Die Faktenlage ist noch unklar, aber bis jetzt sieht es so aus, als ob die Offiziersanwärterin die Mindestgröße für die Arbeit in der Takelage unterschritten hat, das wäre dann ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften und entsprechend zu bestrafen.
Zitat Die dabei tödlich verunglückte Offiziersanwärterin Lena Seele hätte aufgrund ihrer Körpergröße von 1,59 Meter gar nicht auf den Mast klettern dürfen.
Nun zu einigen Punkten in dieser Diskussion, zu denen ich als ehemaliger StUffz (4 Jahre) was sagen möchte:
Drill und Schikane sind klar voneinander zu trennende Dinge, es ist keine Frage, das Schikane in der Bundeswehr nichts zu suchen hat. Schon in der Grundausbildung werden Rekruten umfassend über ihre Rechte aufgeklärt. Drill wird landläufig mit Schikane gleichgesetzt, doch dies ist eine völlig falsche Sichtweise. Drill hat zwei Funktionen: Automatisierung von Bewegungs- bzw. Handlungsabläufen unter physischer und psychischer Belastung (z.B. Gewehr zerlegen und zusammensetzen) und als zweites, den Soldaten dazu befähigen, selbst in einer Stresssituation, körperlich und mental erschöpft, klar zu denken und zu handeln. Gerade der zweite Punkt kann leicht als Schikane missverstanden werden, da auch scheinbar sinnlose Befehle gegeben werden, aber diese Befehle bewirken eine schnellere mentale Erschöpfung. Wenn jetzt eine Offiziersanwärterin, die in Kampfsituationen Untergebene mit klarem Kopf führen soll, solche Aussagen tätigt:
Zitat „Da wurde gebrüllt, da wurde gedrillt. Das war systematisches Schleifen wie in einem schlechten Film.“ In der Ausbildungszeit von S. auf dem Schulschiff war im November eine junge Kadettin durch einen Sturz aus der Takelage ums Leben gekommen. Nach den Worten von S. sei selbst das Hinaufklettern auf die Masten letztlich erzwungen worden. „Wenn Aufentern befohlen ist, dann musst du in die Takelage. Alles andere ist Gehorsamsverweigerung“, sagte die Soldatin. Überhaupt seien die Kadetten von den Vorgesetzten systematisch unter Druck gesetzt worden: „Der Druck war ständig da. Es ist vom ersten Tag an klar: Wer nicht spurt, der fliegt. Zuerst nach Hause, dann aus der Offizierausbildung.“
und ganz besonders dies:
Zitat Die Rekruten müssten nicht nur in Hängematten schlafen und auf jegliche Privatsphäre verzichten.
dann stimmt da gewaltig was an der Einstellung nicht. Würde echt gern wissen, ob und wie diese Dame ihren Einzelkämpferlehrgang bestanden hat.
Zitat Reinigungsarbeiten hätten sie zum Teil mit Zahnbürsten erledigen müssen.
Wie Uwe Richard schon sagte, ist das eine beliebte Redensart beim Bund, bei diesem Zitat müsste man näheres wissen. Denn auf Schiffen und U-Booten ist Sauberkeit absolutes Muss, viele Menschen drängen sich auf engsten Raum. In Reportagen kann man immer wieder sehen, wie viel wert darauf gelegt wird, hier zu wissen, ob sie damit das Deck schrubben musste oder es um schwer zugängliche Ecken ging, wäre schon wichtig.
Zitat
Zitat Auch wenn ich ihnen in allem was sie sagen durchaus recht gebe, sollte man aber nicht vernachlässigen, dass es hier nicht um einen Industriejob geht, sondern um einen in dem der mögliche Tod zum Berufsbild gehört.
Im Kampfeinsatz. Aber nicht im Training. Und schon gar nicht im Training für etwas, was man im Kampfeinsatz nicht brauchen wird.
Training bildet immer, wenn auch unzureichend, den Kampf ab, je genauer, um so besser. Ein Soldat (es dürfte klar sein, das wir von Zeit- und Berufssoldaten reden) muss sehr wohl auch im Training den Tod zu seinem Berufsbild zählen. Und "was man im Kampfeinsatz nicht brauchen wird" ist ein sehr leichtfertiges Urteil, man kann nämlich sagen, es geht um das Bewegen auf einem Schiff. Natürlich ist ein Segelschiff nicht mit einem Zerstörer zu vergleichen, aber die Techniken und Sicherheit, die man sich auf der Gorch Fock erwirbt, dürften auf jedem Schiff nützlich sein.
Zitat Starship Troopes ist ein sehr gutes Beispiel. Wollen wir wirklich ein Training wo einem Kadetten der Kopf weggeschossen wird ? Die Gesellschaft, die ein solches Training will, ist auch bei Heinlein gut abgebildet. ICH will das nicht, das sage ich klar und ohne Sorge. Ich glaube das wir keine Armee von Rambos brauchen, um uns zu verteidigen. Starship Troopers ist eine schöne Geschichte, ist aber vom militärischen Standpunkt her geradezu absurd. Kriege werden schon heute kaum mehr am Boden gewonnen, in einer Welt von planetenweiten Kriegen ist die Idee geradezu grotesk. Schon heute bestimmt der Grad der Technik den Ausgang von Kriegen und nicht die Opferbereitschaft, Disziplin oder Belastbarkeit eines Infantristen.
