es fehlt mir leider die Zeit, auf alle Ihre Einwände einzugehen. Ich belasse bei einem Punkt, der mir besonders wichtig ist:
"Ist es nicht auffällig, daß die meisten Gesellschaften und Religionen im Kern dieselbe Ethik vertreten (nicht morden, nicht stehlen, nicht lügen,...)? Der Eindruck, daß unsere Moral religiös fundiert ist, wird auch durch selektives Lesen und selektives Uminterpretieren von heiligen Büchern unterstützt. Tatsächlich haben die Menschen schon eine Moralvorstellung, bevor sie z.B. in der Bibel nachlesen."
Ich stimme Ihnen zu, dass es Gemeinsamkeiten zwischen den bedeutendsten Wertesystemen der Gegenwart gibt. Gott sei Dank, sonst wäre eine Verständigung ja ganz unmöglich. "Im Kern dieselbe Ethik" haben sie aber deshalb noch lange nicht. Die auffälligste Besonderheit des Christentums im Vergleich zu anderen Religionen ist meiner Ansicht nach das Gebot der Nächstenliebe zu allen Menschen, auch den "Sündern" gegenüber. Beispielsweise verlangt der Islam von den Gläubigen, einen Teil ihres Einkommens für arme Muslime zu spenden, aber ein Gebot der Nächstenliebe gegenüber allen Menschen gibt es in dieser Religion einfach nicht. Und das hat Konsequenzen. Haben Sie schon einmal etwas von Entwicklungshelfern aus Ölscheichtümern gehört, die sich aufopfernd für Menschen in anderen Kulturkreisen einsetzen? Oder gibt es ein islamisches Amnesty International?
Ich greife noch ein subtileres Beispiel heraus. Ich habe mich mt den Kulturen der amerikanischen Kolonialzeit näher beschäftigt, die meiner Ansicht nach noch heute die amerikanische(n) Gesellschaft(en) wesentlich prägen. Besonders beeindruckt hat mich die Kultur der Quäker. Sie glauben an ein "göttliches Licht" in allen Menschen, in Frauen und Männern, Schwarzen und Weißen. Ihr soziales Verhalten ist durch und durch von dieser Vorstellung geprägt. Sie waren die Vorreiter für die Abschaffung der Sklaverei. Bei ihnen hatten Frauen die meisten Rechte, durften sogar predigen, was bei Puritanern strengstens untersagt war. Ich könnte viele andere Beispiele anführen, die mit Ihrer These der großen Übereinstimmung der Kulturen im "Kern" ihrer Ethik ganz und gar nicht in Einklang stehen.
Sicher, die Menschen haben schon Moralvorstellungen, bevor sie "heilige" Bücher lesen. Aber bevor sie das erste Mal zu einem dieser Bücher greifen, haben sie in aller Regel längst die grundlegenden Moralvorstellungen ihrer Gesellschaft übernommen, die ihnen schon in früher Kindheit vom sozialen Umfeld vermittelt werden. Und diese Moralvorstellungen sind kulturspezifisch, wobei meistens die religiösen Werte im Mittelpunkt stehen (Ausnahme: China, Konfuzianismus). Von Natur aus hat der Mensch keine Moral sondern nur die Fähigkeit und Bereitschaft, ein schon vorhandenes moralisches System der Gesellschaft zu übernehmen, in die es ihn verschlagen hat.
Natürlich sind weder Religionen noch auf ihnen basierende Wertesysteme unveränderlich. Durch die Veränderung der Lebensbedingungen und durch große historische Ereignisse können sie sich erheblich verändern. Die Grundelemente sind aber oft über Jahrhunderte im Wesentlichen konstant, so dass auch charakteristische Unterschiede in der Ethik verschiedener Kulturen eine bemerkenswerte Konstanz aufweisen können.
Ich nehme nicht an, dass ich Sie nun von meinen Ansichten überzeugt habe. Wahrscheinlich müssten Sie sich einmal in ähnlicher Weise wie ich mit unterschiedlichen kulturellen Systemen im Vergleich beschäftigen, um zu ähnlichen Schlussfolgerungen zu kommen. Aber vielleicht tun Sie das ja noch.
Zitat von KalliasJesus nahm wohl an, daß die Geschichte unmittelbar vor ihrem Ende stand und Gott sein Reich auf Erden errichten werde; es gab eine entsprechende Prophezeiung (im Buch Daniel glaube ich), aufgrund derer damals außer Jesus noch zahlreiche andere Messiasse auftraten. Jesus scheint zunächst gemeint zu haben, daß seine Rolle darin bestünde, dieses unmittelbar bevorstehende Ereignis anzukündigen, damit die Menschen die Gelegenheit haben, umzukehren und sich Gott zuzuwenden. Nur im diesem Kontext ergaben seine moralischen Erklärungen einen Sinn. Angesichts der tatsächlichen Geschichte waren sie im wesentlichen Nonsens.
Soweit völlig richtig. Das Erwarten des nahen Weltendes wurde von einem Theologen sogar mal als Jesus einziges eigenes Dogma bezeichnet, und ist in der Theologie soweit ich weiß auch nicht mehr bestritten.
Zitat von KalliasJesu Größe bestand darin, daß er den ganz anderen Verlauf, den die Ereignisse nahmen, als von Gott verfügt hinnahm.
Mit den Worten: "Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?"? "Vater, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen!"? Die Hinrichtung war ein völlig ungeplanter Betriebsunfall. Jesus hat mit seinem Schicksal gehadert.
Zitat von KalliasDafür wurde ihm die Auferstehung geschenkt als "Erstem jener, die schlafen".
Zitat von Gansguoterist es herzlich irrelevant, ob jemand auf dem Papier der Kirche angehörte.
Gilt das auch dann, wenn man nach der Relevanz der Kirchen heute fragt? Oder zählen da die Millionen Karteileichen dann wieder mit?
Zitat von GansguoterUnabhängig von einer formalen Kirchenmitgliedschaft kann man Hitler, Himmler etc. nicht als Christen ansehen. Ein Christ, der um die Existenz Gottes weiß, kann keinen millionenfachen Mord veranlassen und begehen.
Herrlicher Syllogismus. Ich liebe es.
