Zitat von Florian im Beitrag #48Wenn nun dem Oppositionsführer die ihm eigentlich nach GO zustehende Mitwirkungsmöglichkeit beschnitten wird, dann ist das noch einmal gravierender, als wenn man dies bei der kleinsten Oppositionspartei macht.
Das ist aber ein Mißverständnis. Denn die Bundestags-Vize sind ausdrücklich keine "Mitwirkungsmöglichkeit" der Opposition. Die Vize sind neutrale Sitzungsleiter und ansonsten repräsentieren sie das Parlament, nicht ihre Parteien oder Fraktionen.
Ok, richtig, da haben Sie natürlich recht. Wobei man gerade am hier diskutierten Fall natürlich auch sieht, dass es hier einen Graubereich gibt: Die größte Oppositionspartei hat darauf hingewiesen, dass der Bundestag nicht beschlussfähig war. Und das wurde vom Präsidium weggewischt. Wäre im Präsidium die größte Oppositionspartei vertreten gewesen, dann wäre das nicht möglich gewesen.
Nun sehe ich es ja auch so wie R.A., dass die AfD mit ihrem Hammelsprung-Antrag nur destruktiv sein wollte. Aber grundsätzlich ist es ja sehr wohl im Sinne der Demokratie, wenn die Opposition bei Bedarf auf formal korrektes Vorgehen im Bundestag bestehen kann. Und diese eigentlich wichtige Kontrollfunktion hat man nun faktisch dem Oppositionsführer genommen.
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #49 Und der Unterschied zu der Situation mit den Grünen (und später, mit der PDS) ist so groß nicht. Denn die Festlegung auf vier Vize erfolgt durch die Geschäftsordnung und die gibt sich der Bundestag in jeder Konstituierenden Sitzung neu. Von daher greift es zu kurz, auf die GO zu verweisen denn die GO wurde Minuten vor der Wahl der vier Vize damals erst beschlossen. Den Antrag, die GO entsprechend zu verfassen, haben CDU und FDP damals abgelehnt. Vier Jahre später waren es wieder diese beiden, zusammen mit der SPD, die verhindert haben, dass es mehr als vier Vize gibt.
Ganz allgemein ist es sicher sinnvoll, die Parlaments-Spielregeln möglichst stabil zu halten. Denn ein hohes Gewicht auf Tradition und Kontinuität ist ja letztlich auch ein Schutz der Opposition gegen Beschneidung ihrer Rechte durch die Regierung. (Da die Geschäftsordnung und die Vizepräsidenten ja mit einfacher Mehrheit bestimmt werden, wäre es theoretisch ja für die Regierung möglich, im Präsidium nur Vertreter der Regierungs-Fraktionen zu etablieren. Es ist gut, wenn es eine langjährige Tradition gibt, die so etwas entgegen steht. Das macht es einer Regierung schwerer, solche Methoden durchzuziehen).
Die Vize-Regelung hatte es im Bundestag seit Jahrzehnten unverändert gegeben. Die Grünen wollten das 1983 ändern und sind damit gescheitert. Es war damals also nicht so, dass die anderen Parteien die Regeln extra geändert hätten um den Grünen zu schaden. Sondern sie haben die traditionellen Regeln einfach weitergeführt. Für die Grünen natürlich schade. Aber eben keine Regeländerung zu Lasten der Grünen, sondern Regel-Kontinuität.
Es gab eigentlich nur einen einzigen echten Traditionsbruch. Nämlich 1994, damals zu Gunsten der Grünen. Und seither wieder Kontinuität. Was ich auch gut finde.
So oder so: Den Grünen stand nach allen 1949 bis 1990 gültigen GO kein Vizeposten zu. Der AfD steht laut aktueller GO aber nunmal ein Vizeposten zu. Dass ihr dies verweigert wird ist kleinkariert, dumm und potenziell demokratie-schädlich.
Falls man meinte, die AfD aus dem Präsidium raushalten zu müssen, hätte man so ehrlich sein müssen und die GO ändern sollen. (Ein möglicher Ansatzpunkt hätte z.B. sein können, dass man von jedem Präsidiumsmitglied ein Mindestmaß an Erfahrung fordert, damit er wählbar ist. Das hätte man auch inhaltlich begründen können: Ein Vize sollte die Abläufe schon mal eine Zeitlang selbst erlebt haben. Zum Beispiel: mindestens eine volle Legislaturperiode als MdB, bevor man ins Präsidium darf. (Oder auch: "Eine Fraktion muss mindestens 4 Jahre im Bundestag vertreten sein, bevor sie erstmals einen Vize stellen darf). Und schon hätte man das gleiche Ergebnis gehabt: die AfD wäre kaltgestellt - aber satzungskonform.
Zitat von Florian im Beitrag #51Die größte Oppositionspartei hat darauf hingewiesen, dass der Bundestag nicht beschlussfähig war. Und das wurde vom Präsidium weggewischt. Wäre im Präsidium die größte Oppositionspartei vertreten gewesen, dann wäre das nicht möglich gewesen.
Naja, zu diesem Abend war eine Oppositionspolitikerin Präsidentin, ihr beigesessen hat ein FDP-Politiker. Das sind Oppositionspolitiker, wenn sie nicht da oben sitzen.
Zitat von Florian im Beitrag #51Aber grundsätzlich ist es ja sehr wohl im Sinne der Demokratie, wenn die Opposition bei Bedarf auf formal korrektes Vorgehen im Bundestag bestehen kann.
Naja, lustigerweise hat die AfD da einen Strategiewechsel durchgemacht. Zu Beginn hat die Partei schlicht immer in (fast) voller Sollstärke im Parlament gesessen. Und die anderen Parteien so gezwungen, das auch zu machen.
Inzwischen sind die davon abgekommen. Was einerseits schade ist, weil man da viel mehr Möglichkeiten hatte, die Inkompetenz zu bestaunen, die dort herrscht. (Beste Momente immer die Zwischenfragen. Die halt Fragen sein müssen, von der AfD aber gerne mal wie Facebook-Kommentare gehandhabt werden) Das stößt dann natürlich recht übel auf, wenn man zu nachtschlafender Zeit selbst nur mit wenigen Hanseln noch dabei ist aber dann die "Wir sind nicht genug-Karte" zieht.
Zumal der Hammelsprung ja einen Aspekt hat, den die AfD nur zu gut kennt: Die Fraktion, die ihn beantragt, kann sich entschließen, nicht teilzunehmen. Also die Beschlussfähigkeit anzuzweifeln, wenn mehr als genug Leute da sind. Den Hammelsprung aber scheitern lassen, indem man selbst nicht mitmacht. (Was auch ein Grund dafür ist, dass die Sitzungsleitung hier das letzte Wort hat).
Zitat von Florian im Beitrag #51Dass ihr dies verweigert wird ist kleinkariert, dumm und potenziell demokratie-schädlich.
Die ersten zwei mag ich nicht kommentieren. Dem letzten muss ich entscheiden widersprechen. Denn hier treffen zwei Dinge aufeinander. Die GO des Bundestag und das Freie Mandat der Abgeordneten, die abstimmen können wie sie wollen. Ich halte letzteres einzuschränken (ihr *müsst* den AFD-Kandidaten wählen) für demokratie-schädlicher.
Ich denke, dass noch kein AfD-Kandidat es geschafft hat, liegt an allen Fraktionen des Bundestag. Und wenn man der AfD mal Demokratie zeigen wollte – was ich sehr oft für notwendig halte – würde einer der anderen Fraktionen einen AfD-Politiker als Vize vorschlagen und dann mal gucken, was passiert.
Zitat von R.A. im Beitrag #27 [...] Repräsentativ ist ein nicht voll besetzter Bundestag dann, wenn die Mehrheitsverhältnisse des Plenums wiedergespiegelt werden.
