Eine kleine Notiz in unserer Tageszeitung veranlasst mich mal wieder zu einem Kommentar (ich bitte zu entschuldigen, wenn er etwas länger geworden ist): Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Gerichte und Städte wegen der Nichteinhaltung der Richtlinie 2008/50/EG vor sich hertreibt, ruft nun Bürger dazu auf, neue Messorte für Stickoxide zu benennen, an denen die DUH Luftmessungen vornehmen will.
Zitat Der Verein ist überzeugt davon, dass es an weit mehr als an den bekannten 90 Städten gesundheitsschädliche Konzentrationen des Abgasgifts Stickstoffdioxid gibt
In dieser Aussage steckt ein großer Teil der Scharlatanerie, die die DUH betreibt: Selbstverständlich ist Stickstoffdioxid Gift, wenn in zu hohen Konzentrationen eingeatmet, so wie Salzwasser, wenn es übermäßig getrunken wird. Ich habe allerdings noch keinen Umweltaktivisten glaubhaft gegen das Umweltgift Mittelmeer, wo das Salzwasser in übermäßiger Konzentration vorliegt, vor Gericht ziehen sehen.
Die DUH erwähnt zwar immer wieder Gefahren für die Gesundheit, oder ‚gesundheitsschädliche Konzentrationen‘, ich erinnere mich aber nicht daran, dass sie behauptet, dass der von der EU für Langzeitexposition festgelegte Grenzwert von 40µg/m³ für Stickstoffdioxid bereits als gesundheitsschädlich, bzw. giftig zu gelten hat. Die DUH und mit ihr verbundene Aktivisten missbrauchen lediglich das nur bei wenigen Menschen vorhandene Verständnis dafür, was Grenzwerte bedeuten.
Die EU-Kommission hat sich Ende der 90er Jahre das Ziel gesetzt, innerhalb der EU die vor allem durch den Verkehr zunehmend beeinträchtigte Luftqualität zu verbessern. Zur Umsetzung hat die Kommission Ziel(Grenz-)werte für einzelne Luftschadstoffe festgelegt, Kriterien für die Messung und einen Zeitplan. Zusätzlich erzwingt die Kommission Gemeinden zu Verbesserungsmaßnahmen, falls Grenzwerte überschritten werden, notfalls mittels Strafmaßnahmen.
Parallel wurden für die Emittenten von Schadstoffen, insbesondere auch für KfZ, die Anforderungen an die Emissionen verschärft, also ein Zusammenwirken verschiedener Zeitpläne. Da aber kein algorithmischer Zusammenhang zwischen all diesen Maßnahmen und den lokalen Zielwerten bestand, war dies ein großes Experiment, bzw. ein umweltpolitisches Spekulationsgeschäft. Anstatt aber die Bedingungen für ein Experiment mit nicht vorhersagbarem Ausgang vernünftig zu korrigieren scheint die Kommission dieses ohne Kosten/Nutzen-Abwägungen stur durchziehen zu wollen, und in Deutschland überlässt man Umweltaktivisten das Feld.
Zuerst mal gibt es einige Fakten und Indikatoren, dass ein Überschreiten des Ziel- oder Grenzwerts für NO2 keine Gefahr für die Gesundheit darstellt, auch nicht im Verständnis der EU-Kommission von 1999: 1999 war der eigentliche Grenzwert 60µg/m³, basierend auf dem Überschreitungen erfasst wurden. Dieser wurde bis 2010 schrittweise auf 40µg/m³ abgesenkt. In der Richtlinie wurde dies verklausuliert dargestellt, weil man anfangs eine 50%ige Überschreitung von 40µg/m³ zugestand. Dies wäre kaum geschehen, wäre von diesen Konzentrationen eine Gefährdung der Gesundheit ausgegangen.
Die 40µg/m³ Grenze für NO2 wiederum ging auf eine WHO-Empfehlung zurück, allerdings hatte die WHO immer betont, dass NO2 lediglich als ‚Marker‘ für ‚schlechte Luft‘ galt, weil es am einfachsten zu messen war. Es gab keine wissenschaftlich fundierte Untersuchung, die diesen Grenzwert für NO2 alleine rechtfertigte. Diese Position wurde über die Folgejahre immer wieder bekräftigt. Die USA haben in Kenntnis der Faktenlage lange nach der EU einen Langzeitgrenzwert eingeführt und diesen auf 100µg/m³ festgelegt. Die EU hat bei der Festlegung nicht berücksichtigt, dass sie ja ‚schlechte Luft‘ bereits in ihre Komponenten zerlegt und individuell mit Grenzwerten beaufschlagt hat, und so die WHO-Empfehlung letztlich falsch umgesetzt hat.
Toxikologen, die ihre Grenzwerte nicht aus unspezifischen epidemiologischen Untersuchungen gewinnen, sondern aus klinischen Untersuchungen, legen den Grenzwert beispielsweise für Arbeitsplätze noch weit höher fest.
Ein weiterer Indikator dafür, dass die EU-Kommission nie die Einhaltung eines Grenzwerts von 40µg/m³ für NO2 für jeden Bürger erzwingen wollte, ist die Tatsache, dass die Einrichtung von Messstationen so gefordert wurde, dass gerade kleinräumiges Erfassen von Konzentrationen vermieden wird, sondern Aussagen repräsentativ über größere Räume sein sollen. Damit wird durchaus akzeptiert, dass kleinräumig höhere Konzentrationen auftreten. Die Richtlinie akzeptiert auch, dass sich ein Messort nur vermutlich an einer am stärksten belasteten Stelle ist und verlässt sich auf diese Vermutung.
Aus der Richtlinie lässt sich nicht ablesen, dass der Bürger ein individuelles Recht auf die Einhaltung eines Grenzwerts von 40µg/m³ NO2 vor seiner Haustüre haben soll, die Richtlinie versucht lediglich großräumig das NO2 abzusenken, festgemacht an einzelnen Messstellen. Aus dieser Lage versucht der DUH einen für jeden Bürger zu garantierenden Grenzwert zu konstruieren, und hat wohl auch Richter gefunden, die sich dieser Position anschließen. Meines Erachtens gibt es dafür aber unabhängig von der nicht-existenten Gefährdungslage keine Rechtsgrundlage. Die Richtlinie erlaubt Sanktionen durch die Mitgliedstaaten, deren einzige Anforderung die ist, „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ zu sein. Mehr nicht.