Christen haben keinen Holocaust begangen.
Beweis: 1. Der Holocaust wurde von den Nazis begangen. 2. Einen Massenmord zu begehen ist unchristlich. 3. Wer einen Massenmord begeht, ist somit per definitionem kein Christ (vgl. 2.) 4. Somit waren die Nazis keine Christen. 5. Somit wurde der Holocaust nicht von Christen begangen. q. e. d.
Übrigens lässt sich auf gleichem Wege beweisen, dass an den Pogromen von
keine Christen beteiligt waren. (Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Echt nicht.) Eigentlich verhalten sich Christen immer nur lieb und nett, denn sind sie ja keine Christen.
Dieses Argument hört man übrigens mit der gleichen unbekümmerten Ernsthaftigkeit von Moslems: "Ey, der Islam is total friedlisch, ey. Islam bedeutet Frieden." "Warum sind dann so viele Terroristen islamisch?" "Ey, man das is nisch der echte Islam, ey. Ein echter Moslem macht sowas nisch!"
Die Nazis sahen sich in ihrer überwiegenden Mehrheit als Christen, nannten sich Christen, wurden von anderen, insbesondere beiden Amtskirchen in Deutschland und vom Vatikan als Christen gesehen. Aber jetzt wissen wir: es waren keine.
In Antwort auf:Lassen wir Heinrich Himmler sprechen:
Wollen Sie ernsthaft behaupten, dieser von Himmler bemühte "Herrgott" und Himmlers Gottesbild habe etwas zu tun mit dem liebenden Gott der christlichen Theologie?
In Antwort auf:Beweis: 1. Der Holocaust wurde von den Nazis begangen. 2. Einen Massenmord zu begehen ist unchristlich. 3. Wer einen Massenmord begeht, ist somit per definitionem kein Christ (vgl. 2.) 4. Somit waren die Nazis keine Christen. 5. Somit wurde der Holocaust nicht von Christen begangen. q. e. d.
Nochmal, zur Unterscheidung:
a) Alle christlich Getauften sind Christen. Nach zumindest kath. Auffassung kann man diese Zugehörigkeit zur Kirche auch nicht verlieren, auch nicht durch die Erklärung des Kirchenaustritt. Wir können davon ausgehen, dass die Generation der Nazi-Töter zu 99,5 % als Säuglinge getauft wurde. In diesem Sinne waren natürlich quasi alle Nazi-Täter getaufte Christen. Zufrieden?
Aber b) Ich habe die Bezeichnung "christlich" bzw. "unchristlich" (und Mixa sagt dafür, terminologisch schief, "atheistisch) verwendet im dem Sinne, dass ich jemanden als Christen im engeren Sinne betrachte, der sich der Lehre der Kirche verpflichtet fühlt und bemüht ist, nach den Lehren und Moralvorstellungen dieser Kirche zu handeln. In diesem Sinne war wenigstens die Mehrzahl der NS-Führer keine Christen, unabhängig davon, welche Worte sie im Mund führten. Ich bin ansonsten übrigens der Ansicht, dass es Allgemeingut sei, dass der Holocaust ideologisch begründet ist, nicht aus der christlichen Lehre (unabhängig davon, dass der Antisemitismus seine Wurzeln auch im Christentum hat).
Hitler 1933: "Mit den Konfessionen, ob nun diese oder jene, das ist alles gleich. Das hat keine Zukunft mehr. Für die Deutschen jedenfalls nicht. Der Faschismus mag in Gottes Namen seinen Frieden mit der Kirche machen. Ich werde das auch tun. Warum nicht? Das wird mich nicht abhalten, mit Stumpf und Stiel, mit allen seinen Fasern das Christentum in Deutschland auszurotten... Man ist entweder Christ oder Deutscher. Beides kann man nicht sein."
Nach den Predigten des Münsteraner Bischofs v. Galen 1941 lehnte Hitler ein sofortiges Vorgehen gegen den Bischof ab: "dann haben wir Westfalen ganz verloren ... man muss Rache kalt genießen, nicht heiß."
Die "Zerschlagung" der Kirchen wegen Unvereinbarkeit mit dem "Deutschtum" war von Hitler durchaus geplant, zumal Hitler das Christentum für eine letztlich jüdische Erfindung hielt. Dass er selbst sich auf Gott beruft und nicht verbal ausfällig wurde gegenüber den Kirchen, hat taktische Gründe.
Zitat von DaddelduMit den Worten: "Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?"? "Vater, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen!"? Die Hinrichtung war ein völlig ungeplanter Betriebsunfall. Jesus hat mit seinem Schicksal gehadert.
In den Evangelien finden sich zwei Versionen: bei Markus und Matthäus, wo er bis zum Schluß haderte, und bei Lukas und Johannes, wo er akzeptierte.
Dies sind Jesu Äußerungen am Kreuz:
Bei Johannes: Weib, siehe das ist dein Sohn! - Siehe das ist deine Mutter! [Ein Jünger soll sich um seine Mutter kümmern] Mich dürstet. [Zitat Psalm 22, 16] Es ist vollbracht.
Bei Lukas: Vater vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun. Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände. [Zitat Psalm 31, 6]
Bei Markus/Matthäus: Eli, Eli, lama asabtani? (Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?) [Zitat Psalm 22, 2] Schrie (noch einmal) auf (und verschied).
In beiden Versionen haben Jesus selbst, oder die Evangelisten, die seinen Tod schilderten, sein Leben umgedeutet, indem eine Figur aus dem 22. Psalm aufgegriffen wurde: die vom leidenden Gerechten Gottes.
Zitat von Daddeldu
Zitat von KalliasDafür wurde ihm die Auferstehung geschenkt als "Erstem jener, die schlafen".
Leider nicht.
So wird gelehrt. Und die Lehre von der Auferstehung führte zu einer weiteren Neudeutung: daß er um unserer Sünden willen gestorben sei und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt (Paulus, Röm. 4,25). Und da diese Aussage alles andere als klar ist, löste sie eine weitere Flut von Deutungen aus, bis heute.