Das ist eine schöne Definition. Leider falsch, aber dennoch schön. Bemühen wir zur Klärung der §45 der GO des Bundestages, dort steht:
[ZITAT]"(1) Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist."[TATIZ]
Da steht leider etwas ganz anderes. Und noch dazu ausgesprochen eindeutig. Der Bundestag ist dann (und nur dann) beschlußfähig, wenn die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Nicht wenn irgendein Proporz erfüllt ist (das steht da schlicht nicht). Auch nicht, wenn er irgendwelche Regierungsmehrheitsverhältnisse wiederspiegelt (das steht da auch nicht). Da steht eineindeutig die Hälfte. Und es werden keine Forderung an irgendeine Verteilung gemacht. Und wenn die kuriose Situation aufkäme das ein zu 55% besetzter Bundestag Gesetzvorlagen der Opposition beschlösse, dann wäre dem nach dieser GO so. Was Du alles vorträgst ist in der Tat sicher interessant. Aber so steht es dort nun einmal nicht. Und es gibt genau zwei Möglichkeiten: Man kann sich an Regeln halten oder sie brechen. Das eine ist das Rechtsstaatsprinzip, das andere ist das Willkürprinzip. Was Du ausführst ist eine reine Begründung dafür, dass das Willkürprinzip anzuwenden sei, sei es weil es sich bewehrt habe, weil es die Arbeit erleichtere oder weil nur das demoraktisch sei. Das macht es deswegen nicht weniger willkürlich.
Zitat Und dagegen hat die GO dann Abhilfemöglichkeiten.
Das tut sie genau nicht. Man könnte sie vielleicht so formulieren, aber das hat man nicht getan. Was man getan hat ist sie missbraucht.
Zitat Das Präsidium hat da sinnvollerweise einen politischen Bewertungsspielraum um zu entscheiden, ob ein Hammelsprung sinnvoll ist (weil z. B. die Plenumsmehrheit umgedreht wäre) oder ob das reine Schikane ist (wie hier bei der AfD).
Und hier wirds sogar noch schlimmer. Und zwar richtig schlimm. Denn was das Präsidium gerade nicht hat, ist ein politischer Spielraum. Das hat ja auch gerade dein Mitstreiter gerade hier so schön betont: Die Präsidenten haben gerade keinen politischen Einfluss, sie haben sachlich zu bleiben. Das Präsidium hat einzig und alleine einen sachlichen Spielraum. Claudia Roth (und ihre Beisitzer) können theoretisch Tomaten auf den Augen haben oder schlicht nicht bis drei zählen können. Dann kann man sie auch nicht zur Rechenschaft ziehen. Haben Sie dagegen keine Tomaten auf den Augen und durchaus die Fähigkeit bis drei zu zählen (oder in diesem Fall bis so gut 100), dann haben sie eben keinen Spielraum, vor allem keinen politischen. Sie müssen an der Stelle sich an den Satz 1 halten. Das sie das nicht taten zeigt nur ihre Respektlosigkeit vor dem Einhalten von Regeln auf. Sie sind gewillt die GO zu ignorieren. Regeln gelten nicht, so lange es politisch in den Kram passt. Diese jämmerliche Einstellung erwarte ich von Claudia Roth (mich hätte eher gegenteiliges überrascht) und bei der CDU ist sie mir auch nicht so wesensfremd erschienen, dass sich die FDP, als angebliche Partei des Rechtsstaates, daran beteiligt, sagt mir viel mehr über den heutigen Zustand der FDP aus, als mir lieb ist.
Zitat Ich finde es schon erstaunlich daß hier zwar groß über "Anstand" geredet wird - aber nicht darüber, ob der strittige AfD-Vorstoß irgendwie mit "Anstand" vereinbar gewesen ist. Und das war er eben nicht, es gab dafür keine inhaltliche Begründung, es sollte einfach nur destruktiv die Sitzung gesprengt werden.
Weil das tatsächlich nebensächlich ist. Die GO gibt der AfD die Möglichkeit dazu. Wenn man das nicht möchte, muss man die GO entsprechend abfassen. Man kann aber keine Regeln festlegen und sich dann nicht daran halten, weil es einem in dem Moment nicht passt. Und mal so ganz am Rande bemerkt: Diese Sitzung hätte gesprengt werden müssen. Der Satz 1 ist eindeutig. Eigentlich hätte jede Fraktion die Sitzung beenden müssen, wenn sie Respekt vor ihren eigenen Regeln haben würde. Der AfD etwas vorzuwerfen, was eigentlich alle anderen hätten tun müssen, das hat schon ein besonderes Geschmäckle.
Und wie schon gesagt: Alles was Du ausführst, mag die lieb gewonnen Gewohnheiten der Parlamentarier korrekt wiedergeben. Aber die sind nicht schriftlich niedergelegt. Im Unterschied zur Geschäftsordnung.
Zitat Es ist also recht eindeutig, wem es hier an Anstand gefehlt hat.
Das ist es in der Tat. Grüne, CDU und vor allem FDP.
Zitat von Llarian im Beitrag #53Und wenn die kuriose Situation aufkäme das ein zu 55% besetzter Bundestag Gesetzvorlagen der Opposition beschlösse, dann wäre dem nach dieser GO so.
Interessanterweise gab es letztens einen Fall, wo dies tatsächlich drohte, und dann vom Präsidium verhindert wurde.
Es ging um eine Abstimmung über einen Entschließungsantrag zum Thema NATO, und zu dem Zeitpunkt war gerade die Mehrheit der Regierungsfraktionen nicht im Saal. Die Handzeichenabstimmung hätte möglicherweise eine Mehrheit gegen den Antrag ergeben, aber das Präsidium ordnete von sich aus einen Hammelsprung an, um den Mitgliedern von Union und SPD die Teilnahme zu ermöglichen. Eine Zusammenfassung findet sich hier: https://www.merkur.de/politik/groko-blam...r-12111065.html
Noch kurioser wird es, wenn man ins Plenarprotokoll schaut:
Zitat Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Das war der letzte Redner, deshalb schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung – zunächst Tagesordnungspunkt 5 a – über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/8940 mit dem Titel „70 Jahre NATO – Das Rückgrat der euroatlantischen Sicherheit stärken“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Mehrheit! – Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Ja, rechnen Sie jetzt mal! – Zuruf von der AfD: Mehrheit!) Wer enthält sich? – Das Präsidium kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht eindeutig ist. (Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Herr Oppermann, jetzt einmal ehrlich sein! – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Das war total eindeutig!) Wenn im Präsidium Unstimmigkeit ist, dann kann ich kein Ergebnis feststellen. Es ist nicht eindeutig, deshalb wiederhole ich jetzt die Abstimmung. So sehen unsere Regeln das vor. Wer ist für diesen Antrag? – (Mitglieder der Bundesregierung verlassen die Regierungsbank und begeben sich in die Reihen der CDU/CSU-Fraktion – Zurufe von der AfD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!) Wer ist gegen den Antrag? – (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Mehrheit!) Enthaltungen? – Es besteht Uneinigkeit. Darum müssen wir jetzt einen Hammelsprung durchführen. Tut mir leid! (...)
Zitat von Meister Petz im Beitrag #54 Interessanterweise gab es letztens einen Fall, wo dies tatsächlich drohte, und dann vom Präsidium verhindert wurde.
