___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Im Zuge der meiner vorangegangenen Recherchen habe ich mich immer wieder gefragt, welche Rolle die EU-Kommission spielt. Beispielsweise, was geht Brüssel die Luftqualität in Stuttgart an? Warum kann in deutschen Kommunen der deutsche Regierungs- und Behördenapparat nicht unabhängig von Brüssel die Luftqualität regeln, nimmt man das Subsidiaritätsprinzip als Prämisse?
Warum bedarf es einer Generaldirektion für Umwelt in der EU-Kommission, wo Luftreinhaltepläne der Kommunen bewertet, Fristverlängerungen abgelehnt und Klagen beim EuGH eingereicht werden? Warum muss dessen aus Rumänien stammende Direktor Aurel Ciobanu-Doreda für Implementierung, Gouvernance und Semester eine Überwachungsrolle spielen, die lokal völlig unabhängig von der Kommission geregelt werden könnte, und wo deutsche Gerichte nach Sachlage eh über die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen entscheiden?
Verständlich ist mir das nicht, außer es geht um die Schaffung von teuer zu bezahlender Bürokratie (Ciobanu-Doreda hat sich anscheinend um den EU-Anschluss Rumäniens verdient gemacht).
Denn dort, wo es um die Regulierung von einheitlichen Produktnormen für den freien Warenverkehr geht, wie zum Beispiel die Abgasnormen von in der EU zugelassenen Fahrzeugen, ist die Zuständigkeit für die Zulassung bei lokalen Behörden. Da erscheint die Übergriffigkeit der EU in Sachen Luftqualität völlig deplatziert.
Wie das eigentlich sein müsste zeigt die Schweiz: Die Schweiz regelt die Qualität ihrer Luft völlig unabhängig von der EU-Kommission, hat aber dieselben Kfz-Abgasnormen wie die EU. Trotzdem auch die Schweiz ihre hotspots hat, an denen sie ihre eigenen Qualitätsziele noch nicht erreicht hat, war deren Verwaltung nicht so verbissen, dass sie sich eine durch Gerichte zu entscheidende Zwangsjacke angelegt hat.
Umgekehrt haben sich die EU-Staaten via EU-Kommission eine Zwangsjacke verpasst, wobei genau diese Kommission bei der ihr übertragenen Aufgabe, Luftqualitätsziele durch gezielte Begleitmaßnahmen wie eine Abgasverordnung zu planen, komplett versagt hat. Das Versagen wird nun durch einseitige Schuldzuweisung an die Hersteller, Kommunen und an die lokalen Zulassungstellen erfolgreich übertüncht, und wie im vorigen Beitrag beschrieben, auch mal kriminell klammheimlich zu kaschieren versucht.
M.E. ist das ein sehr gutes Beispiel für die überflüssige EU-Bürokratie.
Ich hatte zwei Beiträge zuvor hinter der Änderungsrichtlinie kriminelle Energie vermutet, weil zum richtigen Zeitpunkt 2015 fehlerhaft positionierte Messstellen durch die Änderung zu korrekt positionierten wurden. Dazu kam die unsinnige Formulierung 270° oder 180°.
Ich habe weiter gewühlt, und ich weiß nun nicht, ob wir es einfach mit einem Fall großer Inkompetenz zu tun haben:
Die Änderungen gehen zurück auf ein Aquila Projekt der EU und dessen Position Paper, ein Papier, bei dem ein Datum fehlt. Das Papier geht darauf ein, dass Messstellen innerhalb der EU möglicherweise nicht einheitlich aufgestellt wurden. Und, aha!, die EU hat ihren Job nicht gemacht, zu dem sie sich in der RL 2008/50/EG Art. 7 verpflichtet hatte:
Zitat (4) Die Anwendung der Kriterien für die Auswahl der Probenahmestellen in den Mitgliedstaaten wird von der Kommission überwacht, um die harmonisierte Anwendung dieser Kriterien in der gesamten Europäischen Union zu erleichtern.
Man hat fleißig die Messergebnisse angemahnt, aber nie geprüft, ob die Messungen korrekt durchgeführt worden waren.
Da das position paper in englisch geschrieben ist, fällt nun auf, dass die deutsche Änderungsrichtlinie schlicht falsch übersetzt ist. Das erklärt den unsinnigen Text: Aus
Zitat (in general free in an arc of at least 270° or 180° for sampling points at the building line)
wird
Zitat (d. h., bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie sollte die Luft in einem Bogen von mindestens 270° oder 180° frei strömen)
Gemeint war also, dass die 180° nur für Probeannahmestellen an der Bauflucht gelten sollen, also gezielt die Sanktionierung der bis dato falsch installierten Messstationen.
Zur wissenschaftlichen oder technischen Begründung oder dem Einfluss auf die Messungen der Maßnahme keine Spur. Dabei referenziert das paper eine umfangreiche Studie des UBA Österreich, die unter anderem eine Vergleichbarkeit der Messungen in Europa zum Ziel hat, unter Einbeziehung der Aufstellung der Messstationen. Zudem wird die Frage adressiert, wie man denn feststellen kann, ob eine Messung wie gefordert repräsentativ für einen bestimmten Bereich ist. Und was findet man da? S.73
Zitat The – possibly surprising – result is that the highest impact of buildings in general occurs near the building façade at wide streets. At a distance of 9 m from the kerb, pollutants are quite diluted on the leeward side in flat terrain, and this building configuration causes a huge increase in concentrations.
Die im position paper vorgeschlagene Änderung betrifft genau solche Stationen, die die höchsten Verfälschungen verursachen. Warum Verfälschungen? Weil die Messungen repräsentativ für 100m Straße sein müssen, was aufgrund der Aussagen bezweifelt werden darf. Allgemein zur Repräsentativität:S.200
Zitat The assessment of representativeness requires even more input data and the combination of concentrations, emissions and information on the dispersion situation on different scales. Data of sufficient accuracy and spatial resolution are not easily available in most of Europe. The optimum set of input data is summarised in Table 82. These data are considered necessary for the assessment of the representative area of urban monitoring stations, especially detailed information about the building structure.
Man kann diese nicht vernünftig am Schreibtisch rechnerisch erfassen, man müsste sie vor Ort aufwendig ausmessen. Das dürfte kaum passiert sein, vor allem da die Kommission diese ihre Überwachungsaufgabe ignoriert hatte.
Man muss sich also die wacklige Grundlage vorstellen, auf der Kommunen und Dieselbesitzer von EU und der DUH getriebenen deutschen Gerichten gestriezt werden. Und das position paper zeigt, dass man sich dessen bewusst ist. Merkwürdigerweise will das position paper eigentlich etwas anderes, als es anschließend vorschlägt. Denn
Zitat Micro-scale siting criteria shall ensure free air flow around the sampling inlet – as a basic requirement for ensuring measurement representative for a defined area – and provide minimum requirements for sampling near major roads.
Ein wirrer Haufen von Leuten, teils mit akademischen Titeln. Ich habe versucht, den Hintergrund der deutschen Vertreterin Dr. Jutta Geiger vom Umweltministerium NRW oder irgendwelche Publikationen herauszubekommen: Nichts im web zu finden. Warum lassen sich Regierungen und Kommunen das gefallen?
Wie im vorigen Beitrag erwähnt, war die EU-Kommission verpflichtet die Implementierung der RL 2008/50/EG europaweit zu beobachten. Das erwähnte 'Position Paper' der Aquila Taskforce hat 2007 festgestellt, dass die Kommission diese Aufgabe wohl nicht wahrgenommen hat. Nun hat sich inzwischen ein Fernsehteam von 3sat in Südeuropa umgeschaut und seine Beobachtungen in dem Beitrag 'Mess-Wirrwarr' zusammengetragen: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=73825
Wie es scheint hat die Kommission viele Jahre weggeschaut. Der 3sat-Beitrag adressiert von den denkbaren Messparametern lediglich die Messhöhe. Thematisiert wird dabei auch, wie unterschiedlich in Deutschland die Spielräume genutzt werden. Im für Diesel gesperrten Hamburg wird auf 1,2m, in München auf 4m Höhe gemessen. Wie ein Messteam dann in München vor Ort feststellte, macht ein Höhenunterschied von 1,2m auf 4m durchaus einen Unterschied im Messergebnis von 10% weniger. Nimmt man die weiteren Freiheitsgrade (wie in Vorbeiträgen thematisiert), so kann man sich den Spielraum vorstellen, der über Fahrverbote entscheidet. 10% ist da noch wenig.
Nun könnte man ja auf den Gedanken kommen, viel restriktivere Vorgaben zu machen (und dabei nicht vergessen, dass bei kleinräumigen Messungen diese für 100m Straße repräsentativ sein sollen). Dies führt aber dann unmittelbar wieder zur Validität des Langzeitgrenzwerts von 40µg/m³ für Stickoxide:
Die Kommission und deutsche Politiker wurden in der nahen Vergangenheit nicht müde, auf den Grenzwert der WHO zu verweisen, der 1999 Pate gestanden hat, wobei immer gerne unterschlagen wurde, dass dieser als nicht robust gesehen wurde. Worauf aber hat dieser Grenzwert beruht? Es waren primär US-amerikanische Kommunen, in denen schon früh die Luftqualität gemessen wurde, basierend auf dem EPA-Gesetz 40 CFR Part 58, App. E von 1996.
Wie man dort nachlesen kann gab es damals in den USA für Stickoxide keine Messstellen für kleinräumige Messungen (micro-scale), sondern nur welche für middle-scale, neighborhood- und urban-scale, mit Abständen von der Straße abhängig vom Verkehrsaufkommen (Table 1) zwischen 10m und 250m und Messhöhen von 3-15m.
Daraus kann man ableiten, dass die von der Kommission 1999 übernommene WHO-Empfehlung von 40µg/m³ gar nicht auf kleinräumige Verhältnisse anwendbar ist, d.h. die Kommission hat wohl einen Grenzwert übernommen ohne zu prüfen für welche Messverhältnisse dieser anwendbar ist. Das wäre ein eklatanter Verstoß gegen alle Qualitätsnormen. Ein weiteres Indiz, dass der EU-Grenzwert viel zu niedrig angesetzt ist
Die aktuelle 40 CFR Part 58 schließt übrigens micro-scale ein, allerdings auf einer Höhe von 2-7m (bei einem Grenzwert von 100µg/m³).
Angeregt durch den im vorigen Beitrag erwähnten 3sat-Report „Mess-Wirrwarr“ habe ich darauf hingewiesen, dass der Langzeitgrenzwert für Stickoxid der RL 2008/50/EG möglicherweise auf einer Fehlinterpretation der EU Kommission beruht, und so wie implementiert, nicht anwendbar ist. Diese These möchte ich etwas näher erläutern:
Die Kommission hat 1999 die damalige Empfehlung der WHO von 40 µg/m³ Stickoxid übernommen. Damals und auch später hat die WHO darauf hingewiesen, dass die wissenschaftliche Grundlage bezüglich dieses Werts nicht robust ist. Was aber darüber hinaus die EU-Kommission möglicherweise nie überprüft hat, ist, unter welchen Messbedingungen dieser Wert festgelegt worden war, und ob die Empfehlung noch gültig ist, wenn in der EU ganz anders gemessen wird.
Versucht man einen Grenzwert dadurch festzulegen, dass man in Städten großflächig Schadstoffkonzentrationen in der Luft misst, und Änderungen dieser Konzentrationen beispielsweise mit Änderungen bestimmter Beschwerden (Arztbesuche, Medikamentenverbrauch) zu korrelieren, hat man mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Messnetz ist nicht so dicht, dass die räumliche Verteilung von Schadstoffen und damit die tatsächliche Exposition also nur ungefähr bekannt sein kann, und man hat es mit einer Mischung von Schadstoffen zu tun, deren nachteilige Wirkung auf die Gesundheit einzeln oder in Kombination so kaum bestimmt werden kann. Deshalb sind klinische Studien mit Probanden präziser, allerdings können sie große Bevölkerungsteile nur annähernd abbilden. Dies kompensiert man damit, dass man Grenzwerte deutlich niedriger ansetzt, als das Studienergebnis erlauben würde, sodass auch das asthmatische Kleinkind mit abgedeckt ist.