In der Liste der beispielhaft angedachten Maßnahmen zur Verringerung von Schadstoffen für Luftreinhaltungspläne ist im Übrigen nicht das Aussperren von bestimmten Fahrzeugen erwähnt. Es sind Anreize erwähnt für Nachrüstungen von Fahrzeugen, vor allem aber Maßnahmen für das öffentliche Beschaffungswesen (Neufahrzeuge, Verkehrsdienste).
Offensichtlich ist aber die durchschnittliche Nutzungsdauer der Fahrzeuge höher, als dies im Zeitplan der Richtlinie angedacht war. Anstatt nun also einer DUH das Scheunentor zu öffnen wäre es vernünftiger, die EU korrigierte ihren Zeitplan. Die aktuellen Entwicklungen gehen eh in die gewünschte Richtung.
Gruß, Martin
PS: Für die Bestimmung der Messorte soll Folgendes berücksichtigt werden:
Zitat Der Luftstrom um den Messeinlass darf in einem Umkreis von mindestens 270° nicht beeinträchtigt werden, und es dürfen keine Hindernisse vorhanden sein, die den Luftstrom in der Nähe der Probenahmeeinrichtung beeinflussen, d. h. Gebäude, Balkone, Bäume und andere Hindernisse müssen normalerweise einige Meter entfernt sein und die Probenahmestellen für die Luftqualität an der Baufluchtlinie müssen mindestens 0,5 m vom nächsten Gebäude entfernt sein.
Auf der einen Seite sagt hier die Richtlinie, dass die Probenahmeeinrichtungen einige Meter von Gebäuden entfernt sein sollen, andererseits dürfen es mindestens 0,5m sein. In unserer Stadt, wo die NO2-Grenzwerte noch zu oft überschritten werden, ist der Abstand ca. 0,5m. Man kann also die Stadt durchaus mal fragen, warum sie sich an Mindestanforderungen und nicht an den Empfehlungen orientiert.
Du hast ja sowas von Recht. Danke für Deine Mühe, das mal alles zusammenzustellen! Werde ich künftig als Referenz heranziehen
Aber um die sich nach Lektüre dieses Beitrags langsam steigernde Wut gleich wieder durch Lachen aufzulösen, empfehle ich hier mal den Jahresrückblick von Dieter Nuhr zum Thema (ab Minute 3:50). Die DUH bekommt auch ihr Fett weg: https://www.youtube.com/watch?v=SaYzpQk8r1w
Und das Schöne: Es lief auf dem "Ersten".
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Nachdem gerade die DUH mit ihrer Klage auf Stilllegung von zugelassenen Dieselfahrzeugen in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gescheitert ist, hier noch ein paar ergänzende Punkte zu meinem ersten Beitrag oben:
Wie schon erwähnt, besagt der berühmte Langzeitgrenzwert der Richtlinie 2008/50/EG von 40 µg/m³ für Stickoxide nicht, dass eine Überschreitung ein für die Bevölkerung nicht vertretbares Risiko darstellt. Der Grenzwert dient lediglich dem Ziel, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu vermeiden oder verringern.
Daraus leitet sich nicht das Recht jedes Einwohners ab, vor der Haustüre einen solchen Wert garantiert zu bekommen. Leider wird dies aber in Politik und Medien mehr oder weniger so behandelt. Warum dies so in der Richtlinie nicht vorgesehen sein kann leitet sich aus den Messbedingungen ab:
- Bei der Messung dürfen kleinräumige Verhältnisse nicht erfasst werden, was den Standort der Messstationen bestimmt - Bis zu einer Einwohnerzahl von beispielsweise 750.000 müssen maximal zwei Messstationen vorgesehen werden, davon eine an er vermutlich schmutzigsten Stelle, eine für eine Hintergrundmessung.
Die Städte sind nicht aufgefordert, systematisch eine schmutzigste Stelle auszumessen, sondern entscheiden aufgrund von Verkehrsaufkommen. Die Randbedingungen sind so, dass es keine Haustürengarantie geben kann. Man kann den Grenzwert also vor allem als verwaltungstechnischen Grenzwert sehen, mittels dessen die Luft in Ballungsgebieten nicht flächendeckend zu 100% unter diesen ‚gedrückt‘ wird, sondern nur ‚weitgehend‘. Für die Wohnbevölkerung gilt ansonsten eh eher der Richtwert für Innenräume, der bei 60 µg/m³ liegt, in der Regel aber nie nachgemessen wird. Vereinzelte Messreihen haben gezeigt, dass die Werte innerhalb von an ‚belasteten‘ Straßen liegenden Wohnungen deutlich geringer sind als auf der Straße (wenn kein Gasherd benutzt wird).
Was passiert aber gerade in der Praxis? Beispiel der Kreis Ludwigsburg (534.000 Einwohner Stand Dez. 2015): Die Kreisstadt selbst hat zwei Messstellen, womit die Forderung der Richtlinie erfüllt wäre. Inzwischen haben aber umliegende Gemeinden ‚aufgerüstet‘. Wie es scheint, missbrauchen die Bürgermeister Luftwertemessungen, um Durchgangsverkehr, der den Bewohnern lästig ist, auszuschließen, in der Regel Lkw. Es geht also nicht primär um saubere Luft, sondern um die dörfliche Idylle. Um ‚erfolgreich‘ zu sein, werden die Messstationen so aufgestellt, dass sie gerade mal die Minimalanforderungen für den Luftaustausch erfüllen, also eher doch kleinräumige Verhältnisse messen. Diese Tage wurden nun die Ergebnisse veröffentlicht, und teilweise ist die Enttäuschung groß: Man ist unter den Grenzwerten gelandet und kann nun keine Mittel mehr aus dem Bundes-Fördertopf mehr bekommen. Schlecht gelaufen.
Trotz Trend nach unten fordern aber der grüne Stuttgarter OB und der grüne Verkehrsminister von B-W weiterhin eine blaue Plakette, anstatt mal zu kontrollieren, ob man mit seiner Messerei nicht über das Ziel hinausgeschossen ist. Für Grüne mag das zwar willkommen in die Umweltagenda passen, sie müssen sich aber irgendwann der Frage stellen, warum sie ohne Sinn und Verstand Wertverluste provozieren wollen.
