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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 251 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

14.04.2009 00:34
#26 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

Zitat von califax
Durch den Anspruch, eine eherne Wahrheit zu verkünden, hat sich der Kultus letztlich vom Fortschritt isolieren müssen und ist zu verschiedenen Graden von Orthodoxie und Dogmatismus kristalliert.


Was aber für den Fortschritt ebenso und noch viel mehr gilt. Wie man nach 1914 und nach dem Wirken zweier großer Fortschrittsideologien noch so fortschrittsgläubig reden kann, ist mir schleierhaft.

In Antwort auf:
Marxismus und Nationalsozialismus sind da sehr interessant, weil sie eben diesen Übergang von der lebendigen Suche nach Weltbeschreibung zur erstarrten Ideologie im Schnelldurchlauf zeigen.


Wo waren denn die beiden jemals "lebendige Suche nach Weltbeschreibung"?

In Antwort auf:
Was beiden Systemen noch nicht gelungen ist, ist der für minderkomplexe Anhänger durchgängig glaubwürdige Anspruch aufs Jenseits. Die glorreiche Geschichtsschreibung künftiger Generationen ist einfach kein brauchbarer Ersatz für ein anständiges Jenseits


In der Tat - es ist ja auch nur vernünftig. Jedem klar denkenden Menschen wird diese glorreiche Zukunft schnurzpiepe sein, selbst wenn (und das ist ein sehr großes "wenn") sie nicht bloß fiktiv sein sollte. Das Gute, das ich selbst nicht erleben kann, ist mir egal.

In Antwort auf:
in dem Männlein und Weiblein keine Kleider tragen müssen.


Das ist doch unter Niveau. Wo haben Sie denn diese Albernheiten her, Califax?

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.

Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.

The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)

califax Offline




Beiträge: 1.502

14.04.2009 01:29
#27 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

Zitat von str1977
Zitat von califax
Durch den Anspruch, eine eherne Wahrheit zu verkünden, hat sich der Kultus letztlich vom Fortschritt isolieren müssen und ist zu verschiedenen Graden von Orthodoxie und Dogmatismus kristalliert.


Was aber für den Fortschritt ebenso und noch viel mehr gilt. Wie man nach 1914 und nach dem Wirken zweier großer Fortschrittsideologien noch so fortschrittsgläubig reden kann, ist mir schleierhaft.



Kommt eben drauf an, was man als Fortschritt bezeichnet. Für manche eher, ähm, vergeistigte Konservative ist es ein Synonym des Teufels, und sie reagieren darauf mit einem Luxushaß, als könnten sie selbst noch ein Feld bestellen oder gar ihre eigenen Medikamente mischen.
Für andere ist alles Fortschritt, was zu immer mehr Technikeinsatz führt. Naja. Immerhin muß man zugeben, daß diese Art von Fortschritt es Normalsterblichen überhaupt erst einmal erlaubt, über Fortschritt zu diskutieren. Sonst hättense im täglichen Überlebenskampf gar keine Zeit dafür.
Drittens kann man Fortschritt so sehen, daß eine Entwicklung ein Fortschritt ist, wenn das Leben der allermeisten Menschen dadurch verbessert wird.
Also bessere und billigere Versorgung mit Lebensmitteln, Medizin und Möglichkeiten zur Lebensfreude.
Diese dritte Sichtweise ist meine.

Was verstehen Sie denn unter Fortschritt?

Zitat von str1977

In Antwort auf:
Marxismus und Nationalsozialismus sind da sehr interessant, weil sie eben diesen Übergang von der lebendigen Suche nach Weltbeschreibung zur erstarrten Ideologie im Schnelldurchlauf zeigen.


Wo waren denn die beiden jemals "lebendige Suche nach Weltbeschreibung"?



Platt gesagt: Bevor sie ihren Namen weg hatten. Gehen Sie mal in eine beliebige vor '45 gegründete westdeutsche Bibliothek und lesen sie die Doktorarbeiten zwischen 1900 und, sagen wir mal, 1930.
Vor allem in den Geisteswissenschaften werden Sie Sachen finden, die heute nur noch von den allerdümmsten Nazis und Kommunisten vertreten werden. Das war wissenschaftlicher Mainstream. Vieles davon wurde auch von der Kanzel gepredigt. Finanzjudentum, raffendes Kapital, absolute Unterordnung des Individuums unter die visionär geführte Volksgemeinschaft, Evolution der Menschenrassen, ...
Nazis und Kommunisten haben es dann eingesammelt und in die Orthodoxie erhoben, was bei diesen oft auf Intoleranz gebauten Lehren notwendig in den Totalitarismus, und damit in den Massenmord, führen mußte.
Gelebt wurde es schon lange vorher. Aber da mußte man noch tolerant und neugierig sein.
Der große Unterschied zwischen vor '33 und danach war nicht die mörderischen und räuberischen Absichten vieler Deutscher aller Schichten und Bildungsgrade, sondern die radikale und mörderische Gleichschaltung, durch sie praktisch durchführbar wurden.

Bei dem Rest Ihrer Antwort sollten Sie vielleicht noch mal lesen, worauf Sie antworten. Die Antwort auf Ihre Frage steht in dem Text, den Sie dazu zitiert haben. HINT: Es ist ein Adjektiv.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

Eltov Offline




Beiträge: 152

14.04.2009 09:01
#28 RE: War das Nazireich atheistisch? Antworten

In Antwort auf:
Und die Bezeichnung "gottgläubig"? Nun ja, so nannte man sich. Aber Christen? Nein.


Tja, und die UdSSR-Kader waren auch keine Marxisten, da kannst du jeden Trotzkisten fragen...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.04.2009 09:49
#29 Ersatzreligionen und Atheismus Antworten

Zitat von Zettel
Auf Suche nach Ersatz für den verlorenen gegangenen religiösen Sinn findet der Abtrünnige schließlich eine Ideologie, welche ihm zudem auch noch des Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer Elite mit Führungsanspruch vermittelt. Marxismus und Nationalsozialismus waren die wohl bedeutensten Ideologien mit eindeutig religiöser Qualität und insbesondere messianischem Erlösungsanspruch.

So ist es, lieber PeterCoyote. Und genau deshalb irrt Mixa, wenn er diese Ersatzreligionen mit dem Atheismus identifiziert.

Der Atheismus und noch mehr der Agnostizismus haben mit diesen Ersatzreligionen weniger zu tun, als diese mit dem Christentum zu tun haben, das sie in der von Ihnen geschilderten Weise kopieren.

Die gesamte antike Philosophie, also die neben dem Christentum wichtigste Grundlage unserer Kultur, war vom Agnostizismus getragen. Ihre Grundlage war die einer skeptischen Neugier, die alles in Frage stellte, um nur das nach gründlicher und ehrlicher Prüfung als richtig Erkannte als wahr anzuerkennen.

Sokrates hat diese Haltung auf eine etwas aufdringliche Weise verkörpert, was ihn schließlich das Leben gekostet hat. Aber es war auch die Haltung der Vorsokratiker, ebenso wie die von Platon und Aristoteles.

Natürlich waren sie keinen Primitiv-Atheisten à la Marx, Haeckel oder Virchow. Sie sahen die Grenzen menschlichen Erkennens, wußten also, daß es mehr gibt, als dieses Erkennen erfassen kann.

Aber sie glaubten weder an die Götter noch an einen persönlichen Gott, mit dem man reden und den man durch Bitten beeinflussen kann.

Artistoteles zum Beispiel leitete Gott ab, indem er Konzepte zu Ende dachte. Er unterschied zwischen Stoff und Form und sah Gott als die reine, stofflose Form. Er formulierte das Prinzip der Kausalität und ergänzte es durch das eines Ersten Bewegers:

Wenn alles eine Ursache hat, dann muß es einen Ersten Beweger (proton kinoun akineton) geben, der nicht selbst eine Ursache hat. Das war für Aristoteles so wenig ein persönlicher Gott, daß er sogar zu seiner Bezeichnung das grammtische Neutrum verwendet; die eigentich richtige Übersetzung ist: Das erste, unbewegte Bewegende.

Herzlich, Zettel

Wamba Offline



Beiträge: 295

14.04.2009 10:10
#30 Ein Kommentar von R. Antworten

Dieser sehr lesenswerte Kommentar erreichte mich per Email:

Zitat von R.
Seh geehrter Herr "Zettel",

die Frage ist wohl älter als Nationalsozialismus und Bolschewismus. Wenn
ich mich recht erinnere, habe ich sie in den Brüdern Karamasow etwa so
formuliert gelesen:

Wenn Gott tot ist, dann ist ja alles erlaubt?