Besonders der letzte Satz ist grundfalsch, gerade in letzter Zeit, wo es vermehrt um Einsätze geht, wo gerade der Infanterist gefragt ist. Wenn sich der Gegner unter Zivilisten mischt, sich so wie sie anzieht, dann nützen einem Drohnen und intelligente Bomben wenig, dann braucht man den Mann (oder die Frau) am Boden. Natürlich wird da von der Technik profitiert, aber der Krieg wird immer noch am Boden gewonnen. Übrigens wird bei Spezialeinheiten überwiegend mit scharfer Munition geübt, es ist die Aufgabe des Ausbilders zu sehen, wann die Soldaten bereit sind und jeder Soldat muss sich bewusst sein, auch im Training sterben zu können.
Zitat Statt den überaus amerikanischen Ansatz einen Soldaten so zu schleifen bis er nichts mehr ist, ausser einem Soldaten, erscheint es mir sinnvoller Soldaten gut auszubilden und auszustatten. Mag ja sein, dass ein gedrillter Soldat den Stress einer Kugel im Bein ausghält und noch weiter schiessen kann. Sinnvoller erscheint es mir, dass der Schuss da gar nicht erst ankommt oder abprallt. Denn DAS würde wirklich Leben retten. Nicht der Drill ist es, der dafür sorgt, dass heute weniger amerikansiche Soldaten in Afghanistan getötet werden, es ist die bessere Panzerung der Fahrzeuge.
Ach ja, die amerikanischen Filme lassen grüßen. Wie ich oben schon erklärt habe, hat Drill bestimmt Aufgaben, keineswegs dient er dazu, dem Soldaten die Menschlichkeit auszutreiben, immer wieder wird betont, das nicht der sozial entwurzelte Rambo, sonder der gefestigte Teamplayer mit einem ihn stützenden familiären Hintergrund gesucht wird. Gerade jetzt, wo das schnelle Umschalten zwischen Kampfhandlungen und der Umgang mit der Zivilbevölkerung wichtig ist, kann man den Rambo nicht gebrauchen. Übrigens gewinnt man Kämpfe nicht sitzend in gepanzerten Fahrzeugen, das Vertrauen der Bevölkerung erst recht nicht. (Ich glaube, Zettel hatte zur veränderten Taktik mal was geschrieben)
Calimero
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23.01.2011 18:11
#27 RE: Noch keine Affäre. Aber auch kein Freispruch
Erstmal Danke für die klärenden Worte zum Drill, lieber Popeye. Aber hierzu:
Zitat von Popeye...dann stimmt da gewaltig was an der Einstellung nicht. Würde echt gern wissen, ob und wie diese Dame ihren Einzelkämpferlehrgang bestanden hat.
In der verlinkten NDR-Reportage wird, glaube ich mich zu erinnern, davon geredet, dass die Kadetten überhaupt erst zwei Monate beim Bund sind wenn sie auf die Fock kommen. Und der EK-Lehrgang dürfte doch um einiges später erfolgen, oder? Und beim Googeln bin ich dann noch auf folgende Passage gestoßen:
Zitat Der Einzelkämpferlehrgang wird zwar weiterhin fester Bestandteil des Lehrgangsangebotes der Infanterieschule bleiben, jedoch werden nicht mehr alle angehenden Offiziere diesen herausfordernden Lehrgang besuchen.
Für mich heißt das, dass auch beim Bund mittlerweile die Anforderungen runtergeschraubt werden. Da muss man jetzt also genauer gucken, ob der Offz auch ein Spiegelei angenäht hat, bevor man ihn so richtig ernst nimmt.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Ich dachte mir schon, das der Einzelkämpferlehrgang später ist, darum schrieb ich "ob", das die Ausbildung auf der Gorch Fock direkt nach der Grundausbildung ist, wusste ich aber nicht. Ich glaubte mich zu erinnern, das der Lehrgang Pflicht für Offiziersanwärter war, was ja der von Ihnen verlinkte Artikel bestätigt.
Zitat Bislang gehörte der Einzelkämpferlehrgang als Pflichtlehrgang zur Ausbildung aller angehenden Offiziere des Truppendienstes.
Zitat Für mich heißt das, dass auch beim Bund mittlerweile die Anforderungen runtergeschraubt werden. Da muss man jetzt also genauer gucken, ob der Offz auch ein Spiegelei angenäht hat, bevor man ihn so richtig ernst nimmt.
Volle Zustimmung! Ich habe so den leisen Verdacht, das das an den Leuten liegt, die sich heutzutage freiwillig melden, man muss sich nur mal die neuere Reportagen über Grundausbildungen anschauen, besonders, wenn Frauen dabei sind. (Damit kein falscher Eindruck ensteht, ich bin für Frauen beim Bund!)Da klaffen Erwartungen und Realität doch sehr auseinander und auch die Reaktionen, wenn sie den Unterschied bemerken, sprechen Bände. Dies ist aber nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch bei Aufnahmetests der Polizei, Feuerwehr und beim Sportstudium zu sehen.
Zitat von Popeye(Damit kein falscher Eindruck ensteht, ich bin für Frauen beim Bund!)
Das würde mich interessieren, warum, lieber Popeye.