In der Tat ein kurioser Fall, aber wenigstens (so scheint es auf den ersten Blick) nach den Regeln korrekt. Ich wollte ja nicht so sehr auf R.A.s Proporzargument hinaus, aber wenns jetzt schonmal angerissen ist: In der Vergangenheit gab es zwischen den Parteien oftmals sogenannte "Pairing-Vereinbarungen". Damit wurde vereinbart, dass, gerade bei wichtigen Abstimmungen, wenn ein Parlamentarier einer Seite fehlt, einer von der anderen Seite dann auch fehlt oder wenigstens nicht abstimmt. Damit wurde der Proporz eingehalten und man musste nicht "halbtote Abgeordnete" (wie es das Gesetz eigentlich vorsieht) in den Bundes- oder Landtag karren. Eigentlich ein schönes Beispiel für politische Kultur. NUR: Das sind Vereinbarungen zwischen Fraktionen. Sie sind weder bindend noch zwangsnotwendig vorhanden. Das sind schlicht Absprachen. Im Unterschied zu einer Geschäftsordnung. Es hat auch durchaus Zeiten im Parlament gegeben, wo solche Vereinbarungen eben nicht existierten. Da mussten dann die Abgeordneten hin, ob sie wollten oder nicht. Das der Proporz irgendwo niedergeschrieben wäre, oder traditionell zu den parlamentarischen Gepflogenheiten gehört ist schlicht Folklore. Der Bundestag wie auch die einzelnen Landtage werden nicht durch Fraktionen sondern rein durch einzelne Abgeordnete vertreten.
Im Nebensatz sei gesagt, dass die AfD keine solche Vereinbarung mit der Regierung geschlossen hätte. Es wurde ihr wohl auch kaum eine angeboten. Nur am Rande vermerkt.
Zitat Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal von Abgeordneten der AfD und der Linken den Ruf höre, dass man eine gemeinsame Mehrheit bildet
Die Spinnerseite aus der AfD hat mit der SED mehr Gemeinsamkeiten als so ziemlich alle anderen Parteien im Bundestag. Die könnten genaugenommen Abgeordnete austauschen ohne dass es ein Schwein merken würde.
Als hauptsächlich Leser und nur gelegentlich Schreiber verfolge ich den Beitrag und die Diskussion darüber einmal mit Interesse, zum zweiten zu meiner eigenen Verblüffung mit einem Ergebnis, in selbigem ich zwei sehr unterschiedlichen Ansichten zustimme, nämlich Llarian UND R.A. (wobei Llarian dank eindeutiger Formalien schliesslich richtiger liegt).
Meinen herzlichen Dank an die Schreiber für mich ausgesprochen lehrreicher und interessanter Beiträge!
Eigentlich wollte ich mich zu diesem Thema nicht mehr zu Wort melden, da ich meine Meinung bereits gesagt habe und ich - entgegen dem, was mir manchmal hier unterstellt wird - kein Missionierungsgen habe.
Aber ich finde es ein wenig schade, wenn auch hier im ZkZ versucht wird, eine Diskussion zu "gewinnen ", in dem Aussagen danach durchsucht werden, was man gegen den Kommentator verwenden kann - anstatt sich mit dem Kern der Aussage zu befassen. Werte Mitschreiber: hier muss niemand gewinnen.
Ich versuche es noch ein letztes Mal.
1. Ich VERSTEHE, dass die Altparteien die AfD zu großen Teilen nicht leiden können. Auch Politiker sind Menschen und kennen Sympathien und Antipathien wie jeder andere auch. Das schließt auch R A. ein. Ich VERSTEHE, dass er die AfD und die meisten der AfD-Politiker nicht mag.
Ob ich das gut finde oder gerechtfertigt, spielt dabei keine Rolle. Das ist eine Sache der Empathie und ich habe halt genug von diesem Zeug, um das zu verstehen.
2. Ich VERSTEHE auch, dass man sich im politischen Bereich die Abläufe gerne einfacher machen möchte. Teufel auch, es wäre ja schon fast surreal, wenn es nicht so wäre. Und ich verstehe auch, dass einfache Abläufe sogar nützlich sind.Nicht nur angenehm, sondern nützlich.
3. Ich VERSTEHE auch, dass Papier nur Papier ist. Kein Gesetz, keine Verordnung und keine Geschäftsordnung ist "heilig". Selbst ich, als Befürworter des Rechtsstaates, akzeptiere "atmende Rechtssysteme". Aber auch dafür muss es sinnvolle Regeln geben.
Und jetzt wechseln wir die Perspektive. 4. Denn genau DAFÜR haben wir in Deutschland ein demokratisches Instrument: das Parlament. Wir schrieb jemand anders:
"Der Ort zum Streiten ist das Parlament"
Die AfD ist unbequem? Sie ist bockig? Teile der AfD sind kontraproduktiv? Äh, ja? Genau das gehört ins Parlament.
Es war auch mal "bequem", dass Frauen keine Teilhabe am politischen System hatten. Und die damaligen Akteure hätten den Soufragetten wahrscheinlich auch die Attribute "Zickig, unbequem, kontraproduktiv" verpasst.
Die AfD repräsentiert immerhin 10% der Wähler, dass ist doch keine marginale Minderheit. Ich erwarte von jedem, der es mit Demokratie, Rechtsstaat und "zum Wohle des deutschen Volkes " Ernst meint, dass man der AfD die in den Regeln vorgeschriebenen Möglichkeiten gibt. Und wenn das Beisitzer, Stellvertreter, Alterspräsidenten und sonstige Rechte umfasst, dann ist das so.
Weil es nämlich ebenfalls einen GRUND gibt, warum diese Rechte zugesprochen werden ohne Abhängigkeit von "moralisch richtigem" Verhalten: weil wir doch gar nicht wissen, was am Ende dieses Streits herauskommt.
Wenn die Manöver der AfD, die R.A. als Störung empfindet, am Ende vielleicht zu anderen Parlamentsabläufen führen - was wäre schlecht daran? Vielleicht führen wir biometrische gesicherte Handys ein und die Abgeordneten können per Fernzugriff abstimmen? Vielleicht ändern wir das Abstimmungsprinzip und machen es mehrstufig?
Alles, absolut alles, was ich in den letzten Jahren mitbekommen habe, läuft doch auf folgendes Hinaus: man will die Diskussion mit der AfD nicht führen. "Keine Bühne bieten". "Die Abläufe nicht stören". Die AfD soll "erstmal erwachsen werden". Und genau das halte ich für falsch. Ich teile viele Positionen der aktuellen AfD-Politik nicht. Zum Beispiel bin ich für den Schulterschluss mit den USA, nicht mit Russland. Ich bin gegen Planwirtschaft und Verstaatlichung usw. Aber die Einheitsfront und Einheitsmeinung im Parlament (flankiert von den Medien) halte ich für furchterregend. Ich bin überzeugt davon, dass eine derart erstarrte Gesellschaft Probleme hat. Eines davon ist der Tunnelblick. Ein Anderes der ruppige Umgang mit Minderheiten. Usw.
Ulrich verwendet gern den Begriff der "simulierten Demokratie", wenn ich ihn korrekt zitiere. Und den Eindruck habe ich auch manchmal. Ich habe inzwischen so viele Fälle mitbekommen von "Lex AfD", dass man das nicht mehr als Ausrutscher abtun kann. Und dabei spielt es keine Rolle, ob man das beweisen kann, denn wir sind hier nicht vor Gericht. "Man spürt die Absicht und ist verstimmt".
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Damit beschäftigt sich ein Beitrag im renommierten Verfassungsblog (https://verfassungsblog.de/demokratische...die-in-sachsen/). Verfasst von zwei Jura-Professoren, darunter der Leiterin eines Universitäts-Instituts für Parteienrecht. Also vermutlich der führenden Fachfrau auf diesem Gebiet. Lesenswert auch die (meist recht fachkundigen) Kommentare unter diesem Beitrag.