In einer Pressemitteilung war seinerzeit ein Kommentar des Richters Kern zu lesen, in etwa, dass Gesundheit vor Eigentum gehe. Da war für mich unklar, wie ein Richter dies in diesem konkreten Fall beurteilen will. Aus dem Urteil geht hervor, dass es um die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in beispielsweise das Eigentumsrecht gegen das Recht auf Gesundheit ging. Dazu das Gericht:
Zitat Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne eine Maßnahme, die der schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung diene, nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen werden. Die komplexe Abstimmung der Eigentums-, Berufsund allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Gesundheitsschutz könne nicht im Rahmen einer behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall erfolgen. Vielmehr bedürfe es hierfür einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Konkretisierungsentscheidung, wie sie in Form der Immissionsgrenzwerte vorliege.
Möglicherweise wird hier impliziert, dass ein Überschreiten des für administrative Zwecke festgelegten Grenzwerts der Richtlinie 2008/50/EG, der mit dem Ziel eines Gesundheitsschutzes festgelegt wurde, ein nicht vertretbares Risiko für die Gesundheit darstellt. In Wirklichkeit gibt es aber ausreichend Hinweise, dass dem nicht so ist, der letzte aus der entsprechenden Kommission des Bundestags, wo Experten dazu konsultiert worden waren. Auch macht die Richtlinie selbst keine Aussage über die mit der Überschreitung des Grenzwerts verbundenen Gesundheitsrisiken.
Ich bin kein Jurist, frage mich aber, warum ein solches Urteil an diesem Punkt nicht angreifbar ist.
Ansonsten ist das Urteil eine interessante Lektüre der Argumentationslinie der DUH. Sie winkt dort schon mit dem WHO-Zaunpfahl einer weiteren Senkung der Grenzwerte. Der Verdacht drängt sich auf, dass die WHO zu einer Lobbyorganisation der Aktivisten geworden ist. Die heutigen Grenzwerte stammen aus den 90er-Jahren, waren mit deutlichen Einschränkungen versehen, über viele Jahre wurde wiederholt festgestellt, dass es keine wissenschaftlich robuste Grundlage für die Grenzen gäbe, so dass die EU-Kommission nach wie vor in der Bringschuld ist, aufzuzeigen, was damals in sie gefahren ist. Wenn sie aber lange genug warten machen ihnen die Aktivisten den Rücken frei.
Zitat Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne eine Maßnahme, die der schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung diene, nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen werden. Die komplexe Abstimmung der Eigentums-, Berufsund allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Gesundheitsschutz könne nicht im Rahmen einer behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall erfolgen. Vielmehr bedürfe es hierfür einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Konkretisierungsentscheidung, wie sie in Form der Immissionsgrenzwerte vorliege.
Möglicherweise wird hier impliziert, dass ein Überschreiten des für administrative Zwecke festgelegten Grenzwerts der Richtlinie 2008/50/EG, der mit dem Ziel eines Gesundheitsschutzes festgelegt wurde, ein nicht vertretbares Risiko für die Gesundheit darstellt.
Nein, dies wird nicht impliziert. Die Passage, die Sie zitieren, verstehe ich so, daß der tatsächliche Gesundheitsschutz gerade keine Rolle spiele. Würde man nämlich auf die Fakten abstellen, dann wäre man ja gerade beim Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aber das gehe laut dem Gericht --warum auch immer-- ja nicht.
Zitat von Martin im Beitrag #5Ich bin kein Jurist, frage mich aber, warum ein solches Urteil an diesem Punkt nicht angreifbar ist.
Ich glaube schon, daß so ein Urteil angreifbar ist. Allerdings nur von der unterliegenden Seite, und das ist hier ja die Gebietskörperschaft, vertreten durch ihre (Verwaltungs-)Politiker. Denen ist so ein Urteil, das zu Maßnahmen gegen die Bürger befugt aber eigentlich gar nicht so unlieb.
Der juristische Humbug ist eigentlich das Verbandsklagerecht, von dem die DUH profitiert. Die DUH kann sich vor Gericht so aufspielen, als gehöre ihr die Umwelt. So treffen sich vor Gericht zwei Parteien, die zulasten eines Dritten, der Bürger, streiten.
Zitat von Emulgator im Beitrag #6Ich glaube schon, daß so ein Urteil angreifbar ist. Allerdings nur von der unterliegenden Seite, und das ist hier ja die Gebietskörperschaft, vertreten durch ihre (Verwaltungs-)Politiker. Denen ist so ein Urteil, das zu Maßnahmen gegen die Bürger befugt aber eigentlich gar nicht so unlieb.
Bei einer grünen Regierung könnte man ja vermuten, dass diese dies als willkommenes Urteil sieht, allerdings hatte ich bisher den Eindruck dass da schon echte Gegenwehr bestand.
Zitat Der juristische Humbug ist eigentlich das Verbandsklagerecht, von dem die DUH profitiert. Die DUH kann sich vor Gericht so aufspielen, als gehöre ihr die Umwelt. So treffen sich vor Gericht zwei Parteien, die zulasten eines Dritten, der Bürger, streiten.
Daran ist momentan nichts zu ändern. Die Dritten müssten sich allerdings gegen die verordneten Maßnahmen zur Wehr setzen können sobald sie eingeführt sind. Wenn sie sich organisieren müssten sie die Möglichkeit einer Verbandsklage umgekehrt ebenso nutzen können. Im Prinzip sehe ich die Maßnahmen einen Verstoß gegen den freien Markt, wenn der Gesetzgeber die Nutzung eines zugelassenen Produkts durch Folgeverordnungen derart einschränkt.
Der Focus-Artikel gibt ganz gut die Situation wieder. Es geht um objektiven Irrsinn der DUH, vergisst man für einen Moment deren Geschäftsmodell und möglichen Akteure im Hintergrund. Irrsinn aus mehreren Gründen: Da ich einen 3-Liter Diesel von BMW mit 7-Gang Automatik fahre, kenne ich den üblichen Drehzahlbereich. Der liegt im Stadtverkehr bei 1000 bis 1500 U/min. Die Drehzahl auf über 2000 U/min zu provozieren hat mit der vieldiskutierten Stickoxidbelastung an wenigen neuralgischen Punkten der Städte (Neckartor und so) NIX zu tun. Je dichter der Verkehr und je höher das NO2, desto weniger gibt es da auch zu beschleunigen.