In allen Kulturen, die ich kenne, haben nur die Männer gekämpft; Frauen immer nur im äußersten Notfall. Im Wilden Westen bei der Verteidigung von Wagenburgen. Im Mittelalter vielleicht als Helferinnen, wenn der Feind vor der Stadt stand.
Selbst die Rote Armee hat Frauen nicht im gleichen Umfang wie Männer eingesetzt, obwohl in der UdSSR Frauen sonst jede Männerarbeit machen mußten.
Ob unsere westliche Kultur gut daran tut, sich anders zu verhalten? Mit welcher Begründung?
Zitat von Zettel Ich frage mich, lieber Llarian, wievielen deutschen Soldaten ein PTSD beim Einsatz erspart geblieben wäre, wenn sie eine härtere Ausbildung gehabt hätten.
Genauso wie man sich fragen kann, wieviele Soldaten ein solches DURCH ihre Ausbildung erhalten. Aber das ist ziemliches Lesen im Kaffeesatz. Entscheidend an dieser Stelle ist wohl die Frage, ob es auch nur entfernt möglich wäre ein solches Syndrom zu vermeiden, indem man einen Soldaten in eine Takelage zwingt.
Zitat Krieg ist etwas Entsetzliches. Man kann auf das Entsetzliche nicht vorbereiten, indem man diejenigen, die das dann ertragen müssen, sanft behandelt.
Es hat mit sanft oder unsanft nichts zu tun, lieber Zettel, ob man einen Soldaten einer überflüssigen Gefahr aussetzt. Denn das ist die Definition von Unverantwortlichkeit. Wie ja schon als Beispiel vorkam, lieber Zettel, wäre die Ausbildung vermutlich deutlich effektiver wenn man mit scharfen Waffen aufeinander feuerte. Das würde zwar auch den einen oder anderen Soldaten das Leben kosten, aber auf den Einsatz wären sie sicher besser vorbereitet.
Wenn ein Mensch ums Leben kommt, muss man sich fragen, warum. Und wenn die Antworten so dermassen lapidar sind, wie sie nicht nur hier durchscheinen ("Bischen Schwund ist immer", "Nur die Harten kommen innen Garten", "War es zu hart, bist Du zu schwach"), dann stösst mir das sauer auf. Richtig sauer. Unabhängig von einem Minister oder Kapitän sind hier Eltern, die ihr Kind verloren haben. Und da ist mir ein "Opfer müssen im Namen der Härte gebracht werden" deutlich zu wenig. Ob man in eine Takelage klettern muss, um besser auf einem Zerstörer kommandieren zu können ist eine mehr als unbewiesene These. Das die Frau tot ist, dagegen nicht.
Zitat von Calimeroich habe mir vorhin mal diese sechsteilige NDR-Reportage über die Kadettenausbildung auf der Gorch Fock angesehen. Das sollten sie auch tun, denn da kann man sich sehr schön den Einsatz der OAs (vor allem der weiblichen) auf dem Schiff zeigen lassen.
Mangels Fernseher wird das bei mir nix werden, lieber Calimero. Ich glaube Ihnen aber gerne, dass das alles ganz korrekt aussah.
Zitat Ich habe erstens nicht den Eindruck, dass der Mann unvernünftig ist (er schickt die Kadetten bei rauer See unter Deck), noch entsteht der Eindruck, dass das Aufentern irgendeine sinnlose oder seltene Drillübung ist.
Nun, zum einen wäre er ziemlich dumm, gerade im Rahmen der jetzigen Ermittlungen, sich anderweitig zu äussern. Zum anderen kann der Mann durchaus ganz vernünftig sein und dennoch einen massiven Fehler machen. Wie ich schon sagte, kenne ich Anlagen, an denen es zu letalen Unfällen gekommen ist. Und die Konstrukteure und Betriebsleiter sind in der Regel auch sehr vernünftige Menschen. Die Fehler machen. Nur machen die einen Fehler einmal. Ich kenne die Hintergründe der Unfalluntersuchung nicht, aber wenn diese nicht eine massive Fahrlässigkeit beeinhalten und dennoch jetzt wieder Rekruten in die Takelage gezwungen werden, dann ist das ein anderes Verhalten. Es ist das Nicht-Einsehen eines Fehlers. Und das ist schlimmer als einen zu machen.
Zitat Aber denken sie bitte nicht, dass ich den Eltern gegenüber kein Beileid empfinden würde.
Und wollen Sie mit dem Beleid auch ausdrücken, dass die Frau ungeeignet war, weil sie das Pech hatte zu stürzen ?
Zitat Ansonsten hätte ich aber kein Problem damit, es einem sich beschwerenden OA zu sagen.
Es ist immer leicht etwas jemandem zu sagen, der das Pech noch nicht hatte. Ob Sie das dann auch dem selben OA sagen würden, nachdem er sich den Rücken gebrochen hat und nur noch im Rollstuhl sitzen kann, ist wieder eine ganz andere Frage.
Zitat von PopeyeTraining bildet immer, wenn auch unzureichend, den Kampf ab, je genauer, um so besser. Ein Soldat (es dürfte klar sein, das wir von Zeit- und Berufssoldaten reden) muss sehr wohl auch im Training den Tod zu seinem Berufsbild zählen.