Zitat von Florian im Beitrag #58wegen der Ablehnung der AfD-Liste in Sachsen:
Nicht nur dorten. Panorama/NDR hat den Text des Verfassungsblogs übernommen und ihn damit gewisssermaßen "auf Linie" der ARD gestellt. Sie haben den Bogen eindeutig überzogen und die Alarmsignale blinken.
Zitat von Florian im Beitrag #51Die größte Oppositionspartei hat darauf hingewiesen, dass der Bundestag nicht beschlussfähig war.
Das ist nicht richtig! Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn das am Anfang der Sitzung durch Anwendung des entsprechenden GO-Kriteriums (Mehrzahl der Abgeordneten anwesend) festgestellt wird. Und dann bleibt er beschlußfähig bis zum regulären Ende der Sitzung, egal wer gerade mal rein- oder rausgeht. Er ist nicht mehr beschlußfähig, wenn das nach GO im geordneten Verfahren so festgestellt wurde - nicht wenn irgendjemand (z. B. eine Oppositionspartei) das so behauptet. Es gehört also beides zusammen, das Kriterium und das Verfahren, damit der Bundestag nicht mehr beschlußfähig ist.
Zitat Aber grundsätzlich ist es ja sehr wohl im Sinne der Demokratie, wenn die Opposition bei Bedarf auf formal korrektes Vorgehen im Bundestag bestehen kann.
Das Vorgehen des Präsidiums war formal korrekt. Und entspricht auch den Gepflogenheiten.
Zitat Die Vize-Regelung hatte es im Bundestag seit Jahrzehnten unverändert gegeben.
Und die hätte auch zugelassen, ohne Regeländerung die Grünen zu berücksichtigen - weil das Parlament bei Konstituierung frisch überlegt, wieviele Vizes es haben will. Es war letztlich genauso eine poltiische Bewertung wie aktuell.
Zitat Der AfD steht laut aktueller GO aber nunmal ein Vizeposten zu.
Ist so. Und gleichzeitig darf natürlich jeder MdB seinem Gewissen verpflichtet Ja oder Nein stimmen wie er will. Womit es auch demokratisch einwandfrei ist, einen AfD-Kandidaten abzulehnen. Ist dann halt das Problem der AfD, das sie den ihr zustehenden Vize-Posten faktisch nicht nutzen kann.
So jedenfalls die formale Sicht. Inhaltlich ist diese neue GO-Regelung natürlich völlig blödsinnig, weil sie Wahl und Benennung vermischt. Weder die AfD noch die Parlamentsmehrheit sind schuld am Widerspruch, sondern die GO ist hier falsch konstruiert und das muß dringend geändert werden.
M. E. ist es durchaus sinnvoll das Präsidium weiterhin durch Wahl zu bestimmen. Jedes Mitglied sollte mehrheitlich das Vertrauen des Parlaments haben. Und dann braucht man auch keine weiteren Kriterien - Kompetenz und Erfahrung sind dann Bewertungssache. Grundsätzlich muß das Präsidium ja auch neutral agieren und deswegen hat irgendeine Parteien-Verteilung sehr niedrige Priorität. Lieber ein Präsidium nur aus Mitgliedern einer Partei, wenn sie denn neutral und kompetent agieren - als ein Präsidium, in dem Machtkämpfe je nach Parteibuch ausgetragen werden. Es hat übrigens einen historischen Grund, warum die stärkste Partei den Präsidenten stellen muß. Ich sagen "muß", weil das eben keine Martin-Schulz-Pfründe für den Wahlsieger sein soll. Sondern den Präsidenten zu stellen ist eine Bürde, weil die betreffende Fraktion dann einen ihrer besten Leute verliert, der nicht mehr parteipolitisch agieren darf. Man geht davon aus, daß die numerisch stärkste Fration diesen Verlust am ehesten verkraften kann.
Sollte man dagegen "Vertretung der Fraktionen" als oberste Priorität haben wollen, kann es keine Wahl mehr geben. Sondern dann entsendet jede Fraktion ihre Vertreter. Und dann müßte es auch Vertreter in Relation zur Fraktionsstärke geben, wie in Ausschüssen. Ansonsten würden nämlich große Fraktionen bestraft. Und die Parlamentsmehrheit hätte aktuell die Minderheit im Präsidium.
Am sinnvollsten wäre wohl ein gemischtes System (in vielen Parlament üblich): Das eigentliche Präsidium wird gewählt und besteht also nur aus Abgeordneten, denen das Parlament mehrheitlich vertraut. Und in das erweiterte Präsidium schickt dann jede Fraktion einen Abgesandten um ihre Vorstellungen in die Diskussion einzubringen und umgekehrt informiert zu werden.
Zitat von Llarian im Beitrag #53Da steht leider etwas ganz anderes.
Natürlich ist repräsentativ etwas anderes als beschlußfähig. Die Beschlußfähigkeit ist u. a. ein Vehikel um zu verhindern, daß das demokratische Wahlergebnis durch nicht-repräsentative Anwesenheit auf den Kopf gestellt wird. Das von Meister Petz gebrachte Beispiel zeigt, wie das in der Praxis funktioniert. Und das ist richtig so.
Zitat Der Bundestag ist dann (und nur dann) beschlußfähig, wenn die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist.
Das "nur dann" ist falsch. Die von Dir zitierte Passage nennt nur das Kriterium, aber ob der Bundestag beschlußfähig ist, ergibt sich aus dem Gesamtkontext der GO. Eine Unterschreitung der Anzahl ist per se überhaupt kein Hinternis für Beschlußfähigkeit. Die wird erst aufgehoben, wenn das formal korrekt festgestellt wurde.
Zitat Nicht wenn irgendein Proporz erfüllt ist (das steht da schlicht nicht). Auch nicht, wenn er irgendwelche Regierungsmehrheitsverhältnisse wiederspiegelt (das steht da auch nicht).
Das steht da nicht, ist aber der Sinn der Regelung. GO-Bestimmungen sind ja nicht im luftleeren Raum entstanden, sie sollen ein vernünftiges Arbeiten des Parlaments ermöglichen. Und dazu gehört eben auch, daß die Regierungsfraktionen nicht zu jeder Sekunde darauf achten müssen, mehr Leute im Plenum zu haben als die Opposition. Auch die Opposition will das nicht, weil sie sonst umgekehrt dauernd zu Präsenz gezwungen ist, um mögliche Schwächen der Regierung sofort auszunutzen. Die GO ist letztlich eine Regelung die praktische Arbeit im Sinne des Wahlergebnisses ermöglicht, ohne daß die Fraktionen beständig durchzählen müssen, welche Zufallsmehrheiten denkbar sind.
Zitat Und wenn die kuriose Situation aufkäme das ein zu 55% besetzter Bundestag Gesetzvorlagen der Opposition beschlösse, dann wäre dem nach dieser GO so.
Nur wenn die Regierungsfraktionen das so wollen. Die GO gibt ihnen sinnvollerweise aber das Recht, in so einem Fall die Zufallsmehrheit aufzuhalten.
Zitat Denn was das Präsidium gerade nicht hat, ist ein politischer Spielraum.
Natürlich hat es den - denn ALLE Präsidiumsentscheidungen (und viele von denen haben selbstverständlich Ermessensspielraum) sind politischer Natur. Aber eben nicht PARTEIpolitischer. Das Präsidium soll neutral agieren, aber muß natürlich beurteilen, ob bestimmte Anträge etc. politische Substanz haben oder inhaltslos sind. Siehe wieder das Beispiel von Meister Petz: WENN die Mehrheitsverhältnisse tatsächlich unklar sind, DANN wird das auch entsprechend behandelt.
Zitat Sie sind gewillt die GO zu ignorieren.