So formuliert, wird die Frage interessant. Wer soll ethische Werte oder
moralischen Halt garantieren, wenn es keinen Gott gibt. Setzt sich da
der Mensch nicht an die Stelle Gottes? Und ist ein solcher Mensch, der
seine Grenzen nicht kennt, nicht bereit, jede erdenkliche Untat zu
begehen?

Zunächst einmal möchte ich erst einmal zwischen Agnostikern (zu denen
ich mich selber zähle) und Atheisten unterscheiden. Der Agnostiker
leugnet Gott nicht, sondern nur dessen Erkenntnis. Im Grunde könnte man
sogar behaupten, dass der Agnostiker die Transzendentalität des
jüdisch-christlichen Gottes einfach sehr ernst nimmt und von daher schon
gar kein Gottesleugner ist (meinen bescheidenen Kenntnissen des
Hinduismus nach gilt ein solcher Transzendentalismus auch für einige
monotheistische Strömungen im Hinduismus, ein Agnostiker könnte also
ebenfalls hinduistisch-transzendentale Wurzeln haben, beim Buddhismus
handelt es sich hingegen um eine Weltanschauungslehre, die die Frage
nach Gott unbeantwortet lässt, denn wenn es Götter gibt, sollten auch
diese bestebt sein, das Verlöschen zu erreichen, Buddhisten sind also
diesbezüglich keine Agnostiker, sondern vielmehr Desinteressierte).

Es fällt auf, dass ich von den großen Religionen den Islam ausgelassen
habe. Warum habe ich nicht von einem jüdisch-christlich-muslimischen
Gott gesprochen, eint diese drei Religionen denn nicht der Monotheismus?
Allah ist jedoch im Gegensatz zur jüdisch-christlichen Tradition der
Transzendenz Gottes ein immanennter Gott. Während der
jüdisch-christliche diese Welt im Ursprung schuf, seine Schöpfung dann
jedoch dem Menschen zum freien Handeln überließ (auch wenn die vielen
Wundergeschichten im Alten und Neuen Testament dem zu widersprechen
scheinen, es jedoch nicht widerlegen), schöpft Allah diese Welt in jedem
Moment neu, seine Macht ist eine rein diesseitige.

Im Zusammenhang mit dieser Eigenschaft des Islam möchte ich auch ein
innig mit der Moralfrage verwobenes Beispiel bringen:

Wenn Gott allmächtig ist, kann ich ihn nicht zwingen, mich ins Paradies
einzulassen. Könnte ich ihn zwingen, würde dies ja beweisen, dass er
nicht allmächtig ist, sondern dass ich in diesem einen Falle zumindest
die Macht über ihn habe, ihn zwingen kann, mich ins Paradies
einzulassen. Insofern leugnet der Glaube an die Werkgerechtigkeit, das
heißt an die Belohnung für meine Taten auf Erden die Allmacht Gottes, er
würdigt ihn herab, wenn er nicht überhaupt dass Göttliche in Gott
leugnet (auch wenn sich der Protestantismus vor allen Dingen wegen
dieses Themas vom Katholizismus abgespalten hat, heißt dies nicht, dass
die katholische Kirche die Werkgerechtigkeit vertritt). Traditionen, die
einem transzendenten allmächtigen Gott huldigen, müssten also in
Selbstmordattentätern, die sich direkt ins Paradies bomben möchten, eine
besonders schwere Form der Gotteslästerung sehen, daher wohl die
verbreitete Ablehnung innerhalb unserer Kultur gegenüber den
Selbstmordattentätern, zuminest bei all jenen, deren
antizivilisatorische Affekte (z.B. Antisemitismus, Antiamerikanismus
etc) nicht größer als ihre Moral sind (womit ich nicht sagen möchte,
dass sich die Menschen hier eine intellektuelle Rechenschaft über das
Problem der Werkgerechtigkeit geben, vielmehr handelt es sich um
moralische Wertungen, die uns zur zweiten Natur geworden sind).

Interessant ist jedoch, dass alle Muslime, die ich mit diesem Problem
konfrontiert habe, es entweder gar nicht verstanden haben, es nicht
verstehen wollten oder behaupteten, natürlich gäbe es einen breiten
Protest von muslimischer Seite gegen Selbstmordattentäter, wobei sich
bei letzteren oft im Zuge der Diskussion herausstellte, dass sie sich
auf die Ablehnung des Selbstmordes durch den Koran bezogen, jedoch keine
Probleme mit "echten Märtyrern" hatten, soll heißen: das, was wir als
Selbstmordattentäter bezeichnen, wird von muslimischer Seite überhaupt
nicht mit dem Selbstmord sondern stattdessen mit dem Martyrium
assoziiert. Das setzt jedoch voraus, dass ich als Muslim keinen
allmächtigen Gott habe (nebenbei bemerkt heißt "Allahu Akbar" meines
Wissens auch nur "Gott ist sehr groß / größer" aber eben nicht "Gott ist
allmächtig"). Es zeigt sich zumeist, dass der Glaube an die
Werkgerechtigkeit derart im Islam verbreitet ist (was wohl auch den im
Koran niedergeschriebenen Worten des Propheten anzulasten ist), dass
hier eine moralische Abscheu wegen der damit implizit mitgegebenen
Gotteslästerung kaum aufkommen kann. Allah würde sich damit vom
Geisteraberglauben animistischer Weltbilder nur insofern unterscheiden,
dass er "einzig", "größer/sehr groß" sowie durch einen Propheten
geoffenbart ist. Er lässt sich aber trotzdem beschwören und zwingen. Von
einem transzendentalen Gottesverständnis aus müsste man also sagen, dass
hier die Werke der Gläubigen zumindest abergläubisch wenn nicht ganz und
gar atheistisch sind, auch wenn sie sich vorgeblich auf Gott berufen.
Wenn man nun diese beiden Arten der Gottesvorstellung gegenüber stellt,
kann man sehen, dass auf der einen Seite ein transzendentaler Gott
"waltet", bei dem ich mir durch keinerlei "Gute Taten" ins Paradies
Einlass verschaffen kann, der jedoch trotzdem ein ethisches Handeln von
mir fordert, ein Handeln jedoch, das auf Freiheit gegründet ist, da ich
auf Grund von Gottes Transzendenz genötigt bin, mir selber über meine
Taten Rechenschaft zu geben, während auf der anderen, des islamischen
Seite mich nur ein Handeln ins Paradies bringt, das den Gesetzen gemäß
ist. So wird nur allzu veständlich, wie der politische Islam entstehen
konnte. Man kann den Koran wohl auch noch anders interpretieren, aber
die Hamas-Charta steht mit Sicherheit nicht im Widerspruch zum Koran;
wer deren Forderungen erüllt, erfüllt also die wesentlichen Forderungen
der islamischen Werkgerechtigkeit, handelt aber zugleich auf das
Äußerste unmoralisch und auch im Sinne einer transzendentalen
Gottesvorstellung atheistisch.

Wenn man diese Frage also nicht rein historisch, sondern strukturell
auffasst, lässt sich also vielleicht doch behaupten, dass die großen
Verbrechen der Menschheistgeschichte einschließlich derer der
christlichen Kirchen und der "Gottgläubigen" alle atheistisch zumindest
qua Tat waren, atheistisch, jedoch nicht agnostisch. Wenn es also keinen
(transzendenten) Gott gibt, dann ist tatsächlich alles erlaubt...

Ich hoffe, ich habe mich halbwegs verständlich ausgedrückt.

Mit freundlichen Grüßen

R.

PS: Ich denke schon, dass der Atheismus für die marxistische wie für die
nationalsozialistische Ideologie wesentlich ist, mit Sicherheit nicht
immer in der gelebten Wirklichkeit, aber doch in dem theoretischen
Fundament, ob es nun dialektische Materialismus oder "Mein Kampf" heißt.

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

14.04.2009 12:38
#31 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

Zitat von Kaa
Ich kann mir bei meinen (allerdings geringen) Geschichtskenntnissen nicht erklären, wie jemand aus einer Gesellschaft heraus, die als Schutz des einzelnen vor realen Gefahren (Hunger, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit) nur den Familienverband hatte, auf den Gedanken kommen kann, daß man "die andere Wange hinhalten" soll. In einer besetzten Gesellschaft, daß man seine Feinde lieben soll? Ich kann mir erklären, daß jemand dann für diese Gedanken predigt und stirbt - er war einer von den ganz und gar nicht Normalen.
Jesus nahm wohl an, daß die Geschichte unmittelbar vor ihrem Ende stand und Gott sein Reich auf Erden errichten werde; es gab eine entsprechende Prophezeiung (im Buch Daniel glaube ich), aufgrund derer damals außer Jesus noch zahlreiche andere Messiasse auftraten.

