Zitat von LlarianIch wäre vorsichtig, lieber Gorgasal, denn was hier alles unter Fischen summiert wird, steht dort nicht, genausowenig wie viele von diesen Fischern jetzt Angestellte oder Selbstständige, die ohnehin tun können, was sie wollen, zumal in Amerika. Zu ihrer Statistik gehört nach meinem Verständnis jedes kleine Charterboot, so lange es nur was fängt.
Und das ist jetzt wieso genau relevant?
Zitat von LlarianDennoch finde ich die Zahlen sehr gut, noch besser hätte ich es gefunden, wenn Sie direkt dabei geschrieben hätten, dass Sie nicht nur die EINZIGE Berufsgruppe herausgesucht haben, die in dieser Höhe liegt, sondern auch direkt das Jahr verwendet haben, dass aus den anderen hervorsticht. Mit anderen Worten: Das Sie genau die Rosine gefunden haben (ich hätte nach zwei Beispielen fragen sollen....).
Ich zitiere Ihre ursprüngliche Bitte: "Zeigen Sie mir eine Berufsgruppe, die eine 60 fach erhöhte Todeswahrscheinlichkeit im Vergleich zur restlichen, arbeitenden Bevölkerung hat." Ich habe Ihnen eine Berufsgruppe gezeigt, die mit der Gorch Fock sicherlich mit am besten vergleichbar ist. Genau das, was Sie wollten.
Und 2009 habe ich darum genommen, weil es der letzte publizierte Bericht dieser Art war.
Ich habe nicht so lange gesucht, bis ich Daten gefunden habe, die irgendeine These unterstützen. Wenn Sie mir das unterstellen wollen (so scheint mir Ihr Kommentar verstehbar zu sein), so verwahre ich mich dagegen.
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Kompliment, gutes Gedächtnis! Du warst also Vorschoter, der Definition nach ein Mensch, der mit einem segelt, obwohl er einen kennt!
Aber richtig, innerhalb von Sekunden kann sich eine völlig ruhige Situation in etwas ganz anderes verwandeln. Und wer da nicht aufgepaßt hat, landet bestenfalls im Wasser.
Zitat Nun gibt es, so wie Sie argumentieren, immer wieder Menschen die (teilweise recht lapidar) ausdrücken, dass Unfälle eben passieren. Das ist eine Sicht, die man sich in der heutigen Industrie nicht mehr leisten kann. Unfälle dürfen eben nicht passieren. Das sie das doch tun, liegt an der Diskrepanz zwischen Forderung und Wirklichkeit.
Irgendwie scheinen Sie mit der Realität zu hadern. Unfälle sind Fakt, ob in der Industrie oder sonstwo. Unsere Gesellschaft geht inzwischen formale Wege, um Unfälle zu minimieren, das ist richtig:
Zitat Wo wir vielleicht nicht beeinander sind ist, wo der Stand der Technik nun ist. Denn die Gesetzgebung sagt auch bisweilen klar, dass wenn ein Verfahren nicht sicher durchgeführt werden KANN, das die Alternative nicht ist, es dann unsicher durchzuführen, sondern es eben gar nicht durchzuführen.
Der 'Stand der Technik' spielt bei Gerichtsurteilen zu Haftungsfragen, u.a. nun mal eine große Rolle. In Sicherheitsrichtlinien wie der von Ihnen wiederholt zitierten Machinery Directive (MD) ist 'Stand der Technik' meist durch einen Bezug auf Sicherheitsnormen abgedeckt. Hier geht es aber um die Abgrenzung des Herstellers zum Kunden / Betreiber. Die MD ist aber keine Betreiberverordnung: Wenn der Dreher seine langen Haare in die Drehmaschine nach Stand der Technik bringt, dann gehört ist der 'Affe' bei der Arbeitssicherheit und hat mit der MD nichts zu tun.