Im Text taucht dann auch eine Formulierung des KBA auf: 'unter normalen Betriebsbedingngen'. Wir hatten diesen Terminus im ZR schon mal 2015 diskutiert. Und es fällt immer wieder der Term 'Abschalteinrichtungen'. Da ein Motor ein komplexes Regelwerk ist, kann man alle dessen Regelbedingungen diese Formulierungen kaum in einen Gesetzestext packen. Der Hersteller muss sich bei der Zulassung mit dem KBA letztlich einigen. Stoppt man die Angriffe auf diesen Prozess wie im Fall des DUH nicht vernünftig kann man sämtliche Zulassungsprozesse zum Stillstand bringen.
Ich versuche die Situation an einem Beispiel zu illustrieren, bei dem die meisten mitreden können: Es gibt eine Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, in der steht als Anforderung an Maschinen
Zitat 1.3.4. Risiken durch Oberflächen, Kanten und Ecken Zugängliche Maschinenteile dürfen, soweit ihre Funktion es zulässt, keine scharfen Ecken und Kanten und keine rauen Oberflächen aufweisen, die zu Verletzungen führen können
"Zugängliche Maschinenteile' ist ein Punkt, auf den man sich bei einer Zulassung recht einfach einigen können sollte, wobei in der Praxis auch unterschieden wird zwischen Zugänglichkeit bei Normalbedienung und Zugang mittels Werkzeugen (Schraubenzieher / Öffnen von Abdeckungen, usw.). Gemeint ist hier der Normalbetrieb.
"soweit ihre Funktion es zulässt" ist schon schwieriger. Die Einigung darauf kann schon massiv von den beteiligten Personen abhängen.
"..die zu Verletzungen führen können" wäre so eine Spielwiese für Aktionisten. Was ist 'scharf'? Was ist eine Verletzung? Was kann letztlich zu einer Verletzung führen?
Nun ist es so, dass diese altbekannten Risiken längst durch technische Normen abgedeckt sind, die mechanische Spezifikationen und Testmethoden beinhalten. Der Einigungsprozess hat in den entsprechenden Gremien stattgefunden. Trotzdem kann die Lösung immer noch 'zu Verletzungen führen'. Packt man nicht alles in dicke Watte, ist das nicht zu verhindern. Packt man alles in Watte, dann kann man auf das Produkt und seinen Nutzen verzichten.
Aktionisten, die solche Einigungsverfahren zu Fall bringen wollen, haben jede Menge Angriffspunkte. Der Zweck von Einigungsverfahren und die Normen ist letztlich der gesundheitliche Schutz von Verbrauchern und der rechtliche Schutz der Hersteller. Man könnte auf die Gesetze und Normen auch verzichten und jeden Unfall in einem Schadensprozess klären lassen. Dies aber würde den freien Markt zerstören.
Gruß, Martin
PS: Kürzlich gab es in unserer Tageszeitung einen Artikel zu Möbeln: https://www.lkz.de/lokales/stadt-kreis-l...rid,462431.html Schaut man sich die Ecken verschiedener Möbel an, so sind die Zahlen nachvollziehbar. Es dürfte nicht nur Kinder, sondern auch sturzgefährdete Alte betreffen. Das Beispiel zeigt, dass normgerechte, zugelassene Möbel trotzdem zu vielen Verletzungen führen können. Öffentliche Aufregung gibt es dazu aber keine. Die Eltern sind dafür verantwortlich, die Ecken abzukleben.
Bei den Grenzwerten von Stickoxid an der Straße wird bei den extrem niedrig angesetzten 40 µg/m³ gerne damit argumentiert, dass auch gesundheitlich vorbelastete Kleinkinder geschützt sein sollen. So unterschiedlich sind die Anforderungen.
edit: Habe gestrichen gekennzeichnet, was ich editiert habe
Zitat von Martin im Beitrag #1 PS: Für die Bestimmung der Messorte soll Folgendes berücksichtigt werden:
Zitat Der Luftstrom um den Messeinlass darf in einem Umkreis von mindestens 270° nicht beeinträchtigt werden, und es dürfen keine Hindernisse vorhanden sein, die den Luftstrom in der Nähe der Probenahmeeinrichtung beeinflussen, d. h. Gebäude, Balkone, Bäume und andere Hindernisse müssen normalerweise einige Meter entfernt sein und die Probenahmestellen für die Luftqualität an der Baufluchtlinie müssen mindestens 0,5 m vom nächsten Gebäude entfernt sein.
Bei der Umsetzung der Richtlinie wird in Deutschland nicht Bezug auf die Richtlinie, sondern auf die 39. BImSchV genommen. Neugierigerweise habe ich mir die Umsetzung der Richtlinie angeschaut Teil 8, C:
Zitat Der Luftstrom um den Messeinlass darf nicht beeinträchtigt werden, das heißt, bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie soll die Luft in einem Bogen von mindestens 270° oder 180° frei strömen. Im Umfeld des Messeinlasses dürfen keine Hindernisse vorhanden sein, die den Luftstrom beeinflussen, das heißt, der Messeinlass soll einige Meter von Gebäuden, Balkonen, Bäumen und anderen Hindernissen entfernt sein und Probenahmestellen, die Werte liefern, die für die Luftqualität an der Baufluchtlinie repräsentativ sind, sollen mindestens 0,5 Meter vom nächsten Gebäude entfernt sein.
Die deutsche Verordnung hat bewusst zwei Punkte (fett) modifiziert, die es den Behörden erlaubt Messstellen näher an Hausfassaden zu stellen als in der Richtlinie vorgesehen. Ein Schelm der da nichts böses denkt. Irgendwie scheinen in den Ministerien Leute zu sitzen die unauffällig Verordnungen -ja- manipulieren.
Zitat Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne eine Maßnahme, die der schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung diene, nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen werden. Die komplexe Abstimmung der Eigentums-, Berufsund allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Gesundheitsschutz könne nicht im Rahmen einer behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall erfolgen. Vielmehr bedürfe es hierfür einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Konkretisierungsentscheidung, wie sie in Form der Immissionsgrenzwerte vorliege.
