstochen wurde, weil sie sich vom Mann trennen wollte.
Interessant, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind: Die 17 Jahre alte Frau hat überlebt und lebt noch. Den Eltern soll das Sorgerecht entzogen werden – obwohl der Vater behauptet, seine Tochter gerettet zu haben. (Was die Reportage ausdrücklich in Zweifel zieht)
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