Wo es aber keine Produkt- oder Verhaltensnormen gibt, kommen (teilweise standardisierte) Risikoanalyse- und Risikobewertungsverfahren zur Anwendung. Um es kurz zu machen: An deren Ende steht eine Risiko-Nutzen-Analyse. An deren Ergebnis kann man dann als Nichtbeteiligter herumkritteln, damit hadern, oder sie halt akzeptieren, inklusive der Todesfälle. Das letztere ist bisher der gesellschaftliche Konsens. Selbstverständlich erfordert eine Risikobewertung eine ständige Überprüfung, beispielsweise wenn ursprüngliche Annahmen (Zahl der Unfälle) deutlich überschritten werden. Aber einfach mal so sein Gefühl in den Raum zu stellen und Äpfel mit Birnen zu vergleichen ist nicht der konsensfähige Umgang mit Sicherheitsfragen.
Ich sehe die Gefahr in der öffentlichen Diskussion eher darin, dass durch die öffentliche Diskussion die professionelle Risikobewertung zur Sicherheit der Marinesoldaten durch eine persönliche Risikobewertung der Politiker zum Bestand ihrer Karriere überschrieben wird. Man kann den Drill in der Ausbildung natürlich reduzieren, in der Hoffnung, dass der Ernstfall unwahrscheinlich ist. Sollte es doch zum Ernstfall kommen, dann ist das halt die Sintflut danach.
Gruß, Martin
PS: Nur als Hinweis: Für Sportboote gibt es ebenfalls eine EU-Richtlinie 2003/44/EG, deren Details aber nicht an die MD herankommen.
Lieber Martgin, Sie haben recht, das ist mein Zugang zu der Geschichte. Der Vorfall ereignete sich allerdings 2007. Da ich mit meiner Einheit zu exakt dieser Zeit im Einsatz war, betraf mich das Ganze mittelbar. Ausserdem kenne ich einige Offiziere und Unteroffiziere des betroffenen Kurses.
Zitat von vielleichteinlinkerDas Problem mit Frauen ist, dass die Männer um sie herum - wenn die Frau in Gefahr ist oder gar verwundet - völlig durchdrehen.
Auch. Aber nicht nur die Männer um sie herum.
Man sieht das doch sehr schön am aktuellen Fall: Seit über 50 Jahren ist die Gorch Fock im Dienst - und dreimal gab es Todesopfer durch einen Sturz vom Mast. Und das gab dann eine Trauermeldung und ansonsten ging der Betrieb weiter.
Und jetzt ist beim vierten Mal eine Frau das Opfer - und es gibt einen riesigen Medienzirkus und es wird ernsthaft diskutiert, die ganze Ausbildung einzustellen.
Zitat von R.AUnd jetzt ist beim vierten Mal eine Frau das Opfer - und es gibt einen riesigen Medienzirkus und es wird ernsthaft diskutiert, die ganze Ausbildung einzustellen.
Von Ausbildung kann ja dabei wohl kaum die Rede sein, sondern gruppendynamische Übungen und Selbsterfahrungserlebnisse. Im Zeichen knapper Kassen sollte die Bundeswehr Kurse für erlebnisorientierte Manager_innen anbieten und sich fürstlich entlohnen lassen. Das ist eine viel dankbarere Klientel als unsportliche Offiziersanwärter_innen.
Die Teamplayer würden nur dem Kapitän den gebührenden Beifall für gelungenes Wasserskifahren zollen, sondern sich auch ohne zu meutern mit fetten Quallen bewerfen lassen.