Die WHO-Grenzwerte basieren zwar auf der Kenntnis klinischer Studien, welche Schadstoffe die kritischeren sind (Ozon, Staub, CO), für Stickoxide basiert der Grenzwert aber im Wesentlichen auf großräumigen Messungen. Da Stickoxide einfach zu messen waren und mit schlechter Luft allgemein korrelierte hat man diese auch als ‚Marker‘ benutzt für ‚schlechte Luft‘, ohne dass damit dem Stickoxid eine ursächliche Wirkung für gesundheitliche Beeinträchtigungen zugeordnet wurde. Darauf wurde in den WHO-Berichten auch hingewiesen und das ist auch der Grund, dass die WHO-Empfehlung als wissenschaftlich nicht robust galt.
Nun zu den Messbedingungen selbst: Wenn Verkehr die Hauptquelle der Stickoxide ist, dann wird mit zunehmendem Abstand von der Straße und mit zunehmender Messhöhe die Konzentration geringer und nähert sich einem Hintergrundwert an. Das damalige Gesetz (40 CFR part 58/E) der US-Umweltbehörde EPA sah für Stickoxide keine Messungen nah am Verkehr vor (micro-scale), wie das heute in deutschen Kommunen als verkehrsnahe Messung oder Spot-Messung bezeichnet wird. Es gab sogenannte middle scale, neighborhood scale und urban scale Messungen, allesamt mit 3-15m deutlich höher als in der EU (1,5-4m) und einem vom Verkehrsaufkommen abhängigen Abstand von der Straße. Bei 80.000 Fahrzeugen pro Tag wie am Neckartor wäre der Abstand für middle scale Messungen bis zu 70m (EU: bis zu 10m, real am Neckartor 3m). Neighborhood und urban scale haben noch weit größere Abstände von stark frequentierten Straßen.
Man kann also getrost behaupten, dass die WHO-Empfehlung für Stickoxide eher auf sogenannte Messungen des städtischen Hintergrunds zutrifft. Die tatsächliche Konzentration, der Menschen in verkehrsnahen Gebieten ausgesetzt waren, waren also höher als die im Abstand und auf einigen Metern Höhe gemessenen Werte, aus denen aber die WHO-Empfehlungen abgeleitet worden waren. Hätte man damals näher am Verkehr gemessen wären die gesundheitlichen Beeinträchtigungen dieselben gewesen, aber bei entsprechend höheren gemessenen Konzentrationen. Entsprechend höher wäre die WHO-Empfehlung ausgefallen.
Die Kommission hat nun aber die niedrige WHO-Empfehlung als Grenzwert für kleinräumige worst-case Verhältnisse (micro scale) übernommen und dabei ignoriert, dass die Empfehlung eher für den städtischen Hintergrund gilt. Das entspricht nicht dem wissenschaftlichen Standard, den die EU-Kommission für sich reklamiert. Die USA messen heute Stickoxide auch kleinräumig, haben dafür aber einen Grenzwert von 100µg/m³. Im oben beschriebenen Kontext macht das auch eher Sinn.
Das Problem mit kleinräumigen Messungen im Vergleich zu Hintergrundmessungen ist die große Abhängigkeit von kleinen lokalen Strömungsverhältnissen, Stauungen, Gebäuden und Bäumen, was normalerweise eben in einen höheren Grenzwert eingehen müsste. Hinzu kommen relativ große Freiheitsgrade für die Aufstellung der Messstationen. Das ist etwa so, als solle man den Spritverbrauch irgendwo zwischen einer Geschwindigkeit von 80 bis 160 km/h messen. Der Hersteller würde dann bevorzugt bei 80 messen, während die DUH bevorzugt bei 160 messen würde. So haben wohl die Nordeuropäer die denkbar ungünstigsten Aufstellungsorte für die Messstationen gewählt und die Südeuropäer die denkbar günstigsten. Kein Wunder, dass deutsche Kommunen trotz relativ modernem Dieselbestand verzweifeln während dies anderswo kein Thema ist. Ein Schildbürgerstreich der EU Kommission. Die Nordeuropäer haben den Grenzwert behandelt als müsse jeder Bürger vor einer langfristigen Überschreitung geschützt werden, was nie die Intention war.
Im Übrigen gab es die Problematik beim Feinstaub und bei Ozon nicht in dem Ausmaß wie bei den Stickoxiden, da diese Stoffe vor 1999 auch in den USA schon kleinräumig (micro scale) gemessen wurden, womit die Grenzwerte diese Verhältnisse und die der verkehrsnahen EU-Messstellen auch realistischer wiederspiegeln.
Zitat von Martin im Beitrag #53 Man muss sich also die wacklige Grundlage vorstellen, auf der Kommunen und Dieselbesitzer von EU und der DUH getriebenen deutschen Gerichten gestriezt werden.
Ich würde eher mal fragen, auf welcher Grundlage deutsche Gerichte Diesel-Fahrverbote für verhältnismäßig erachten. Wenn wirklich sonnenklar ist, dass die erhobenen Messwerte zumindest zweifelhaft sind. Da müssen doch sowohl Verteidigung als auch Richter nur für ein paar Sekunden den gesunden Menschenverstand aktivieren um diesen Unsinn zu erkennen.
Auch das Thema "Sprungrevision" bei der Klage gegen das Land Baden-Württemberg müsste da nochmal aufgearbeitet werden, das erschien mir immer den Grünen sehr zupass zu kommen, damit ja keine neuen Fakten in die Verhandlung Einzug halten können.
Jedem muss doch klar sein, dass eine Entscheidung über einen so schwerwiegenden Eingriff in das Eigentum wie ein Fahrverbot mindestens folgender Phasen bedarf: Ist der Grenzwert valide? Falls ja, wird er entsprechend valide gemessen? Falls ja, wer trägt bei zur Überschreitung des Grenzwertes? Wer kann mit dem kleinsten Schaden für die Allgemeinheit seine Emissionen reduzieren, also welche Maßnahmen werden durchgeführt, und wer hat diese zu bezahlen?
Am Ende dieser Phasen wird auf keinen Fall "Dieselfahrverbot" und/oder "Nachrüstung auf Kosten der Kunden oder der Hersteller" als Entscheidung stehen. Und trotzdem ist "Dieselfahrverbot" nun das (vorläufige) Ende vom Lied. Es kommt mir vor wie ein Irrenhaus. Zumal ja die Tendenz der Messwerte auch klar ist: immer nach unten. Ganz ohne Fahrverbot wird selbst mit dem jetzigen Messverfahren in ein paar Jahren - oder sogar schon dieses Jahr - der Grenzwert eingehalten. Wen will man vor was zu welchem Preis schützen? Und damit ist noch gar nicht die Frage geklärt, ob mit Bezahlung desselben Preises woanders nicht deutlich bessere Ergebnisse erreicht werden können.
Zitat von hubersn im Beitrag #56Am Ende dieser Phasen wird auf keinen Fall "Dieselfahrverbot" und/oder "Nachrüstung auf Kosten der Kunden oder der Hersteller" als Entscheidung stehen. Und trotzdem ist "Dieselfahrverbot" nun das (vorläufige) Ende vom Lied. Es kommt mir vor wie ein Irrenhaus. Zumal ja die Tendenz der Messwerte auch klar ist: immer nach unten. Ganz ohne Fahrverbot wird selbst mit dem jetzigen Messverfahren in ein paar Jahren - oder sogar schon dieses Jahr - der Grenzwert eingehalten. Wen will man vor was zu welchem Preis schützen? Und damit ist noch gar nicht die Frage geklärt, ob mit Bezahlung desselben Preises woanders nicht deutlich bessere Ergebnisse erreicht werden können.
Hallo hubersn,
die Frage ist tatsächlich, an welcher Stelle anzusetzen wäre. Geht es um den Aufstellungsort der Messstelle, dann sind in B-W die Regierungspräsidien zuständig. Diese beziehen sich bei den übergeordneten Fragestellungen (Grenzwert, Vorgaben) auf die 39.BImSchV, das dafür zuständige Umweltministerium in Berlin wird sich dann wohl auf die Richtlinie plus Änderungsrichtlinie beziehen. Und damit ist man bei der EU-Kommission in Brüssel, bei der sich ohne konzertierte Aktion des Europarats oder ohne Urteil eines EuGH nichts tun wird. Gemeinhin könnte man das als 'Schwamm' bezeichnen.
Ein Ansatz bei deutschen Gerichten ist tatsächlich einmal die Verhältnismäßigkeit, und wie es scheint werden dort nicht wissenschaftliche Gutachten, sondern der EU-Grenzwert für Stickoxide (ich betrachte mal nur diesen) als gegeben hingenommen, was m.E. zweifelhaft ist, denn bei einer Verhältnismäßigkeitsentscheidung müssten nicht nur die tatsächliche gesundheitliche Auswirkung (darüber sagt der Grenzwert nichts) und auch der Spielraum bei den Messungen berücksichtigt werden. Zusätzlich müssten alternative Maßnahmen ausschöpfend geprüft werden. Auch das scheint mir nicht ausreichend geprüft worden zu sein. Bei der Verhältnismäßigkeitsbetrachtung müsste m.E. auch einfließen, dass hinter der Verbesserung der Luftqualität ein Zeitplan steckt, der offensichtlich von einer EU-Kommission unzureichend geplant und gemanagt worden ist. Dazu gehört einmal, dass Fahrzeuge nun mal eine bestimmte Lebensdauer haben, was offensichtlich spätestens bei der Einführung der Euro 5 Diesel ignoriert wurde, und dass nach aktuellen Trends die Qualitätsziele mit nicht allzu großer Verzögerung erreicht werden können - in Anbetracht der langen Planungszeit hinnehmbar.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Politik. Wenn in anderen Ländern deutlich laxer gemessen wird, Grenzwerte daher eingehalten werden, dann wundert es mich nicht, dass im Europarat kein Druck auf die Kommission entsteht, Grenzwerte und Zeitpläne einer Überprüfung zu unterziehen und die Richtlinie nochmal zu ändern. Die Überwachung aller Länder ist die Aufgabe der Kommission. Von dort müsste aufgrund des 3sat-Beitrags eine Stellungnahme erfolgen. Wenn bestätigt wird, dass derart breite Auslegungsmöglichkeiten bestehen, dann muss das auch Auswirkung auf Urteile haben. Sollten diese Länder aber ihre Messungen korrigieren müssen stiege auch deren Interesse, die Grenzwerte hinterfragen zu lassen.
Interessant wäre, wo versierte Juristen in diesem Umfeld ansetzen würden, wenn es jetzt mit den Fahrverboten zu ersten Klagen kommt.
Gestern bin ich zufällig auf ein Dokument gestoßen, habe danach weiter gezielt gesucht: Die AfD hat im Stuttgarter Landtag einige kleine Anfragen gestellt, und die Antworten aus dem Ministerium Herrmann sind aufschlussreich (Jetzt verstehe ich, warum man sich über die vielen kleinen Anfragen beklagt hat).
Ich habe das bisher nur quer gelesen, werde es aber noch ausführlicher kommentieren. Nur kurz:
Zur Frage der Grenzwerte hat das Verkehrsministerium eine ganze List von Ergebnissen aus wissenschaftlichen Studien ausgeschüttet, ohne allerdings auf deren Qualität einzugehen. Man bezieht sich zwar auf den WHO-Grenzwert, schreibt auch, dass es lt. WHO keine wissenschaftlich ausreichende Daten für eine Verschärfung des Grenzwerts gäbe (was im Wiederspruch zu der o.g. Liste steht), lässt aber aus, dass die WHO nach wie vor sagt, dass die Datenlage nicht robust ist. Aus dieser Tatsache und der Tatsache, dass seit über 20 Jahren viel Geld in einseitige Studien geflossen ist, ohne dass die Datenlage robuster geworden ist muss eigentlich die Frage folgen, ob der Grenzwert nicht erhöht werden sollte. Darauf kommt das Ministerium aber nicht. Ich wäre auch ganz erpicht auf eine Stellungnahme zu dem US-Grenzwert von 100µg/m³, der das Ergebnis der umfangreichsten und qualitativ sauberst dokumentierten EPA Metastudie von 2016 ist.