Das würde ich jetzt mit einem Wort belegen, dass mir der liebe Zettel verboten hat. Simpel gesagt: Das sehe ich nicht so. Soldaten geben ihre Rechte nicht an der Eingangstür ab. Insbesondere sollte das deshalb betont werden, da wir immernoch eine Rekrutenarmee haben. Die Vorstellung, dass ein Bürger per staatlicher Order mal ebenso in Lebensgefahr gebracht wird, ohne das eine externe Gefahr dies rechtfertigt, ist ziemlich unerträglich. Zumindest in einem Staat, der sich als Rechtsstaat definiert. Ich denke es ist die oberste Pflicht eines Dienstherren alles ihm mögliche für das Wohlergehen seiner Leute zu tun, genauso wie das jeder Arbeitgeber auch tun muss. Dazu gehört auch die Menschen nicht unnötig in Gefahr zu bringen.
Zitat Natürlich ist ein Segelschiff nicht mit einem Zerstörer zu vergleichen, aber die Techniken und Sicherheit, die man sich auf der Gorch Fock erwirbt, dürften auf jedem Schiff nützlich sein.
Dann zeigen Sie mir mal die Takelage auf einem Zerstörer.
Zitat Ach ja, die amerikanischen Filme lassen grüßen. Wie ich oben schon erklärt habe, hat Drill bestimmt Aufgaben, keineswegs dient er dazu, dem Soldaten die Menschlichkeit auszutreiben, immer wieder wird betont, das nicht der sozial entwurzelte Rambo, sonder der gefestigte Teamplayer mit einem ihn stützenden familiären Hintergrund gesucht wird.
Das ist die Philosophie der deutschen Armee, sicher nicht die des Marinecorps. Ich glaube auch nicht, dass die amerikanischen Filme hier so weit neben der (dortigen) Realität liegen. Weil sie sich ziemlich gut mit dem decken, was man in Reportagen sieht oder in Zeitungen liest.
Calimero
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23.01.2011 19:54
#33 RE: Noch keine Affäre. Aber auch kein Freispruch
Zitat von LlarianMangels Fernseher wird das bei mir nix werden, lieber Calimero. Ich glaube Ihnen aber gerne, dass das alles ganz korrekt aussah.
Sie können ohne Fernseher kein youtube-Video angucken?
Zitat von LlarianNun, zum einen wäre er ziemlich dumm, gerade im Rahmen der jetzigen Ermittlungen, sich anderweitig zu äussern.
Die Reportage ist schon etwas älter, stammt also aus ruhigeren Zeiten.
Zitat von LlarianUnd wollen Sie mit dem Beleid auch ausdrücken, dass die Frau ungeeignet war, weil sie das Pech hatte zu stürzen?
Nein, Pech ist Pech. Wieso eigentlich auf einmal Pech? Ich denke es geht hier um ungerechtfertigtes in Gefahr bringen durch Vorgesetzte?
Zitat von LlarianEs ist immer leicht etwas jemandem zu sagen, der das Pech noch nicht hatte. Ob Sie das dann auch dem selben OA sagen würden, nachdem er sich den Rücken gebrochen hat und nur noch im Rollstuhl sitzen kann, ist wieder eine ganz andere Frage.
Nochmal, sowas hätte bei uns durchaus passieren können. Und es wäre Berufsrisiko gewesen. Natürlich hätte ich keinem verletzten Kameraden gesagt: "Tja, Pech gehabt - Beruf verfehlt" - aber er hätte sich eben auch nicht beschwert, sondern sich nur über sich selbst geärgert.
Ansonsten können sie auch noch dieses ZEIT-Interview mit einem ehemaligen Kadetten auf der Gorch Fock durchlesen.
Beste Grüße, Calimero
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Calimero
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23.01.2011 20:05
#34 RE: Noch keine Affäre. Aber auch kein Freispruch
Zitat von LlarianSoldaten geben ihre Rechte nicht an der Eingangstür ab. Insbesondere sollte das deshalb betont werden, da wir immernoch eine Rekrutenarmee haben.
Doch, lieber Llarian. Die Freiheitsrechte nach Art.2 GG werden beim Eintritt in die Armee eingeschränkt. Auch für Rekruten. Ein Stuffz hat mir das mal lapidar erzählt, vielleicht kann Popeye was dazu sagen?
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Zitat von LlarianIch denke es ist die oberste Pflicht eines Dienstherren alles ihm mögliche für das Wohlergehen seiner Leute zu tun, genauso wie das jeder Arbeitgeber auch tun muss. Dazu gehört auch die Menschen nicht unnötig in Gefahr zu bringen.
So sehe ich das auch, lieber Llarian. Also sie so hart auszubilden, daß am Ende sie überleben und gesund bleiben und nicht die Taliban, oder gegen wen immer sie kämpfen müssen.
Lassen Sie mich dazu noch zwei persönliche und rückblickende Bemerkungen machen:
Erstens gehöre ich vermutlich zu den wenigen unter denen, die hier schreiben und lesen, die Krieg erlebt haben (wenn auch als kleines Kind) und denen aus eigener Erfahrung geschildert wurde, was Krieg ist. Meine Großmutter, die eine sehr tapfere Frau war, konnte nicht weiter vor Weinen, wenn sie erzählte, wie in einer Bombennacht beispielsweise eine Nachbarin, die sich an die Tür des Bunkers gewagt hatte, ihr als zerfetzte Leiche entgegenflog. Krieg ist entsetzlich; viele reden darüber, als sei das nicht so.