Es ist genau deshalb relevant, weil ein Privatier sich nicht um seine eigene Gefährdung scheren muss. Wenn Sie sich ihre eigene Statistik ansehen, dann werden Sie sehen, dass Selbstständige eine knapp vierfache Wahrscheinlichkeit haben, tödlich zu verunglücken. Und da gerade Fischerei zu Professionen gehören dürfte, die einen sehr hohen Anteil daran haben, ist entsprechend die Unfallquote erhöht. Das ist aber nur begrenzt vergleichbar mit Unfällen in einem Angestelltenverhältnis, denn der Arbeitegeber ist gehalten Verantwortung für Sicherheit und Leben seines Angestellten zu übernehmen. Was der Selbstständige nicht muss. Das kleine Sportboote, noch dazu betrieben von Einzelpersonen oder sehr kleinen Gruppen, erhöhte Risiken bergen, das finde ich naheliegend. Ob die repräsentativ sind für die Fischereiindustrie auf grossen Schiffen, das wage ich zu bezweifeln.
Zitat Ich habe nicht so lange gesucht, bis ich Daten gefunden habe, die irgendeine These unterstützen.
Das heisst, wenn diese 200 im Bereicht 2008 gestanden hätte und nicht 2009, hätten Sie diese nicht genannt ? Aber wenn Sie so nett sind und tun, worum ich bitte, dann bitte ich noch einmal um die Beantwortung der Frage, die ich gestellt habe.
Zitat Nun gibt es, so wie Sie argumentieren, immer wieder Menschen die (teilweise recht lapidar) ausdrücken, dass Unfälle eben passieren. Das ist eine Sicht, die man sich in der heutigen Industrie nicht mehr leisten kann. Unfälle dürfen eben nicht passieren. Das sie das doch tun, liegt an der Diskrepanz zwischen Forderung und Wirklichkeit.
Irgendwie scheinen Sie mit der Realität zu hadern.
Ganz und gar nicht. Sie sollten wenn dann, den nächsten Satz mitzitieren: "Was aber nicht dazu führt, dass man die Forderung nicht dennoch erhebt." Ich sehe da kein Hadern. Wenn Ihnen andere Vergleiche lieber sind, habe ich einen direkteren: Morde dürfen nicht passieren. Das sie das doch tun, liegt an der Diskrepanz zwischen Forderung und Wirklichkeit. Was aber nicht dazu führt, dass man die Forderung nicht dennoch erhebt. Damit hadere ich auch nicht.
Zitat Wo es aber keine Produkt- oder Verhaltensnormen gibt, kommen (teilweise standardisierte) Risikoanalyse- und Risikobewertungsverfahren zur Anwendung. Um es kurz zu machen: An deren Ende steht eine Risiko-Nutzen-Analyse.
Das stimmt nicht, jedenfalls nicht was Produktionsanlagen betrifft (Verhaltensnormierung ist nicht meine Fach). Zum einen löst eine Norm erst einmal eine Vermutungswirkung aus, sie selbst ist nicht bindend. Ich kann zu jedem Zeitpunkt eine Gefährdungsanalyse nach Maschinenrichtlinie durchführen, die Norm brauche ich dafür nicht (aber sie erspart einem viel Arbeit). Die Richtlinie ist Gesetz, die Norm nicht. Zum zweiten hat der Nutzen in der Analyse nichts verloren, da wird auch kein Nutzen ermittelt. Es wird Gefahr ermittelt. Und dann wird Gefahr durch technische Maßnahmen minimiert. Entweder unterschreite ich an irgendeinem Punkt die geforderte Sicherheit, dann habe ich gewonnen, oder ich komme an die technische Grenze. Und dann ist Ende. Ich kann nichts auf den Markt bringen, was gefährlich ist und sei es noch so nützlich. Im Unterschied zum Nutzen ist nebenbei bemerkt, der Grad an Gefährdung halbwegs quantifizierbar. Da kann man sich Gedanken machen zu Fehlerraten, Fehlerfolgen und Wahrscheinlichkeiten machen. Ein Nutzen ist fast nicht zu packen, denn wie wollte man den Nutzen eines Computergehäuses quantifizieren ?
Zitat An deren Ergebnis kann man dann als Nichtbeteiligter herumkritteln, damit hadern, oder sie halt akzeptieren, inklusive der Todesfälle. Das letztere ist bisher der gesellschaftliche Konsens.