Möglicherweise wird hier impliziert, dass ein Überschreiten des für administrative Zwecke festgelegten Grenzwerts der Richtlinie 2008/50/EG, der mit dem Ziel eines Gesundheitsschutzes festgelegt wurde, ein nicht vertretbares Risiko für die Gesundheit darstellt.
Nein, dies wird nicht impliziert. Die Passage, die Sie zitieren, verstehe ich so, daß der tatsächliche Gesundheitsschutz gerade keine Rolle spiele. Würde man nämlich auf die Fakten abstellen, dann wäre man ja gerade beim Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aber das gehe laut dem Gericht --warum auch immer-- ja nicht.
Sie haben Recht, man kann das so lesen. Interessant ist dann aber, dass die Richtlinie 2008/50/EG im Anhang XV unter den bei Luftreinhalteplänen zu berücksichtigenden Informationen nicht nur beispielhaft dieses listet:
Zitat 3. Informationen über alle Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung, die auf geeigneter lokaler, regionaler oder nationaler Ebene im Hinblick auf die Erreichung der Luftqualitätsziele berücksichtigt wurden, u. a.:
b) Verringerung der Emissionen von Fahrzeugen durch Nachrüstung mit emissionsmindernden Einrichtungen. Der Einsatz wirtschaftlicher Anreize zur Beschleunigung einer solchen Ausrüstung ist in Erwägung zu ziehen;
sondern auch
Zitat h) gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Kindern bzw. anderen empfindlichen Bevölkerungsgruppen.
Bei einer solchen Maßnahme spielt dann der tatsächliche Gesundheitsschutz und letztlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Rolle.
Noch hat das Bundesverwaltungsgericht nicht über die Klage der DUH über Fahrverbote in Städten entschieden. Fahrverbote wären nicht nur ein Eingriff in Eigentumsrechte, sondern auch in das Prinzip des freien Markts, in dem zugelassene Produkte nicht so einfach durch nachträgliche Gesetzesänderung in ihrer Nutzung massiv eingeschränkt werden können.
Welche Rolle im sogenannten Dieselskandal spielte die EU?
1999 wurde die Richtlinie 1999/30/EG veröffentlicht. Dort wurden Grenzwerte für verschiedene Stoffe zum Schutz der Gesundheit festgelegt. Die Richtlinie war ein Zeitplan mit höheren Toleranzen zu Beginn, Einfordern von Luftreinhalteplänen durch die Kommunen und Androhungen von Sanktionen wenn die Ziele am Ende nicht erreicht werden.
Unterstützt werden sollten die Kommunen durch weitere Richtlinien, die die Emissionen verschiedener Quellen regulieren sollten. In der Richtlinie 2008/50/EG gibt dazu eine ‚Erklärung der Kommission‘:
Zitat Die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass spürbare Fortschritte zur Verwirklichung der im Sechsten Umweltaktionsprogramm festgelegten Ziele nur möglich sind, wenn die Luftschadstoffemissionen verringert werden. In der Mitteilung der Kommission über eine Thematische Strategie zur Luftreinhaltung wird eine ganze Reihe möglicher Gemeinschaftsmaßnahmen genannt. Seit der Annahme der Strategie sind bei diesen und anderen Maßnahmen erhebliche Fortschritte erzielt worden: - Der Rat und das Parlament haben bereits neue Rechtsvorschriften zur Begrenzung der Abgasemissionen leichter Nutzfahrzeuge angenommen. - Die Kommission hat einen Gesetzvorschlag zur Verbesserung der Wirksamkeit gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für Industrieemissionen angenommen, u. a. für landwirtschaftliche Intensivhaltungsbetriebe und in Bezug auf kleinere gewerbliche Verbrennungsquellen. - usw.
2008 hat die EU beispielsweise dann die Verordnung Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) veröffentlicht.
Es gibt nun keinen Algorithmus, der aus all den emissionsmindernden Maßnahmen bestimmte Ergebnisse (Zeit/Messdaten) an den deutschen Messstellen errechnen könnte. Es gibt mindestens fünf Zeitabläufe, die hier eine Rolle spielen und die die Sache komplex machen:
1. Die Richtlinie zur Luftreinhaltung (Grenzwerte/Luftreinhaltepläne/Sanktionen) 2. Die Richtlinie zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei Pkw (Flottenziele) 3. Die Richtlinie für Euro 5/6 und Folgerichtlinien 4. Entwicklungszeiten der Automobilindustrie (5-10 Jahre) 5. Die Nutzungszeiten der Fahrzeuge (10-15 Jahre)
Man kann das auch als überbestimmte Gleichung sehen oder gar als ein Spekulationsgeschäft. Die EU hat einen Weg vorgegeben, ohne sich um die Machbarkeit zu kümmern, mit dem Ergebnis, dass ein regulatorisch provozierter Milliardenschaden droht.
Auf der anderen Seite sehe ich, dass unsere lokale Messstation extrapoliert in 3-4 Jahren unter den ominösen NO2-Grenzwert kommt, ohne irgendwelche Zusatzmaßnahmen.
Der vernünftigste Weg wäre also, die EU korrigierte ihren regulatorischen Blindflug und verlängerte ihren Zeitplan auf Basis der aktuellen Trends. Alles andere vernichtet Steuergelder, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden.
Alles schön und überzeugend, lieber Martin. Nur warum spielen solche Gedanken in der Öffentlichkeit nie eine Rolle?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Werwohlf im Beitrag #12Alles schön und überzeugend, lieber Martin. Nur warum spielen solche Gedanken in der Öffentlichkeit nie eine Rolle?
Man kann sich darüber verschiedene Gedanken machen, lieber Werwohlf.
1. Es gibt die Tendenz, Richtlinien und Verordnungen der EU als sakrosankt zu betrachten. Deshalb versuchen auch deutsche Parteien nach meinem Eindruck ihre Interessen, die sie in Berlin nie durchsetzen könnten, via EU durchzusetzen.
2. Unsere Medien sind auf Berlin fokussiert, es gibt keine vergleichbare Berichterstattung über Straßburg/Brüssel
3. Heißt etwas 'Grenzwert', starren alle auf diesen wie das Kaninchen auf die Schlange. Es gibt keinerlei Verständnis dafür, wie ein solcher zustande kommt, was er bedeutet, was er nicht bedeutet. 'Grenzwert' wird teilweise behandelt wie 'lethal dose', aber nicht als das, was er oft ist: Administrativer Auslöser zum Handeln.