Jesus scheint zunächst gemeint zu haben, daß seine Rolle darin bestünde, dieses unmittelbar bevorstehende Eriegnis anzukündigen, damit die Menschen die Gelegenheit haben, umzukehren und sich Gott zuzuwenden. Nur im diesem Kontext ergaben seine moralischen Erklärungen einen Sinn. Angesichts der tatsächlichen Geschichte waren sie im wesentlichen Nonsens.

Jesu Größe bestand darin, daß er den ganz anderen Verlauf, den die Ereignisse nahmen, als von Gott verfügt hinnahm. Er akzeptierte am Ende, daß sich Gott nicht ausrechnen läßt. Dafür wurde ihm die Auferstehung geschenkt als "Erstem jener, die schlafen". (Oder so ähnlich.)

Jesus wird in den Evangelien als Lernender gezeigt (am drastischsten in der Geschichte vom kanaanitischen Weib). Diese Seite an ihm wirkt sehr überzeugend auf mich. Dem Rummel, der um seine anfänglichen Irrtümer (Bergpredigt) gemacht wird, kann ich dagegen wenig abgewinnen.

Gruß,
Kallias

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

14.04.2009 12:41
#32 RE: Ein Kommentar von R. Antworten

Zitat von R.
beim Buddhismus
handelt es sich hingegen um eine Weltanschauungslehre, die die Frage
nach Gott unbeantwortet lässt, denn wenn es Götter gibt, sollten auch
diese bestebt sein, das Verlöschen zu erreichen, Buddhisten sind also
diesbezüglich keine Agnostiker, sondern vielmehr Desinteressierte
Nach traditioneller buddhistischer Kosmologie gibt es sechs Daseinsformen: Götter, Menschen, Titanen, Tiere, Hungergeister und Höllenwesen. Hier auf der Erde leben nur Menschen und Tiere, die anderen Wesen sind anderswo anzutreffen. Jedes Wesen kann in jeder dieser Daseinsformen wiedergeboren werden, je nach den Handlungen in seinem gegenwärtigen Leben. Den Göttern geht es gut, sie sind glücklich und sehr langlebig, erleiden aber irgendwann doch eine rasche Alterung und sterben dann. Nur Menschen sind in der Lage, aus der Folge der Wiedergeburten auszusteigen und den endgültigen Zustand jedes Wesens zu erreichen, das Glück der Todlosigkeit (Nibbana), indem es in seinem Geist die Ursachen für eine Wiedergeburt zerstört. Das liegt daran, daß es den Göttern zu gut und den anderen zu schlecht geht, was ihnen den Antrieb oder die Kraft nimmt, nach der Erlösung zu streben. Nur beim Menschen sind Leid und Freude in der richtigen Mischung für ein erfolgreiches Erlösungstreben vorhanden.

Heute wird diese Lehre oft nicht mehr kosmologisch gedeutet, sondern psychologisch. Man findet das auch schon bei Bankei Zenji im 16. Jh., der erklärte, ein angstvoller Gedanke verwandele unseren Geist in einen Tiergeist, ein gieriger in einen Hungergespenstgeist usw. und wenn wir einfach aufhörten, unseren Geist in etwas anderes zu verwandeln, seien wir erleuchtet.

Diese Dinge werden überall ein wenig anders aufgefaßt, die meisten Behauptungen über "den Buddhismus" sind daher auch falsch. In keiner irgendwie gearteten Richtung des Buddhismus gibt es jedoch eine Schöpfung der Welt und daher auch keinen Schöpfergott - und kein Problem mit der Buddhadizee. Die Welt ist eine anfangslose Verkettung von Ursachen und Wirkungen.

Wenn man an die Kosmologie denkt, ist der Buddhismus polytheistisch, wenn man ihn mit westasiatischen Weltschöpfungslehren vergleicht, ist er atheistisch, wenn man an Nibbana denkt, ist er transzendenzgläubig. Agnostizismus gibt es in dem Sinn, daß über Nibbana wenig ausgesagt werden kann. In den frühen Schriften insbesondere findet sich nur eine Handvoll Adjektive, wie leidfrei, unbedingt, ungeboren, dauerhaft, todlos, höchstes Glück. Das ist nicht viel bei dieser wortreichen Religion.
Zitat von R.
Während der
jüdisch-christliche diese Welt im Ursprung schuf, seine Schöpfung dann
jedoch dem Menschen zum freien Handeln überließ (auch wenn die vielen
Wundergeschichten im Alten und Neuen Testament dem zu widersprechen
scheinen, es jedoch nicht widerlegen), schöpft Allah diese Welt in jedem
Moment neu, seine Macht ist eine rein diesseitige.
Das halte ich für eine arg verzerrte Sicht. Es stimmt, daß Allah im Islam ein wenig dem ähnelt, was die Christen den Heiligen Geist nennen. Auch viele Christen glauben, daß sich die Welt ohne Gottes ständige Schöpfungstätigkeit keinen Augenblick in der Existenz halten würde. Dieser Gedanke macht Gottes Macht nicht zu etwas Diesseitigem, mir scheint eher im Gegenteil, bekräftigt er die unendliche Überlegenheit Gottes über die Welt.
Zitat von R.
Insofern leugnet der Glaube an die Werkgerechtigkeit, das
heißt an die Belohnung für meine Taten auf Erden die Allmacht Gottes
Das verstehe ich gar nicht. Wenn Gott Belohnung für Taten verspricht, dann werde ich mich doch auf sein Wort verlassen können: das hat doch nichts damit zu tun, ihn zu zwingen.

Der Muslim glaubt nicht, Gott zu etwas zu zwingen, sondern er denkt, er unterwürfe sich seinem Willen. (Glaube ich jedenfalls von den Muslimen.)
Zitat von R.
lässt sich also vielleicht doch behaupten, dass die großen
Verbrechen der Menschheitsgeschichte einschließlich derer der
christlichen Kirchen und der "Gottgläubigen" alle atheistisch zumindest
qua Tat waren, atheistisch, jedoch nicht agnostisch
Dem kann ich nun doch etwas abgewinnen, wenn man an das denkt, was dirk oben über Anmaßung und Bescheidenheit gesagt hat. Im Falle des Unglaubens wäre der Agnostizismus die nichtanmaßende Form und der Welt damit bekömmlicher als der Atheismus.

Gruß,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.04.2009 13:08
#33 Das Bedürfnis nach Religion; Moral ohne Religion Antworten

Zitat von Mick
Braucht die moderne Gesellschaft Religion? Vermutlich, sonst würden Ersatzreligionen wie das Grüne Gewissen oder politische Extreme nicht einen solchen Zuspruch finden.

Ja, es scheint, lieber Mick, ein Bedürfnis nach Religion zu geben. Und es gibt seit Jahrtausenden Versuche, dieses Bedürfnis zu erklären.

Wahrscheinlich hat es viele Wurzeln.

Gemeinsame Riten, gemeinsams Tanzen, Singen, Beten, auch Opfern dient dem sozialen Zusammenhalt, indem es eine gemeinsame Identität schafft. In primitiven Kulturen haben Clans "ihr" jeweiliges Totem; Dörfer und Zünfte haten "ihren" jeweiligen Schutzheiligen. Jahwe war anfangs der Gott des Volks Israel, nicht ein universaler Gott.

Sodann erklärt Religion die Welt. Nicht (nur) in dem trivialen Sinn, daß es Donar ist, der donnert, und Zeus, der die Blitze schleudert. Sondern das Zufällige, das Unbegreifliche im menschlichen Schicksal gewinnt Sinn. In der griechischen Mythologie sitzen die Götter beieinand, haben ihren Zoff miteinander, und jeder steuert dann in seinem Sinn das Schicksal von Menschen. Heute trösten sich Christen mit "Gottes unerforschlichem Ratschluß", die Moslems mit dem Kismet. Inschallah.

Drittens wird Religion als ein Instrument zur Beeinflussung der Welt und des Schicksals eingesetzt. Der Regenmacher tanzt den Regentanz. Man opfert, um die Götter gnädig zu stimmen. Durch Beten versucht man Schlimmes abzuwenden und Gutes zu erreichen. Man schließt regelrechte Verträge mit Gott oder einem Heiligen: Hilfst du mir in dieser und jener Situation, dann spende ich eine Kerze, stifte vielleicht gar eine Kapelle. Die Lektüre von Votivtafeln ist faszinierend.