Zitat von GansguoterZur Frage Nationalsozialismus und Christentum: Hitler 1933: "Mit den Konfessionen, ob nun diese oder jene, das ist alles gleich. Das hat keine Zukunft mehr. Für die Deutschen jedenfalls nicht. Der Faschismus mag in Gottes Namen seinen Frieden mit der Kirche machen. Ich werde das auch tun. Warum nicht? Das wird mich nicht abhalten, mit Stumpf und Stiel, mit allen seinen Fasern das Christentum in Deutschland auszurotten... Man ist entweder Christ oder Deutscher. Beides kann man nicht sein."
Könnten Sie, lieber Gansguoter, bitte die Quelle angeben? Mich würde interessieren, vor welchen Zuhörern Hitler schon 1933 diese Äußerungen getan hat; und vor allem wann genau. Vor oder nach der "Machtergreifung"?
Mir kommt die Offenheit, mit der er sich da geäußert hat, sehr überraschend vor.
Zitat von ZettelLiefert nur die Religion eine feste Basis dafür, verbindliche moralische Regeln aufzustellen?
Das liefert mir die Gelegenheit, einen alten Text aufzuwärmen, den ich vor langem für Wikipedia schrieb (und der dort nicht mehr zu finden ist):
Euthyphron-Dilemma Das Euthyphron-Dilemma behauptet in seiner letzten Konsequenz die grundsätzliche Unmöglichkeit, aus religiösen Auffassungen allgemeingültige ethische oder moralische Regeln abzuleiten. Das Euthyphron-Dilemma ist nach der Schrift „Euthyphron. Über die Frömmigkeit“ von Platon benannt. In diesem Dialog zwischen Sokrates und jenem Euthyphron meint letzterer, dass alles gut sei, was gottgefällig sei, was ersterer widerlegt. Der Gedanke hat aber in der abendländischen Philosophie keine weite Verbreitung gefunden. Das Euthyphron-Dilemma besagt, dass man moralische Urteile nur nach profanen Maßstäben fällen kann, weil man einerseits nicht das, was gottgefällig ist allein deshalb schon für gut befinden dürfe, andererseits nicht wisse, was Gott für ethisch richtig (gut) und was für ethisch falsch (böse) befinde. Welche profanen Maßstäbe man anstatt dessen heranziehen soll (also z B. das Glück der Menschen, allgemeine Wohlfahrt, der Kategorische Imperativ oder Nützlichkeit für das Zusammenleben), dazu nimmt der Euthyphron-Gedanke keine Stellung.
Der Schluss läuft wie folgt:
Wenn man sagt, die Nächstenliebe sei gut, weil Gott sie gut nennt, müsste man akzeptieren, dass sie böse wäre, wenn Gott sie schlechtheißen würde. Der Einwand, dies würde Gott niemals tun, weil er selbst gut sei (oder sogar per definitionem allgütig), führt zu einer Tautologie. Denn wenn man nun fragt, warum denn Gott selbst gut zu nennen sei, muss die Antwort lauten: Gott ist deswegen gut, weil er nach seinem eigenen Willen handelt (damit also gottgefällig und somit nach voriger Definition gut). Damit kann auch für eine moralische Beurteilung göttlichen Handelns nur ein objektiver Maßstab zur Verfügung stehen. Manchmal wird auch auf die Allmacht Gottes verwiesen, um göttliches Wirken bzw. Gehorsam gegenüber Gott als per definitionem gut darzustellen. Diesen Schluss legt insbesondere das Buch Hiob (auch Job genannt) im alten Testament nahe. Doch eine auch nur flüchtige Betrachtung der Menschheitsgeschichte lehrt, dass Macht nicht zwingend mit Moral zusammentreffen muss. Der logische Schluss, wonach aus der Allmacht Gottes auch seine Allgüte folgt, bleibt unklar. Einem Mächtigen gehorsam zu zollen kann nützlich sein, moralisch ist es deswegen aber noch nicht. Der häufigste Einwand rekurriert auf die Allwissenheit Gottes. Der Mensch müsse vielleicht gut und böse an profanen Kriterien unterscheiden, doch der allwissende Gott wisse am besten, was das menschliche Glück am besten befördere. Dieser Gedanke ist zwar logisch und zwingend, führt aber zum Problem der Offenbarung. Auch wenn Gott weiß, was gut ist, so wissen wir nicht, was er weiß. Die von den Religionen angebotenen Offenbarungen (Thora, Bibel, Koran etc.) werden in diesem Zusammenhang aus unterschiedlichen Gründen als nicht verwertbar abgelehnt. Ihre Herkunft von Gott sei nicht ansatzweise belegbar, einer objektiven moralischen Bewertung hielten die Offenbarungstexte, wenn sie in ihrer Gesamtheit in Betracht genommen werden, nicht stand. So wird insbesondere christlichen Moraltheologen vorgeworfen, sie würden ihre Überzeugungen wie unreligiöse Ethiker auch finden, und diese dann lediglich mit einem mehr oder weniger passenden Bibelverweis schmücken.
Soweit der Text. Man sieht also: was auch immer eine feste Basis dafür liefert, verbindliche moralische Regeln aufzustellen, Religion ist es nicht.
In Antwort auf: Ich stimme Ihnen zu, dass es Gemeinsamkeiten zwischen den bedeutendsten Wertesystemen der Gegenwart gibt. Gott sei Dank, sonst wäre eine Verständigung ja ganz unmöglich. "Im Kern dieselbe Ethik" haben sie aber deshalb noch lange nicht. Die auffälligste Besonderheit des Christentums im Vergleich zu anderen Religionen ist meiner Ansicht nach das Gebot der Nächstenliebe zu allen Menschen, auch den "Sündern" gegenüber. Beispielsweise verlangt der Islam von den Gläubigen, einen Teil ihres Einkommens für arme Muslime zu spenden, aber ein Gebot der Nächstenliebe gegenüber allen Menschen gibt es in dieser Religion einfach nicht. Und das hat Konsequenzen. Haben Sie schon einmal etwas von Entwicklungshelfern aus Ölscheichtümern gehört, die sich aufopfernd für Menschen in anderen Kulturkreisen einsetzen?
Das ist ein plumper Versuch eine Beweislastumkehr zu bewirken. Sie behaupten unbelegt, Christen seien "sozialer" als Nichtchristen, und ich soll jetzt das Gegenteil beweisen?