Um den Messort Neckartor hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Messungen durchgeführt und erhebliche Unterschiede festgestellt, je nachdem wo man gemessen hat. Das hat man m.E. unsachgemäß wegdiskutiert. Dazu später mehr.
Es gab alternative technische Vorschläge zur Reduzierung von Feinstaub und Stickoxiden. Die Antworten sind im Link 'Filteranlagen' zu finden. Die kann ich so nicht beurteilen. Interessant wäre aber gewesen, reine Ventilatoren zu betrachten, die den Luftdurchsatz an hotspots verbessern. Da müsste ich vielleicht die AfD darauf stoßen.
Hier meine Kommentare zur Antwort auf die kleine Anfrage 16/2857 des Landtags BW.
Inwieweit die Fragen an die Landesregierung Sinn machen steht auf einem separaten Blatt. Sie kann sich ganz einfach als ausführendes Organ einer EU-Richtlinie sehen und auf die EU, bzw. die Bundesregierung verweisen. Die Landesregierung könnte sich natürlich auch eine eigene Position erarbeiten und diese den Verwaltungs- oder Rechtsweg nach oben tragen. Ein solcher Ansatz war aber bisher nicht erkennbar, der Bericht schließt mit der folgenden Aussage des Ministers Hermann:
Zitat Generell vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass angesichts der erdrückenden toxikologischen und epidemiologischen Erkenntnislage eine Diskussion über die Validität von europäischen Grenzwerten nicht zur Bewältigung der Herausforderungen in der Luftqualität beiträgt. Vielmehr gilt es, sich aktiv sowohl für die gesundheitlichen Belange der Bürgerinnen und Bürger, als auch für die Umsetzung der seit Jahren geltenden Rechtslage einzusetzen.
Eine erdrückende toxikologische und epidemiologische Erkenntnislage lässt sich aber nicht nachvollziehen, besonders die deutschen Toxikologen haben sich dazu ganz anders geäußert. Wie 'erdrückend' die Erkenntnislage ist kann man aus der Stellungnahme einfach entnehmen, wenn man sich die summarischen Aussagen aus den WHO-Berichten und Ableger davon anschaut:
Zitat Insgesamtergibt sich aus diesen Studien eine ausreichende wissenschaftliche Evidenz für die schädigenden Einflüsse dieser Substanzen, was die Erhöhung des Risikos angeht, Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erleiden und vorzeitig hieran zu versterben. Die konkreten Größenordnungen dieser Risikoerhöhungen differieren in diesen Studien z. T. allerdings beträchtlich, je nach Untersuchungsgebiet und -zeitraum sowie Zusammensetzung der untersuchten Personen.
Derartige Unterschiede in den Ergebnissen sprechen gegen eine ausreichende wissenschaftliche Evidenz. Einflussgrößen, wie Studiendesign, Studienqualität, u.a. dürften hinzu kommen.
Zitat Ein klarer Schwellenwert für Stickstoffdioxid, unterhalb dessen gesundheitliche Effekte ausgeschlossen werden können, ist nicht erkennbar. Die WHO kommt zu dem Schluss, dass für eine Absenkung des Leitlinienwertes für die Jahresmittelkonzentration von 40 µg/m³ Stickstoffdioxid die Datenlage vorerst noch nicht ausreichend sei.
Im Originaltext wird auch darauf verwiesen, dass die Datenlage nicht robust sei, und so wie sich das darstellt ist damit die Datenlage für den Grenzwert selbst nicht ausreichend - von wegen 'erdrückende Erkenntnislage'. Es wurde ja immer nur die Absenkung diskutiert, eine Erhöhung ist wohl sakrosankt. In einem Beitrag weiter oben habe ich zusätzlich darauf hingewiesen, dass die Messbedingungen für die Ermittlung des 20 Jahre alten Grenzwerts gar nicht zu den Hotspot-Messungen in Deutschland passen ('Hotspot' heißt so nah wie möglich an der Emissionsquelle).
Zitat Bei Schadstoffen in der Umgebungsluft kommt hinzu, dass die zur Luftüberwachung gemessenen Stoffe häufig Leitsubstanzen sind (wie z. B. Stickstoffdioxid), die für ein ganzes Stoffgemisch stehen.
Das ist die Crux bei allen sogenannten epidemiologischen Studien, bei Langzeitstudien kommen allerlei gewichtigere Faktoren hinzu. Wie der Statistiker Prof. Köhler meinte kann den geringen Einflussfaktoren dann die einmal vergessene Blutdrucktablette den Ausgang einer Studie massiv verfälschen. Wieder nix mit 'erdrückender Erkenntnislage'.
Bei der Frage zur Lebenserwartung:
Zitat Aussagen zur statistischen Lebenserwartung einer Gesamtbevölkerung in einem Gebiet eigenen sich nicht für pauschale Rückschlüsse auf gesundheitliche Auswirkungen durch die Belastungen mit Luftschadstoffen, welche in Zusammenhang mit Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte auftreten können.
Aber genau das machen die epidemiologischen Studien, beispielsweise die etwas später mit den großen Schlagzeilen des Münchner Helmholtz-Zentrums veröffentlichte, und das soll nun nicht geeignet sein. Fakt ist, dass sowohl die NO2-Konzentration des städtischen Hintergrunds als auch die Lebenserwartung in Stuttgart höher sind als in den meisten Bundesgebieten.
Zitat Für die Landesregierung besteht kein Anlass, die Unabhängigkeit und Kompetenz der WHO und des AGS bzw. der zugrundeliegenden Studien unterschiedlichster Organisationen in Zweifel zu ziehen. Daher besteht kein Anlass für redundante Untersuchungen der Landesregierung zu deren regelmäßigen Prüfungen des wissenschaftlichen Erkenntnisstands durch WHO und AGS.
Quantitativ gibt es ausreichend Studien, das sagt aber nichts über deren Qualität aus. Nachdem aber die Meta-Studie des Münchner Helmholtz-Zentrums die bestens dokumentierte (inkl. umfangreichster Qualitätskriterien für die Studienauswahlen) US-EPA-Meta-Studie von 2016 einseitig selektiv zitiert hat kann Verkehrsminister Hermann mal deren Summary zur Kenntnis nehmen und nochmals die 'erdrückende Erkenntnislage' für den deutlich höheren US-Grenzwert begründen.
Und hier weitere Kommentare im Zusammenhang mit den kleinen Anfragen im Landtag BW.
Es ging primär um Stickoxide am Stuttgarter Neckartor und drohende Fahrverbote (der Feinstaub wird sich wohl bald so auswachsen). Bei einer Hintergrundbelastung von über 30µg/m³ bleibt nun mal für über 70Tsd Fahrzeuge pro Tag wenig Spielraum. Maßnahmen sollen schnellstmöglich passieren, bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit.
Die schellste Maßnahme wäre natürlich, alle Diesel bis Euro 5 auszuschließen. Damit wären die meisten Diesel und damit eine Menge Pkw weg von der Straße. Dies würde für die Umweltzone Stuttgart gelten - praktisch die ganze Stadt. Gegen die geltende Plaketten-Kennzeichnungsverordnung wurden allein 2017 26500 Verstöße registriert. Dies nur so zur Dimension. Da geht es nicht nur um ein paar Straßenzüge wie in Hamburg. Daher die Zögerlichkeit selbst eines Grünen MP Kretschmann, momentan zumindest noch für ein Euro 5 Fahrverbot. Und dies wiederum, weil Stuttgart an wenigen stark befahrenen Stellen Hotspot-Messungen praktisch am Auspuff durchführt. Die DUH drängt darauf, dass auch für Einwohner keine Ausnahme besteht, die Enteignung wäre gigantisch und von Verhältnismäßigkeit gäbe es m.E. keine Spur.
Der Luftreinhalteplan der Stadt von 2016 (mit Träumereien des grünen Verkehrsministers von Fahrradautobahnen und so) ist ja inzwischen Makulatur. Da dies schon vorher absehbar war gab es wenige Ansätze ein Fahrverbot zu verhindern:
1. Änderung der EU-Richtlinie 2008/50/EG, 2. Infragestellung der Messungen und Korrektur, und wie ich aus den Anfragen der AfD gelernt habe 3. aktive Filterung an den Hotspots (Ansaugen großer Luftmengen und Filtern)
Zu 1: Eine Änderung der EU-Richtlinie ist angesichts der Blockadehaltung der Mehrheit des Bundestags und einer starken Umweltlobby in Brüssel wohl aussichtslos. Mehrheiten im EU-Ministerrat wird es wohl auch deshalb nicht geben, weil möglicherweise viele Länder sich nicht absichtlich in diese Bredouille gemessen haben, und damit kaum aktiv werden müssen. Das zeigt den Schwabenstreich in BW besonders deutlich. Hinzu kommt, dass Stuttgart an seiner Umweltzone festhält, die vor Jahren mit der Plakettenregelung eingeführt worden war, eine Regelung, die es in anderen Ländern nicht gibt.
Zu 2: Der Hauptkritikpunkt war schon länger die sich eng an der Straße und in einer Nische befindliche Messstelle am Neckartor. Messungen der Dekra haben für Feinstaub deutlich niedrigere Ergebnisse unmittelbar in der Umgebung ergeben. Ursprünglich hatte die Richtlinie in einem Winkel von 270° mehrere Meter Freiraum gefordert, und dem Augenschein nach hat die Messstelle diese Bedingung nie eingehalten, ein Winkel war auch in der Dokumentation des Neckartors (S.13) nie aufgeführt. 2015 wurde wie durch Wunder die Richtlinie aber so geändert, dass die Messstelle so stehen bleiben konnte. Die Änderung der Richtlinie hätte mit technischen oder wissenschaftlichen Erfordernissen begründet werden müssen, was aber im Position Paper der EU-Aquila Arbeitsgruppe nie geschehen ist.
So bleibt die nächste Forderung der Richtlinie, dass es eben keine Hotspot-Messung sein darf (Der Messeinlass darf nicht in nächster Nähe von Quellen angebracht werden, um die unmittelbare Einleitung von Emissionen, die nicht mit der Umgebungsluft vermischt sind, zu vermeiden), sondern die Messung repräsentativ für mindestens 100m Straße sein soll. Das RP Stuttgart verweist für Stickoxide auf mehrere sogenannte Profilmesspunkte (S. 20) entlang der B14, die die Repräsentativität auf ausreichend langer Straßenstrecke demonstrieren sollen. Zufällig stehen diese Profil-MP alle entlang der Häuserfassade, sind teilweise direkt an die Hauswand montiert (S. 11 u. 12). Sie sind also allerhöchstens für diese Häuserfront repräsentativ. Die B14 ist aber 22m breit. Es gibt direkt auf der anderen Straßenseite keine Messungen. Die Messpunkte 50-1,-2 jedoch, die aber nicht weit von der anderen Straßenseite stehen haben 2005-2006 weniger als die Hälfte Stickoxidwerte an der Häuserfront gezeigt. Zusammengenommen ist dies ein Hinweis, dass die Messstelle nicht repräsentativ für die ganze Straße ist.
Wegen der Zweifel wurde auch das Karlsruher Institut für Technik (KIT) aktiv und hat im Umfeld des Neckartors verschiedene Messungen vorgenommen. Prof. Dr. Koch hat 2016 die Ergebnisse des KIT vor dem Berliner Untersuchungsausschuss präsentiert. Auch seine Messungen zeigen den Hotspot-Charakter der Messstelle Neckartor (S. 13). Auf die Messungen wurde in einer kleinen Anfrage Bezug genommen, s. Drucksache 16/3056. In dieser Drucksache weist der Verkehrsminister mit dem Hinweis auf die 39. BImSchV (die die Richtlinienänderung s.o. enthält) nicht nur die Kritik an der Messstelle, sondern weist auch die Gültigkeit der Messungen zurück, weil sie nicht nach 39. BImSchV ausgeführt worden seinen (langfristig). Das ist nicht nur Unsinn, wenn die Absicht ist, eine lokale Verteilung festzustellen, sondern steht auch im Widerspruch zum Position Paper S.12 der Aquila Arbeitsgruppe der EU-Kommission:
Zitat Temporary measurement campaigns, possibly supplemented by spatial information accounting for pollution sources, can be used to assess representativeness, but the results are related to the “spatial resolution” of the measurement network. An appropriate spatial and temporal sampling design has to be defined.