Ich wäre sehr vorsichtig an ihrer Stelle, hier von einem gesellschaftlichen Konsens zu sprechen. Denn offensichtlich teilen eine Menge Menschen dieses Konsens nicht. Ich wüsste auch nicht, wo wir je darüber abgestimmt haben. Die einzige Möglichkeit für Sie, einen gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage zu konstruieren, ist über das Demokratieprinzip. Aber genau der Vertreter dieser Demokratie ordnet gerade eine Überprüfung an. Also nach diesem gesellschaftlichen Konsens, nämlich der, dass derzeit ein Herr von Guttenberg dort der Chef ist, hadern wir mit diesen Todesfällen und wollen sie erstmal so nicht akzeptieren.
Zitat Ich sehe die Gefahr in der öffentlichen Diskussion eher darin, dass durch die öffentliche Diskussion die professionelle Risikobewertung zur Sicherheit der Marinesoldaten durch eine persönliche Risikobewertung der Politiker zum Bestand ihrer Karriere überschrieben wird.
Und hier ist der allgemeine Konsens nichts mehr wert ? Was macht denn ein Politiker, noch dazu jemand, der wie ein Guttenberg sehr genau darauf schaut, wie er rüber kommt ? Er erfüllt Volkes Willen. Also den gerade von Ihnen ins Feld geführten Konsens. Wenn er also untersuchen lässt und wir kommen als Allgemeinheit dazu, dass wir das Risiko nicht vertretbar finden, dann wird ein Guttenberg das umsetzen. Kommen wir dagegen zum gegenteiligen Konsens, dann wird ein Guttenberg auch dem folgen. Wo ist also das Problem ? Dazu kommt: Wieso glauben Sie, dass eine solche "professionelle Risikobewertung" stattgefunden hat ? Nehmen Sie diese Frage nicht als Aussage, sehen Sie sie so simpel wie sie ist.
Es ist genau deshalb relevant, weil ein Privatier sich nicht um seine eigene Gefährdung scheren muss. Wenn Sie sich ihre eigene Statistik ansehen, dann werden Sie sehen, dass Selbstständige eine knapp vierfache Wahrscheinlichkeit haben, tödlich zu verunglücken. Und da gerade Fischerei zu Professionen gehören dürfte, die einen sehr hohen Anteil daran haben, ist entsprechend die Unfallquote erhöht. Das ist aber nur begrenzt vergleichbar mit Unfällen in einem Angestelltenverhältnis, denn der Arbeitegeber ist gehalten Verantwortung für Sicherheit und Leben seines Angestellten zu übernehmen. Was der Selbstständige nicht muss. Das kleine Sportboote, noch dazu betrieben von Einzelpersonen oder sehr kleinen Gruppen, erhöhte Risiken bergen, das finde ich naheliegend. Ob die repräsentativ sind für die Fischereiindustrie auf grossen Schiffen, das wage ich zu bezweifeln.
Offen gestanden wirkt das auf mich sehr nach einem Greifen nach Strohhalmen.
Zitat von Llarian
Zitat von GorgasalIch habe nicht so lange gesucht, bis ich Daten gefunden habe, die irgendeine These unterstützen.
Das heisst, wenn diese 200 im Bereicht 2008 gestanden hätte und nicht 2009, hätten Sie diese nicht genannt?
Nein. Ich habe den Bericht 2008 überhaupt nicht angeschaut, warum auch? Wenn ich im neuesten Bericht 2009 keine Berufsgruppe mit 60-fachem Risiko gegenüber dem Durchschnitt gefunden hätte, dann hätte ich das so hingeschrieben.
Der Vollständigkeit halber: 2008 war die Quote 128,2, 2007 109,5, 2006 159,1, davor gibt es keine derartigen Auswertungen.