In Antwort auf: Oder gibt es ein islamisches Amnesty International?
Es gibt leider auch kein christliches Amnesty International:
In Antwort auf: Von der Öffentlichkeit gehört, von Menschenrechtsverletzern gefürchtet: Amnesty International ist eine weltweite, von Regierungen, politischen Parteien, Ideologien, Wirtschaftsinteressen und Religionen unabhängige Mitgliederorganisation.
In Antwort auf: Ich greife noch ein subtileres Beispiel heraus. Ich habe mich mt den Kulturen der amerikanischen Kolonialzeit näher beschäftigt, die meiner Ansicht nach noch heute die amerikanische(n) Gesellschaft(en) wesentlich prägen. Besonders beeindruckt hat mich die Kultur der Quäker. Sie glauben an ein "göttliches Licht" in allen Menschen, in Frauen und Männern, Schwarzen und Weißen. Ihr soziales Verhalten ist durch und durch von dieser Vorstellung geprägt. Sie waren die Vorreiter für die Abschaffung der Sklaverei. Bei ihnen hatten Frauen die meisten Rechte, durften sogar predigen, was bei Puritanern strengstens untersagt war. Ich könnte viele andere Beispiele anführen, die mit Ihrer These der großen Übereinstimmung der Kulturen im "Kern" ihrer Ethik ganz und gar nicht in Einklang stehen.
Also waren die ganzen Sklavenhalter in Amerika keine Christen? Das ist doch ganz offensichtliche Rosinenpickerei.
In Antwort auf: Sicher, die Menschen haben schon Moralvorstellungen, bevor sie "heilige" Bücher lesen. Aber bevor sie das erste Mal zu einem dieser Bücher greifen, haben sie in aller Regel längst die grundlegenden Moralvorstellungen ihrer Gesellschaft übernommen, die ihnen schon in früher Kindheit vom sozialen Umfeld vermittelt werden. Und diese Moralvorstellungen sind kulturspezifisch, wobei meistens die religiösen Werte im Mittelpunkt stehen (Ausnahme: China, Konfuzianismus). Von Natur aus hat der Mensch keine Moral sondern nur die Fähigkeit und Bereitschaft, ein schon vorhandenes moralisches System der Gesellschaft zu übernehmen, in die es ihn verschlagen hat.
Die Werte sind eben nicht religiös, sonst wären sie in verschiedenen Kulturen nicht so ähnlich. Die Religionen behaupten das nur.
In Antwort auf: Natürlich sind weder Religionen noch auf ihnen basierende Wertesysteme unveränderlich. Durch die Veränderung der Lebensbedingungen und durch große historische Ereignisse können sie sich erheblich verändern. Die Grundelemente sind aber oft über Jahrhunderte im Wesentlichen konstant, so dass auch charakteristische Unterschiede in der Ethik verschiedener Kulturen eine bemerkenswerte Konstanz aufweisen können.
Also ist z.B. das in Europa heute vorherrschende Wertesystem dem in Europa im Jahr 1500 vorherrschenden Wertesystem ähnlicher als dem heute in Japan vorherrschenden Wertesystem?
In Antwort auf: Ich nehme nicht an, dass ich Sie nun von meinen Ansichten überzeugt habe. Wahrscheinlich müssten Sie sich einmal in ähnlicher Weise wie ich mit unterschiedlichen kulturellen Systemen im Vergleich beschäftigen, um zu ähnlichen Schlussfolgerungen zu kommen. Aber vielleicht tun Sie das ja noch.
Ziemlich arrogant zu behaupten, ich könne ihnen nur nicht zustimmen, weil ich mich mit dem Thema noch nicht beschäftigt habe.
Zitat von KaaIch frage mich, was das alte Judentum vor 2000 Jahren für eine Gesellschaft war. Es muß doch eine archaische gewesen sein. Singmäßig war ich sowohl Karfreitag im Gottesdienst als auch am Ostermorgen. Ich kann mir bei meinen (allerdings geringen) Geschichtskenntnissen nicht erklären, wie jemand aus einer Gesellschaft heraus, die als Schutz des einzelnen vor realen Gefahren (Hunger, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit) nur den Familienverband hatte, auf den Gedanken kommen kann, daß man "die andere Wange hinhalten" soll. In einer besetzten Gesellschaft, daß man seine Feinde lieben soll? Ich kann mir erklären, daß jemand dann für diese Gedanken predigt und stirbt - er war einer von den ganz und gar nicht Nnrmalen.
Es trat, liebe Kaa, ja die Gemeinde an die Stelle des Familienverbands. Es gibt eine Stelle im NT - die Bewanderten werden sagen können, wo; ich habe leider nur eine ungefähre Erinnerung - von Jesus sinngemäß sagt, man solle seine Familie aufgeben und mit ihm gehen. Wer sein Anhänger wurde, der - so verstehe ich das jedenfalls - sollte von der einen Loyalität in die andere wechseln.
In der Katholischen Kirche ist davon der Zölibat geblieben, der ja u.a. damit begründet wird, daß der Priester ganz in seinem Amt aufgehen solle, ohne die Bindung an eine Familie.
Zitat von KalliasJesus nahm wohl an, daß die Geschichte unmittelbar vor ihrem Ende stand und Gott sein Reich auf Erden errichten werde; es gab eine entsprechende Prophezeiung (im Buch Daniel glaube ich), aufgrund derer damals außer Jesus noch zahlreiche andere Messiasse auftraten.
Jesus scheint zunächst gemeint zu haben, daß seine Rolle darin bestünde, dieses unmittelbar bevorstehende Eriegnis anzukündigen, damit die Menschen die Gelegenheit haben, umzukehren und sich Gott zuzuwenden. Nur im diesem Kontext ergaben seine moralischen Erklärungen einen Sinn. Angesichts der tatsächlichen Geschichte waren sie im wesentlichen Nonsens.
Soweit einverstanden. "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - das sollte wohl nicht heißen: irgendwo in einem fernen Jenseits. Sondern: Es liegt in der Zukunft, in der bevorstehenden Neuen Welt, dieses mein Reich. Es komme.