4. Journalisten sind völlig unbedarft in solchen Fragen. Ich hatte kürzlich eine Diskussion mit einem Volontär über diese Grenzwerte für Luftschadstoffe und die angedrohten Maßnahmen. Er hat mich nur gefragt, was denn so schlecht sei, wenn der Staat für saubere Luft sorge. Zu meinem Kommentar, dass alles auch einen Preis hat und einer Kosten/Nutzen-Abwägung unterliegen muss hatte er nur einen mitleidigen Blick übrig. Ich kenne ihn einigermaßen gut: Der etwa 30-jährige junge Mann hat ein Studium abgebrochen und lag bis vor Kurzem ohne schlechtes Gewissen seinen Eltern auf der Tasche. Dem fehlt jedes Verständnis für Verhältnismäßigkeit, außer es geht um seine eigenen Interessen. Ich denke, das ist ziemlich symptomatisch für die Leute, die eigentlich wichtige Argumente in die Öffentlichkeit transportieren und dazu Fragen stellen sollten.
5. Unsere Medien bedienen moralisierenderweise Feindbilder, beispielsweise verteidigen sie nicht Individualrechte, wenn diese beispielsweise einen dieselnden SUV-Fahrer oder nunmehr alle Dieselfahrer betreffen, oder aber schießen sie mit Freude ('Schrotflinte') gegen Automobilkonzerne, wenn sich dort ein Fehlverhalten oder Fehler andeutet. Es fehlt Erdung der Journalisten, oder es locken die clickbaites.
Holger Douglas weist auf TE auf den ehemaligen Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium Werner Ressing hin, der für Deutschland die Grenzwertverhandlungen seinerzeit in Brüssel führte, und zitiert ihn mit der Aussage:
Zitat Mir ist klar, dass die 40 Mikrogramm NO2 der geltende Grenzwert sind: Gleichwohl möchte ich als früher zuständiger Beamter des BMWi Ihren Blick darauf lenken, dass dieser Grenzwert relativ willkürlich gewählt wurde und Sie als unabhängiges Gericht die Politik auffordern sollten, diesen Grenzwert zu ändern.
Dies bestätigt die bisher hier gemachten Aussagen. Ressing wies auch auf den deutlich höheren Wert in den USA hin.
Mit all diesen sachlichen und historischen Fakten, die unserer Regierung längst bekannt sein dürften, muss man sich fragen, warum unsere Regierung untätig der Demontage des Diesels und der Verschwendung administrativer und finanzieller Ressourcen tatenlos zuschaut. Ein weiterer Fall eklatanten Staatsversagens.
Die Österreicher haben die Formulierung in ihrem Immissionsgesetz Luft kopiert (tun die Österreicher öfter)
UK
Dort ist die Formulierung korrekt aus der EU-Richtlinie in die Air quality regulations 2010 übernommen:
Zitat (a)the flow around the inlet sampling probe must be unrestricted (free in an arc of at least 270°) without any obstructions affecting the airflow in the vicinity of the sampler and the inlet sampling probe must normally be some metres away from buildings, balconies, trees and other obstacles and at least 0.5 m from the nearest building in the case of sampling points representing air quality at the building line;
Das hilft den Briten wenig, bis auf wenige Ausnahmen halten sie den Stickoxide-Grenzwert nicht ein. Ausblick: Nicht vor 2020, in London nicht vor 2025.
Auch die Briten haben ihre DUH, die ClientEarth-Group. Diese hat sich bis zum Supreme Court hochgeklagt, und 2009, als die Briten in Brüssel eine Erhöhung des Grenzwerts forderten, erfolgreich dagegen ge-lobbied. Mir ist nicht klar, ob die Briten damals keine Unterstützung von anderen EU-Ländern hatten.
Der Grenzwert für NO2 liegt in der Schweiz doppelt so hoch wie in der EU: 80µg/m³. Schaut man sich den Verlauf der Jahreswertkarten von 1990 bis 2015 an, dann sieht man die Verbesserung, man sieht aber auch im Detail 2015 Bereiche die über dem EU-Grenzwert zu liegen scheinen.
Ganz interessant ist dabei aber, dass sich von 1996 bis 2016 der Pkw-Dieselanteil von 4 auf 39,2% erhöht hat https://www.nzz.ch/wirtschaft/die-schwei...17?reduced=true. Irgendetwas passt da nicht mit der Schuldzuweisung an den Diesel.
Ich muss mich beim Grenzwert im Fall der Schweiz korrigieren (ich hatte diesen der falschen Tabelle entnommen, in dem die Spezifikation fehlte). Der Schweizer Grenzwert für NO2 ist sogar niedriger als in der EU, nämlich 30µg/m³.
Allerdings muss man diesen Grenzwert im Kontext der Luftreinhalteverordnung LRV sehen. Es fehlen mit Sanktionen bewehrte gesetzliche Vorgaben, der Grundtenor ist wie hier ersichtlich:
Zitat Art. 17 Vorsorgliche Emissionsbegrenzung bei Fahrzeugen Die Emissionen von Fahrzeugen sind nach den Gesetzgebungen über den Strassenverkehr, die Luftfahrt, die Schifffahrt und die Eisenbahnen vorsorglich so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist.
Maßnahmepläne verteilen sich auf Bund und Kantone. Einen solchen Maßnahmeplan von Basel Land / Stadt greife ich hier exemplarisch heraus. Er geht auf eine mit Deutschland vergleichbare Situation zurück:
Zitat Bei den Abgasemissionen von Fahrzeugen wurden in den letzten Jahren weitere Fortschritte erzielt, und es werden weitere Verbesserungen erwartet. Die Abgasvorschriften für Fahrzeuge werden laufend verschärft. Abgasmessungen im realen Fahrbetrieb zeigen indes, dass die Abgasemissionen von dieselbetriebenen Fahrzeugen trotz strengerer Grenzwerte nicht wie erwartet abgenommen haben. Es konnte nachgewiesen werden, dass im realen Fahrbetrieb höhere Emissionen als bei der Abgasmessung auf dem Prüfstand (Typenprüfung) ausgestossen werden (VWAbgas-Skandal). Daher sollen die Abgasemissionen der Fahrzeuge im Alltagsbetrieb überwacht werden. Eine Massnahme sieht vor, dass der Bund selbst Stichprobenmessungen bei bereits immatrikulierten Fahrzeugen durchführen sollte. Zudem sollten die Bestimmung in den Normen hinreichender konkretisiert werden (z.B. Betriebsbedingungen, Ausnahmemöglichkeiten für Abschalteinrichtungen) sowie das Typgenehmigungsverfahren verschärft werden, damit keine Manipulationslücken bestehen. Einen entsprechenden Antrag werden die Kantone beim Bund stellen (neue Massnahme V8: Sicherstellung der Konformität der Fahrzeugemissionen)
In der Schweiz fehlt der mandatorische Charakter der EU-Gesetzgebung, bei Lösungen spielt der gesunde Menschenverstand eine Rolle. Die Daten in der Schweiz zeigen ebenfalls nach unten, Besserung ist eine Frage der Zeit.