Sie unterstellen mir hier ganz ausdrücklich, ich würde Daten darauf selektieren, ob sie mir in den Kram passen. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, dass mich diese Unterstellung ziemlich fuchsig macht. Wenn Sie mir nicht einmal das bisschen Integrität zugestehen, Daten so zu verwenden, wie sie sind, dann macht die Diskussion mit Ihnen mir nicht mehr sonderlich viel Spaß. Nicht ernstnehmen kann ich mich auch anderswo lassen.
Zitat von LlarianAber wenn Sie so nett sind und tun, worum ich bitte, dann bitte ich noch einmal um die Beantwortung der Frage, die ich gestellt habe.
Sie hatten gefragt:
Zitat von LlarianIch räume ein, Sie haben ein Jahr gefunden, wo eine einzelne Berufsgruppe eine ähnliche hohe Unfallquote aufweist wie die Gorch Fock (Unter der Annahme, dass die etwas zusammengewürfelten Zahlen so repräsentativ sind). Heisst das, das die Gorch Fock kein Problem hat ? Oder das die amerikanische Fischereindustrie im Jahr 2009 ein Problem hatte ?
Meines Erachtens zeigen diese Zahlen, dass die Arbeit auf hoher See grundsätzlich ein Problem hat, nämlich eine erhöhte Gefahr für Leib und Leben. Und dass die Gorch Fock nicht aus diesem Rahmen herausfällt - Ihren komplizierten Ausführungen oben, warum Fischer eine Quote von 200 Toten pro 100000 FTEs haben dürfen, die Gorch Fock aber nicht, schließe ich mich nämlich nicht an.
Und in Anbetracht meiner oben beschriebenen Probleme mit dieser Diskussion soll das mein letzter Beitrag dazu sein.
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat Offen gestanden wirkt das auf mich sehr nach einem Greifen nach Strohhalmen.
Der Strohhalm trägt ziemlich gut. Das wir Äpfel mit Birnen vergleichen ist uns beiden bewusst. Aber diese Birne ist schon etwas seltsam geformt und schmeckt schwer nach Banane. Ich sagte schon, Sie haben eine Zahl gefunden, die Ihnen recht gibt. Und ich setze dagegen, dass die Zusammensetzung dieser Zahl schon ziemlich schlecht nachvollziehbar ist.
Zitat Nein. Ich habe den Bericht 2008 überhaupt nicht angeschaut, warum auch?
Um die Zahl zu finden natürlich. Sie haben sich ja auch die Mühe gemacht zu suchen. Ich finde es naheliegend, dass wenn man schon nach solchen Zahlen sucht, sich im Zweifelsfall auch die Zahlen davor und danach ansieht (in diesem Falle nur davor), zumal diese von der selben Seite verlinkt sind, um mal ein Gefühl dafür zu bekommen, wie repräsentativ die sind. Ein Wirbelsturm in 2009 kann schon genügen, um die Statistik völlig über den Haufen zu werfen, da würde ich mir schon ansehen, ob sowas sein kann. Und es ist ja auch tatsächlich so, dass über die Zeitreihe betrachtet, 2009 ausreist.
Zitat Sie unterstellen mir hier ganz ausdrücklich, ich würde Daten darauf selektieren, ob sie mir in den Kram passen. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, dass mich diese Unterstellung ziemlich fuchsig macht. Wenn Sie mir nicht einmal das bisschen Integrität zugestehen, Daten so zu verwenden, wie sie sind, dann macht die Diskussion mit Ihnen mir nicht mehr sonderlich viel Spaß.