Zitat von KalliasJesu Größe bestand darin, daß er den ganz anderen Verlauf, den die Ereignisse nahmen, als von Gott verfügt hinnahm. Er akzeptierte am Ende, daß sich Gott nicht ausrechnen läßt. Dafür wurde ihm die Auferstehung geschenkt als "Erstem jener, die schlafen". (Oder so ähnlich.)
Man kann es so sehen. Vielleicht war er aber auch nur ein gescheiterter Prophet. Gescheitert am Zusammenspiel der beiden Mächte, die er mit seinen aufrührerischen Reden herausgefordert hatte: Der Priesterkaste und der römischen Besatzungsmacht. Ob und wie er diese Niederelage hingenommen hat - wie will man das wissen oder auch nur begründet vermuten?
Zitat von KalliasJesus wird in den Evangelien als Lernender gezeigt (am drastischsten in der Geschichte vom kanaanitischen Weib). Diese Seite an ihm wirkt sehr überzeugend auf mich. Dem Rummel, der um seine anfänglichen Irrtümer (Bergpredigt) gemacht wird, kann ich dagegen wenig abgewinnen.
Was mag ihn für seine Zeitgenossen so faszinierend gemacht haben? Vielleicht die Radikalität seiner Moral. Vielleicht das Egalitäre an dieser Moral, das dann so viel zur Ausbreitung des Christentums beitrug. Eine Sklavenreligion hat es darum Nietzsche verächtlich genannt.
Vielleicht war es auch vor allem das persönliche Charisma dieses mutigen, in sich ruhenden, dazu noch redegewandten Mannes. (Der, traut man der Bibel, allerdings auch Kunststückchen à la Wandeln auf dem See nicht verschmähte, um seine Anhänger zu beeindrucken).
Vielleicht habe ich es gerade verpasst, aber wie lässt sich der 30-jährige Krieg in dieses Schema einordnen? Wikipedia zufolge sind insb. die evangelischen Soldaten des Schwedischen Königs durch besondere Grausamkeit aufgefallen ("Bet', Kind bet', morgen kommt der Schwed').
Rauschning, Gespräche mit Hitler, 7. April 1933; eine genauere Angabe hatte ich mir nicht notiert. - Beim Recherchieren finde ich gerade, dass Rauschning als Referenz - sagen wir - umstritten ist; eine abwägende Rezension zum Quellenwert unter <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/.../2006-3-081>. Ich versuche, mich genauer kundig zu machen und bessere Belege beizubringen.
Zitat von ZettelEs trat, liebe Kaa, ja die Gemeinde an die Stelle des Familienverbands. Es gibt eine Stelle im NT - die Bewanderten werden sagen können, wo; ich habe leider nur eine ungefähre Erinnerung - von Jesus sinngemäß sagt, man solle seine Familie aufgeben und mit ihm gehen. Wer sein Anhänger wurde, der - so verstehe ich das jedenfalls - sollte von der einen Loyalität in die andere wechseln.
Es ist Matthäus 10:
Zitat von Matthäus-Evangelium34 Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater, und die Tochter mit ihrer Mutter, und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter;
36 und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig;
38 und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.
Dass gewisse Grundwerte beinahe universell anerkannt werden, hat nichts mit deren religiöser Absicherung zu tun. Der Mensch ist von Natur aus mit einer gewissen Tötungshemmung ausgestattet, und es müssen handfeste Vorteile her, um diese auszuschalten.
Es ist doch erst die Ächtung von Antisozialem Verhalten, die überhaupt eine Überwindung von Hobbes Naturzustand, und damit menschliche Gemeinschaft ermöglicht. Eine Gesellschaft die Diebstahl, Raub und Mord - also antisoziales Verhalten - prinzipiell begrüßen oder dem auch nur indifferent gegenüberstehen würde, wäre spätestens zu einem Zeitpunkt untergegangen an dem die Nachbarn darauf geeinigt hätten, dererlei zumindest untereinander auf ein erträgliches Maß zurückzuschrauben. Ein Blick auf den Strafenkatalog aktueller und ehemaliger religiöser Gesellschaften zeigt auch sehr deutlich, dass sich niemand jemals auf Gott verlassen hat, um diese Prinzipien umzusetzen. Du sollst nicht stehlen, rauben, töten und nicht aufbegehren gegen deinen Herrn, oder es wird verdammt ungemütlich: Das ist der ethische Kern, auf den sich alle Kulturen einigen konnten, ganz einfach weil es sie sonst nicht oder zumindest nicht lange gegeben hätte.
Alles darüber hinaus ist Folklore, die im Zweifelsfall (ein einladender Raubzug...) auch schon einmal kreativ interpretiert, oder völlig ignoriert wird ("Deus lo vult"). Ja sicher, es mag zu jeder Zeit Gruppen guter Menschen geben, die sich tatsächlich an solche Vorschriften halten, einen rigorosen Gewaltverzicht vorleben und in Hoffnung auf das Himmelreich allen irdischen Reichtum an die Armen spenden. Entscheidenden Einfluss üben diese Gruppen niemals aus, sie sind vielmehr auf die Toleranz und den Schutz derer angewiesen, die es mit diesen Vorschriften nicht so genau nehmen. Robert hat es schön auf den Punkt gebracht: Die wahrhaft christlichen Quäker waren Teil einer Gesellschaft, deren bloße Existenz ohne einen zünftigen Genozid an den Ureinwohnern und deren Reichtum ohne die völlige Entrechtung der Sklaven wohl kaum möglich gewesen wären.
Die historisch ziemlich einzigartigen sechs Dekaden des Friedens in Europa -mit Sicherheit die angenehmsten in den letzten paar Jahrtausenden- haben daher ihren Grund wohl kaum in der Rückbesinnung auf das wahre Christentum sondern vielmehr in: a) der Entwicklung der Waffentechnik die allen Kriegsteilnehmern umfassendes Leid garantiert b) der letzten Demokratisierungswelle, die dafür gesorgt hat, das nunmehr auch diejenigen Schichten, die besonders unter Kriegen zu leiden hatten entscheidenden Einfluss auf die Entscheidungen des Staates erhielten. Und zu guter letzt und wahrscheinlich am Bedeutendsten: c) der technischen Entwicklung, die auch den breiten Massen einen bescheidenen Wohlstand ermöglichte. Es ist schwierig jemanden der halbwegs satt und zufrieden ist dazu zu bringen andere Menschen zu töten. Besonders dann nicht, wenn dieses Töten den für seinen Wohlstand notwendigen friedlichen Wirtschaftsablauf belastet.