Die GO ist komplett eingehalten worden. Siehe den Beitrag von Noricus: Die AfD hat ihren Antrag gestellt, und das Präsidium hat den mit der nötigen Mehrheit abgelehnt. Alles genau nach Regeln.
Zitat Weil das tatsächlich nebensächlich ist. Die GO gibt der AfD die Möglichkeit dazu.
Da wird es jetzt schwierig. Dein ganzer Beitrag geht über "Anstand". Und Anstand hat m. E. mit dem Verhalten zu tun, das zwar regelkonform, aber trotzdem zu beanstanden ist. Wenn man der AfD zubilligt, sich auch völlig unanständig verhalten zu dürfen, wenn sie sich nur am Buchstaben der GO orientiert - dann wird man nicht das Präsidium kritisieren können, das diese unanständigen Vorstöße mit dem Buchstaben der GO abblockt.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #57Das schließt auch R A. ein. Ich VERSTEHE, dass er die AfD und die meisten der AfD-Politiker nicht mag.
Das ist gar nicht der Punkt. Ich mag Grüne und Linken noch weniger. Ich habe deutlich mehr AfD-Mitglieder und -Wähler in meinem Freundeskreis als solche von linken Parteien. Und ich gelte im Stadtparlament als gefährlicher AfD-Sympathisant. Wo aber für mich eine klare Grenze ist, das ist bei der bewußten Demontage des demokratischen Systems. Das macht die AfD-Bundestagsfraktion immer wieder (und ihre Kollegen in den meisten Landtagen und wohl auch Kommunalparlamenten nicht). Da imitiert die AfD die frühen Grünen, die ja auch jahrelang versucht haben die parlamentarischen Verfahren zu delegitimieren. Da habe ich auch sehr stark dagegengehalten, das hat mich mehr gestört als diverse inhaltliche Spinnereien.
Zitat Ich VERSTEHE auch, dass man sich im politischen Bereich die Abläufe gerne einfacher machen möchte.
Wobei es hier nicht nur um "einfacher" geht, sondern um "überhaupt machbar".
Zitat Die AfD ist unbequem?
Das ist völlig legitim und oft nützlich. Aber das muß sich auf Inhalte beziehen, nicht auf Sabotage.
Zitat Ich erwarte von jedem, der es mit Demokratie, Rechtsstaat und "zum Wohle des deutschen Volkes " Ernst meint, dass man der AfD die in den Regeln vorgeschriebenen Möglichkeiten gibt.
Absolut richtig. Bekommt sie in der Regel ja auch. Die Sache mit dem Vize ist schlicht in der GO vermurkst worden.
Zitat Wenn die Manöver der AfD, die R.A. als Störung empfindet, am Ende vielleicht zu anderen Parlamentsabläufen führen - was wäre schlecht daran?
WENN die AfD eine Parlamentsreform vorschlagen würde, mit realistischen Vorschlägen und konkreten Verbesserungen, dann wäre die Lage schon mal eine andere. Dann wäre vorstellbar, daß sie in einem konkreten Beispiel auch mal GO-Tricks versucht um zu demonstrieren, daß das gegenwärtige Verfahren problematisch ist und ihr Verfahren das besser lösen würde. Aber davon ist ja nichts zu sehen. Weder gibt es konkrete Vorschläge der AfD für bessere Parlamentsabläufe noch war der konkrete Vorfall mit irgendeiner inhaltlichen Begründung verknüpft.
Zitat man will die Diskussion mit der AfD nicht führen.
Das trifft häufig zu für die Welt außerhalb des Parlaments. Und ist übrigens weitgehend beidseitig - so richtig an inhaltlichen Diskussionen ist die AfD selten interessiert. Aber das gilt nicht für den Bundestag, da ist die AfD ganz normal dabei bei allen Diskussionen.
Zitat von R.A. im Beitrag #61 Natürlich ist repräsentativ etwas anderes als beschlußfähig. Die Beschlußfähigkeit ist u. a. ein Vehikel um zu verhindern, daß das demokratische Wahlergebnis durch nicht-repräsentative Anwesenheit auf den Kopf gestellt wird. Das von Meister Petz gebrachte Beispiel zeigt, wie das in der Praxis funktioniert. Und das ist richtig so.
Nein, ist es nicht. Der Satz (1) ist absolut eindeutig. Und wozu Du alles interpretierst(!) das alles mal gemeint war, ist nicht wichtig im Vergleich zu dem, was dort steht. Wenn man was anderes meint, dann muss man das schreiben. Das steht da aber nicht.
Zitat Die von Dir zitierte Passage nennt nur das Kriterium, aber ob der Bundestag beschlußfähig ist, ergibt sich aus dem Gesamtkontext der GO. Eine Unterschreitung der Anzahl ist per se überhaupt kein Hinternis für Beschlußfähigkeit. Die wird erst aufgehoben, wenn das formal korrekt festgestellt wurde.
Das ist absurd spitzfindig (und ungefähr auf dem Niveau Claudia Roth diese Entscheidung zuzubilligen mit dem Argument sie könne ja blind oder blöd sein). Es ist zwar sachlich so, aber richtig "richtig" ist es erst dann, wenn es politisch festgestellt wird. Das ist eine Logik, die man vielleicht politisch irgendwie hinbiegen kann, die man aber (so hoffe ich zumindest schwer) den meisten Menschen nicht verkaufen kann. Ich glaube wir haben beide unsere Haltung hier deutlich gemacht, es möge ein jeder entscheiden was er für richtig hält.
Zitat Das steht da nicht, ist aber der Sinn der Regelung.
Das ist doch wieder nur deine Interpretation. Eine Regel fragt nicht danach was sich jemand mal dabei vielleicht oder nicht vielleicht gedacht hat. Eine Regel wird entweder eingehalten oder nicht. Und das muss auch so sein, denn Regeln sollen sich gerade ohne große Interpretation ihrer Absichten ableiten lassen. Denn sonst bräuchte man sie ja nicht. Das was Du hier vorschlägst läuft auf eine ganz simple Idee hinaus: "Das Parlament soll vernünftig arbeiten." Und was damit gemeint ist, darf man sich dann irgendwie zusammen argumentieren. Unter der Basis brauchts eigentlich gar keine Regeln mehr.
Zitat Nur wenn die Regierungsfraktionen das so wollen. Die GO gibt ihnen sinnvollerweise aber das Recht, in so einem Fall die Zufallsmehrheit aufzuhalten.
Steht da irgendwo dass das die beiden anderen Präsidiumsmitglieder sich aus der Regierung rekrutieren? Wenn nicht, fällt das ziemlich in sich zusammen.
Zitat Natürlich hat es den - denn ALLE Präsidiumsentscheidungen (und viele von denen haben selbstverständlich Ermessensspielraum) sind politischer Natur. Aber eben nicht PARTEIpolitischer.
Großer Unterschied. Auch diese Spitzfindigkeit finde ich nicht allzu tragfähig. Politisch aber nicht parteipolitisch. Na hoffentlich erklärt das jemand auch Frau Roth, die kennt den Unterschied mit ziemlicher Sicherheit nicht. Falls es einen solchen geben würde.
Zitat Das Präsidium soll neutral agieren, aber muß natürlich beurteilen, ob bestimmte Anträge etc. politische Substanz haben oder inhaltslos sind.
Der Antrag war nicht politisch und auch nicht inhaltlos. Er war rein an der Sache orientiert. Da ist kein politischer Spielraum, der ist auch nicht vorgegeben. Die einzige Entschuldigung ist die Vorgabe der Dummheit des aktuellen Präsidiums.
Zitat Siehe wieder das Beispiel von Meister Petz: WENN die Mehrheitsverhältnisse tatsächlich unklar sind, DANN wird das auch entsprechend behandelt.