Und schließlich, lieber Mick, bieten nicht alle, aber doch viele Religionen auch noch den ultimativen Trost an: Daß man nicht wirklich sterben wird. Daß man in anderer Gestalt wiedergeboren wird oder ins Nirwana eingeht, daß man in den Himmel kommt oder schlimmstenfalls in den Hades oder die Hölle - auch das doch noch tröstlich im Vergleich mit der Aussicht, daß die eigene Existenz schlicht endet.



Alle diese Funktionen von Religion haben mit Moral im Grunde wenig zu tun. Aber indem man gemeinsam Riten befolgt, fügt man sich auch der Gemeinschaft ein, paßt sich ihr an. Insofern erzieht Religion zu sozialem Verhalten.

Und dann gibt es das, was keineswegs der Religion als solcher eigen ist, wohl aber unserer jüdisch-christlichen Tradition: Der Gott der Zehn Gebote, der Gott der Propheten.

Was in anderen Kulturen eher menschlichen Gesetzgebern vorbehalten war und zugeschrieben wurde - Solon zum Beispiel bei den Griechen - , namlich Regeln des menschlichen Zusammenlebens zu formulieren, das wird in der jüdischen Religion Gott attribuiert. Christentum und Islam haben das übernommen.

Der Misstäter wird so in unserem Kulturkreis zum Sünder. Ein Gedanke, der zum Beispiel der Antike ganz fremd gewesen ist. Dort war das Intrigenspiel der Götter wahrlich kein Vorbild für moralisches Verhalten. Man wurde erzogen, die Gesetze zu befolgen, weil es die Gesetze waren; nicht aus Achtung oder gar Angst vor den Göttern.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.04.2009 13:30
#34 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

Lieber Dirk,

Zitat von dirk
Die Nazis, die Kommunisten, die Islamisten, alle diese unmoralischen Leute glauben die Weissheit mit dem Löffel gefressen zu haben - sie sind schrecklich anmaßend. Im Glauben besser zu sein und alles besser zu wissen als andere setzen sie sich über die Interessen u d Bedürfnisse anderer Menschen hinweg und handeln unmoralisch. Je anmaßender jemand ist, umso unmoralischer ist er. Das ist zwar kein perfekter Zusammenhang aber eine signifikant positive Korrelation besteht hier zweifellos.

Dem stimme ich zu. Denn Anmaßung bedeutet ja, sich über die allgemeinen Gesetze hinwegzusetzen. Sich diesen zu unterwerfen - oder genauer: dem, was ein allgemeines Gesetz sein könnte -, ist aber der Kern moralischen Verhaltens.
Zitat von dirk
Umgekehrt ist die Korrelation zwischen Anmaßung und Religiösität negativ. Religion im wesentlichen so etwas wie der Glaube an ein transzendentes, allwissendes und allmächtiges Wesen.

Das gilt für die drei Offenbarungsreligionen. Für die meisten Religionen, historische und gegenwärtige, gilt es nicht. Die Götter der Antike, die Götter der Germanen, die Götter auch vieler Hochkulturen waren das nicht. Und sie waren auch nicht von unendlicher Güte. Im Gegenteil, sie waren oft opfergierig, blutdürstig, auf den Menschen lastend. Auch Jahwe/Elohim hatte ja anfangs noch Züge eines zornigen, strafenden Gottes.
Zitat von dirk
Und damit hätten wir einen (statistischen) Zusammenhang gefunden, der auf folgender Kausalkette beruht. Religion -> Bescheidenheit -> Moral

Ein interessanter Gedanke. Ich würde statt Bescheidenheit vielleicht sagen: Unterwerfung unter Gesetze.

Aber - ich habe das gerade in der Antwort an Mick ausgeführt - dies ist eben kein universelles Merkmal von Religion. Es ist ein Spezifikum der jüdisch-christlichen Tradition, daß die Unterwerfung unter Gott, die in allgemeinerer Form (Anerkennung der Macht der Götter) allen Religionen eigen ist, zugleich den Charakter der Unterwerfung unter Gesetze hat.

Herzlich, Zettel

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

14.04.2009 13:39
#35 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

1 Motiv der Moral
Handeln Menschen nur dann, oder jedenfalls überwiegend dann, moralisch, wenn sie dies aus einer religiösen Überzeugung heraus tun?

Bayle und Shaftesbury waren wohl die ersten, die meinten, Atheisten seien nicht besser oder schlechter als die Frommen. Das ist eine empirische Frage, und ich schätze, es gibt Untersuchungen, die zeigen, daß religiöse Menschen mehr moralkonform leben als unreligiöse und auch dem entgegenstehende. (Hier ist ein witziges Beispiel für Letzteres.)

Bei religiösen Menschen ist die Moral vielleicht eher egoistisch motiviert, sie denken an die karmischen Folgen ihres Tuns oder die Reaktion Gottes darauf. Bei Atheisten ist die altruistische Motivation vielleicht höher. (Wenn Menschen sich zum Beispiel für einen Fortschritt einsetzen, dessen Früchte sie nicht selbst genießen werden, was der Katholik str1977 unverständlich findet, doch für die meisten Atheisten ganz normal sein dürfte.)

Da nun altruistische Motive i.a. etwas schwächer als die egoistischen sein dürften, wäre eine höhere Moralfolgsamkeit der Religiösen zu erwarten. Andererseits ist es edler, wenn ein Atheist Gutes tut um anderer willen, als wenn ein Religiosus es um seines eigenes Heiles willen tut.

Eine andere Unterscheidung wäre die zwischen einer Moral der Bravheit mit Werten wie Friedfertigkeit, Duldsamkeit, Hilfsbereitschaft, Solidarität und einer Moral der Unabhängigkeit mit Werten wie Mut, Festigkeit des Charakters, Verläßlichkeit, Aufrichtigkeit.

Die Religion stärkt den Einzelnen gegenüber der Gesellschaft, ja kehrt das Machtverhältnis sogar um: nach säkularen Gesichtspunkten lebt der Mensch höchstens einige Jahrzehnte und ist dann für immer weg, während die Gesellschaften viele Jahrhunderte überdauern - die Gesellschaft ist das unvergleichlich größere Gebilde. Nimmt man jedoch die Unsterblichkeit des Einzelnen an, sieht es genau umgekehrt aus: das Leben in der Gesellschaft ist nicht mehr als eine rasch vorbeiziehende Episode im Leben des Einzelnen.

Der Atheist kommt dagegen nicht so weit weg von seiner Gesellschaft, von seiner Herkunft, seiner Umgebung, seinem Zeitalter. Er klebt mit seiner ganzen Existenz an diesen Dingen. Der gläubige Individualist hingegen wendet sich gelassen zur Welt: "Mich gibts immer noch, lange nachdem euer Narrenhaus vergessen ist." Das macht ihn selbständiger gegenüber den Zumutungen seiner Umgebung.

Dem unterschiedlichen Gewicht entsprechend, den der Einzelne und die Gesellschaft haben, mag der Unsterblichkeitsglaube die Moral der Unabhängigkeit stärken, während der Atheismus ihn mehr auf die Bravheit verweist. (Insofern könnte das, was hier kürzlich als Feminisierung der Schule diskutiert wurde, auch Atheismisierung sein.) Das sollte man mal empirisch untersuchen!


2 Begründung der Moral
Liefert nur die Religion eine feste Basis dafür, verbindliche moralische Regeln aufzustellen? Oder läßt sich Moral auch allein aus der Vernunft heraus begründen; etwa aus dem Kategorischen Imperativ?

Die beste Begründung der Moral ist ihre Universalität. Die einfachen Regeln sind ja kaum umstritten. Die meisten Menschen halten zum Beispiel Lügen für grundsätzlich unmoralisch, erkennen aber Ausnahmen an; im Einzelfall mag dann umstritten sein, ob die Regel oder die Ausnahme vorliegt, aber im Großen und Ganzen herrscht Einigkeit über das Lügen, und zwar weitgehend unabhängig von der Kultur, der Ideologie, der Nation, der Weltanschauung.

Es gibt jedoch bekanntlich keine Einigkeit über die Moralbegründung. Religiös oder nicht, utilitaristisch (akt- oder regelutilitaristisch?) oder deontologisch, oder womöglich Rawlsianisch? Dann die Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionen und Strömungen innerhalb der Religionen und Atheismen. Lauter verschiedene, einander widersprechende und ausschließende Begründungen! Doch begründet wird stets im Wesentlichen die gleiche Moral.

Ich komme daher zu folgendem Syllogismus:

r impliziert m
non-r impliziert m
Ergo: m

Für r setzen Sie irgendeine Religion ein, für m die weltweit üblichen Moralregeln.