Himmelswillen, müssen Sie so dünnhäutig sein ? Ich habe Ihnen doch nicht unterstellt falsche Zahlen zu verwenden. Ich habe unterstellt, dass ich die Vergleichbarkeit nicht so ganz nachvollziehe (siehe oben) und das Sie genau den Ausreisser gefunden haben. Da wir beide uns mit Statistik ein bischen auskennen (zumindest meine ich das so zu erinnern), wäre ich davon ausgegangen, dass Sie, analog zu mir, die Zeitreihe selbstredend betrachtet haben, gerade wenn die vor einem liegt und einen anspringt. Das macht ihre Aussage ja nicht falsch, aber relativiert schon gleich den Wert der Zahl selbst. Wenn Sie das nicht haben, sorry, aber ich finde das naheliegend. Ich hätte und habe das selbstredend gemacht, ich finde das auch nicht ein bischen amoralisch oder etwas wo ich fuchsig dran werden kann, wenn ich Daten so direkt nebeneinander sehe, dann schaue ich auch rein. Ich habe an keiner Stelle ihre Integrität in Frage stellen wollen und wenn Sie das so sehen oder emfinden, dann tut mir das leid und ich entschuldige mich dafür, es lag nicht in meiner Absicht. In meiner Absicht lag das sachliche Argument, dass es sich bei diesem Jahr und dieser Zahl um den Top-Wert aller Gruppe der meisten Jahre handelt (ich habe nicht alle geprüft).
Zitat Meines Erachtens zeigen diese Zahlen, dass die Arbeit auf hoher See grundsätzlich ein Problem hat, nämlich eine erhöhte Gefahr für Leib und Leben. Und dass die Gorch Fock nicht aus diesem Rahmen herausfällt - Ihren komplizierten Ausführungen oben, warum Fischer eine Quote von 200 Toten pro 100000 FTEs haben dürfen, die Gorch Fock aber nicht, schließe ich mich nämlich nicht an.
Das müssen Sie auch gar nicht, denn DAS habe ich nie ausgeführt. Was ich sagte ist, das selbst wenn Sie ihre Zahl für unangreifbar halten, das ja nichts daran ändert, dass die Gorch Fock die Statistik in jeder Beziehung (mit) anführt. Aber genaugenommen geht das wenigstens ein bischen an meiner Frage vorbei und sie unterstellt mir auch etwas, was ich nie gesagt habe: Das nämlich die 200 bei den Fischern vertretbar seien (oder zeigen Sie mir, wo ich das gesagt habe ! Sie sehen, Unterstellungen passieren schnell.). Meine Frage zielte darauf, ob Sie (!) die hohe Zahl an Toten in der Fischerei für vertretbar emfinden. Dann könnte man auch über die Gorch Fock reden. ODER müsste man nicht, das ist natürlich suggestiv, bei beiden fragen, was da falsch läuft. Ab wann sehen Sie Handlungsbedarf ? Ab 60, 600 oder 6000 ? Was ist für Sie noch akzeptabel ? Und wichtiger noch: Was nicht mehr ?
Zitat von Llarian[Das stimmt nicht, jedenfalls nicht was Produktionsanlagen betrifft (Verhaltensnormierung ist nicht meine Fach). Zum einen löst eine Norm erst einmal eine Vermutungswirkung aus, sie selbst ist nicht bindend. Ich kann zu jedem Zeitpunkt eine Gefährdungsanalyse nach Maschinenrichtlinie durchführen, die Norm brauche ich dafür nicht (aber sie erspart einem viel Arbeit). Die Richtlinie ist Gesetz, die Norm nicht. Zum zweiten hat der Nutzen in der Analyse nichts verloren, da wird auch kein Nutzen ermittelt. Es wird Gefahr ermittelt. Und dann wird Gefahr durch technische Maßnahmen minimiert. Entweder unterschreite ich an irgendeinem Punkt die geforderte Sicherheit, dann habe ich gewonnen, oder ich komme an die technische Grenze. Und dann ist Ende. Ich kann nichts auf den Markt bringen, was gefährlich ist und sei es noch so nützlich. Im Unterschied zum Nutzen ist nebenbei bemerkt, der Grad an Gefährdung halbwegs quantifizierbar. Da kann man sich Gedanken machen zu Fehlerraten, Fehlerfolgen und Wahrscheinlichkeiten machen. Ein Nutzen ist fast nicht zu packen, denn wie wollte man den Nutzen eines Computergehäuses quantifizieren ?