Meines Erachtens sind die Kritikpunkte an der Messstelle Neckartor nicht ausgeräumt.
Zu 3: Ich selbst hatte schon an eine aktive Ventilierung kritischer Straßenzüge gedacht, habe jetzt gelernt, dass Techniker aus der AfD-Fraktion ähnliche Gedanken hatten, und dies auch schon konkreter ausgeführt haben. Die Drucksache 16/1686 dokumentiert den ersten Vorstoß im Frühjahr 2017. Darin auch ein Hinweis auf ein ähnliches Projekt in Peking. Die Antworten des Verkehrsministers waren allesamt dünn, inklusive Bedenken wegen des Klimas (Stromverbrauch). Und als Fazit:
Zitat Darüberhinausgehend sieht der in Bearbeitung befindliche Luftreinhalteplan, welcher zeitnah in die Beteiligung der Öffentlichkeit geht, weitere Maßnahme vor. Hierzu zählen unter anderem der weitere Ausbau und die Förderung des Umweltverbundes, von Elektromobilität, Fuß- und Radverkehr, die Weiterentwicklung der bestehenden Umweltzone und temporäre Verkehrsbeschränkungen.
Der erwähnte Luftreinhalteplan wurde inzwischen vom Landgericht Stuttgart kassiert. Die Stellungnahme sagt zusammengefasst ‚kein Bock‘.
Im Frühjahr 2018 gab es den nächsten Vorstoß, dokumentiert in der Drucksache 16/3884. Offensichtlich hatte ein Filterhersteller eigene Kalkulationen angestellt, das Verkehrsministerium sollte seine Berechnung transparenter machen, es gab Hinweise auf weitere Städte, die ähnliche Anlagen planen oder bereits einsetzen. Aktionen des Verkehrsministeriums blieben auch diesmal kaum über ein bisschen Schreibtischarbeit. Diesmal das Fazit:
Zitat Es ist davon auszugehen, dass der Einsatz von Feinstaub- und Stickstoffoxidfiltern hinsichtlich Immissionsminderung und Zeitrahmen („schnellstmöglich“) alleine kein vergleichbares Potenzial hat wie Verkehrsbeschränkungen, sodass diese hierdurch vermieden werden könnten. Dennoch wird die Landesregierung weiterhin die Prüfung und ggf. Erprobung entsprechender Technologien befördern.
Ein Jahr keinen Finger gerührt, und jetzt muss es ganz schnell gehen, deshalb kein Interesse. In Anbetracht des drohenden Eigentumseingriffs zumindest eine Frechheit, oder will der Verkehrsminister Hermann keine Chance ungenutzt verstreichen lassen, das Fahrverbot zu erreichen?
Der Hinweis in der ersten Stellungnahme darauf, dass Wind viel effektiver Schadstoffe wegblasen könne hätte mit statistischen Daten untermauert werden müssen: Korrelationen zwischen Messwerten und Windgeschwindigkeiten und vorherrschenden Windrichtungen (die 'kritische' Häuserfront liegt eher westlich). Alle Messstellen in den USA müssen die vorherrschende Windrichtung berücksichtigen, in der EU-Richtlinie gilt das nur bei großräumigen Messungen. Zudem müsste eine Filterung oder Ventilierung die Schadstoffe nur ausreichend verringern, nicht beseitigen. Das heißt, es kann durchaus reichen, wenn das komplette Luftvolumen in zig Minuten gefiltert wird. Das zu bewerten bedarf es aber weiterer Messungen und auch Feldversuche. Dazu muss ein Ministerium aber den Hintern hoch bekommen.
Letztlich gibt es natürlich einen vierten Ansatz: Klagen der betroffenen Autobesitzer und eine juristische Schlacht. Wie diese geschlagen werden kann müssen dann Juristen bewerten.
Gestern gab es im Stuttgarter Landtag eine heftige Diskussion wegen der geplanten Fahrverbote. 2019 wären in der Region über 180.000 Besitzer von Dieseln bis Euro 4 betroffen, 2020 kämen nochmals etwa 180.000 Besitzer von Euro 5 Dieseln dazu. Das ist die Dimension der Enteignung.
Der FDP-Fraktionschef Rülke warf dem Verwaltungsrichter des Stuttgarter Landgerichts Wolfgang Kern, der der DUH Klage stattgegeben hatte, Allmachtsphantasien vor, und musste sich im Gegenzug von Kretschmann fragen lassen, ob die FDP eine Rechtsstaatspartei ist oder nicht.
Anerkannt ist, dass Stuttgart durch seine Tallage eine höhere Schadstoffbelastung hat als andere Städte, dass die Lebenserwartung in Stuttgart ebenfalls höher ist als in den meisten Städten hat den Richter Kern wohl trotzdem nicht an seinem Urteil zweifeln lassen.
Was hat das alles noch mit Rechtsstaat zu tun? Der Ausgangspunkt sind sogenannte wissenschaftliche Studien und Gutachten, deren Ergebnisse nicht unbedingt die Realität, sondern die Zusammensetzung von Gremien abbildet, deren Besetzung keinen rechtsstaatlichen Prinzipien folgt, und die vor allem weit weg von den lokalen Entscheidungsträgern sitzen. Ist es noch rechtsstaatlich, wenn Wähler in Wirklichkeit auf die ursächlichen Entscheidungen, die in Wahrheit oft nur auf Empfehlungen beruhen, gar keinen Einfluss haben? Richter und Politiker sind in diesem Prozess nur noch Erfüllungsgehilfen, meist ohne ausreichend Bildung und Wissen, um die Materie selbst verstehen zu können.
Die jetzige Situation ist auf dem Papier geschaffen worden, sie könnte auf dem Papier sofort beseitigt werden. Der Prozess dafür praktisch, weil man den Betroffenen den Zugang systematisch unmöglich macht. Ein Stuttgarter Parlament hat keinen Durchgriff zu einer EU-Richtlinie die meint die Lebensumstände in allen Regionen der EU regeln zu müssen. „Die ich rief, die Geister, wird ich nun nicht los.“
Unklar ist für mich, wie weit die Kompetenz eines Richters gehen darf. Der Grenzwert für Stickoxide beruht auf einer über 20 Jahre alten Leitlinie der WHO, die damals von der EU zum Gesetz gemacht wurde. Die USA haben nach langer und intensiver Auswertung aktueller Studien vor zwei Jahren einen deutlich höheren Grenzwert festgelegt, der sogar der Tallage Stuttgarts gerecht würde. Die USA sind ein Rechtsstaat mit vergleichbaren Normen. Darf ein deutscher Richter ein Urteil nicht zurückweisen bis diese Diskrepanz wissenschaftlicher Arbeit geklärt ist? Würde dies gegen unsere rechtsstaatlichen Normen verstoßen? Oder wären das echte richterliche Allmachtsphantasien?
Wohlgemerkt: Es geht nicht dabei nicht um die eigentliche Rechtssprechung, die in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich ist, sondern um die wissenschaftliche Basis, auf der diese beruht.
Zitat Im Ringen um bessere Schadstoffwerte in Stuttgart erstmal die Messstationen umstellen? Mit einem solchen Vorschlag hat Bundesverkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) Kritik der Grünen auf sich gezogen. "Wer alternative Messstandorte fordert, will alternative Fakten schaffen", erklärte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand am Samstag in Stuttgart. "Wir wollen nicht die Messwerte faken, sondern die Luft sauber kriegen." Die Luft am besonders belasteten Neckartor werde nicht besser, indem man die Messstation in den benachbarten Schlossgarten stelle.
Bilger dazu:
Zitat "Wir investieren Milliarden, um an den Messstellen Grenzwerte einzuhalten, die ein paar Meter weiter vielleicht längst erfüllt sind."
Offensichtlich gibt es eine Aufforderung der Verkehrsministerkonferenz der Länder, die Standorte der Messstellen stichprobenartig zu prüfen. Der BW-Verkehrsminister Hermann hat dagegen gestimmt und ist der Aufforderung bisher auch nicht nachgekommen.
Dem Grünen-Landeschef kann ich nur entgegnen, dass, wenn es bisher Fakes gab, dann auf der Ebene der für die Standorte der Messstellen zuständigen Behörden im Verbund mit der EU-Kommission. Das habe ich in den vorigen Beiträgen dargestellt:
Messstellen wurden gegen Wort und Geist der Luftreinhalterichtlinie 2008/50/EG aufgestellt, sodass kleinräumige, extrem nahe an den Emissionsquellen (vielbefahrene Straßen) liegende Konzentrationen von Stickstoff und Feinstaub gemessen werden. Beispiel Stuttgarter Neckartor: - der Freiraum um den Lufteinlass von mehreren Metern im Winkel von 270° dürfte nicht eingehalten sein (die offizielle Darstellung des LUBW macht dazu keine Angabe) - die Messung findet zu nah an der Straße statt (Vorgabe: Der Messeinlass darf nicht in nächster Nähe von Quellen angebracht sein, um die unmittelbare Einleitung von Emissionen, die nicht mit der Umgebungsluft vermischt sind, zu vermeiden.) - Die Messung repräsentiert nicht einen Straßenabschnitt von mindestens 100m (Referenzmessungen finden nur entlang der Häuserfassade auf einer Seite statt, erfassen nicht die volle Straßenbreite). Zudem ist aus einer Studie des UBA Österreich bekannt, dass an Häuserfassaden Messwerte stark ansteigen.
Die EU-Kommission, die sich im Rahmen der Richtlinie Überwachungsaufgaben auferlegt hatte ist erst mit großer Verzögerung auf die Problematiken aufmerksam geworden (die meisten Anträge der Kommunen auf Fristverlängerung bis 2015 bei Stickoxiden hat sie dagegen abgeschmettert) und hat eine Arbeitsgruppe (AQUILA) beauftragt, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Und da ist der nächste 'Fake':
Anstatt die Kommunen zur Überprüfung und Korrektur ihrer Messstellenstandorte aufzufordern wurden mittels einer Änderungsrichtlinie einfach die Messbedingungen verwässert, eine Änderung unter Verletzung der Richtlinienvorgaben für Änderungen. Die Verwässerung wurde in die deutsche 39. BImSchV übernommen. So konnten die Messstellen stehen bleiben, musste allenfalls Dokumentation nachbearbeitet werden.
Da diese Änderung formal eine fast beliebige Aufstellung von Messstellen erlaubt (sie muss lediglich dokumentiert und lokal genehmigt werden), kann nun nicht nur kleinsträumig gemessen werden, sondern auch mit größerem Abstand zur Straße als 10m. Möglicherweise haben einige europäische Kommunen ihre Messergebnisse so deutlich besser gestellt als Stuttgart.
Nun war aber eine der Überwachungsaufgaben der EU-Kommission, die Einheitlichkeit der Anwendung in Europa zu überwachen. Aber auch diese Aufgabe hat sie zumindest bis vor ca. drei Jahren nicht wahrgenommen.
Auch ohne die Verwässerung der Richtlinie 2008/50/EG haben die verantwortlichen Behörden große Spielräume bei der Festlegung der Messstellen. So kann im Abstand von 50 cm oder im Abstand von 10m vom Randstein, in einer Höhe von 1,5m oder 4m gemessen werden. Allein dies kann zu Unterschieden im Messergebnis von zweistelligen Prozentwerten führen. Best case und worst case sind konform mit der Richtlinie, führen aber im einen Fall zu sehr einschneidenden oder teuren Maßnahmen, im anderen Fall entfallen sie. Hier hat Bilger also recht. Aus meiner Sicht unzumutbar ist, dass dies bei der Betrachtung der Verhältnismäßigkeit von den Gerichten nicht berücksichtigt wird, auch nicht im Hinblick auf die Einheitlichkeit innerhalb der EU.