Das steht da aber nicht. Und warum wohl nicht?
Zitat Wenn man der AfD zubilligt, sich auch völlig unanständig verhalten zu dürfen, wenn sie sich nur am Buchstaben der GO orientiert - dann wird man nicht das Präsidium kritisieren können, das diese unanständigen Vorstöße mit dem Buchstaben der GO abblockt.
Aber selbstredend und ohne jedes Problem: Die AfD ist in diesem Fall Partei, sie kann so viel Unsinn aus der GO saugen wie sie will. Claudia Roth und ihre beiden Schranzen sind es aber in dem Moment gerade nicht. Sondern sie nehmen Ämter war, die eben jehenseits der eigenen Meinung oder politischen Richtung stehen. Davon mal ab ist das ein ein schöner Taschenspielertrick: Denn die AfD hat sich gerade nicht unanständig verhalten. Sie hat genau die GO mit dem, was dort steht, umgesetzt. Unanständig verhalten sich dagegen die Fraktionen, die in völliger Kenntnis des Niedertrampelns der Regeln einfach darauf pfeifen. Und auch noch am Ende: Hier gehts nicht um Buchstaben. Hier gehts um elementare Regeln wie wir uns unsere Demokratie vorstellen. Dein ganzes Proporz-Argument läuft auf eine zeitbegrenzte Parteiendiktatur hinaus. Die aber überhaupt nicht im Geist unserer Demokratie steht. Wir leben eine repräsentative Demokratie (schlimm genug) und dann darf der dumme Bürger auch erwarten, dass er repräsentiert wird. Ich finde es rundheraus skandalös, dass Gesetze, die wirklich massiv in das Leben der Bürger eingreifen, mal eben nebenher beschlossen werden, weil unsere Abgeordneten wo anders sind. Das ist nicht deren Aufgabe. Wir wählen Sie, damit sie uns im Bundestag vertreten. Und wenn jemand mal einen Stock in die Speichen steckt, dann wäre das eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, ob das alles noch im Sinne der Bürger ist. In meinem ist es nicht.
Vielleicht kann ich in dieser hitzigen Debatte etwas vermitteln:
EINERSEITS:
Das Parlament gibt sich selbst gewisse Regeln wie es arbeiten möchte. Diese Regeln haben im Prinzip zwei Aufgaben: (a) sie sollen ein effizientes Arbeiten ermöglichen. (Also z.B. ohnehin viel beschäftigte Abgeordnete davon entlasten, stundenlang ohne weiteren Nutzen im Plenum rumsitzen zu müssen.) (b) sie sollen dafür sorgen, dass alles demokratisch zugeht (also z.B.: faktische Minderheiten sollen nicht Gesetze durchdrücken können. Andererseits sollen Minderheitenpositionen Gehör finden können).
Es gibt nun neben den Regeln, die formal in der GO fixiert sind, weitere Gewohnheitsregeln. Auch diese sind wichtig, um (a) und (b) einhalten zu können. Die AfD hat versucht, entgegen diesen ungeschriebenen Regeln einen Hammelsprung zu erzwingen. Das ist natürlich nicht verboten. Aber ganz ehrlich: Es ist nicht einzusehen, welchen objektiven Nuten es haben soll, nachts um 2:00 Uhr Abgeordnete aus den Betten zu klingeln, die dann ohnehin genau das gleiche Gesetz beschließen würden. Es ist ja nicht so, dass die wenigen anwesenden Abgeordneten gegen den Mehrheitsmeinung des Parlaments einen stillen Putsch versucht hätten. Sondern sie haben genau im Sinne der Mehrheitsmeinung abgestimmt.
Die AfD hat also die ungeschriebenen Regeln des Parlamentsbetriebs ignoriert und einen rein formal an der GO orientierten Antrag gestellt. Nicht fein, aber zulässig. Und Frau Roth &co. haben diesen Antrag abgelehnt und sich dabei ebenfalls am Wortlaut der GO orientiert (nicht allerdings an der faktischen Realität). Auch dies: nicht fein, aber zulässig.
Man sollte das ganze also nicht zu sehr aufbauschen: Die Demokratie hat hier keinen Schaden genommen.
ANDERERSEITS: Es gibt nun mal eine GO, die vom Bundestag mit Mehrheit verabschiedet wurde. Und diese GO bildet die praktische Arbeit des Bundestags nicht richtig ab. In der Realität wird vom Wortlaut der GO oft abgewichen. Dies durchaus im Sinne der obigen Ziele (a) und (b). Aber das ändert nichts daran, dass die GO eben faktisch nicht eingehalten wird. In einem stark an Regeln orientierten Gemeinwesen wie Deutschland ist das eigentlich ein Unding. Ausgerechnet die Gesetze selbst kommen oft auf sehr hemdsärmelige Art zu Stande, die nicht dem Wortlaut der GO entspricht. Das ist tatsächlich ein unguter Zustand. Ein Zustand, den man den Leuten kaum erklären kann. R.A. hat das ja nun sehr ausführlich versucht und ist beim Mehrheit dieses Forums damit überhaupt nicht durchgedrungen.
Die meisten Bürger werden ohnehin nicht mitbekommen, wie der Bundestag praktisch arbeitet. Wenn aber unter denjenigen, die sich überhaupt dafür interessieren, ein großer Teil das praktische Vorgehen als nicht regelkonform wertet, dann unterminiert so etwas natürlich das Vertrauen in die Verfassungsorgane.
Der praktische Ausweg wäre m.E. nicht, dass man das tatsächliche Vorgehen des Bundestags an die bestehende GO anpasst. Sondern umgekehrt: dass man die GO so formuliert, dass sie das tatsächliche Vorgehen richtig widerspiegelt.
Zitat von Florian im Beitrag #64Und Frau Roth &co. haben diesen Antrag abgelehnt und sich dabei ebenfalls am Wortlaut der GO orientiert (nicht allerdings an der faktischen Realität). Auch dies: nicht fein, aber zulässig.
Ich denke das ist das Problem, das Llarian nicht sieht und das in diesem Satz auch übersehen wird.
Claudua Roth schafft hier die faktische Realität. Und das darf sie, und das ist wichtig.
Der Sinn der Regel, dass das Präsidium die Beschlussfähigkeit feststellt ist, dass das Parlament selbst bestimmt, ob es beschlüssfähig ist. Nicht die Fraktionen, nicht die Parteien, nicht die Regierung oder sonstwer. Noch nicht einmal die Realität. Das Parlament selbst.
Es gibt die Hürde, dass die Sitzungsleitung das einmütig so sehen muss. Wenn dem so ist, dass kann man das doof finden aber die Realität sollte man doch akzeptieren. Und nicht wie die AfD wieder "Rechtsbruch" und "Demokratiezerstörung" krakelen. Denn das Gegenteil ist der Fall.
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #65] ... Claudua Roth schafft hier die faktische Realität. Und das darf sie, und das ist wichtig. Der Sinn der Regel, dass das Präsidium die Beschlussfähigkeit feststellt ist, dass das Parlament selbst bestimmt, ob es beschlüssfähig ist. ... Und nicht wie die AfD wieder "Rechtsbruch" und "Demokratiezerstörung" krakelen. Denn das Gegenteil ist der Fall.
Das Gegenteil von Demokratiezerstörung wäre Demokratiebewahrung, richtig?
Ich fasse zusammen: Unser oberstes Gesetzgebungsorgan, zugleich eine der Kontrollinstanzen der Exekutive kann und soll nach Ihrer Sichtweise die kodifizierten Verfahrensregeln ignorieren, statt dessen "selbst Realität schaffen", dabei gezielt die größte Oppositionspartei ausschalten, damit kein "Störenfried" im Präsidium die Einstimmigkeit verhindern kann und auf diese Weise sicherstellen, dass die Altparteien ungestört von GO und ähnlichem Quark selbst entscheiden können, wie in Deutschland eigentlich Gesetze zustande kommen - und das ist die Sicherstellung von Rechtsstaat und Demokratie?