Zweitens entstand die Bundeswehr mit der Lebenslüge, nicht Krieg führen zu müssen. Im Kalten Krieg gab es entweder Frieden oder das atomare Inferno. Niemand konnte sich vorstellen, daß deutsche Soldaten einen konventionellen Krieg würden führen müssen.
Ein Mitabiturient von mir wollte Offizier werden und ist es wahrscheinlich geworden. Ein lebenslustiger Bonvivant, zum Töten ungefähr so geeignet wie ein Veganer als Metzger. Er hat mir gesagt: Bei der Bundeswehr hast du als Offizier ein ruhiges Leben. Und Krieg wird es nie geben. Er schwärmte vom Offizierskasino.
Nun gibt es aber Krieg. Unsere Soldaten müssen töten und werden getötet. Da helfen alle Lebenslügen nichts. Sie müssen darauf vorbereitet werden, töten zu müssen und in der Gefahr zu sein, getötet zu werden.
Nochmal: Wer sie nicht so hart ausbildet, daß sie der Entsetzlichkeit des Kriegs standhalten können, der tut ihnen nicht nur keinen Gefallen. Der handelt ihnen gegenüber verantwortungslos.
Zitat von Popeye(Damit kein falscher Eindruck ensteht, ich bin für Frauen beim Bund!)
Das würde mich interessieren, warum, lieber Popeye.
In allen Kulturen, die ich kenne, haben nur die Männer gekämpft; Frauen immer nur im äußersten Notfall. Im Wilden Westen bei der Verteidigung von Wagenburgen. Im Mittelalter vielleicht als Helferinnen, wenn der Feind vor der Stadt stand.
Selbst die Rote Armee hat Frauen nicht im gleichen Umfang wie Männer eingesetzt, obwohl in der UdSSR Frauen sonst jede Männerarbeit machen mußten.
Ob unsere westliche Kultur gut daran tut, sich anders zu verhalten? Mit welcher Begründung?
Sie sollten nicht nicht davon ausgehen, dass »für-Frauen-beim-Bund-sein« automatisch »bei-der-kämpfenden-Truppe-sein« bedeutet. Es gibt jede Menge für Frauen zu tun, auch ohne direkten Feindkontakt zu haben. Bei den Landsknechten im ausgehenden Mittelalter waren meines Wissens stets Frauen und Kinder (Schanzarbeiten) dabei.
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Zitat von Uwe RichardSie sollten nicht nicht davon ausgehen, dass »für-Frauen-beim-Bund-sein« automatisch »bei-der-kämpfenden-Truppe-sein« bedeutet. Es gibt jede Menge für Frauen zu tun, auch ohne direkten Feindkontakt zu haben. Bei den Landsknechten im ausgehenden Mittelalter waren meines Wissens stets Frauen und Kinder (Schanzarbeiten) dabei.
Auch die nicht kämpfende Truppe (Nachschub, Poststelle, Verwaltung) ist legitimes militärisches Ziel (wenn überhaupt derlei feine Unterschiede noch gemacht werden). Und ich habe arge Bauchschmerzen dabei, Frauen in die Schusslinie der Taliban oder dergleichen zu stellen. Meines Erachtens ein Armutszeugnis für unsere Kultur. Aber ich bin altmodisch.
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von LlarianDas letzte mal als ich nachgesehen habe, war die Gorch Fock nicht im Krieg.
Ich frage mich, lieber Llarian, wievielen deutschen Soldaten ein PTSD beim Einsatz erspart geblieben wäre, wenn sie eine härtere Ausbildung gehabt hätten.
Offen gestanden wüsste ich jetzt keine Forschungsergebnisse, denen zufolge eine härtere Ausbildung die PTSD-Inzidenz reduziert, auch wenn das nicht ganz unintuitiv wäre. Kennen Sie da etwas? Was meines Wissens tatsächlich hilft, ist psychologische Betreuung unmittelbar nach dem Trauma, aber gerüchteweise steht es da bei der Bundeswehr nicht zum Besten.
Überdies stimme ich popeye da zu: Sinn des Drills und der Ausbildung ist nicht, den Krieg langfristig besser verarbeiten zu können, sondern in der aktuellen Stresssituation noch adäquat handeln zu können.
Und: wenn ich mir als Mannschaftsdienstgrad vorstellen müsste, dass meine Vorgesetzten das Aufentern unter Friedensbedingungen verweigert haben, dann wäre meine Bereitschaft deutlich geringer, ihnen im Gefecht tatsächlich zu folgen.
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Uwe RichardSie sollten nicht nicht davon ausgehen, dass »für-Frauen-beim-Bund-sein« automatisch »bei-der-kämpfenden-Truppe-sein« bedeutet. Es gibt jede Menge für Frauen zu tun, auch ohne direkten Feindkontakt zu haben. Bei den Landsknechten im ausgehenden Mittelalter waren meines Wissens stets Frauen und Kinder (Schanzarbeiten) dabei.
Auch die nicht kämpfende Truppe (Nachschub, Poststelle, Verwaltung) ist legitimes militärisches Ziel (wenn überhaupt derlei feine Unterschiede noch gemacht werden). Und ich habe arge Bauchschmerzen dabei, Frauen in die Schusslinie der Taliban oder dergleichen zu stellen. Meines Erachtens ein Armutszeugnis für unsere Kultur. Aber ich bin altmodisch.