Zitat von GansguoterIch bin ansonsten übrigens der Ansicht, dass es Allgemeingut sei, dass der Holocaust ideologisch begründet ist, nicht aus der christlichen Lehre (unabhängig davon, dass der Antisemitismus seine Wurzeln auch im Christentum hat).
So ist es, lieber Gansguoter. Die moralische Verkommenheit, die den Holocaust erst möglich machte, hatte viele Ursachen: Ideologisch den Antisemitismus, aber vor allem den Rassenwahn von Leuten wie Hitler und Himmler, der seine Wurzeln im "völkischen Denken" hatte.
Aber das hätte nicht genügt. Es mußte die Sittenlosigkeit, die moralische Orientierungslosigkeit der Zeit hinzukommen, in der diese Leute ihre prägenden Erfahrungen machten. Die ganz alte Welt brach ja in den Jahren zwischen 1900 und 1920 zusammen. Ähnlich wie gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Welt des Feudalismus zusammenbrach und das die Sittenlosigkeit der französischen Revolution freisetzte.
Insofern kann ich Mixa ja durchaus folgen, wenn er die moralische Verkommenheit der Nazis und der Kommunisten betont. Und natürlich kennen fromme Christen eine solche moralische Verkommenheit nicht. Aber ebensowenig kennen sie humanistische Atheisten und Agnostiker.
Was mich empört - und aus dieser Empörtheit heraus habe ich den ersten Teil des Artikels geschrieben -, ist die Gleichsetzung von moralischer Verkommenheit und Atheismus.
Das ist eine unglaubliche Entgleisung und disqualifiziert diesen Bischof aus meiner Sicht.
Zitat von str1977So sehr das auch immer behauptet wird, so wird es doch nicht wahrer. Der erste internationale Vertrag des Deutschen Reichs unter dem Reichskanzler Adolf Hitler - um es mal ganz korrekt zu sagen, Hitler als Person hat keine Verträge geschlossen und war an den Konkordatsverhandlungen nur indirekt beteiligt, Staatsoberhaupt war noch der greise aber nicht senile Hindenburg - war der Viermächtepakt zwischen Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien (http://en.wikipedia.org/wiki/Four-Power_Pact), unterschrieben im Juni. Das Konkordat folgte erst im Juli.
Ach, lieber str1977. Jetzt war ich schon im Begriff, Ihnen für eine Korrektur zu danken. Dann habe ich aber doch erst mal selbst nachgesehen.
Also, der Viermächtepakt wurde zwar unterschrieben, ist aber nie in Kraft getreten, weil er nicht ratifiziert wurde. Und unterschrieben wurde er nicht im Juni 1933, sondern am 15. Juli. Nachzulesen zum Beispiel hier.
Der erste Vertrag, den das Dritte Reich rechtskräftig geschlossen hat, war also das Reichskonkordat.
Herzlich, Zettel
str1977
(
gelöscht
)
Beiträge:
15.04.2009 22:18
#69 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion?
Zitat von califaxDurch den Anspruch, eine eherne Wahrheit zu verkünden, hat sich der Kultus letztlich vom Fortschritt isolieren müssen und ist zu verschiedenen Graden von Orthodoxie und Dogmatismus kristalliert.
Was aber für den Fortschritt ebenso und noch viel mehr gilt. Wie man nach 1914 und nach dem Wirken zweier großer Fortschrittsideologien noch so fortschrittsgläubig reden kann, ist mir schleierhaft.
Kommt eben drauf an, was man als Fortschritt bezeichnet.
Genau darauf kommt es an. Ich hätte oben auch besser vom Fortschrittsglauben bzw. der Fortschrittsideologie gesprochen.
Was Ihre drei Alternativen angeht - müßte ich eine wählen, stände ich wohl mit Ihnen auf Feld Nummer 3, wenn ich natürlich die utilitaristische Wortwahl nicht teilen kann.
Aber ist nicht so, daß man auch sehr gut ohne das Konzept Fortschrit auskommt. Kann man nicht (wie Sie ja bei Nr. 3 ansetzen) die Fragen danach beurteilen, wie sie sich der Sache nach darstellen, welche Folgen sie haben etc. anstatt alles unter einem Fortschrittsparadigma zu beurteilen, welches dann immer die Neuerungen bevorzugt. Genausowenig unter einem Konservierungsparadgima, welches immer das Bestehende oder das Alte bevorzugt. Ich glaube ich habe auch bei Zettel schon mal gesagt, daß ich mich genau deshalb in relevanten Fragen (also außerhalb der StVO) eben nicht "einen Konservativen" nennen will oder kann.
Was ich dezidiert ablehne ist eine a priori Fortschritsplan zu haben und den Gegner dann vorzuwerfen, sie wären "reaktionär" und wollten das Rad der Geschichte blah blah blah - als ob es ein Rad der Geschichte gäbe. Da halte ich es mehr mit dem Bild vom Abgrund. Ob man an einem solchen steht, darüber kann man ja beherzt streiten - aber es sollte eben erlaubt sein, auch für den Rückweg zu plädieren.
Was verstehe ich unter Fortschritt: es gibt natürlich den wissensmäßigen Fortschritt - es ist eher selten das Wissen einfach so ersatzlos verloren geht. Bewußt vergessen geht ja nicht. (Pseudo-Wissen wie z.B. die Max-Weber-These zum Kapitalismus laß ich mal außen vor.) Dier Fortschritt gilt für die Gesamtgesellschaft, denn als Einzelner kann man immer noch strohdumm sein.
Ich glaube auch, daß es im Menschenleben einen geistigen Fortschritt geben kann. Allerdings wäre hier wohl besser von einer Vervollkommnung gesprochen, denn einen wirklichen Rückschritt gibt es ja eigentlich nicht.