Auf diese Weise wird die Moral nicht aus irgendwelchen Voraussetzungen begründet, sondern sie wird im absoluten Sinne bewiesen.

Ihre Gültigkeit hängt also nicht von einer bestimmten religiösen oder nichtreligiösen Begründung ab, sondern vom Vorhandensein verschiedener Begründungen. Die sind also keineswegs überflüssig. Daher dürfen die Religiösen den Atheisten dankbar sein, daß auch diese eine Moralbegründung haben so wie die Atheisten den Religiösen auch für deren Begründung.

Hieran schließt sich eine weitere Betrachtung an. Die moralischen Vorschriften dienen ihrem Inhalt nach dem friedlichen Miteinander der Menschen. Wo nicht getötet, geraubt, gelogen wird, gibt es wenig Konflikte. Die Übereinstimmung der moralischen Sätze in allen Kulturen passt zu diesem Zweck bestens: es gibt keinen Konflikt zwischen den grundsätzlichen Werten. Die weit divergierenden Begründungen dagegen stiften Uneinigkeit und damit Unfrieden. In diesem Sinne kann man sagen, daß die Moralbegründungen die Moral untergraben, und somit wäre die Forderung angebracht: "Du sollst die Moral nicht begründen". Daran halte ich mich.


3 Entstehung
Wie steht es mit den evolutionären Wurzeln moralischen Verhaltens? Stimmt es überhaupt, daß Menschen ihrer biologischen Natur nach dazu neigen, sich schlecht und böse zu verhalten, und daß sie erst durch den Zwang der Moral, oder eben sogar erst durch denjenigen der Religion, auf den Weg des Guten gelenkt werden?

Gut und böse sind keine biologischen Kategorien. Menschen verhalten sich ihrer biologischen Natur entsprechend. Manches mag dann in den Gemeinschaften Mißbilligung gefunden haben, und aus der abstrakten Fassung der Mißbilligung in Form moralischer Regeln mögen durch eine weitere Abstraktion die Konzepte gut und böse hervorgegangen sein.

Das ist vergleichbar dem juristischen Verbotsirrtum. Gut oder böse handeln kann man nur in Kenntnis der moralischen Bewertung, also nicht einfach von Natur. Dennoch wurde bei der Moralentstehung natürliches Verhalten bewertet, nachträglich zu gutem oder bösem erklärt.

Ob die Moral das Verhalten lenkt oder nur das Gewissen beunruhigt, wäre eine weitere Frage, die ich nicht beantworten kann.


Gruß,
Kallias

Robert Z. Offline



Beiträge: 146

14.04.2009 13:43
#36 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
Umgekehrt ist die Korrelation zwischen Anmaßung und Religiösität negativ. Religion im wesentlichen so etwas wie der Glaube an ein transzendentes, allwissendes und allmächtiges Wesen. Wenn es aber ein solches gibt, kann es im Umkehrschluss nur heissen, dass der Mensch als irdisches Wesen weder allwissend noch allmächtig ist. Der Glaube ist also eine Akt der Bescheidenheit.


Ich finde die Behauptung, nach dem Ebenbild des allmächtigen, allwissenden, allgütigen Schöpfers des Universums erschaffen und von ihm geliebt und beobachtet (incl. Gedankenlesen) zu werden eher unbescheiden. Und tatsächlich empfinden ja gerade tiefgläubige Menschen die Behauptung, von Tieren abzustammen und Zufällen ausgeliefert zu sein, der 'Krone der Schöpfung' (also sich selber) für unwürdig.

Die unsinnige Behauptung "ohne Glaube kann man keine Moral haben" (sinngemäß Mixa et al.) wird nur durch die ebenso unsinnige Behauptung "ohne Glaube keine Einsicht, nicht allmächtig und allwissend zu sein" ersetzt.

In Antwort auf:
Und damit hätten wir einen (statistischen) Zusammenhang gefunden, der auf folgender Kausalkette beruht. Religion -> Bescheidenheit -> Moral


Statistische Zusammenhänge (zumindest die Korrelation, nicht so leicht die Kausalität) dürften sich statistisch nachweisen lassen. Wenn religiöse Menschen moralischer sind, dann dürften sie doch z.B. in Gefängnissen unterrepräsentiert sein. Man zeige mir bitte diese Statistik.

Robert Z. Offline



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14.04.2009 13:56
#37 RE: War das Nazireich atheistisch? Antworten

In Antwort auf:
[...] Im Sinne Mixas war das Dritte Reich atheistisch bzw. gottlos. [...] Mixa spricht nicht von deklariertem Atheismus sondern von praktiziertem. [...]


Das ist doch nichts anderes als der "Fehlschluss vom wahren Schotten" (http://de.wikipedia.org/wiki/Kein_wahrer_Schotte). Im Dritten Reich schworen alle auf Gott, nannten sich Christen, hatten "Gott mit uns" auf der Koppel stehen. Mit dem Zentrum und den Kirchen wurde fröhlich paktiert. Atheisten wurden aus der NSDAP oder aus der SS ausgeschlossen. Aber da die Taten der Nazis von Herrn Mixa nicht gebilligt werden können sie natürlich keine "wahren Christen" gewesen sein. Also waren sie Atheisten. Und morgen erzählt uns Herr Mixa, daß die Hexenverfolgung atheistisch war. Schließlich, kein "wahrer Christ"...

Robert Z. Offline



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14.04.2009 14:10
#38 RE: Versuch eines kontrafaktischen Arguments Antworten

In Antwort auf:
Da drängt sich mir die Frage auf: Wie ist das denn nun mit dem Atheismus bzw. dem Agnostikertum? Ist es nun eine definierte Bewegung mit bestimmten, definierten Inhalten und kann man dann aus diesen Inhalten Schlußfolgerung ziehen? Oder ist es nur ein Sammelbegriff, bei dem das nicht geht (so wie etwa umgekehrt: Religiöse). Ist es nur ein Sammelbegriff, wie kann sich dann davon angesprochen fühlen?


Atheist zu sein bedeutet nicht an Gott oder Götter zu glauben. Agnostiker zu sein bedeutet, nicht zu wissen, ob ein Gott oder Götter existieren. Die beiden Konzepte schließen sich übrigens nicht gegenseitig aus, auch wenn dies im Zuge einer "divide et impera"-Strategie oft behauptet wird. Außer über die Position zu Gott oder Göttern sagen die Termini nichts aus, insofern handelt es sich um eine in anderen Fragen heterogene Gruppe von Menschen. Unterscheidet sich der Atheismus in dieser Hinsicht von anderen Konzepten wie dem Katholizismus, der Nationalität, dem Geschlecht oder der Glatzköpfigkeit? Würden Sie sich auch fragen, weshalb Menschen sich angesprochen und diffamiert fühlen können (z.B. "Deutsche sind unmoralisch", "Katholiken sind Heuchler", "Glatzköpfe sind impotent", "Frauen können nicht abstrakt denken" oder was auch immer), wenn über diese Konzepte gesprochen wird?

In Antwort auf:
Ich halte es für zunehmend grenzwertig, daß grade Atheisten gerne hin und her changieren, je nachdem wie es gerade paßt.


Kein Atheist changiert, denn die Zugehörigkeit zu einer heterogenen Gruppe, die keine definierte Bewegung ist, reicht aus, um sich angesprochen zu fühlen. Vielmehr changiert Mixa, wenn er selbsterklärte Christen in Atheisten umdeutet, weil sie natürlich keine "wahren Christen" gewesen sein können, also gottlos, also Atheisten gewesen sein müssen.

Robert Z. Offline



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14.04.2009 14:35
#39 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
In fast allen bisherigen Gesellschaften haben diese Grundregeln letzten Endes eine religiöse Basis.


Das beweist nichts. In manchen Regionen Deutschlands sagt man zur Begrüßung "Grüß Gott". Niemand würde auf die Idee kommen, daß wir die Begrüßungsrituale Gott oder dem Christentum zu verdanken haben. Die Religion hat früher das Leben dominiert, somit ist es verständlich, daß praktisch jeder Lebensbereich auch religiös durchdrungen wurde. So wurde Machtausübung mit dem Gottesgnadentum legitimiert. Darüber sind wir heute weg.

In Antwort auf:
So sind die Moralvorstellungen der westlichen Kultur eng mit dem Christentum verbunden.


Aber ist damit das Christentum Ursprung dieser Moral? Ist es nicht auffällig, daß die meisten Gesellschaften und Religionen im Kern dieselbe Ethik vertreten (nicht morden, nicht stehlen, nicht lügen,...)? Der Eindruck, daß unsere Moral religiös fundiert ist, wird auch durch selektives Lesen und selektives Uminterpretieren von heiligen Büchern unterstützt. Tatsächlich haben die Menschen schon eine Moralvorstellung, bevor sie z.B. in der Bibel nachlesen. Dann wird das passende Zitat gesucht.