Diese Betrachtungen beinhalten nicht die Sinnhaftigkeit der Grenzwerte selbst, oder zumindest den Zeitplan im Fall der Stickoxide. Sie zeigen aber die Schlampereien oder gar Betrügereien der EU-Kommission auf. Ich hatte ja schon zuvor die Frage nach der Subsidiarität gestellt (was geht die Kommission die Luft in Stuttgart an?). Die RL 2008/50/EG begründet die Zuständigkeit der EU-Kommission damit, dass Luftschadstoffe ja auch Grenzen überschreiten können. Ich weiß nicht, wie viele grenzüberschreitenden Verschmutzungen in den letzten 19 Jahren tatsächlich von der Kommission angemahnt werden mussten, ich vermute, es war ein Nicht-Problem. Wenn überhaupt, dann betrifft dies großräumige Luftwerte, aber nicht die kleinräumigen Verhältnisse, um die nun gestritten wird. Die Kommunen hätten die Luftreinheit lokal und bürgernah ohne diesen großen Überbau angehen können, ohne von der EU aufgezwungene Klagemöglichkeiten von Umweltorganisationen hätte man pragmatisch - auch unter Berücksichtigung lokaler Verhältnisse wie die Tallage Stuttgarts - agieren können. So, wie das die Schweizer können.
Laut heutiger SZ will Bayerns Justiz nun 'Erzwingungshaft gegen Amtsträger' via Vorabentscheidung des EuGH prüfen lassen, nachdem sich Bayern weigert für München Dieselfahrverbote für München zumindest vorzubereiten. Zwangsgelder wirken nicht, weil sie in die bayrische Finanzkasse zurückfließen. Treiber ist wohl der DUH-Anwalt Klinger.
Ob das nach deutschen Recht durchsetzbar ist wird sich zeigen. Warum versuchen die bayrische Behörden aber nicht andere Optionen? Die im letzten Beitrag erwähnte Änderungsrichtlinie erlaubt Abweichungen von den Vorgaben für die Standorte der Messstationen, wenn sie nur gut dokumentiert sind. Man kann die Änderung nicht nur für eine Verschärfung der Messbedingung einsetzen, sondern man kann dann auch weiter entfernt als 10m von der Straße messen, kann das Areal für die Repräsentativität auch so schon über 100m erweitern, soweit man die Maßnahme gut dokumentiert. Ozon muss eh schon im Abstand von mindesten 10m gemessen werden, und bei starkem Verkehr weiter entfernt.
Ich weiß nicht, ob die EU die Standorte EU-weit auf vergleichbare Umsetzung der Richtlinie geprüft hat, und was dabei herausgekommen ist, aber auch da wäre evtl. ein Hebel.
Ansonsten wäre auch mal eine Gegenklage gegen die Kommission interessant, wegen Untätigkeit. Sie hat nicht nur ihre Verpflichtungen schleifen lassen, sondern mit ihren Zeitplänen das Schlamassel verursacht.
Zur Lage in Stuttgart: Diesel bis Euro 4 u.a. sollen ab dem 1.1.2019 aus der Umweltzone Stuttgart ausgesperrt werden. Der Luftreinhalteplan liegt aus, Einsprüche können bis 12.10. eingereicht werden. Die Umweltzone umfasst ein so großes Gebiet, dass umliegende Gemeinden wie Korntal-Münchingen voneinander abgeschnitten wären, weil ihre Verbindung über Stuttgarter Gemarkung führt. Es wird also über Ausnahmegenehmigungen gestritten werden.
Es ist schwer nachvollziehbar, warum Stuttgart seine Umweltzone derart großflächig ausweist. Ein Teil der Gemarkung liegt außerhalb des Kessels, der größte Teil weit außerhalb der viel befahrenen Ein- und Ausfallstraßen. Das vom grünen Herrman geführte Verkehrsministerium sieht in kleinräumigen Sperrungen den Nachteil, "dass sich Fahrer Umwege suchen, statt auf öffentliche Verkehrsmittel oder sauberere Fahrzeuge umzusteigen". Auf sauberere Fahrzeuge umsteigen heißt in der Regel solche Fahrzeuge anschaffen, eine Maßnahme die der Luftreinhalteplan dem städtischen Fuhrpark nur dann zwingend zumutet, wenn Neuanschaffungen fällig sind. Je größer der Bereich, desto eher wird Stuttgart auch zur Falle für ausländische Besucher, wie dies bereits mit der Feinstaubplakette der Fall war.
Die Begründung aus dem Verkehrsministerium weist darauf hin, dass die Pendler im grünen Sinn erzogen werden sollen, was außerhalb der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme liegen dürfte. Im neuen Luftreinhalteplan wird die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen angesprochen, mit Bezug auf die aktuellen Gerichtsurteile. Ein Verweis auf ein konkretes, nicht vertretbares Risiko in Bezug auf NO2 fehlt, es wird lediglich darauf verwiesen, dass NO2 die Gesundheit schädigen kann, was man ohne quantitative Größe eine Nullaussage ist. Die aktuellen Gerichtsurteile haben zwar Fahrverbote zugelassen, sie haben aber nicht die Größe des Gebiets festgelegt. Allein hier macht sich der Luftreinhalteplan angreifbar.
Feinstaub scheint zwar ein verschwindendes Thema zu sein, die Grünen haben sich aber lange geziert, Holzfeuerungen, die den städtischen Hintergrund dominieren, einzuschränken. Der berühmte Feinstaubalarm wird ja nicht durch Grenzwertüberschreitungen ausgelöst, sondern durch die meteorologischen Vorhersagen.Jetzt sollen bei den sogenannten Inversionslagen zumindest die Feuerstellen aus bleiben die nur zuheizen. Das hätte man schon längst haben können.
Bei der Lektüre des Luftreinhalteplans staune ich, wie viel Arbeit und Regulierung in den Plänen steckt, d.i. was dazu an Personal beschäftigt, Geld investiert wird. Mit dem letzten Schadstoff Stickoxid und dem unseligen Grenzwert in Kombination mit dem Zeitplan haben sich wohl einige Grüne eine gute Alimentierng bis ans Lebensende erworben. Dabei ist der Hauptbeitrag die Reduzierung der Emissionen bei Fahrzeugen, und die benötigen eben etwas Zeit. Warum man die nicht haben will (der Zeitplan ist ja von der EU bestimmt) war bei den Gerichten bisher nicht erörtert worden. Das Gesetz sagt lediglich, das Überschreitungen der Grenzwerte möglichst kurz sein sollen. Fahrverbote waren dort nicht angedacht.
Ich will vielleicht eine Kleinigkeit beisteuern: "Unterschreibt ein Onlinehändler ohne fachkundigen Rat die in der Abmahnung neben dem Anwaltshonorar geforderte Unterlassungserklärung (wie das 30 Prozent machten), drohen ihm Vertragsstrafen für weitere Verstöße, die noch viel höher sind als das Anwaltshonorar. Im Durchschnitt 3.800 Euro. Für das Nutzen dieser Option ist unter anderem der Verein Deutsche Umwelt-Hilfe (DUH) berüchtigt." Quelle: https://www.heise.de/tp/features/66-Proz...ng-4157177.html
Zusammen mit den Inhalten dieses Threads scheint mir dieser gesamte Verein zunehmen suspekt. Wäre er nicht auf der Seite der moralisch Guten, würden unsere Medien sich wahrscheinlich darauf stürzen.
Das ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie unsere Medien versagen.
Nüchtern kann man argumentieren, dass die DUH nichts anderes macht, als geltendes Recht umzusetzen. Die Macht dazu hat ihr die EG gegeben, und die EG sorgt durch weitere Regulierungen für Nachschub. Große Firmen können sich Rechts- und Qualitätsabteilungen leisten, die Regularien zerstören zum Teil den Humus in Form von Kleinunternehmen, aus dem eine gesunde Wirtschaft wachsen kann. Da hilft auch wenig, dass viele Gesetze die Regeln für kleine oder mittlere Unternehmen lockern.
Im Fall der Umweltklagen hat die EG der DUH durch die Öffentlichkeitsrichtlinie den Weg freigemacht, die in das deutsche Umwelt-Rechtbehelfsgesetz mit allerlei Widerstand des deutschen Gesetzgebers übernommen wurde. Der Widerstand ist einmal damit begründet, dass öffentliche und industrielle Planungsverfahren erschwert sind. Zum Anderen passt die Richtlinie nicht in die bis dahin bestehende Rechtspolitik und auch nicht zum im Grundgesetz vorgesehenen Individualklagerecht. Klagen konnten die, die betroffen waren, die Umwelt selbst ist kein Individuum. Nun ist die Umwelt zum Gemeingut erhoben, dessen Interessen zugelassene Vereine wie die DUH vor Gericht einklagen können.
Unsystematisch und fatal ist nun aber, dass dem Gemeingut Umwelt auch die Gesundheit der Bevölkerung zugeschanzt wurde. Unsystematisch deshalb, weil Gesundheitsfragen an Individuen gebunden und durch die bisher bestehende Rechtssystematik abgedeckt sind. Der Vorwurf geht an die EG. Der EuGH hat Deutschland zu seinem neuen UmwRG gezwungen. Würde dies nur die Umwelt, aber nicht die Gesundheit umfassen könnten die Kommunen Klagen in Einzelfällen klären. Dies würde aber dann auch bedingen, dass Bürger Beeinträchtigungen der Gesundheit nachweisen, was in Zeiten, in denen der Richtwert für Innenräume höher liegt als der Grenzwert auf der Straße delikat wäre.
In den knapp 60 Beiträgen, die auch meinen Lernprozess über die letzten Monate abbilden, gehen möglicherweise die Zusammenhänge etwas verloren, die zu den nun real werdenden Fahrverboten führten. Ohne zu sehr über die dahinter liegenden Netzwerke spekulieren zu wollen sehe ich die Ursache für das sich anbahnende Desaster in einer grandiosen Fehlplanung der Europäischen Gemeinschaft oder konkreter der Europäischen Kommission, und der Borniertheit, diese einzugestehen und zu korrigieren. Der Beitrag ist etwas länger, weshalb ich ihn in mehrere Teilbeiträge aufteile.
Fahrverbote – ein Planungsfehler der Kommission
Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) treiben die deutschen Kommunen mit Gerichtsentscheidungen vor sich her. Es geht um Fahrverbote für Diesel. Um ambitionierte ‚CO2-Ziele‘ der Regierung zu unterstützen wurde der Diesel als Beitrag gepriesen und von der Industrie weiterentwickelt. Mit der Entwicklung stiegen aber die Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden. Mit der Euro 5 Norm wurde im Wesentlichen der Feinstaub reduziert, mit den Euro 6 Normen die Stickoxide. Trotz der Maßnahmen werden an vielen Hauptverkehrsstraßen höhere Stickoxidwerte gemessen als die Richtlinie 2008/50/EG vorgibt. Um diese Stickoxide weiter zu senken klagt die DUH nun sukzessive vor Verwaltungsgerichten um Fahrverbote für Diesel zu erwirken, und damit eine Enteignung von bald Millionen von Bürgern.
Das Ganze ist ein verwaltungstechnisches Versagen. Ganz oben stehen die Europäische Gemeinschaft und die Brüsseler Kommission.
Die Rolle der EG
Gestartet war die EG als Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Ziel eines freien Warenverkehrs. Für viele Produkte hatten die einzelnen Mitgliedstaaten eigene Normen und Zulassungsverfahren, teilweise traditionell privatwirtschaftlich organisiert (VDE, TÜV, u.a.). Es ging meist um Verbraucherschutz, dabei primär um Sicherheit. Europaweit unterschiedliche Normen und Zulassungsverfahren waren ein Hindernis für den freien Warenverkehr und machten die Produkte teurer.
Die EWG hat also sinnvollerweise Normen innerhalb der Mitgliedssaaten vereinheitlicht, EFTA-Länder haben sich angeschlossen, und es gilt das Prinzip, dass die Zulassung in einem Mitgliedsstaat nach EG-Richtlinien oder EG-Verordnungen für die gesamte EG gültig ist, einschließlich EFTA-Staaten und assoziierten Staaten wie die Türkei. In diesem Sinne sind auch die Emissionsnormen für in der EG zugelassene Kraftfahrzeuge einheitlich geregelt, ist die Rolle der EG eindeutig.
Im Gegensatz zum Warenverkehr ist die Regulierung der Luftqualität durch die Kommission nicht eindeutig. Nach dem Subsidiaritätsprinzip geht die Luftqualität in Stuttgart die Kommissare in Brüssel nichts an. In Bezug auf die Subsidiarität verweist die Richtlinie 2008/50/EG darauf, dass Luftschadstoffe grenzüberschreitend sein können, ein Bereich in dem die EG tätig werden kann. Trotzdem unterliegt aber beispielsweise die Schweiz nicht dieser Richtlinie. Und grenzüberschreitende Luftschadstoffe spielen bei den Verfahren um Fahrverbote keine Rolle. Durch die Zuständigkeit der Kommission sind regionale Lösungen unmöglich.