Lieber Llarian,
die Welt der Anlagenbauer ist vielleicht etwas eingeschränkt, und ihre Richtlinie mogelt sich um eine klare Aussage herum. Selbstverständlich tut sich der Gesetzgeber schwer, im Anlagenbau von einem Nutzen zu reden, anders als zum Beispiel im Medizingerätebereich, wo es etwas einfacher ist, von einem medizinischen Nutzen zu reden. Der Nutzen ist implizit, man geht davon aus, dass niemand eine nutzlose Maschine anschafft. Und selbstverständlöich sagt die Maschinienrichtlinie nicht, dass keine Unfälle passieren dürfen, sie gibt letztlich nur vor, Gefahren entweder zu beseitigen oder Risken zu minimieren. Die 'weichen' Punkte sind wie auch sonst 'foreseeable abnormal situations' (Gruß an die Auguren), 'conditions foreseen by the manufacturer' oder 'as far as possible', usw. Wie gesagt, wo sich die Gesetzgeber und im Schlepptau die ISO um die Nutzenfrage nicht herumgemogelt haben, ist die Risikoanalyse auch sauber und konsequent zu Ende geführt. Ich empfehle einen Blick in die ISO 14971, oder in die ISO 31000. Die letztere ist von den internationalen Gesetzgebern, außer Deutschland, stark unterstützt, und wird über den Weg der Global Harmonization Task Force ihren Weg in die Gesetze finden. Sie repräsentiert den internationalen Konsens (das gallische Dorf wird auch noch folgen).
Zitat Entweder unterschreite ich an irgendeinem Punkt die geforderte Sicherheit, dann habe ich gewonnen, oder ich komme an die technische Grenze. Und dann ist Ende. Ich kann nichts auf den Markt bringen, was gefährlich ist und sei es noch so nützlich.
Und eben so steht es nirgendwo im 'Gesetz'. Sie müssen nach vorgegebenen Schritten das Risiko minimieren, mit allen weichen Kriterien, die ich oben zitiert habe. Und wenn Sie das Risiko minimiert haben, wobei technischen Grenzen gesetzt sein können, dann gilt das Gerät nicht als 'gefährlich', sondern das Risiko kann tortzdem 'vertretbar' sein. Sie müssen den Benutzer auf die verbleibenden Restrisiken hinweisen.
Und da sind wir bei der Gorch Fock: Ich bin sicher, dass die Rekruten auf die Restrisiken hingewiesen waren. Ansonsten unterliegt die Gorch Fock natürlich nicht der Maschinenrichtlinie, und die militärischen Risikomanagementprozesse gab es auch schon deutlich länger als diese Richtlinie. Man sollte etwas zögerlicher sein, wenn man seine Anlagenwelt auf andere Geltungsbereiche überträgt.
Werter Martin, die Maschinenrichtlinie richtet sich nicht weniger an Anlagenbauer als an jeden, der eine Maschine konstruiert. Das betrifft ebenso die medizinschen Anlagen, von denen Sie sprechen. Darum gehts aber auch gar nicht, denn es wäre absurd die Richtlinie auf die Ausbildung der Bundeswehr anwenden zu wollen. Die Richtlinie dient mir als Beispiel für das, was man heute in der Industrie erwartet. Der Gesetzgeber verlangt Sicherheit. Das tut er an diversen Stellen, auch wo keine Maschinen involviert sind. Das ich als Beispiel das verwende, was ich selbst am besten kenne, ist deswegen kein schlechtes Beispiel.