In Antwort auf:
Bislang prägt das Christentum aber auch in diesen Gesellschaften noch die grundlegenden Wertvorstellungen, selbst bei den wenigen überzeugten Atheisten (wie mir).


Wie würden sich Ihre Wertvorstellungen ändern, wenn sie hinduistisch, jüdisch, buddistisch begründet wären?

In Antwort auf:
[...] Ersatzreligionen im Vormarsch. Ich denke vor allem an den Umweltfanatismus und das "Gutmenschentum", was natürlich ein großes eigenes Diskussionsthema wäre. Mir ist das Christentum in seinen verschiedenen Varianten, vor allem im Protestantismus, jedenfalls lieber [...]


Der These, daß jeder an irgendwas "glauben" muß ("glauben" in dem Sinn "ohne Belege unbegründet für wahr halten") kann ich nicht zustimmen. Atheisten müssen nicht automatisch irgendeiner nicht-religiösen, dogmatischen, totalitären Ideologie als Religionsersatz anhängen.

In Antwort auf:
In diesem Sinne beantworte ich die Frage "Braucht Moral die Religion?" mit Ja. Ein einzelner Mensch muss nicht unbedingt religiös sein, um moralisch zu handeln, aber er muss kulturellen Regeln folgen, die fast immer ganz wesentlich religös geprägt sind. Der Verstand alleine sagt uns Menschen eben nur, wie wir bestimmte Ziele erreichen können. Werte stehen auf einem anderen Blatt.


Auch Werte können mit dem Verstand erschlossen werden. Menschen bevorzugen, nicht ermordet oder ausgeraubt zu werden. Sie sehen ein, daß eine Gesellschaft nur nach Kants Imperativ funktionieren kann. Also gründen sie eine Gesellschaft, die dieser Maxime und den aus ihr herleitbaren Regeln folgt. Ein Rückgriff auf etwas transzendentes, gar göttliches, ist unnötig.

In Antwort auf:
Die Ratio kann im Prinzip auch erklären, wie die Werte und die mit ihnen verbundenen religiösen Vorstellungen entstanden sind. Werte werden aber in aller Regel durch Erziehung und Nachahmung weitergegeben, nicht durch rationale Überlegung einzelner reproduziert.


Das ist ein Argument für Erziehung und vorbildhaftes Verhalten, nicht für Religion. Sonst müsste das Jugendamt Atheisten wohl die Kinder wegnehmen. Ist das Ihre Auffassung?

In Antwort auf:
Der großartige amerikanische Kapitän Richard Phillips, dessen Befreiung für mich die größte österliche Freude war, hat nicht nur aus rationalen Erwägungen seinen Kopf für seine Mannschaft hingehalten. Ohne den christlichen Hintergrund der Gesellschaft, die ihn geprägt hat, wäre sein Verhalten kaum denkbar.


Es mag das für sich wohl religiös begründet haben. Die Behauptung, Atheisten wären nicht aus Nächstenliebe zu aufopferungsvollem Verhalten fähig, wie Sie sie implizieren, ist jedenfalls eine weitere Unverschämtheit von Mixa-Niveau.

In Antwort auf:
Ich würde die Frage "Braucht Moral die Religion?" noch in einem weiteren Sinne bejahen, den Zettel vielleicht gar nicht gemeint hat. Religion bestimmt bisher nicht nur die Regeln des Verhaltens gegenüber unseren Mitmenschen, sondern auch alle anderen gesellschaftlichen Werte. Die Arbeitsmoral und der Lerneifer, der Wille, die Welt zu gestalten, oder die Tendenz, sich nur treiben zu lassen - all das ist letzten Endes religiös geprägt und darum in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich entwickelt.


Was wir den Christentum so alles zu verdanken haben. Während die nichtchristlichen Spanier ausgiebig Siesta machen, arbeiten die fleißigen, christlichen Japaner bekanntlich wie verrückt...

Robert Z. Offline



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14.04.2009 14:51
#40 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
Mit Mixas Predigt bzw. den Ausführungen darin sehe ich keinerlei Problem. Kern ist doch die Feststellung, dass die massenmörderischen Regimes des 20. Jahrhunderts von Hitler über Stalin zu Mao und Pol Pot und wen es noch so gab eben durch atheistische und geradezu antitheistische Regimes waren.


Die Behauptung ist aber schlicht falsch, was Hitler und das Dritte Reich betrifft.

Die Behauptung ist bedeutungslos, was Stalin, Mao und Pol Pot betrifft. Diese Leute hingen einer totalitären, menschenverachtenden Ideologie an, die auch atheistisch war. Der Atheismus war aber nicht der Grund für die Greueltaten.

In Antwort auf:
Alle diese Massenmörder und ihre Handlanger haben sich von christlichen, humanen, religiösen Vorstellungen jeder Art gelöst, da weder ihre Taten weder mit dem Christentum allgemein noch dem katholischen Christentum im Speziellen vereinbar sind.


Hitler (und vermutlich auch Kreuzügler, Hexenverbenner, Inquisitoren,...) haben also nicht so gehandelt, wie ein Christ das ihres Erachtens tun sollte. Also waren das alles Atheisten! Eine bestechende Logik.

In Antwort auf:

Dabei haben die genannten und weitere Regimes durchweg insbesondere das Christentum als Gegner angesehen und verfolgt - das gilt im übrigen auch für Hitler, der die "Abrechnung" mit der kath. Kirche für die Zeit nach dem "Endsieg" schon fest eingeplant hatte.


Für die Zwischenzeit ließ er Atheisten aus Naziorganisationen entfernen und in KZs bringen, während er "Gott mit uns" auf Koppelschlösser prägen und auf Gott schwören lies. Die Behauptung, das Christentum sei als Gegner angesehen und verfolgt worden, ist schlicht eine Geschichtsfälschung.

In Antwort auf:
Eine formelle Kirchenmitgliedschaft wie etwa im Falle Hitlers ist hier im übrigen irrelevant, da es auf der Hand liegt, dass etwa Hitler durch seine Ideologie und mehr noch sein Handeln außerhalb jedes christlichen und sonstigen humanen Moralkonsens' steht.


Anders als Atheisten, natürlich. Also war Hitler wohl das...

In Antwort auf:

Mixa sagt "alle Massenmörder sind Atheisten" - nicht "alle Atheisten sind Massenmörder".



Eine der "kein-echter-Schotte"-Logik folgende ex-Post-Feststellung, die natürlich keinen hetzerischen oder beleidigenden Beiklang hat...

In Antwort auf:

Moral ohne Religion: Ja in dem Sinne, dass jemand moralisch handeln kann, der sich als keiner Religion zugehörig betrachtet, sich als Atheisten oder Agnostiker sieht; nein in dem Sinne, dass unsere westlichen Moralvorstellungen auf dem jüdisch-christlichen Erbe beruhen.



Unsere Moralvorstellungen beruhen nur insofern darauf, daß dies die historische Entwicklung war. Das impliziert nicht, daß es notwendigerweise so sein muß. Inzwischen sind so viele Gebote uminterpretiert worden oder werden komplett ignoriert, daß man auch auf einem weißen Blatt Papier anfangen könnte.

In Antwort auf:

Als Historiker noch zu Deschner: Nur bei Erwähnung dieses "Historikers" rollen sich mir die Fußnägel auf.



Nehmen Sie es mir nicht übel, aber mir rollen sich bei der Vorstellung, daß SIE Historiker sind, die Fußnägel auf. Zu behaupten, das Dritte Reich sei atheistisch gewesen ist eine grandiose Geschichtsfälschung.

Robert Z. Offline



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14.04.2009 14:55
#41 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
Das Gute, das ich selbst nicht erleben kann, ist mir egal.


Die "Moral" eines Christen auf den Punkt gebracht. Die "Nächstenliebe" der Christen ist purer Egoismus, um in den Himmel zu kommen. "Warum noch moralisch handeln, wenn es keine Belohnung dafür gibt? Darum müssen Atheisten unmoralisch sein".

Robert Z. Offline



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14.04.2009 15:09
#42 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
sondern eben zuerst einmal gegen den aggressiven Atheismus wie ihn Leute wie Dawkins & Co. repräsentieren.


Also wird nur Dawkins & Co. in einen Zusammenhang mit den Nazis gebracht? Na dann gehts ja...