Ein weiterer Eingriff der EG in nationales Recht macht die Klagen der DUH erst möglich. In der Århus-Konvention wurde die sogenannte Öffentlichkeitsrichtlinie vereinbart, die zum umstrittenen deutschen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geführt hat, umstritten auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG. Das ist der Ausgangspunkt für die Kanzlei Geulen & Klinger, die sich auf diese Fragen spezialisiert hat und die DUH vertritt. Schwer verständlich ist, dass der Schutz der Umwelt die Verbandsklageberechtigung begründet, in der Sache (Verhältnismäßigkeit) aber der Schutz der menschlichen Gesundheit gegen Eigentum bewertet wird, was dem Grundsatz des Klagerechts für Einzelne unterliegen sollte.
Maßt sich die EG eine Richtlinie oder eine Verordnung an, so sind in der Regel damit nicht nur Pflichten für die ausführenden Organe geregelt, sondern auch Pflichten für die Kommission. Wer allerdings Richtlinien oder Verordnungen studiert wird leicht feststellen, dass im Gegensatz zu den ausführenden Organen die Pflichten der Kommission nicht als ‚muss‘, sondern als ‚soll‘ formuliert sind. Damit sind Versäumnisse der Kommission rechtlich kaum angreifbar, es erklärt aber möglicherweise, warum heute Fahrverbote verhängt werden sollen.
Das Luftqualitätsprojekt ist ein Großprojekt wie der Berliner Großflughafen oder Stuttgart 21, nur mit dem Unterschied, dass es nie der Realität angepasst wurde. Nimmt man die Richtlinie 1999/30/EG als Startzeitpunkt, dann ist die das Projekt ungefähr 20 Jahre alt. Die Richtlinie 1999/30/EG wurde ohne Änderung des Zeitplans oder der Grenzwerte durch die Richtlinie 2008/50/EG fortgeschrieben.
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die nun richterlich erwirkten Fahrverbote beispielsweise für Euro 5 Diesel im Wesentlichen von der Kommission verursacht wurden, dort bereits absehbar waren als der Euro 5 Diesel eingeführt wurde, und dass die Käufer von Euro 5 Dieseln sehenden Auges ‚ins Messer‘ gelaufen lassen wurden. Viel spricht dafür, dass die mit der Umweltorganisation ClientEarth zusammenarbeitende DUH dies ebenso wusste, und nur noch ‚zugreifen‘ musste.
Anhand des Langzeitgrenzwerts für Stickoxide lässt sich das Luftqualitätsprojekt in einfachen Zügen folgendermaßen beschreiben:
Für den Zeitraum von ca. 10 Jahren mussten Kommunen bei Überschreitung einer Aktionsschwelle (Grenzwerts von 40µg/m³ plus einer Toleranz) Luftreinhaltepläne entwickeln, um den Grenzwert spätestens bis zum 31.12. 2009 erreicht zu haben. Auf begründeten Antrag konnten die Kommunen nach 2008/50/EG Art. 22 bei der Kommission eine Verlängerung der Frist um bis zu fünf Jahren beantragen.
Ab dem 1.1.2010 oder nach Ablauf einer Fristverlängerung mussten die Luftreinhaltepläne der Kommunen „geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann“ enthalten (Art. 24). Diese Forderung ist der Dreh- und Angelpunkt der DUH-Klagen, Maßnahmen gelten als geeignet, wenn sie verhältnismäßig sind, beispielsweise in der Abwägung Schutz der Gesundheit gegen Schutz des Eigentums.
Im Jahr 2000 lag die Aktionsschwelle de facto bei 60µg/m³ und wurde sukzessiv bis zum 1.1.2010 auf 40µg/m³ reduziert.
Die Hauptemissionsquelle für Stickoxide ist der Straßenverkehr, und da heute wiederum der Diesel. Daher ist es nur folgerichtig, dessen Emissionen bei Neufahrzeugen zu reduzieren. Genau das hat die Kommission mit der Verordnung Nr. 692/2008 mit der Norm 5 und 6 getan. Im Folgenden sind die Zusammenhänge für Stickoxide (Aktionsschwellen, Grenzwerte nach NEFZ) seit Beginn des Luftqualitätsprojekts graphisch dargestellt.
Die Zeitachsen der Euro-Normen überlappen, weil auch nach Einführung von beispielsweise Euro 6 noch Händler-Lagerbestände mit Euro 5 einige Zeit neu zugelassen werden dürfen.
Wie man aber sieht konnten zum Zeitpunkt, als eine DUH auf ein Aussprechen von Fahrverboten klagen konnte, Euro 5 (ohne Fristverlängerung) und Euro 6 (max. Fristverlängerung) fast keine Rolle spielen. Die Kommission und die deutschen Behörden haben munter zugesehen, wie die Menschen Euro 5 Diesel gekauft haben, obwohl Kommission und Behörden wussten, dass die Luftreinhaltepläne ohne Fahrverbote einschließlich Euro 5 Diesel vor Gerichten keinen Bestand haben würden, es sei denn diese würden ein Fahrverbot als unverhältnismäßig sehen. Die Kommission und die Behörden hatten diese Information bereits zur Einführung von Euro 5. Genau genommen konnte am 1.1.2010 auch Euro 5 noch keine große Rolle spielen.
Die Zeitpläne von Abgasverordnung und Luftreinhalterichtlinie haben nie zusammengepasst.
Bereits um 2009 war abzusehen, dass der Zeitplan für das Luftqualitätsprojekt nicht aufgehen konnte. Euro 5 war der Beitrag zum Feinstaub, für Stickoxide kam Euro 6 geplant! viel zu spät. Die Briten wurden bei der Kommission vorstellig um den Zeitplan anzupassen. Die Umweltorganisation ClientEarth brüstet sich damit, dies durch ihre Lobbyarbeit in Brüssel verhindert zu haben.
Deutsche Kommunen wussten, dass sie die Grenzwerte bis zum 1.1.2010 nicht erreichen würden, ihre Möglichkeiten ohne Fahrverbote waren weitgehend ausgeschöpft. Die Bundesrepublik Deutschland beantragte 2011 Fristverlängerung in 57 Luftqualitätsgebieten, im Wesentlichen mit der Begründung, dass Stickoxidemissionen von Dieselfahrzeugen nicht wie erwartet gesunken wären. 2013 hat die Kommission dem Antrag für 15 Gebiete stattgegeben (s. Punkt 25), nicht dabei beispielsweise Stuttgart. Die Ablehnungen zeigen, dass bereits bei Antragstellung die auf Gutachten bestehenden Prognosen nicht aufgehen konnten. Nimmt man den Zeitvorlauf für einen solchen Antrag, dann war das Bund, Ländern und natürlich auch der Kommission 2010 bekannt.
Warum die Prognosen der deutschen Kommunen nicht eingetroffen sind ist einfach nachzuvollziehen. Die Kommunen kennen das Verkehrsaufkommen und den Fahrzeugmix einigermaßen genau, Daten, die den Luftreinhalteplänen zugrunde liegen. Emissionen werden auch nicht nach Idealwerten des NEFZ gerechnet, sondern realitätsnah. Deutschland nutzt mit anderen EU-Ländern die gemeinsame Datenbank HBEFA in der die Stickoxid-Emissionen abgerufen werden können, je nach Jahr und Fahrzeugmix. In ihrer Wirkungsabschätzung für Maßnahmen in Stuttgart (S. 53) sieht man bei den Stickoxid-Emissionen am Neckartor, dass 2013 der Anteil von Euro 4 und Euro 5 in etwa gleich sind, 2020 der Anteil von Euro 6 etwa halb so hoch sein wird wie der von Euro 5.
Euro 6 spielt auch nach heutigem Stand keine große Rolle. Da ist es natürlich attraktiv, alle Diesel bis Euro 5 auszusperren, denn damit halbieren sich die Emissionen, und natürlich geht das Verkehrsaufkommen massiv zurück – auf Kosten von deren Besitzern.
Die Kommission hätte 2010 Gelegenheit gehabt den Projektrahmen zu ändern. Wie es scheint hat das die Lobbyarbeit der Umweltorganisationen verhindert. Diese profitieren nun mit ihren Anwaltskanzleien vom Ergebnis der Entwicklung. Sollten die Profiteure von Beamten unterstützt worden sein die damit ihre Machtposition missbraucht haben wäre dies Korruption.
So unnachgiebig sich die Kommission in dieser Sache geriert, so sehr scheint es, dass dieselbe Kommission Pflichten verletzt, und damit Fahrverbote provoziert hat.
Pflichtverletzungen der Kommission
Indem sich die Kommission die Regelung der Luftqualität über alle Mitgliedsstaaten zu Eigen gemacht hat, hat sie auch Pflichten übernommen. Damit gewährleistet ist, dass die gesammelten Messdaten hinreichend repräsentativ und gemeinschaftlich vergleichbar sind ist es wichtig, dass für die Beurteilung der Luftqualität standardisierte Messtechniken und gemeinsame Kriterien existieren. Die Anwendung der Kriterien sollte von der Kommission überwacht werden (Richtlinie Art. 7 (4)).
Zu den Kriterien zählt die Auswahl der Standorte von Messstellen. Es muss vermieden werden, dass zu nahe an Emissionsquellen gemessen wird, ohne dass Schadstoffe sich ausreichend mit der Luft vermischt haben. Messungen am Verkehr dürfen nicht zu kleinräumig sein, sondern müssen einen Mindestabschnitt einer Straße repräsentieren. Messdaten an stark belasteten Stellen sollen im Verbund repräsentativ sein für die realistische Belastung der Bevölkerung (die Richtlinie fordert nicht die Einhaltung der Grenzwerte an jeder Haustüre).
Die Überwachung dieser Kriterien hat die Kommission vernachlässigt. 2002 hat die Kommission zwar ein AQUILA Netzwerk eingerichtet, das für die Qualitätssicherung der Schadstoffmessungen zuständig ist. Im Zeitraum 2013 bis 2015 hat AQUILA ein Position Paper erstellt, worin sie feststellt, dass die Kommission 13 Jahre nach Veröffentlichung der Richtlinie 1999/30/EG kein System implementiert hat das eine Überwachung und Auswertung der Messstellen erlaubt. Es gibt aber einzelne Studien, die sich dem Thema widmen.
So vergleicht eine Studie modellhaft Standorte in Berlin, London, Stuttgart und Barcelona. 2010 war 0,4% der Berliner Bevölkerung höheren Konzentrationen als 40µg/m³ ausgesetzt, in Stuttgart waren das ca. 2% im Vergleich zu Barcelona mit 25%. Die Studie hinterfragt die Repräsentativität der Standorte für 100m Straßenabschnitt. Am Neckartor ist sie gering. Im Vergleich zu den anderen Städten hat Stuttgart den stärksten Fokus auf Orte der höchsten Konzentrationen, das Netzwerk ist aber am schlechtesten geeignet die Exposition für die Gesamtbevölkerung abzubilden. Aus diesem Grund wird eine bessere Harmonisierung der Netzwerke empfohlen. Stuttgart stellt sich im EU-Vergleich schlechter, die Messstandorte weniger repräsentativ. Es wäre Aufgabe der Kommission, solche Ungleichheiten aufzudecken, bessere Kriterien vorzugeben und die Einhaltung zu überprüfen.
Stattdessen hat die Kommission auf Vorschlag des AQUILA Position Papers eine Änderungsrichtlinie 2015/1480 zur Richtlinie 2008/50/EG verabschiedet. Die Änderung erlaubt den Umweltbehörden nun Standorte beinahe beliebig (ungünstig) zu wählen. Die Änderungsrichtlinie stellt zwar fest, dass die Änderungen im Einklang mit der Richtlinie 2008/50/EG sind, ein Blick in die zitierten Referenzen zeigt aber, dass die Änderungen ein Verstoß gegen die Richtlinie sind, einmal weil die notwenigen technischen oder wissenschaftlichen Begründungen fehlen, zum Anderen weil eine Veränderung der Messbedingung in der Regel indirekt eine Veränderung des Grenzwerts ist.