Bauchschmerzen hin oder her, wie wollen Sie rechtlich begründen, Frauen von der BW fernzuhalten.
Wenn ich recht informiert bin, durften Frauen schon nach dem alten 12a GG (1949?) bei der BW dienen, der im Angesicht der noch nicht lange zurückliegenden Nazibarbarei lediglich den Dienst an der Waffe verbot.
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Zitat von GorgasalUnd ich habe arge Bauchschmerzen dabei, Frauen in die Schusslinie der Taliban oder dergleichen zu stellen. Meines Erachtens ein Armutszeugnis für unsere Kultur. Aber ich bin altmodisch.
Bauchschmerzen hin oder her, wie wollen Sie rechtlich begründen, Frauen von der BW fernzuhalten.
Gar nicht. Ebensowenig wie ich das Verbot diverser anderer Praktiken in einer liberalen Gesellschaft begründen kann. Und dennoch nehme ich mir die Ansicht heraus, dass wir ohne Frauen an der Waffe oder auch nur in Uniform sowie ohne verschiedentliche andere Errungenschaften Der Großen Westlichen Freiheit als Gesellschaft besser dran wären.
Ich darf das, ich bin konservativ
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Uwe RichardBauchschmerzen hin oder her, wie wollen Sie rechtlich begründen, Frauen von der BW fernzuhalten.
Wie wird eigentlich juristisch begründet, daß Frauen der (ja nach wie vor bestehenden, nur jetzt ausgesetzten) Wehrpflicht nicht unterworfen sind?
Es gibt da nach meiner Erinnerung ein höchstrichterliches Urteil; aber ich weiß nicht mehr, wie die Richter es fertigbrachten, die Wehrpflicht nur für Männer mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes in Einklang zu bringen.
Offenbar geht juristisch Vieles. Jedenfalls national. Daß die EU uns zwingt, Frauen den Zugang zu allen Positionen und Verwendungen in der Bundeswehr zu ermöglichen, ist eine andere Sache.
Zitat von Uwe RichardBauchschmerzen hin oder her, wie wollen Sie rechtlich begründen, Frauen von der BW fernzuhalten.
Wie wird eigentlich juristisch begründet, daß Frauen der (ja nach wie vor bestehenden, nur jetzt ausgesetzten) Wehrpflicht nicht unterworfen sind?
Das BverfG hebt darauf ab, unter der Voraussetzung, dass ich als Nichtjurist das richtig interpretiere, verstehen tue ich es eh nicht, dass das Ganze wohl historische Gründe ... etc. bla bla ... habe, und im übrigen keine rechtliche, sondern doch eher eine politische Frage wäre.
Zitat von ZettelEs gibt da nach meiner Erinnerung ein höchstrichterliches Urteil; aber ich weiß nicht mehr, wie die Richter es fertigbrachten, die Wehrpflicht nur für Männer mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes in Einklang zu bringen.
Zitat Und: wenn ich mir als Mannschaftsdienstgrad vorstellen müsste, dass meine Vorgesetzten das Aufentern unter Friedensbedingungen verweigert haben, dann wäre meine Bereitschaft deutlich geringer, ihnen im Gefecht tatsächlich zu folgen.
...und wenn ich mir als Leutnant vorstelle dass der Regimentskommandeur auf der Gorch Fock OAs fahrlässig hat ums Leben kommen lassen, würde ich bei jedem Befehl denken "bloß nicht mein Zug, bitte!".
Zitat von Zettel Also sie so hart auszubilden, daß am Ende sie überleben und gesund bleiben und nicht die Taliban, oder gegen wen immer sie kämpfen müssen.
Ich stimme in der Schlussfolgerung zu, nicht unbedingt dem Wort "hart". Früher hat man auch gefordert Kinder möglichst hart zu erziehen, heute weiss man es besser (einige auch nicht). Nach meiner Meinung gehört zur Menschenführung eine ganze Menge und harte Behandlung steht da nicht unbedingt in der ersten Reihe. Aber ich will keine Haare spalten, es ist Aufgabe des Ausbilders seinen Kadetten so gut zu trainieren wie er kann, wenn es nicht vermeidbar ist auch mit Härte. Das schliesst nur eben den Tod nicht ein.
Zitat Krieg ist entsetzlich; viele reden darüber, als sei das nicht so.
Das will ich nicht bestreiten, lieber Zettel, nicht einmal im kleinen Ansatz. Nur leben wir in einer Gesellschaft in der Gewalt ziemlich verpönt ist, die wenigsten haben direkte Erfahrung damit gesammelt. Entsprechend bleibt der Krieg immer etwas Surreales.
Zitat Zweitens entstand die Bundeswehr mit der Lebenslüge, nicht Krieg führen zu müssen. [...] Nun gibt es aber Krieg. Unsere Soldaten müssen töten und werden getötet. Da helfen alle Lebenslügen nichts. Sie müssen darauf vorbereitet werden, töten zu müssen und in der Gefahr zu sein, getötet zu werden.