In Antwort auf:
der aggressive Atheismus trägt auf jeden Fall zur Entzivilisierung bei, denn er reißt ja (mit unlauteren Gründen) Elemente ein ohne in der Lage zu sein, Alternativen anbieten.


Dawkins argumentiert und diskutiert. Er ist in dem Sinne "aggresiv", daß er eine Meinung sagt. Daran ist nichts "unlauter" oder "trägt in jedem Fall zur Entzivilisierung bei". Eine Alternative wird auch angeboten: ein Weltbild, daß auf übernatürliches und transzendetes verzichtet. Wieso sollte das keine Alternative sein? Weil kein dogmatischer Wahrheitsanspruch postuliert wird?

In Antwort auf:
der "praktizierte Atheismus" hängt überhaupt nicht daran, ob man sich für religiös hält. Auch ein gläubiger Mörder handelt als es gäbe es Gott nicht, praktiziert in diesem Moment diesen Atheismus. Sie müssen diese theologische Überlegung natürlich nicht übernehmen, aber sie zu leugnen oder zu ignorieren geht nicht an.


Behauptung: Alle Verbrecher sind Atheisten. Beweis: Nur ein Atheist kann ein Verbrechen begehen. Das stellen Sie sich als "lautere Argumentation" vor? Aber Dawkins argumentiert unlauter?

In Antwort auf:
Alle Untaten (teilweise auch nur vermeintliche), die jemals von Angehörigen von bestimmten Religionen angerichtet wurde, diesen Religion zu Füßen zu legen (ohne auch nur ansatzweise einen Zusammenhang zu belegen), die modernen Ideologien aber teilweise zu exkulpieren, indem man jeweils ein Element für nicht zuständig erklärt: Daß der Marxismus-Kommunismus eine atheistische Ideologie ist, ist natürlich vööööllig ohne Belang für seine Untaten. (Und über die Motivation, warum Kommunisten Kommunisten geworden sind und ob dabei Atheismus eine Rolle gespielt hat, so ausschließend zu spekulieren, ist nun überhaupt nicht haltbar.)


Kreuzzüge, Hexenverbrennung, Inquisition oder islamistischen Terrorismus mit Religionen in Verbindung zu bringen ist also "nichtmal ansatzweise belegt"? Das Kommunismus durch Atheismus begründet ist aber schon?

In Antwort auf:
Der Nationalsozialismus ist zwar nicht atheistisch, aber dezidiert antichristlich


Nein. Das ist einfach völliger Unsinn. Es gab keine systematische Verfolgung von Christen oder ähnliches.

In Antwort auf:
und enthält ein gutes Stück Darwinismus in sich. Dessen Exkulpierung ist hier von Ihnen nicht betrieben worden, aber gerade im Darwin-Jahr hört man dies hin und wieder. Und wiederum, für den Mixa'schen "praktizierten Atheismus" paßt gerade der Nationalsozialismus wunderbar.)


Au weia... Also ist Darwin, der nur die Realität wissenschaftlich beschrieben hat, nicht nur für den Missbrauch seines Names, sondern für den Nationalsozialismus verantwortlich? Ob solcher Thesen fehlen mir die Worte.

Robert Z. Offline



Beiträge: 146

14.04.2009 15:22
#43 RE: Ein Kommentar von R. Antworten

In Antwort auf:
Dieser sehr lesenswerte Kommentar erreichte mich per Email:


"Sehr lesenswert"???

In Antwort auf:

Wenn man diese Frage also nicht rein historisch, sondern strukturell
auffasst, lässt sich also vielleicht doch behaupten, dass die großen
Verbrechen der Menschheistgeschichte einschließlich derer der
christlichen Kirchen und der "Gottgläubigen" alle atheistisch zumindest
qua Tat waren, atheistisch, jedoch nicht agnostisch.


Also definieren wir einfach, daß jeder große Verbrecher ein Atheist ist, egal was er ist. "Atheist" ist also ein Synonym für Verbrecher? Schreiben Sie das mal und tauschen sie "atheistisch" gegen "jüdisch" aus (Argumentation könnte dann der Gottesmord sein, irgendwie ja der Radikalatheismus überhaupt, oder?), warten sie, bis sie der Brief bezüglich ihrer Stafsache zu § 130 StGB erreicht.

In Antwort auf:

PS: Ich denke schon, dass der Atheismus für die marxistische wie für die
nationalsozialistische Ideologie wesentlich ist



Die nationalsozialistische Ideologie war nichtmal atheistisch, wie kann das atheistisch-sein dan sogar wesentlich sein?

Hajo Offline



Beiträge: 440

14.04.2009 15:25
#44 RE: Ein Kommentar von R. Antworten

Mit großem Interesse gelesen. Danke.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

14.04.2009 16:30
#45 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
Die Behauptung ist aber schlicht falsch, was Hitler und das Dritte Reich betrifft.


Sie werden kaum behaupten wollen, das NS-Regime sei ein christliches oder gar religiöses Regime gewesen. Entartungen wie die "Deutschen Christen" können war getrost außen vor lassen.

In Antwort auf:
Die Behauptung ist bedeutungslos, was Stalin, Mao und Pol Pot betrifft. Diese Leute hingen einer totalitären, menschenverachtenden Ideologie an, die auch atheistisch war. Der Atheismus war aber nicht der Grund für die Greueltaten.


Nicht der Grund für die Greueltaten, aber auch nicht davon zu trennen. Ein von christlichen Glaubensgrundsätzen durchdrungener Mensch hätte die Verbrechen Stalins nicht begangen.

In Antwort auf:
Hitler (und vermutlich auch Kreuzzügler, Hexenverbrenner, Inquisitoren,...) haben also nicht so gehandelt, wie ein Christ das ihres Erachtens tun sollte. Also waren das alles Atheisten! Eine bestechende Logik.


Hitler und "Kreuzzügler, Hexenverbrenner, Inquisitoren" sollte man wohl nicht in einen Topf werfen. Wenn wir bei Hitler bleiben: Wollen Sie behaupten, Hitler hat gehandelt wie jemand, der sich einem Gott, der sich im christlichen Sinne als Vater aller Menschen versteht, Rechenschaft schuldig ist?

In Antwort auf:
Für die Zwischenzeit ließ er Atheisten aus Naziorganisationen entfernen und in KZs bringen, während er "Gott mit uns" auf Koppelschlösser prägen und auf Gott schwören lies. Die Behauptung, das Christentum sei als Gegner angesehen und verfolgt worden, ist schlicht eine Geschichtsfälschung.


Machen Sie mal halblang. SS-Anwärtern wurde nahegelegt, aus der Kirche auszutreten. Die "deutschen Christen" waren hinreichend gleichgeschaltet, was die katholische Kirche mit ihrem - aus Hitlers Sicht - Oppositionspotential (siehe v. Galen u.a.) angeht, wollte man während des Krieges Ruhe an der Heimatfront, hatte aber die "Abrechnung" in der Zeit nach dem Endsieg schon geplant. Die entsprechenden Äußerungen von Hitler et al. sind dokumentiert.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.04.2009 18:57
#46 Ebenbild Gottes Antworten

Zitat von Robert Z.
Ich finde die Behauptung, nach dem Ebenbild des allmächtigen, allwissenden, allgütigen Schöpfers des Universums erschaffen und von ihm geliebt und beobachtet (incl. Gedankenlesen) zu werden eher unbescheiden.

Dazu passend ein Kalenderspruch, aus dem "Raben-Kalender" am 6. April, der mir vor ein paar Tagen vor die Tür meines Arbeitszimmers geflattert ist:
Zitat von Johann Nestroy
Der Mensch ist das Wesen, welches die oberste Stufe in der sichtbaren Schöpfung einnimmt, welcher sich sogar für das Ebenbild Gottes ausgibt, worüber sich jedoch Gott nicht sehr geschmeichelt fühlen dürfte.

Robert Z. Offline



Beiträge: 146

14.04.2009 19:06
#47 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

In Antwort auf:
Sie werden kaum behaupten wollen, das NS-Regime sei ein christliches oder gar religiöses Regime gewesen. Entartungen wie die "Deutschen Christen" können war getrost außen vor lassen.


Das Regime war nach ihren Maßstäben nicht christlich, also war es atheistisch?

In Antwort auf:
Hitler und "Kreuzzügler, Hexenverbrenner, Inquisitoren" sollte man wohl nicht in einen Topf werfen.


Insbesondere sollte man Hitler und Atheismus nicht in einen Topf werfen. Aber der hier präsentierten Logik zufolge müssen doch auch Kreuzzügler, Hexenverbrenner, Inquisitoren in Wahrheit Atheisten gewesen sein, schließlich war ihr Handeln so "unchristlich"...