So war der Auslöser für mein Interesse an diesem Thema der Blick in die Richtlinie 2008/50/EG und ein Vergleich mit dem Messstandort in meiner Heimatstadt Ludwigsburg. Augenscheinlich steht diese Messstelle in der Nische eines mehrstöckigen Hauses und erfüllt nicht die Bedingung, dass im Winkel von 270° ein Freiraum von mehreren Metern sein muss. Dies scheint noch an vielen anderen Messstellen der Fall zu sein, Leonberg, Heilbronn, Stuttgart, Reutlingen.
Nach Kriterien, die an die Automobilindustrie angelegt werden hätte beispielsweise das Regierungspräsidium Stuttgart eine ‚Rückrufaktion‘ durchführen müssen, d.h. die Lage der Messstellen neu bewerten und positionieren. Wäre dies 2015 passiert, wäre das nicht nur peinlich gewesen, sondern hätte wohl auch die Klagewelle der DUH durcheinandergewürfelt. Ohne die Änderung gegen die Regeln der Richtlinie hätten betroffene Dieselbesitzer gegen Fahrverbote leichter klagen können.
In Anbetracht eines spätestens seit 2010 unrealistischen Zeitplans für die Luftqualität, den Versäumnissen und der fragwürdigen Richtlinienänderung der Kommission ist es schlicht frech von Vella, darauf zu verweisen, dass die Länder zehn Jahre Zeit gehabt hätten. Den Zeitplan für die Normen für die Diesel hat Brüssel vorgegeben, und für Fahrzeuge sind zehn Jahre keine Lebensdauer. Außerdem listet die Richtlinie 2008/50/EG beispielhaft Maßnahmen, um Grenzwerte zu erreichen. Keine der Maßnahmen sind Fahrverbote. Dass dies nicht passt liegt in der Verantwortung von Vellas Behörde.
Unzumutbar ist die Behauptung in Europa stürben 400.000 Menschen vorzeitig wegen Stickoxiden an der Straße, ohne dies fundiert nachweisen zu können. Der EG-Grenzwert ist Stand der Wissenschaft von 1999 und war nie wissenschaftlich robust. Der Stand der Wissenschaft von 2016 ist in eine extrem umfangreiche Metastudie der US Umweltbehörde eingeflossen. Deren Fazit ist, dass es keine fundierten Hinweise gibt für Todesfälle oder Erkrankungen, und dass der US-Grenzwerts bei 100 µg/m³ bleiben kann.
Politiker versuchen mit dem Finger auf die Automobilindustrie zu zeigen, wohl um von sich abzulenken. Nur, die aktuellen großen Skandale betreffen bis auf wenige Ausnahmen Euro 6 Diesel, die im Zeitplan und bei den Klagen auf Fahrverbote kaum eine Rolle spielen. Dafür aber hat die Automobilindustrie Euro 6 Diesel teilweise deutlich früher angeboten als von der Kommission geplant. Dass der NEFZ nicht den realen Betrieb abbildet war der Kommission bei der Ausgabe der entsprechenden Verordnung bekannt. Deshalb hat sie dort auf vermerkt, dass sie dies beobachten möchte.
Bei anderer Gelegenheit wiederum beschuldigt die Kommission die Zulassungsstellen, Verordnungen falsch angewandt zu haben. Liest man diese Verordnungen, so stellt man fest, dass diese einen Einigungsprozess zwischen Hersteller und Behörde vorsehen, weil eine Verordnung nun mal nicht jedes Detail regeln kann. Er hängt also von Menschen ab, die zu unterschiedlichen Bewertungen kommen können. Das ist eine Verordnung der Kommission.
Lebten wir in einem Europa, wo noch gesunder Menschenverstand herrschte, dann würde im Hinblick auf die aktuellen Trends schlicht die Frist verlängert. Die Schweiz hat einen niedrigeren Grenzwert, hat es aber bisher geschafft, damit vernünftig umzugehen.
Zusammenfassung
Man kann nüchtern feststellen: Was auch immer die Motive sind, die Fahrverbote sind von langer Hand von der Kommission geplant, deutsche Behörden und Politiker kannten die Planung. Die Käufer vor allem von Euro 5 Dieseln wurden sehenden Auges in einen Eigentumsverlust getrieben. Verantwortliche Politiker hätten schon 2010 Änderungen der Planung erwirken oder aber die Autokäufer warnen müssen. Daran geht kein Weg vorbei. Auch die Staatschefs der EU-Mitgliedstaaten müssen das gewusst haben. Sie hätten es verhindern können, haben es aber nicht gemacht.
Der Diesel-Kompromiss unserer Regierungskoalition ist eine Bankrotterklärung, wohl getrieben von einer uneinsichtigen SPD, die um Biegen und Brechen den Herstellern den Affen weiterreichen möchte. Eigentlich ein gefundenes Fressen für die Opposition: Theurer macht einen vernünftigen Vorschlag: https://www.focus.de/politik/experten/ga...id_9706046.html
Ein Moratorium in Brüssel (wie auch immer so etwas geht) das den Zeitplan an die Realität anpasst. Brüssel kann dann den Grenzwert beibehalten, das zeigen die Trends. Eine AfD wird da mit am Strang ziehen, die Linke ist allzusehr in ihrer Industriefeindlichkeit gefangen. Es ist schwer zu begreifen, dass die Regierung vernünftige Vorschläge von der Opposition abgrasen lässt. Deutlicher als hier kann unsere Regierung nicht demonstrieren wie weit sie den bürgern entrückt ist.
Moratorium wäre in der Systematik der EU wohl eine Änderungsrichtlinie.
Über allen Maßnahmen steht die Begründung mit der Gesundheit der Bevölkerung, was aber im formaljuristischen Geschachere um die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten von Dieseln keine fundierte Rolle mehr gespielt hat. Der obige LRP geht noch kurz auf die Bewertungen von Feinstaub und NO2 ein. Viel Substanz bleibt genau genommen nicht. Eine Studie des Landesgesundheitsamts wird zitiert, deren Ergebnis auf geringere Gesundheitsrisiken bei Kindern im Zusammenhang mit Feinstaub im 'schmutzigen' Mannheim verglichen mit dem saubereren Allgäu schließen lässt. Da nehmen sich die Feinstaubalarme in Stuttgart lächerlich aus. Da verkehrsbedingter Feinstaub und NO2 korrelieren kann man die Ergebnisse grob auch als für NO2 gültig sehen. Zu den Risiken aus NO2 gab es eine umfangreiche Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags. Selbst wenn es Fälle gibt, in denen asthmakranke Kinder vorübergehend Beeinträchtigungen haben gilt dies vergleichbar mit Risikobewertungen von Alltagsprodukten als vertretbar.
Nun kann man den LRP in etwa so zusammenfassen: Umstieg vom Auto auf den ÖPNV oder das Fahrrad. Dabei wird eine wichtige Frage nicht gestellt, nämlich die nach der potentiellen Gefahr aus dem ÖPNV und dem Fahrradverkehr.
Geht Verkehrsminister Hermann über Leichen?
Die wichtigste Gefahr beim Fahrradfahren dürfte der schlichte Unfall sein. Hermann will Fahrradautobahnen. Die Unfallhäufigkeit pro km bei Fahrradfahrern ist ca. 10mal höher als bei Pkw-Fahrern, die Zahl der Getöteten immer noch 5 mal so hoch. Da sich der Weg zur Arbeit nicht ändert dürften diese Zahlen erst mal vergleichbar sein. Würde man aber die Zahlen auf den rein städtischen Verkehr und den typischen Berufsverkehr konzentrieren dürfte das Verhältnis weit ungünstiger für die Fahrradfahrer ausfallen. Rechnet man mit vorzeitigen Toden, wie beim Feinstaub und NO2 gerne von Epidemiologen errechnet, so sind diese hier real und nicht nur im Zeitraum von Wochen.
Das Risiko im ÖPNV zu Tode zu kommen ist deutlich niedriger als im Pkw, wobei Unfälle von Fußgängern mit Bussen und Straßenbahnen wohl nicht in dieser Statistik auftauchen. Wer aber bewertet das Risiko, das sich aus dem täglichen Zusammenpferchen in öffentlichen Verkehrsmitteln ergibt, nämlich die Übertragung von Patogenen? Eine begrenzte Studie der University of Nottingham kam auf ein etwa sechsfach höheres Ansteckungsrisiko als beispielsweise im Pkw. Nicht bedacht wurde bei der Studie, dass sich der Pkw-Fahrer beim ÖPNV-nutzenden Kollegen anstecken kann. 1000 nachgewiesene Todesfälle und 300.000 Erkrankungen der Grippesaison 2017 passieren nicht ohne intensiven Kontakt mit anderen Menschen. Grippale Entzündungen sind zudem eine häufige Ursache von Herzklappenentzündungen, die zum Ersatz der Herzklappen führen. Das sind ebenfalls reale Todesfälle und Erkrankungen mit Folgen, die zu vorzeitigem Tod führen können.
Im Fall einer Pandemie, wie sie in den Schubladen von WHO und hoffentlich auch Gesundheitsministerien liegen müsste der ÖPNV weitgehend eingestellt werden. Der Individualverkehr nicht.
Dies hier ist keine vollständige Analyse, eine solche wäre aber zu erwarten bei einer derart umfassenden Maßnahme, bei der Hunderttausende Menschen in alternative Verkehrskonzepte gezwungen werden sollen. Und das Ergebnis einer solchen Analyse müsste Bestandteil eines Urteils über die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme sein.
Zufällig haben sich meine Internetpfade mit einem anderen Foristen gekreuzt, der unabhängig von mir zu denselben Schlussfolgerungen gekommen ist wie ich. Er verfolgt die Szenerie schon etwas länger und hat mir dankenswerterweise ein Dokument zugeschickt, das den Erkenntnisstand beim Umweltbundesamt im Jahr 2008 recht ungeschminkt dokumentiert, zum Zeitpunkt als gerade der Euro 5 Diesel eingeführt werden sollte, und die Richtlinie 2008/50/EG veröffentlicht wurde. Unter Anhang XV soll die Information Bevölkerung sichergestellt werden, u.a. über Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung auf regionaler Ebene:
Zitat b) Verringerung der Emissionen von Fahrzeugen durch Nachrüstung mit emissionsmindernden Einrichtungen. Der Einsatz wirtschaftlicher Anreize zur Beschleunigung einer solchen Ausrüstung ist in Erwägung zu ziehen; d) Maßnahmen zur Begrenzung der verkehrsbedingten Emissionen durch Verkehrsplanung und -management (einschließlich Verkehrsüberlastungsgebühren, gestaffelter Parkgebühren und sonstiger finanzieller Anreize, Einrichtung von „Gebieten mit geringem Emissionsniveau“);
Fahrverbote waren nicht auf dem Radarschirm dieser Richtlinie.
2008 wusste die Autoren des obigen Dokuments aber ganz klar:
Zitat Somit wird nach diesen Berechnungen auch im Jahr 2020 der ab 2010 gültige NO2-Grenzwert für die Außenluftqualität in Stuttgart-Mitte nicht eingehalten. Auch bei Gewährung einer Verlängerung der Einhaltefrist um maximal 5 Jahre würde hier der Grenzwert nicht eingehalten werden. Daher sind zur Grenzwerteinhaltung im Jahr 2015 starke Minderungen notwendig, die weit über die in den Szenarien getroffenen Annahmen hinausgehen.
Weiter:
Zitat Mit der Verschärfung der EU-Abgasgrenzwerte für Kraftfahrzeuge (Euro 5/6 für Pkw) und dem wachsenden Anteil dieser Fahrzeuge am Bestand werden auch die NOx-Emissionen des Pkw-Verkehrs in den nächsten Jahren weiter zurückgehen. Die Bundesregierung hat sich hier insbesondere für die Einführung eines strengen Grenzwertes für Diesel-Pkw (Euro 6) eingesetzt. Die Grenzwertstufe Euro 6 bei Pkw ist aber erst ab 2014 verpflichtend und hat damit bei entsprechender Einführung im Jahr 2015 noch keine große Auswirkung auf die Emissionen. Eine frühere Einführung von Fahrzeugen,die die Grenzwertstufe Euro 6 erfüllen, trägt zu einer Verringerung der NO2-Konzentrationen bei. Dazu prüft die Bundesregierung das Instrument einer vergünstigten Kfz-Steuer für vorzeitig eingeführte Euro-6-Pkw. Sie erwartet von der Industrie eine baldmögliche Bereitstellung solcher Fahrzeuge.