In Antwort auf:Platt gesagt: Bevor sie ihren Namen weg hatten. Gehen Sie mal in eine beliebige vor '45 gegründete westdeutsche Bibliothek und lesen sie die Doktorarbeiten zwischen 1900 und, sagen wir mal, 1930. Vor allem in den Geisteswissenschaften werden Sie Sachen finden, die heute nur noch von den allerdümmsten Nazis und Kommunisten vertreten werden. Das war wissenschaftlicher Mainstream. Vieles davon wurde auch von der Kanzel gepredigt. Finanzjudentum, raffendes Kapital, absolute Unterordnung des Individuums unter die visionär geführte Volksgemeinschaft, Evolution der Menschenrassen, ...
Sicher hat es das gegeben, aber eben auch Gegenstimmen. Und bejubelnswert war es auch damals schon nicht. Genauso wenig wie heute die Singers (beide!) und die Libbets oder sonst wer bejubelnswert ist.
In Antwort auf:Aber da mußte man noch tolerant und neugierig sein.
Warum?
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)
In Antwort auf:Und die Bezeichnung "gottgläubig"? Nun ja, so nannte man sich. Aber Christen? Nein.
Tja, und die UdSSR-Kader waren auch keine Marxisten, da kannst du jeden Trotzkisten fragen...
Da ja nun mal historisch die Bezeichnung "gottgläubig" eingeführt wurde, um jene zu bezeichnen, die sich nicht mehr Christen nennen wollten, bedeutet der Begriff notwendigerweise "keine Christen".
Und nur weil es Trotzkisten falscherweise tun, heißt das noch lange nicht, daß andere auch in ähnlichen Abgrenzungen falsch liegen. Man muß die Argumente anschauen.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)
Zitat von ZettelAuf Suche nach Ersatz für den verlorenen gegangenen religiösen Sinn findet der Abtrünnige schließlich eine Ideologie, welche ihm zudem auch noch des Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer Elite mit Führungsanspruch vermittelt. Marxismus und Nationalsozialismus waren die wohl bedeutensten Ideologien mit eindeutig religiöser Qualität und insbesondere messianischem Erlösungsanspruch.
So ist es, lieber PeterCoyote. Und genau deshalb irrt Mixa, wenn er diese Ersatzreligionen mit dem Atheismus identifiziert.
Nein, er hat sogar damit Recht. Denn Atheismus definiert sich nicht als Nichtreligion oder als Nicht-Ersatzreligion sondern als Nicht-an-(einen)-Gott-glauben.
Sie können zwar beanspruchen, daß z.B. die nichtkommunistischen Atheisten nicht für den kommunistischen Atheismus haftbar gemacht werden sollen. Wenn sie aber so tun (und sie tun es!), als ob die Kommunisten ja alles Ex-christen und Ex-Juden und daher eigentlich eher den genannten Religionen zugerechneten werden sollten, dann ist nur ein reflexhaftes Abschieben der schmuddeligen Verwandtschaft. Sie können nicht leugnen, daß Lenin ein Atheist war und kein Christ.
In Antwort auf:Die gesamte antike Philosophie, also die neben dem Christentum wichtigste Grundlage unserer Kultur, war vom Agnostizismus getragen.
Aber nur in ihrer degenerierten Phase, als der Skeptizismus regierte. Für Sokrates, Plato, Aristoteles gilt das nicht. Und allesamt Atheisten war sie schon gar nicht
Und überhaupt: Agnostizismus 1 ("Man kann gar nichts wissen"), Skeptizismus ("Wahrheitssuche schadet"), Agnostizismus 2 ("ich weiß nicht") - verwischen Sie nicht die Begriffe etwas sehr? Der Skeptiker ist nicht neugierig bzw. er will nicht neugierig sein.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)
str1977
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gelöscht
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Beiträge:
15.04.2009 22:41
#72 RE: Zettels OsterfragerEi (5): Braucht Moral die Religion?
Zitat von KaaIch kann mir bei meinen (allerdings geringen) Geschichtskenntnissen nicht erklären, wie jemand aus einer Gesellschaft heraus, die als Schutz des einzelnen vor realen Gefahren (Hunger, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit) nur den Familienverband hatte, auf den Gedanken kommen kann, daß man "die andere Wange hinhalten" soll. In einer besetzten Gesellschaft, daß man seine Feinde lieben soll? Ich kann mir erklären, daß jemand dann für diese Gedanken predigt und stirbt - er war einer von den ganz und gar nicht Normalen.
Jesus nahm wohl an, daß die Geschichte unmittelbar vor ihrem Ende stand und Gott sein Reich auf Erden errichten werde
Das wird immer wieder gerne behauptet, nur gibt es dafür überhaupt keinerlei Belege. Für Details verweise ich z.B. an Klaus Berger.
In Antwort auf:Jesus wird in den Evangelien als Lernender gezeigt (am drastischsten in der Geschichte vom kanaanitischen Weib). Diese Seite an ihm wirkt sehr überzeugend auf mich. Dem Rummel, der um seine anfänglichen Irrtümer (Bergpredigt) gemacht wird, kann ich dagegen wenig abgewinnen.
Wenn Sie annehmen, die Evangelien - die ja in der Rückschau geschrieben sind, nicht als News-ticker - enthielten Irrtümer, dann können sie nicht gleichzeitig die Evangelien als verlässliche Quelle annehmen.
Und gegenüber der Kanaaniterin ist es doch nicht Jesus, der lernt und erkennt, er müsse auch zu den Heiden gehen (was in der Folge dann ja auch nicht tu). Es ist die Kanaaniterin die sich selbst demütigt und dafür belohnt wird.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)
Ich antworte auf den Brief mal durch Kallias' Zitate:
Zitat von Kallias
Zitat von R.Während der jüdisch-christliche diese Welt im Ursprung schuf, seine Schöpfung dann jedoch dem Menschen zum freien Handeln überließ (auch wenn die vielen Wundergeschichten im Alten und Neuen Testament dem zu widersprechen scheinen, es jedoch nicht widerlegen), schöpft Allah diese Welt in jedem Moment neu, seine Macht ist eine rein diesseitige.