Tut mir leid, da kann ich nicht mehr folgen. Man muss wohl politisch links stehen, um dieses Doppeldenk zu verstehen.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von Llarian im Beitrag #63Der Satz (1) ist absolut eindeutig.
Ja. Aber er sagt nicht so viel aus, wie Du hineinlegst. Zur Erinnerung: Der Satz lautet schlicht: "Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist." Und das bestreitet niemand. Wenn genug Leute da sind, ist der Bundestag beschlußfähig. Klar formuliert.
Was der Satz NICHT sagt ist: "Der Bundestag ist nicht beschlußfähig, wenn weniger als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist". Und genau diese zusätzliche und falsche Bedeutung ist die Basis aller Deiner Vorwürfe ans Präsidium.
Zitat
Zitat Eine Unterschreitung der Anzahl ist per se überhaupt kein Hinternis für Beschlußfähigkeit. Die wird erst aufgehoben, wenn das formal korrekt festgestellt wurde.
Das ist absurd spitzfindig ...
Nein, das ist genau so, wie es in der GO steht und auch gelebt wird.
Schaust Du mal ein paar Sätze weiter unten im selben §45:
Zitat (4) Unabhängig von dem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 kann der Präsident bei Kernzeit-Debatten im Einvernehmen mit den Fraktionen die Sitzung unterbrechen, wenn der Sitzungsvorstand bezweifelt, daß 25 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages anwesend sind. Die Feststellung der Anwesenheit erfolgt im Verfahren nach § 52.
Heißt also: Es ist völlig normal und akzeptabel, nur ein Viertel der Abgeordneten präsent ist. Das ist deutlich weniger als die Hälfte, berührt aber die Arbeits- und Beschlußfähigkeit nicht. Da darf der Präsident nicht einmal eingreifen. Erst wenn die Präsenz unter 25% fällt, KANN der Präsident (wenn ihm die Mehrheit im Sitzungsvorstand zustimmt und im Einvernehmen mit den Fraktionen) unterbrechen. Selbst bei Präsenz unter 25% ist aber normalerweise die Beschlußfähigkeit gegeben.
Zitat Das ist doch wieder nur deine Interpretation.
Nein. Das ist die seit Jahrzehnten gelebte Parlamentspraxis (in Bundestag und Landtagen) und die ist selbstverständlich juristisch optimal abgesichert.
Zitat Eine Regel fragt nicht danach was sich jemand mal dabei vielleicht oder nicht vielleicht gedacht hat.
Das ist im juristischen Bereich nicht ganz richtig. Der eigentliche Text der Regel muß selbstverständlich eingehalten werden. Was hier der Fall ist. Wenn es darüber hinaus Ermessensspielräume gibt, dann wird sehr wohl nach dem Sinn der Regel gefragt und für die Auslegung verwendet. Nicht umsonst gibt es meterweise Gesetzeskommentare, in denen der Sinn von Regeln erläutert wird.
Zitat Steht da irgendwo dass das die beiden anderen Präsidiumsmitglieder sich aus der Regierung rekrutieren?
Nein. Weil das Präsidiumsentscheidungen eben NICHT davon abhängen sollen, aus welcher Partei die jeweiligen Mitglieder kommen. Eine Roth (Opposition) hat hier genauso entschieden wie es ein Schäuble (Regierung) getan hätte. Und die beiden Schriftführer (einer Regierung, einer Opposition) haben ihr zugestimmt.
Zitat Politisch aber nicht parteipolitisch.
Dieser Unterschied ist ein ganz wesentlicher. Beispiel: Bei der Abstimmung über den "Euro-Rettungsschirm" hat der Bundestagspräsident MdB Frank Schäffler eine Redemöglichkeit eingeräumt, auf die dieser nach GO keinen Anspruch hatte. Das war eine zulässige Ermessensentscheidung. Und es war natürlich eine eminent politische Entscheidung, Lammert wußte um die Bedeutung des Gesetzes, um die öffentliche Kontroverse, und wollte eben auch kritische Stimmen in der Bundestagsdebatte zulassen. Wenn dagegen MdB X einen ähnlichen Auftritt haben wollte, um zum dritten Spiegelstrich einer unwichtigen Verordnung zu sprechen - dann hätte Lammert das abgelehnt. Völlig gleiche Rechtssituation, aber eine politische Bewertung.
Aber es war KEINE parteipolitische Bewertung. Lammert hat nicht darauf geachtet, ob nun Schäfflers Beitrag seiner eigenen politischen Position bzw. der CDU nützt oder nicht.
Zitat Na hoffentlich erklärt das jemand auch Frau Roth, die kennt den Unterschied mit ziemlicher Sicherheit nicht.
Ich halte ansonsten extrem wenig von Roth. Aber diesen Unterschied kennt sie bestimmt, den kennt jeder im Bundestag.
Zitat Er war rein an der Sache orientiert.
An welcher Sache? Welches politisches Ziel sollte erreicht werden? Wieso glaubte die AfD, der Abbruch der gerade laufenden Debatte würde inhaltlich etwas bewirken?
Nichts davon. Es war denen völlig egal, was eigentlich gerade beraten wurde. Die "Sache" um die es ging war schlicht Demontage des Parlaments, Diskreditierung der parlamentarischen Demokratie, primitivste Hetze gegen "die Altparteien".
Zitat Hier gehts um elementare Regeln wie wir uns unsere Demokratie vorstellen.
Eben. Und deswegen lehne ich diese Schweine-Manöver der AfD so konsequent ab. Die agitieren hier direkt anti-demokratisch.
Zitat Dein ganzes Proporz-Argument läuft auf eine zeitbegrenzte Parteiendiktatur hinaus.
Nein. Du hast übersehen, daß jeder Abgeordnete jederzeit die Möglichkeit hat, anders abzustimmen als nach Fraktion und das wird dann auch entsprechend gezählt.
Zitat Ich finde es rundheraus skandalös, dass Gesetze, die wirklich massiv in das Leben der Bürger eingreifen, mal eben nebenher beschlossen werden, weil unsere Abgeordneten wo anders sind.
Um welches Gesetz ging es denn beim AfD-Theater? Wie massiv hätte das eingegriffen?
Ansonsten: Meine Kritik richtet sich im Zweifelsfall gegen den Inhalt solcher Gesetze. Wenn die GroKo Bockmist beschließt ist es mir relativ unwichtig, ob dabei alle GroKo-MdBs im Saal sind. Denn auch wenn sie es nicht sind haben sie den Bockmist zu verantworten.
Zitat von Florian im Beitrag #64Es gibt nun mal eine GO, die vom Bundestag mit Mehrheit verabschiedet wurde. Und diese GO bildet die praktische Arbeit des Bundestags nicht richtig ab. In der Realität wird vom Wortlaut der GO oft abgewichen.
Siehe meine Antwort eben an Llarian. Die GO bildet die Arbeit richtig ab. Aber man muß sie schon im Gesamtkontext lesen und kann nicht isoliert einzelne Sätze rauspicken und beliebig interpretieren.
Man kann selbstverständlich darüber diskutieren, ob man die Arbeitsweise des Bundestags verbessern könnte. Dazu müßte man aber Reformvorschläge machen. Die Skandal-Inszenierungen der AfD zielen aber nicht auf Reform, sondern auf Sabotage.