Allerdings muss sichergestellt werden, dass Euro 5/6-Pkw nicht nur im aktuellen Testzyklus, sondern auch im realen innerstädtischen Fahrbetrieb hohe NOx- bzw. NO2-Minderungen aufweisen. Daher ist es erforderlich, auf europäischer Ebene über die Weiterentwicklung der Zulassungsverfahren nachzudenken.
Fazit: 2008 wurde eine Richtlinie veröffentlicht und in deutsche Verordnungen überführt die 2010 Luftqualitätswerte einforderte (gerichtlich einklagbar), die nach Stand der Information aller Beteiligten Fachleute bis 2020 nicht einhaltbar sein würden. Um genau zu sein muss man feststellen, dass bei der Hoffnung auf Euro 5/6 bei Euro 5 selbst kein großer Beitrag zu erwarten war. Im Rahmen der Informationspflichten hätten die Behörden die Öffentlichkeit über die Situation informieren müssen, auch darüber, dass außer Fahrverboten keine weitere Option erkennbar war. Stattdessen wollte man mal über andere Zulassungsverfahren nachdenken.
Vielleicht sollte jemand Frau Schulze dieses Dokument täglich unter die Nase halten.
Vielen Dank, lieber Martin, für die große Mühe diesen Artikel Steinchen für Steinchen zusammen zu tragen. Ich persönlich fahre ja keinen Diesel, aber im Bekanntenkreis gibt es viele Berufspendler und Langstreckenfahrer, die sich nun mittlerweile vom "mir kann nichts passieren" (weil die neueste Generation gekauft wurde, die es angeblich nicht betrifft) verabschiedet haben. Die versprochenen "erhalten locker die Zulassung 6" geraten immer mehr ins schwanken. Unsicherheiten für die Bürger auf allen politischen Ebenen, diese Traumtänzer-Regierung hat so was von fertig.
=> 2008 wird die Richtlinie 2008/50/EG veröffentlicht, die 2010 zwingend Grenzwerte für Stickoxide in den Kommunen einfordert, die weder 2010, noch - nach Prognose der zuständigen Behörden - 2020 einhaltbar sind, ohne Fahrverbote zu erlassen.
=> Dies gilt 2008 auch, wenn wie geplant die Euro 5/6 Diesel Normen fristgerecht auf den Markt kommen. Die zuständigen Behörden wissen genau, dass der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) die Realität nur unzureichend abbildet. Euro 5 ist von Anfang an ein Kandidat für Fahrverbote. Die EU-Kommission bis in die deutschen Ministerien wussten das. Die Käufer hat man nicht gewarnt.
=> Deutsche Kommunen installieren Messstationen so ungünstig, dass sie vermutlich zu hohe Werte messen. Die Installationen verletzen die Vorgabe der Richtlinie, die mehr Freiraum vorsieht. Die EU-Kommission ist dafür zuständig, dass innerhalb der EU einheitlich gemessen wird. Sie trödelt aber, bis es zu spät ist.
=> Doch, sie tut etwas: Sie ändert die Richtlinie so, dass Deutschland seine falsch positionierten Messstationen (beispielsweise eng an Hausfassaden) stehen lassen kann - Pech für die Dieselbesitzer. Die Änderung wird rechtzeitig 2015 veröffentlicht, niemanden stört, dass sie gegen die Bedingungen verstößt, nach denen die Richtlinie verändert werden darf. Niemand stört sich an der falschen Übersetzung, die in die deutsche Verordnung einfließt.
=> Die deutschen Behörden und die Regierung stellen sich taub und blind, feuern dagegen umso heftiger gegen die Automobilindustrie, vermutlich, um von sich abzulenken.
Die Frage ist nun nur noch, ob das alles Absicht war. Hat das grüne Verkehrsministerium in Baden-Württemberg absichtlich ein Verwaltungsgerichtsurteil hingenommen, um den Präzedenzfall für ganz Deutschland zu schaffen? Kümmert wohl niemanden.
Milliarden Vermögensvernichtung sind teilweise Realität, Leasingfirmen und Händlern droht Pleite, sonstige Effekte noch gar nicht berücksichtigt.
Zunächst einmal ein großes Lob für deine penibel recherchierten Daten und Fakten. Ich teile deine Einschätzung zum enormen Beitrag der Politik an der aktuellen Situation. Meiner Recherche nach weiß die Politik seit mindestens 2007, dass der Grenzwert an den hot spots bis 2020 nicht zu erreichen ist. Das war das Ergebnis der IFEU Studie aus dem Jahr 2007, die amtlich beauftragt wurde. Im Protokoll der LAI Konferenz von 2008 steht dann auch klipp und klar als erste Gegenmaßnahme Fahrverbote für emissionsträchtige Fahrzeuge. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Der Grenzwert war nicht nur schlampig validiert, sondern auch unpraktikabel gewählt und mit seiner Akzeptanz hat sich die Politik selbst in den Fahrverbotszwang begeben. Das Motiv für diese unnötige Zwickmühle ist unklar. War es einfach nur Fahrlässigkeit eines tumben Apparats oder wollte man gar aus politischen Gründen genau dieses Chaos provozieren?
Dazu zunächst ein Blick zurück in die Jahre vor dem Grenzwert. Bis 2008 waren die Partikel PM10 und PM2,5 nicht nur in aller Munde sondern auch Top Thema in den Luftreinhalteplänen der Länder. Es war die größte Sau, die man damals durchs Dorf treiben konnte. Die Anzahl der statistischen Leichen in den epidemiologischen Studien dazu übertrafen die der Stickoxidstudien um Längen. Instinktiv hat man heute noch Angst vor dem fiesen unsichtbaren Staub. Den Startschuss zur Partikeljagd gab die wohl umfangreichste oder zumindest aufwändigste epidemiologische Untersuchung, die Harvard Six Cities Study. Sie erstreckte sich über einen Zeitraum von fast 20 Jahren und umfasste Probanden inkl. Expositionsmessungen in sechs amerikanischen Städten. Die Ergebnisse wurden Anfang bis Mitte der Neunziger veröffentlicht. Dabei fand man eine Korrelation zw. Todesfällen und Partikelbelastung. Das mag durchaus sein. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass die Daten der Harvard Six Cities Study in den 70ern und 80ern erhoben wurden. Schwefel, Ruß etc. waren ständige Begleiter und korrelierten gut mit den Partikeln. Dazu kam, dass die Belastung in den Wohnungen und Häusern fast doppelt so hoch war wie in der Außenluft. Eine Erklärung dafür gab es nicht. Trotzdem wurde am Ende definiert, dass die Partikelbelastung vom Verkehr mit einer höheren Sterblichkeitsrate einhergeht. Und so wurde zunächst PM10 als der Killer schlechthin identifiziert. Als um die Jahrtausendwende die ersten Partikelfilter in Europa kamen und dem PM10 auf die Pelle rückten, war es plötzlich PM2,5, die ganz kleinen Partikel, die uns hinterrücks meucheln würden. Als auch die mit der Zeit innermotorisch und durch effizientere Filter besiegt waren, ging man noch eine Stufe tiefer, hatte aber da schon Messprobleme und irgendwann glaubte die Armada an Epidemiologen wohl selbst nicht mehr daran. Mittlerweile kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Masse an Partikeln natürlichen Ursprungs ist oder von ganz normalem Abrieb kommt. In der Pariser Metro z.B. ist die Partikelbelastung höher als direkt neben der Périphérique, der am stärksten befahrenen Stadtautobahn Frankreichs.
Als sich also abzeichnete, dass mit Partikeln kein Blumentopf mehr zu gewinnen war im Buhlen um öffentliche Angst, waren die Stickoxide dran. Ein in geringen Konzentrationen absolut harmloses Gas wurde über Nacht zum neuen Fetisch der Epidemiologen, damals, vor ca. 10-15 Jahren, allerdings noch rel. unbemerkt von der Öffentlichkeit. In den öffetlichen Fokus rückte es erst mit dem Dieselskandal. Der wurde 2015 publik, just in dem Jahr, als die Grenzwertverfehlungen in Europa sanktionsfähig wurden. Bis dahin spielte NOx weder in der öffentlichen Wahrnehmung noch bei den Autoherstellern eine maßgebliche Rolle. Man war auf die Partikelhydra konzentriert und hatte sie erfolgreich besiegt. Doch das änderte sich schlagartig, als die vermeintliche Lappalie quasi über Nacht zum Beelzebub #1 aufstieg. Plötzlich starben die Menschen wie die Fliegen selbst bei homöopathischen Dosen, statistisch versteht sich.. Autobauer waren Massenmörder und Betrüger. Dabei hatten sie nur das gemacht, was sinnvoll war und was man bei Nebenkriegsschauplätzen schon oft in der Vergangehit so machte, die Norm großzügig interpretiert, um an anderer Stelle (z.B. Partikel) besser zu sein oder Komfortvorteile für den Kunden herauszuarbeiten. Damit war von heute auf morgen Schluss. Jetzt tobte der Mob und der tumbe Paragraphenhengst galoppierte vorneweg.
Jetzt beamen wir uns ins Jahr 2015. Angeblich bekamen die US Zulassungsbehörden einen Tipp bei der Homologation der VW Diesel. Das ICCT, eine noch junge und unbekannte NGO der Hewlett, Packard und Oak Foundations, testete die Fahrzeuge und fand tatsächlich massive Abweichungen zwischen Praxis und Test. Tatsächlich stellte man eine Abschalteinrichtung fest und VW wurde zurecht verurteilt. Ob die am Ende verhängte Strafe nun zu hoch war oder nicht, interessiert an dieser Stelle nicht. Mich würde viel mehr interessieren, woher der Tipp kam. Das ICCT ist mittlerweile zum Dreh- und Angelpunkt internationaler Luftschadstoffbekämpfung geworden. Die genannten Stiftungen dominieren und finanzieren es immer noch. Über deren Ableger, den ECF, ist das ICCT engmaschig vernetzt mit europäischen Politikern und NGOs. AGORA hat z.B. einen Beraterposten beim ICCT. Mich würde nicht wundern, wenn der Tipp aus Europa oder gar Deutschland kam. Das passte auch ins Bild, dass Deutschland wissentlich in das Fahrverbotsschlamassel schlitterte oder vielleicht sogar geschoben wurde. Vielleicht hatte ein ganz besorgter Beamter beim UBA die Nase einfach voll, dass die Industrie die grüne Besorgtheitsrallye mit fiktiven Gefahren torpedierte. Vielleicht kam es einigen Politikern ganz einfach zupaß, dass man die Verantwortung für die drohenden Fahrverbote nun auf die Industrie abwäzen konnte. Vielleicht brauchte man auch einfach nur einen Skandal, um die bis dahin unbekannte und tatsächlich auch nicht existente Gefahr von Minikonzentrationen an Stickstoffdioxid ins öffentliche Bewusstsein zu hämmern. Vielleicht war es auch nur Zufall, dass das, was seit Jahrzehnten von der Öffentlichkeit unbemerkt läuft, im entscheidenden Jahr 2015 plötzlich zum Skandal explodiert.
Noch etwas ist verdächtig. Der neue Jahresmittelgrenzwert gilt seit 2010. Gleichzeitig wurde die Anzahl zulässiger Überschreitungen beim Stundenmittelwert von 175 auf 18 gesenkt. Ohne den neuen Jahresmittelwert wäre man in Stuttgart Mitte ab 2013 bzw. 2017 erstmals in der Geschichte der Grenzwerte sauber gewesen. In Verbindung mit dem fehlenden Fundament für den gesundheitlichen Einfluß von Kleinstkonzentrationen über lange Zeit sieht das fast nach offizieller Strategie aus, Grenzwerte absichtlich zu verfehlen. Siehe die offiziellen Grenzwertüberschreitungen der Stadt Stuttgart ergänzt mit den Jahresmittelwerten von mir, ganz rechte Spalte.
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