In Antwort auf:
Wollen Sie behaupten, Hitler hat gehandelt wie jemand, der sich einem Gott, der sich im christlichen Sinne als Vater aller Menschen versteht, Rechenschaft schuldig ist?


Nein, natürlich nicht. Nur ein Atheist könnte jemals etwas böses tun, und darum sind alle böse Menschen Atheisten... Zirkuläre Argumentation funktioniert weil zirkuläre Argumentation funktioniert.

In Antwort auf:
Machen Sie mal halblang. SS-Anwärtern wurde nahegelegt, aus der Kirche auszutreten.


Lassen wir Heinrich Himmler sprechen:

In Antwort auf:

Zu ein paar Problemen darf ich nunmehr Stellung nehmen. Zum ersten. In einem Büchlein,
das „50 Fragen und Antworten für den SS-Mann“ überschrieben ist, steht als erste
Frage: „Wie lautet dein Eid?“
Die Antwort ist: „Wir schwören dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler
des Deutschen Reiches Treue und Tapferkeit. Wir geloben dir und den von dir
bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr uns Gott helfe !“
Die zweite Frage lautet: „Also glaubst Du an einen Gott ?“
Die Antwort lautet: „Ja, ich glaube an einen Herrgott. “
Die dritte Frage lautet: „Was hältst Du von einem Menschen, der an keinen Gott
glaubt? “
Die Antwort lautet: „Ich halte ihn für überheblich, größenwahnsinnig und
dumm; er ist nicht für uns geeignet. “

Ich habe Ihnen diese drei Fragen und Antworten mitgeteilt, um damit eindeutig unsere
Stellung zur Religion darzutun. Seien Sie überzeugt, wir wären nicht fähig dieses
zusammengeschworene Korps zu sein, wenn wir nicht die Überzeugung und den Glauben an
einen Herrgott hätten, der über uns steht,[...]Glauben Sie, Menschen mit dieser Überzeugung sind alles
andere als Atheisten.


aus: Die Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.04.2009 19:22
#48 Ist der Mensch vom Wesen her ein Mitläufer? Antworten

Zitat von Kaa
Menschen wachsen in Gemeinschaft heran und Menschen leben aus der Gemeinschaft heraus. Inwieweit einzelne Erwachsene aus sich heraus ihr Tun gründen, will ich nicht wägen - ich bin mir sicher, es sind zahlenmäßig sehr wenige. Und ich bin mir sicher, diese entsprechen nicht dem normalen Bauplan des Menschen.

Was die Moral trägt, ist in der Basis nicht die Überzeugung. Die Überzeugung wird von dem angenommenen, zumeist beobachteten, zuerst gelernten gemeinschaftlichen Wertekonsens der anderen getragen. Aus diesem gleichen Grund habe ich auch Einwände gegen Nolas neuen Avatar: "Die wahre Verantwortung trägt der Mitläufer in jedem von uns." Der Mensch ist vom Wesen her ein Mitläufer. Wir sind als Mitläufer konzipiert.

Wir sind es, liebe Kaa, insofern wir soziale Wesen sind; wie du hat Aristoteles den Menschen als zoon politikón, als Gemeinschaftswesen, definiert. Wir sind es biologisch, denn wir stammen von Primaten abv, die in Horden gelebt haben.

Wir sind es aber andererseits nicht, insofern wir Selbstdenker sind. Auch das sind wir biologisch, weil wir in den vergangenen sechs Millionen Jahren ein Gehirn etwickelt haben, das uns die Reflexion über die Welt und über uns selbst erlaubt. Also auch die Reflexion darüber, ob das, was die Gemeinschaft tut, richtig ist.



Das ist eine erstaunliche Phase der Evolution gewesen. Es entstanden kognitive Kapazitäten, die auf den ersten Blick weit über das hinausgehen, was man zum Überleben in einer Primatenhorde braucht.

Aber die Besonderheit in der Evolution der Hominiden und später des Homo Sapiens war es halt, daß diese Wesen es schafften, in Umgebungen zu überleben, in denen sie eigentlich eine Nullchance hatten. Erst, als baumbewohnende, überwiegend von Früchten im Regenwald lebende Brachiatoren sich als Jäger in der Savanne behaupten mußten. Dann noch einmal, als der Homo Sapiens, der an subtropische Temperaturen angepaßt war, sich in den Eiszeiten behaupten mußte.

Beides eigentlich gar nicht möglich. Beides doch möglich geworden durch die Evolution eines so großen, so leistungsfähigen Gehirns, daß dieses am Ende bei der Geburt nicht mehr durch den Geburtskanal gepaßt hätte, wenn nicht in einer anderen evolutionären Entwicklung der Mensch noch als Embryo geboren werden würde. Was wiederum eine jahrelange Aufzuchtzeit bedeutet; eine weitere gewaltige Herausforderung.



Das alles hat zu einem in der Evolution singulären Produkt geführt: Einem Wesen, das kein Mitläufer mehr ist; jedenfalls das nicht sein muß. Es hat dann noch Jahrtausende kultureller Evolution gebraucht, bis das so ausgestattete Wesen so weit war, auch über Moral nachzudenken. Wann das Nachdenken begann, wissen wir naturgemäß nicht. Seinen schriftlichen Niederschlag hat es in den ersten Büchern des AT gefunden, also vor rund 3000 Jahren; voll entwickelt dann vor rund 2500 Jahren mit dem Auftreten der ersten Philosophen.

Seither sind wir der Chance, aber auch der Last unterworfen, selbst entscheiden zu müssen, was richtig und was falsch ist. Wir haben vom Baum der Erkenntnis gegessen; ob wir es wollen oder nicht.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

14.04.2009 20:32
#49 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

@Robert Z.

Zitat von Robert Z.

Ich finde die Behauptung, nach dem Ebenbild des allmächtigen, allwissenden, allgütigen Schöpfers des Universums erschaffen und von ihm geliebt und beobachtet (incl. Gedankenlesen) zu werden eher unbescheiden.
Naja, der Schöpfer hat oder habe ja nicht nur den Menschen geschaffen sondern auch die Tiere. Vor allem aber hat er auch die anderen Menschen geschaffen. In Anbetracht eines gigantischen Chefs erscheinen die Hierarchien unter den anderen ziemlich flach.
In Antwort auf:

Die unsinnige Behauptung "ohne Glaube kann man keine Moral haben" (sinngemäß Mixa et al.) wird nur durch die ebenso unsinnige Behauptung "ohne Glaube keine Einsicht, nicht allmächtig und allwissend zu sein" ersetzt.


Das habe ich nicht gesagt. Der Glaube entspricht der Einsicht nicht allmächtig und allwissend zu sein. Über den Nichtglauben ist damit nichts gesagt.
In Antwort auf:

Statistische Zusammenhänge (zumindest die Korrelation, nicht so leicht die Kausalität) dürften sich statistisch nachweisen lassen. Wenn religiöse Menschen moralischer sind, dann dürften sie doch z.B. in Gefängnissen unterrepräsentiert sein. Man zeige mir bitte diese Statistik.


Das wäre wirklich interessant zu erfahren. Wobei es oben um die großen totalitären Weltanschentwürfe ging und weniger um die Kriminalität "im Kleinen".

dirk Offline



Beiträge: 1.538

14.04.2009 20:50
#50 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion? Antworten

@Zettel

Zitat von Zettel

Dem stimme ich zu. Denn Anmaßung bedeutet ja, sich über die allgemeinen Gesetze hinwegzusetzen. Sich diesen zu unterwerfen - oder genauer: dem, was ein allgemeines Gesetz sein könnte -, ist aber der Kern moralischen Verhaltens.


Also Religion - > Geübtsein im Einhalten von Gesetzen - > moralisches Verhalten. Das hiesse aber, dass religiöse Menschen genauso totalitäre Vorstellungen haben wie Atheisten aber sie nicht "ausleben", weil sie im Einhalten von Gesetzen geübt sind. Reduziert das nicht die Religion zu stark? Geht da im ersten Schritt nicht zuviel Information verloren? Etwa, dass religiösität (vermutlich) mit so etwas wie Demut korreliert?

In Antwort auf:
Und sie waren auch nicht von unendlicher Güte. Im Gegenteil, sie waren oft opfergierig, blutdürstig, auf den Menschen lastend. Auch Jahwe/Elohim hatte ja anfangs noch Züge eines zornigen, strafenden Gottes.


Ob gütig oder nicht ist ja egal. Hauptsache das ist jemand, der mir (und anderen) überlegen ist und dem man sich unterordnet.

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