Köhler redet vermutlich gegen die Wand, interessant ist aber, dass gerade in den Stuttgarter Nachrichten in der letzten Zeit kritische Stimmen sowohl zu den Umtrieben des Anti-Diesel-Aktivisten-Netzwerks um die DUH, sondern auch ein Herr Köhler 'Gehör' finden. Das grün regierte Stuttgart und B-W wehren sich.
Lt. Köhler sind Grenzwerte und Hysterie um diese ein großer, von willfährigen Fachleuten getragener Popanz, vor allem im Licht der Erfahrung aus den Arbeitsbedingungen im Bergbau und den Belastungen der Zeit des Rauchens (ein Leben am Neckartor entspricht zwei Wochen Rauchen).
Zitat Gilt nicht für die Bereiche konventioneller Tunnelbau und geschlossene Arbeitsbereiche Bau bis 31. Oktober 2017, gilt nicht für den Bereich Bergbau bis 31. Oktober 2021.
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Also 'off limits'.
Köhler hat sich auch deshalb zu Wort gemeldet, weil eine Kausalität von Erkrankungen zur sozialen Lage viel wahrscheinlicher ist als zur in Deutschland üblichen Luftqualität, die Städte aber nun gezwungen sind, Geld, das nur einmal ausgegeben werden kann, fehlzuallokieren. Ein Jammer.
Toyota war immer wieder als Sponsor der DUH in den Medien, ob das mit einem Angriff auf die Konkurrenz zu tun hat oder nicht dürfte im Spekulativen bleiben.
Jedenfalls hat Toyota meines Wissens nie viel in die Dieseltechnologie investiert, sondern für ihr Programm mit BMW zusammengearbeitet. VW hat vor vielen Jahren die Kooperation mit Toyota beendet, als Toyota die heutige Prius-Hybridtechnologie in ein Gemeinschaftsprojekt einbringen wollte, eine Technologie aus der sich Toyota möglicherweise bald wieder verabschiedet. Ähnlich Mazda hat Toyota inzwischen die Effizienz der Benzinmotoren anscheinend massiv verbessert, so dass diese an den Diesel heranreichen soll. Mazda hat den Benziner zum Selbstzünder erzogen (Diesotto). Diese Entwicklung dürfte der Hauptgrund für den Dieselausstieg Toyotas sein, übrigens zu einem Zeitpunkt da die Dieselanteile der deutschen Hersteller in Japan wachsen.
Die Behörde meint, man hätte nicht anders aufstellen können. Aber warum? In der Richtlinie wollte man bewusst lokale Extreme vermeiden, die Behörde hat sie aber gesucht. Und sie ist wohl nicht die einzige Behörde, wenn man dafür das Gesetz manipuliert hat.
Es ist aber nun mal so, dass Messbedingung und Grenzwert zusammengehören, genau an der Stelle macht man der Automobilindustrie Vorwürfe. Dort geht der DUH mit 'mehr NO2' am Auspuff als der Grenzwert hausieren. Nur gilt eben, dass der Grenzwert an die Messbedingung angepasst ist.
Und nach wie vor gilt, dass eine Überschreitung von 40µg/m³ NO2 an der Straße kein nicht-akzeptables Gesundheitsrisiko ist. Wer immer etwas anderes behauptet, der soll dies nachweisen.
Heute ganz groß auf der ersten Seite unserer lokalen Tageszeitung: Die tausende Tote durch Stickoxid, laut einer Dame aus dem UBA. Erst auf der vorletzten Seite ein paar differenzierende Töne von Experten.
Es gibt eine vom UBA in Auftrag gegebene Metastudie des Helmholtz-Zentrums, in der epidemiologische Studien ausgewertet wurden. Da stellt sich schon die Frage nach einer Auftragsarbeit, das UBA darf schon längst nicht mehr als neutral betrachtet werden. Dann ist der Zeitpunkt interessant. Die Studie wird genau dann veröffentlicht, als der Staatssekretär Baake um seine Entlassung nachsucht. Wurde da noch schnell eine Duftmarke gelegt?
Die Dame des UBA behauptet, man habe Gruppen mit hoher NO2-Exposition mit solchen mit geringer Exposition verglichen. Hätte man jetzt kontrollierte Studien der Toxikologen, dann wäre das glaubhaft. Mit 'Tod' können ja nur 'vorzeitige Todesfälle' gemeint sein, wenn sich die Studie nicht von vorneherein disqualifizieren will. 'Vorzeitig' müsste dann bei Männern am durchschnittlichen Lebensalter von 75 Jahren gemessen werden.
Wie will man nun aber eine NO2-Exposition über 75 Jahre nachstellen? Das reicht zurück bis in die Kriegszeiten, NO2-Monitoring selbst in Ballungsgebieten gab es kaum. Um die Exposition bestimmen zu können hätten diese Menschen 75 Jahre einen Monitor mit sich tragen müssen. Eine Studie kann also nur grobe Annahmen treffen. Diese Menschen haben mit Sicherheit viel schlechtere Luft eingeatmet als das heute mit Arbeitsschutz und rauchfreien Zonen der Fall ist. Da geht es aber in erster Linie um Stäube, vielleicht auch um ausdampfende Chemikalien, deren Schädlichkeit man damals nicht bewusst war. Ich behaupte, daraus einen Schaden allein durch NO2 statistisch herausrechnen zu wollen ist unmöglich. Dies zu behaupten ist Scharlatanerie. Die Metastudie wird hoffentlich bald komplett publiziert. Wäre man sich der Sache sicher gewesen hätte man die Studie Wochen vorher zu einer Art peer review offen legen können. Offenbar will man aber das Momentum der aktuellen Diskussion und der Expertenbefragung für den Bundestag noch drehen, bevor die Metastudie öffentlich zerrissen wird. Baake war mal Teil der DUH.