Ich glaube, das die meisten Soldaten sich dessen bewusst sind, gerade die Offiziersanwärter. Nur ist es eben ein Unterschied in einem Gefecht zu sterben oder aufgrund militärischen Drills. Niemand will sinnlos sterben, das gilt für Soldaten wie für Zivilisten (gut, mancher würde sagen, jeder Tod ist sinnlos). Ich glaube einfach nicht, dass ein Soldat besser wird, indem man ihn in eine Takelage jagt. Glaube ich einfach nicht. Im Gegenteil frage ich mich ganz ernsthaft, was für ein Bild ihrer Führung die Rekruten bekommen, wenn sie den Eindruck bekommen ihren Vorgesetzten sei der Drill wichtiger als ihr Leben. DAS, lieber Zettel, kann in einem Gefecht noch weit verheerender sein. Die Folgen, die die "Meuterei" auf die Psychologie der Truppe hat ist mit Sicherheit weit verheerender als die Frage, ob jemand in einer Takelage rumkriechen kann.
Es wird erwartet, dass der Soldat dem Befehl seines Vorgesetzten befolgt. Okay. Aber wie gut kann das funktionieren, wenn der Soldat dem Vorgesetzten nicht traut ?
Zitat von Calimero Nein, Pech ist Pech. Wieso eigentlich auf einmal Pech? Ich denke es geht hier um ungerechtfertigtes in Gefahr bringen durch Vorgesetzte?
Für mich schon. Für Sie doch nicht. Darüber reden wir doch. Ich bins doch nicht der "business as usual" verkündet, weil es "eben dumm gelaufen" ist. Ich denke man sollte hier, um bei den hier schon genannten Worten zu bleiben, ruhig "alles in Frage stellen".
Zitat Nochmal, sowas hätte bei uns durchaus passieren können. Und es wäre Berufsrisiko gewesen. Natürlich hätte ich keinem verletzten Kameraden gesagt: "Tja, Pech gehabt - Beruf verfehlt" - aber er hätte sich eben auch nicht beschwert, sondern sich nur über sich selbst geärgert.
Bezweifele ich. Denn es geht ja gerade um eine Situation, wo sich der Betreffende NICHTS vorzuwerfen hat. Dann kann er sich auch schlecht über sich selber ärgern. Ausser vielleicht über die Entscheidung überhaupt Soldat zu werden. Nehmen wir wirklich an, in ihrer Fallschirmjägereinheit wäre jemand auf die Idee gekommen zu sagen, heute springen wir alle mal mit defektem Hauptschirm, denn das kann ja auch im Einsatz passieren, dann ist man ja schon mal drauf vorbereitet. Ich glaube das wäre nicht clever und noch dazu ziemlich fahrlässig. Und wenn dann ein Kamerad seinen Rücken bricht, meinen Sie wirklich der ärgert sich über sich selbst ?
Lieber Llarian, ich habe Ihre Beiträge gelesen. Ich mag mich irren, aber ich glaube, Sie haben noch keine Kaserne von innen gesehen. Ihre theoretischen Abhandlungen haben mit der Realität dermassen nichts zu tun, dass es einen schaudert. Sollte es ein bei diesem Vorfall ein Fehlverhalten eines irgendwie Beteiligten gegeben haben, so sind meines Wissens in Deutschland bestimmte Staatsanwaltschaften zuständig, bei uns wäre dies die Militärjustiz. Ganz sicher ist es keine Sache für irgendeinen Politiker, der notabene nach Presseberichten noch mit keinem einzigen Besatzungsmitglied der GF gesprochen hat.
Es ist nicht an Auszubildenden, die Sinnhaftigkeit von Ausbildungsmethoden zu beurteilen, diese können das schlichtweg nicht beurteilen. Glauben Sie mir, mit jeder Stufe, die Sie aufsteigen, wird der Horizont etwas grösser. Ich habe diesen Weg in unserer Armee gemacht, wie jeder Offizier bei uns. Sie beginnen mit der Rekrutenschule, anschliessend absolvieren Sie die Unteroffiziersschule und verdienen Ihren Rang als Gruppenführer in einer RS ab. Danach besuchen Sie die Offiziersschule und verdienen Ihren Grad als Zugführer wieder in einer RS ab. Schliesslich besuchen Sie die Zentralschule und verdienen den Hauptmannsgrad als Kompaniekdt wieder in einer RS ab. So haben Sie nur schon bis zum Grad Hauptmann die Armee (und ihre Ausbildungsmethodik) aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen und gelangen vielfach zur Einsicht, dass das, was Sie als Rekrut völlig überzeugt als unnötige Schikane beurteilt haben, eben doch sinnvoll ist.
Ich frage mich, woher Sie wissen, dass sich die Soldatin im konkreten Fall nichts vorzuwerfen hat. Sollten Sie nähere Informationen dazu haben, wäre ich froh, mehr darüber zu erfahren. Wenn ich allerdings lese, dass sich OFFIZIERSANWAERTER über Müdigkeit, unbequeme Hängematten und fehlende Privatsphäre beklagen, dann habe ich doch einige Zweifel an deren Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und damit Eignung für den angestrebten Beruf.
Zitat Wie wird eigentlich juristisch begründet, daß Frauen der (ja nach wie vor bestehenden, nur jetzt ausgesetzten) Wehrpflicht nicht unterworfen sind? (...) Es gibt da nach meiner Erinnerung ein höchstrichterliches Urteil; aber ich weiß nicht mehr, wie die Richter es fertigbrachten, die Wehrpflicht nur für Männer mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes in Einklang zu bringen.