Es ist schon immer wieder interessant, wie die AfD als Pendant und Spiegelbild der Grünen funktioniert und deren Methoden übernimmt. Wie die Grünen nutzen sie sehr stark aus, daß die Leute über komplexe Systeme nicht gut informiert sind (nicht gut informiert sein können) und da wird dann mit oberflächlich plausiblen Punkten Stimmung gemacht. Während die Fachleute nur noch den Kopf schütteln können.
Klingt ja erst einmal plausibel wenn die Grünen behaupten, Deutschland könne auf X Kohlekraftswerkskapazität verzichten, weil wir entsprechend viel Strom-Export haben. Da können sie auf offizielle Statistiken verweisen und das sieht alles korrekt aus. Der Laie hält es dann für einen Skandal, daß wir immer noch nicht aus der Kohle ausgestiegen sind. Und die Ingenieure verzweifeln ob der Unsinnigkeit dieser Ideen - aber das Stromnetz ist eben komplex und nicht in zwei Minuten zu erläutern.
Dito klingt es erst einmal plausibel wenn die AfD behauptet, ein relativ leerer Bundestag wäre nicht beschlußfähig und das Präsidium würde skandalös handeln, wenn es den entsprechenden GO-Antrag zurückweist. Und die Juristen verzweifeln ob er der Unsinnigkeit dieser Schlicht-Interpretation, aber die Arbeit eines Parlaments ist komplex und nicht in zwei Minuten zu erläutern.
Und man kann fast sagen, daß Juristen generell eher die Lügen der Grünen glauben und die Ingenieure eher die Lügen der AfD. Weil die Lügen jeweils in Bereichen verbreitet werden, die ihrer gewohnten Arbeitsweise nicht entsprechen.
Zitat von Llarian im Beitrag #63Der Satz (1) ist absolut eindeutig.
Ja. Aber er sagt nicht so viel aus, wie Du hineinlegst. Zur Erinnerung: Der Satz lautet schlicht: "Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist." Und das bestreitet niemand. Wenn genug Leute da sind, ist der Bundestag beschlußfähig. Klar formuliert.
Was der Satz NICHT sagt ist: "Der Bundestag ist nicht beschlußfähig, wenn weniger als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist". Und genau diese zusätzliche und falsche Bedeutung ist die Basis aller Deiner Vorwürfe ans Präsidium.
Das ist schlicht falsch. Natuerlich handelt es sich bei dem Satz um eine Definition, und damit ein "genau dann wenn". Wo sonst befindet sich denn die Definition von "Beschlussfaehigkeit"?
Mich stoert im uebrigen dieses Winkeladvokatentum, anhand dessen Aussagen in ihr Gegenteil verkehrt werden, und Bemerkunger der Art "Ueberlasst doch mal die Interpretation deutscher Texte den Experten" ungemein. Das kann man bei naturwissenschaftlichen Artikeln anbringen, nicht aber bei Texten in deutscher Sprache, die zudem noch im Namen des Volkes erlassen werden.
Zitat von dirk im Beitrag #70Das ist schlicht falsch.
Ja klar. Wird zwar seit Gründung der Republik in allen Parlamenten für richtig gehalten - aber was sagt das schon wenn ein Experte im Internet anderer Meinung ist ...
Zitat Mich stoert im uebrigen dieses Winkeladvokatentum ...
Das ist ganz normales juristisches Arbeiten. Wenn man das generell ablehnt, sollte man auch nichts zu "Rechtsstaat" sagen.
Ansonsten paßt hier Ayn Rand: "Man kann die Realität ignorieren aber man kann nicht die Konsequenzen einer ignorierten Realität ignorieren."
Zitat von dirk im Beitrag #70Das ist schlicht falsch.
Ja klar. Wird zwar seit Gründung der Republik in allen Parlamenten für richtig gehalten - aber was sagt das schon wenn ein Experte im Internet anderer Meinung ist ...
Was ist denn dann die Definition der "Beschlussfaehigkeit", wenn nicht 45(1) GOBT? Und wieso kann sie durch Zaehlen per Hammelsprung festgestellt werden, wenn die Definition nicht die Anwesenheit der Mehrheit ist? Eben!
Zitat Das ist ganz normales juristisches Arbeiten. Wenn man das generell ablehnt, sollte man auch nichts zu "Rechtsstaat" sagen.
Klarer Strohmann. Rechtsstaat basiert auf Allgemeinverstaendlichkleit, Nachvollziehbarket und Dingen wie dem Bestimmtheitsgebot. Was Recht und Gesetz ist, sollte in deutscher Sprache klar ausdrueckbar sein.
Grundsätzlich hat R.A. natürlich recht, dass kodifizierte Regelwerke, wie eine GO, im Kontext zu lesen sind. Das heißt aber nicht, dass R.A. hier bereits argumentativ einen Treffer hat. Er schreibt:
"(4) Unabhängig von dem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 kann der Präsident bei Kernzeit-Debatten im Einvernehmen mit den Fraktionen die Sitzung unterbrechen, wenn der Sitzungsvorstand bezweifelt, daß 25 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages anwesend sind. Die Feststellung der Anwesenheit erfolgt im Verfahren nach § 52"
Was aber nicht erklärt wird, was dieser Abschnitt mit der Beschlussfassung zu tun hat. Dieses Zitat sagt nur aus, dass bei weniger als 25% die SITZUNG abgebrochen werden kann. Das kann man durchaus so verstehen, dass bei einer Sitzung mindestens so viele anwesend sein sollten, aber für eine Beschlussfähigkeit noch mehr erforderlich sind.
Jetzt wird mir wieder erklärt, dass ich als tumber Bürger mich aus der Demokratie heraushalten soll, und die Demokratie wunderbar in einem Grüppchen von ein paar Hundert Leuten aufgehoben ist..
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Zitat von dirk im Beitrag #72Was ist denn dann die Definition der "Beschlussfaehigkeit", wenn nicht 45(1) GOBT?
Hatte ich alles ausführlich in den diversen Beiträgen hier erklärt. Vor allem sollten Sie §45 komplett lesen. Wenn ihre Interpretation "Beschlußfähigkeit ist nur gegeben" stimmen würde, wäre (4) sinnlos.
Zitat Rechtsstaat basiert auf Allgemeinverstaendlichkleit, Nachvollziehbarket und Dingen wie dem Bestimmtheitsgebot.
Ist gegeben. Aber "allgemeinverständlich" heißt nicht, daß jeder Laie einen einzelnen aus dem Kontext gerissenen Satz nach eigenem Belieben interpretieren kann.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #73Das kann man durchaus so verstehen, ...
Im Prinzip ja. Es gibt durchaus Fälle, wo ein Text mehrere mögliche Interpretationen und Vorgehensvarianten zuläßt. Der Satz (1) beschreibt ein Kriterium für Beschlußfähigkeit. Das KANN bedeuten, daß die Beschlußfähigkeit sofort aufgehoben wäre, wenn das Kriterium nicht erfüllt ist. Aber zwingend ist das nicht und deswegen ist die gelebte Praxis (die übrigens auch Rechtswirkung hat) nicht "falsch". Sondern eben die Variante, die im Kontext mit allen übrigen Bestimmungen die sinnvollste ist.
Zitat Jetzt wird mir wieder erklärt, dass ich als tumber Bürger mich aus der Demokratie heraushalten soll
Das hat niemand gesagt. Man kann und sollte sich in einer Demokratie mit Inhalten und Maßnahmen bechäftigen - muß dazu aber überhaupt nicht wissen und beurteilen, wie der Bundestag die dann intern auf die Reihe kriegt. Ich fahre ja auch Auto und beschäftige mich mit technischen Details meines Autos, ohne daß ich wissen und beurteilen muß, wie meine Werkstadt ihre internen Arbeitsabläufe organisiert hat.
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