Zitat Ausgangsbasis waren die Übersichtsarbeiten der von der WHO durchgeführten Projekte REVIHAAP (WHO, 2013a) und HRAPIE („Health risks of air pollution in Europe“; WHO, 2013b) sowie der SWISS TPH (Kutlar Joss et al., 2015) und der amerikanischen Umweltbehörde (U.S. EPA, 2016)
Dazu erstmal wenige Anmerkungen:
1.Zum HRAPIE Report sagt der ebenfalls zitierte REVIHAAP 2013
Zitat However, there was a lack of agreement regarding the extent to which the NO2 exposure data available for this exercise properly reflected exposure of the population, and therefore the health impacts from NO2 exposure were not quantified. Further work is needed to characterize the link between estimated NO2 exposure and the recommendations provided in the HRAPIE report.
2.Der SWISS TPH hat bisher in der Schweiz zu keinen Fahrverboten wegen NO2 geführt. 3.Das Ergebnis der EPA war eine Bestätigung der bisherigen Grenzwerte von 100µg/m³ für die USA
Die EU hat den umstrittenen Grenzwert von 40µg/m³ für NO2 vor 20 Jahren festgelegt und jagt seither hinter einer soliden wissenschaftlichen Bestätigung her, das UBA ganz vorne. Warum, muss man fragen, hat das UBA nun in Ergänzung zu den bestehenden Forschungsarbeiten diese zusätzliche Metastudie in Auftrag gegeben? Geht es noch wirklich um die Sorge der Volksgesundheit oder geht es darum, mit ideologisiertem Kopf durch die Wand zu gehen?
Ein Kernpunkt der Studie ist eine Schätzung der NO2-Exposition in Deutschland, wobei die Simulation im Wesentlichen die Hintergrundbelastung und nicht die sogenannten Hotspots erfasst.
Ein zweiter Kernpunkt ist die gesundheitliche Wirkung von NO2. Und da beginnen die Unsauberkeiten. Aber auch hier ein starker Bezug auf die EPA-Daten, wobei die EPA offensichtlich völlig andere Schlüsse gezogen hat. Ansonsten viel Literaturrecherche, um Kausalitäten belegen zu können, bevorzugt wiederum Metastudien (scheint ein Meta-Kartenhaus zu sein). Es folgt eine lange Liste von Auswahlkriterien für die Literatur. Auf den ersten Blick fällt mir dabei auf, dass die Auswahlkriterien nicht mal die Anforderungen erfüllen, die ein Medizinproduktehersteller für die klinische Bewertung auf Basis von Literatur erfüllen muss, beispielsweise eine kritische Bewertung der Literatur selbst.
Der Hauptteil der UBA-Studie bezieht sich auf Datenschaufeln, das können die Helmholtz-Leute. Der Kernpunkt, eine schlüssige Darlegung von der Auswirkung NO2-Konzentrationen auf behauptete Mortalitäts- oder Morbiditätszahlen verschwindet dagegen in Referenzen von einer Vielzahl von Studien, deren Qualität kaum nachprüfbar ist.
Interessant ist beispielsweise, wie die Effekte von Feinstaub und NO2 zu trennen sind. Die Studie behauptet dies statistisch herausgerechnet zu haben. Auf der anderen Seite basieren die Ergebnisse auf Rechenmodellen, mit denen die tatsächliche Verteilung dieser Stoffe über die Stadt simuliert wird. Das Simulationsmodell ist für NO2 aber ein anderes als für Feinstaub. Ist also der statistische Unterschied nur ein Unterschied zwischen den Simulationsmodellen? Dazu gibt es keine Aussage. Und angenommen, Feinstaub wäre nicht gleich Feinstaub, so wäre das in der Studie nicht erkennbar.
Dann gibt es eine Menge bekannter und unbekannter Einflussfaktoren, die alle nicht in eine solche Studie eingeflossen sind: Rauchen, Sport, Nahrung, uvm., ein grober Check gegen Bildung und soziale Verhältnisse wurde gemacht, aber nicht in der Auflösung der Luftwerte. Die Fokussierung auf zwei Stoffe ist ein Tunnelblick.
Interessant bleibt, dass die Epidemiologen von einem linearen Zusammenhang zwischen NO2-Konzentration und Sterblichkeit ausgehen. Wie kann dann eine Schweiz eine Arbeitsplatzkonzentration vom 200fachen des Straßengrenzwerts verantworten? Glaubt man den Epidemiologen nicht? Für die Toxikologen gibt es keinen linearen Zusammenhang, und das dürfte der Natur auch eher entsprechen: Die Dosis macht's.
Zur Ergänzung der UBA-Studie die Autorinnen und der Autor, da möge sich jeder selbst ein Bild machen:
Erstellt wurde die Studie am 2010 gegründeten Institut II für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München unter Leitung von Prof. Dr. Annette Peters (Epidemiologin).
Zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen Dr. Alexandra Schneider (MPH) und Dr.rer.nat.Susanne Breitner hat sie noch 2013 das Kapitel 3 des Buchs ‚Klimawandel und Gesundheit‘ publiziert . 2013 hatten sie Stickoxide noch nicht entdeckt, da sagten die Studien noch, dass Mortalität und Morbidität am Klimawandel (Temperatur), Feinstaub und Ozon hängen. Man sieht, je nachdem wie man die Zahlen quält kommen immer die gewünschten Ergebnisse:
Ich habe den Eindruck, dass je nach Auftragslage am Ende immer ausreichend Morbidität und Mortalität herauskommen. 2004 hat der heutige Leiter des Instituts für Epidemiologie I Prof. Dr. Wichmann die Zahlen für Feinstaub geliefert: https://www.frankfurt.de/sixcms/media.ph...%2085_%2099.pdf
Nehme ich all diese Zahlen zusammen, addiere noch die zigtausend Tote durch Krankenhauskeime und Chemikalien, und, und.. sterben wir alle irgendwie früher als ... ja was? Die Rentenversicherungsanstalt muss sich keine Sorgen machen, und dank Nahles dürfen viele entsprechend füher in die Rente.
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