Uwe Richard hat das wesentliche Zitat schon gebracht...
Zitat Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Art. 73 Nr. 1 GG und Art. 12 Abs. 3 GG gleichen verfassungsrechtlichen Rang mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG hätten (vgl. BVerfGE 12, 45 <52>).
...aber ich bin so frei, das mal ein bisschen auszuführen. Nach dem Grundsatz der Normenhierarchie dürfen Normen höherrangigem Recht nicht widersprechen. Nun sind Normen, die auf derselben Ebene stehen, allerdings gleichberechtigt, so dass die eine Norm eine Ausnahme (sog. lex specialis; in der verfassungsrechtlichen Terminologie nennt man grundrechtseinschränkende Grundgesetznormen "verfassungsimmanente Schranke") der anderen sein kann. Die Wehrpflicht für Männer ist geregelt in Art. 12a GG - eine Grundgesetznorm also, die damit auf derselben Stufe steht wie Art. 3 GG, der auch eine Grundgesetznorm ist. Das heißt, Art. 12a derogiert in seinem Anwendungsbereich Art. 3.
Freilich ist Art. 12a nachträglich eingebaut worden, ist mithin eine Grundgesetzänderung. Diese unterliegen bestimmten Regeln; inhaltlich insbesondere Art. 79 Abs. 3, wo (u.a.) drinsteht, dass eine Grundgesetzänderung nicht gegen die Menschenwürde verstoßen darf. Verstößt eine Wehrpflicht nur für Männer gegen die Menschenwürde? Sie mag ungerecht sein (äußere ich mich nicht zu), aber so schlimm ist's dann doch nicht.
Ich wuerde gerne zur Zettelschen Ausgangsthese zurueckkommen: Alles nur hochsterilisiert. - Mit dieser These hadere ich ein wenig. Natuerlich ist es sinnvoll, als Offizier zur See mit den Grundlagen der Seefahrt gut vertraut zu sein. Und genauso sinnvoll mag es sein, diese Grundlagen auf einem Segelschiff zu erlernen und nicht auf einem anderen Boot oder Schiff der Marine. Man darf aber die Probleme mit interner Rangfolge zwischen Stammbesatzung und Lehrgangscrew nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ebenso das ganze Thema 'Initiationsriten', um welches es bei den 'Presseenthuellungen' eigentlich geht. - Das diese Vorlagen von der Opposition dankbar aufgegriffen werden um dem beliebtesten Minister eins auszuwischen, sollte nicht davon ablenken, dass hier etwas* im Argen liegt.
*Mir fehlt noch das grosse Bild aus eher archaischen Initiationsriten vs. der modernen Zivilgesellschaft.
Calimero
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24.01.2011 09:30
#50 RE: Noch keine Affäre. Aber auch kein Freispruch
Zitat Nochmal, sowas hätte bei uns durchaus passieren können. Und es wäre Berufsrisiko gewesen. Natürlich hätte ich keinem verletzten Kameraden gesagt: "Tja, Pech gehabt - Beruf verfehlt" - aber er hätte sich eben auch nicht beschwert, sondern sich nur über sich selbst geärgert.
Bezweifele ich. Denn es geht ja gerade um eine Situation, wo sich der Betreffende NICHTS vorzuwerfen hat. Dann kann er sich auch schlecht über sich selber ärgern. Ausser vielleicht über die Entscheidung überhaupt Soldat zu werden.
Aber genau davon rede ich doch die ganze Zeit. Und wenn wir jetzt einfach mal das Springen aus intakten Flugzeugen beiseite lassen (auch wenn man alles richtig macht, kann einen der Wind irgendwohin treiben wo es gefährlich wird), und auch das notwendige(!) Klettern in der Takelage eines Segelschiffs ausblenden ... haben sie sich schonmal eine handelsübliche Sturmbahn angeguckt? Jede Sicherheitsfachkraft würde so ein Ding sofort sperren, weil das Verletzungsrisiko ganz einfach viel zu hoch ist. Kein Vorgesetzter im zivilen Bereich würde auch nur auf die Idee kommen, seine Mitarbeiter zu nötigen soetwas im Laufschritt(!) zu überwinden. Nie! Diese Gefährdung könnte keiner veranworten.
Beim Militär macht man das. Auch gern mehrfach hintereinander, mit komplettem Gerödel und/oder Atemschutzmaske vorm Gesicht. Und das nicht nur bei Zeitsoldaten, sondern auch mit stinknormalen Wehrpflichtigen in ihren ersten Ausbildungswochen. Rödeln bis zur totalen Erschöpfung, psychischer Druck durch brüllende Vorgesetzte, keine Ahnung ob man das nächste Hindernis überhaupt noch überwinden kann. Zitternde Knochen, Herzrasen, eine pumpende Lunge ... und trotzdem sollten die Schritte sitzen. Verletzungsrisiko? Ja. Recht auf körperliche Unversehrtheit? Fehlanzeige. Grund? Drill, also militärische Ausbildung. Sorry lieber Llarian, aber die Armee ist kein Ponyhof - das sollte jeder wissen. Und es sollte auch jeder wissen, dass die Ausbilder das nicht machen um ihre Rekruten zu schikanieren, sondern dass es um notwendige Vorbereitung für einen möglichen Ernstfall geht.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
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