Das halte ich für eine arg verzerrte Sicht. Es stimmt, daß Allah im Islam ein wenig dem ähnelt, was die Christen den Heiligen Geist nennen. Auch viele Christen glauben, daß sich die Welt ohne Gottes ständige Schöpfungstätigkeit keinen Augenblick in der Existenz halten würde. Dieser Gedanke macht Gottes Macht nicht zu etwas Diesseitigem, mir scheint eher im Gegenteil, bekräftigt er die unendliche Überlegenheit Gottes über die Welt.
Ich denke Kallias hat hier Recht. Alle drei Religionen glauben an ein Schöpfer und im Christentum und Judentum gibt es sowohl Vorstellungen, daß Gott immer neuschöpft bzw. eher in der Existenz hält als auch daß Gott sich seit der Schöpfung zurückhält (ein ganz alleinlassen gibt es dagegen erst im Deismus - daher gibt es die beschriebene Wunderproblematik gar nicht). Im Islam ist nicht so sehr, daß Gott die Welt immer wieder neuschöpft, sondern daß der Islam die göttliche Allmacht so betont, daß sie letzlich die direkte Ursache jedes Ereignisses ist, damit auch letztlich die Idee von Naturgesetzen ausschließt.
Zitat von Kallias[quote="R."]Insofern leugnet der Glaube an die Werkgerechtigkeit, das heißt an die Belohnung für meine Taten auf Erden die Allmacht Gottes
Das verstehe ich gar nicht. Wenn Gott Belohnung für Taten verspricht, dann werde ich mich doch auf sein Wort verlassen können: das hat doch nichts damit zu tun, ihn zu zwingen.
Eben. Das scheint aus einer extrem calvinistischen Position aus geschrieben. Das Wort Werkgerechtigkeit (ein protestantische Obsession) spricht da auch dafür.
Was die Selbstmordattentäter angeht - soweit der traditionelle Islam sie ablehnt, geht es dabei keineswegs um ein "Gott zwingen", denn das würde ja auch für den islamischen "Märtyrer" gelten, der sich durch den Schlachtentod im Djihad das Paradies verdient. Mohammed würde dann ja davon abraten, dies anzustreben. Tut er aber nicht. Nein, das islamische Argument gegen Selbstmordattentate ist das es sich eben um Selbstmord handelt. Das ist nun aber eine völlig andere Schiene.
Zitat von Kallias
Zitat von R.lässt sich also vielleicht doch behaupten, dass die großen Verbrechen der Menschheitsgeschichte einschließlich derer der christlichen Kirchen und der "Gottgläubigen" alle atheistisch zumindest qua Tat waren, atheistisch, jedoch nicht agnostisch
Dem kann ich nun doch etwas abgewinnen, wenn man an das denkt, was dirk oben über Anmaßung und Bescheidenheit gesagt hat. Im Falle des Unglaubens wäre der Agnostizismus die nichtanmaßende Form und der Welt damit bekömmlicher als der Atheismus.
Stimmt. Das ist der Agnostizismus in diesem Sinne auch (im Sinne von "weiß nicht", nicht im Sinne von "nicht wissen können" - letzterer ist sogar noch schlimmer als der Atheismus).
Das mit der Anmaßung und dem praktizierten Atheismus hatte ich ja bereits geschrieben.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
The business of Progressives is to go on making mistakes. The business of the Conservatives is to prevent the mistakes from being corrected. (G.K. Chesterton)
In Antwort auf:Die gesamte antike Philosophie, also die neben dem Christentum wichtigste Grundlage unserer Kultur, war vom Agnostizismus getragen.
Aber nur in ihrer degenerierten Phase, als der Skeptizismus regierte. Für Sokrates, Plato, Aristoteles gilt das nicht. Und allesamt Atheisten war sie schon gar nicht
Das ist, lieber str1977, ein Irrtum. Die Genannten waren Agnostiker; Sokrates hat das ja sogar mit dem Leben bezahlt.
Platon und Aristoteles war bewußt, daß der menschlichen Erkenntnis Grenzen gesetzt sind; daß es also vernünftig ist, eine Transzendenz anzunehmen. Das war ihr Gottesbegriff. Ich habe in einem anderen Beitrag darauf aufmerksam gemacht, daß dieser "Erste Beweger" bei Aristoteles so abstrakt gedacht war, daß er für ihn sogar das Neutrum benutzte (proton kinoun akineton).
Mit einem persönlichen Gott, zu dem man beten kann und der die Welt lenkt, hat das nichts zu tun.
Zitat von str1977Und überhaupt: Agnostizismus 1 ("Man kann gar nichts wissen"), Skeptizismus ("Wahrheitssuche schadet"), Agnostizismus 2 ("ich weiß nicht") - verwischen Sie nicht die Begriffe etwas sehr? Der Skeptiker ist nicht neugierig bzw. er will nicht neugierig sein.
Ich gebe mir schon a bisserl Mühe, Begriffe nicht zu verwischen.
Aber ich nehme die Frage gern zum Anlaß, zu sagen, in welchem Sinn ich mich als Agnostiker verstehe:
Wir wissen, daß alle Lebewesen nur ein begrenztes Erkenntnisvermögen haben. Unser Hund ist sehr intelligent; aber den Satz des Pythagoras kann ich ihm nicht begreiflich machen.
Denselben Beschränkungen unterliegt natürlich auch der Mensch; wenn auch auf einer anderen Ebene. Die Vorstellung, daß unser Erkenntnisvermögen grenzenlos wäre, halte ich nicht nur für biologisch abwegig, sondern auch für logisch nicht durchhaltbar. Denn Erkennen ist die Abbildung von Sachverhalten in einem repräsentationalen System; und diese kann nur über eine endliche Zahl von Zeichen und Relationen verfügen. Diese begrenzen, was abbildbar ist.
Also können wir über Transzendentes keine Aussagen machen außer derjenigen, daß wir keinen Grund haben, seine Existenz zu bestreiten. Mehr an Erkenntnis über die natürliche Welt hinaus ist uns nun einmal nicht möglich. Das meine ich mit Agnostizismus.
Der Atheist behauptet wie der Gläubige, er können hinter den Spiegel blicken. Nur behauptet er anders als der Gläubige, er könne sehen, daß da nichts ist. Diese Behauptung ist so wenig begründbar wie die des Gläubigen, er sehe etwas.
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