Zitat klare Aussage herum. Selbstverständlich tut sich der Gesetzgeber schwer, im Anlagenbau von einem Nutzen zu reden, anders als zum Beispiel im Medizingerätebereich, wo es etwas einfacher ist, von einem medizinischen Nutzen zu reden
Jetzt tut er sich plötzlich schwer ? Vorher schreiben Sie noch, da wo keine Norm vorliegt, würde man Nutzen-Kosten bewerten. Das klingt für mich erst einmal sehr universell. Worauf schränken wir uns jetzt ein ? Auf Alles was nicht Anlagenbau ist ? Ich würde das gerne festzurren, bevor ich darauf weiter eingehe (aber ich wage mich jetzt schon an die Aussage, die Einschränkung auf nicht Anlagenbau wird nicht reichen).
Zitat Und wenn Sie das Risiko minimiert haben, wobei technischen Grenzen gesetzt sein können, dann gilt das Gerät nicht als 'gefährlich', sondern das Risiko kann tortzdem 'vertretbar' sein. Sie müssen den Benutzer auf die verbleibenden Restrisiken hinweisen.
Nee. Und bitte, gehen Sie niemals so vor. Denn so einfach ist es dann doch nicht. Es genügt eben nicht ein Schild aufzustellen, "Ab hier ist es gefährlich". Restrisiken müssen tatsächlich "vertretbar" sein und diese Auslegung ist verdammt eng. Es ist NICHT ungefährlich, weil sie es technisch nicht besser hinkriegen, das ist auch, entschuldigen Sie die Direktheit, ziemlich trivial. Nehmen Sie beispielsweise an, Sie wollten einen Raketenrucksack auf den Markt bringen. Saugefährlich. Jetzt minimieren Sie die Risiken, stellen aber fest, Raketenfliegen bleibt gefährlich. Sie kriegen den Tank in den Griff, vielleicht noch den Motor und Weiss der Kuckuck was noch. Aber Absturz bleibt bei jedem zweiten Start als Risiko erhalten. Das bringen Sie nicht auf den Markt. Weil es eben nicht reicht zu sagen "ja, ist eben gefährlich, ging aber nicht anders nach Stand der Technik, aber wir habens in die Bedienungsanleitung geschrieben". Es geht einfach nicht. Vertretbarkeit ist ein sehr schwammiger Begriff, aber der Hinweis auf den begrenzten Stand der Technik erlaubt Ihnen nicht, gefährliche Dinge als vertretbar zu definieren.
Zitat Ansonsten unterliegt die Gorch Fock natürlich nicht der Maschinenrichtlinie, und die militärischen Risikomanagementprozesse gab es auch schon deutlich länger als diese Richtlinie.
Bleibe ich bei meiner Frage, die ich Sie jetzt das zweite mal bitte zu beantworten: Wieso glauben Sie, dass eine solche "professionelle Risikobewertung" stattgefunden hat ?
Zitat Man sollte etwas zögerlicher sein, wenn man seine Anlagenwelt auf andere Geltungsbereiche überträgt.
Eine ziemlich deplazierte Aussage, die ähnlich sinnvoll ist, wie die Frage oben, ob ich eine Kaserne von innen gesehen habe, oder nicht.
Zitat von LlarianWerter Martin, die Maschinenrichtlinie richtet sich nicht weniger an Anlagenbauer als an jeden, der eine Maschine konstruiert. Das betrifft ebenso die medizinschen Anlagen, von denen Sie sprechen. Darum gehts aber auch gar nicht, denn es wäre absurd die Richtlinie auf die Ausbildung der Bundeswehr anwenden zu wollen. Die Richtlinie dient mir als Beispiel für das, was man heute in der Industrie erwartet. Der Gesetzgeber verlangt Sicherheit. Das tut er an diversen Stellen, auch wo keine Maschinen involviert sind. Das ich als Beispiel das verwende, was ich selbst am besten kenne, ist deswegen kein schlechtes Beispiel.
Lieber Llarian,
es ist ein schlechtes Beispiel, wenn es den Blick auf die Grundsätze versperrt. Deshalb verweise ich auf den Bereich der Medizin (-technik), wo die Grundsätze besser erkennbar sind.
Zitat Jetzt tut er sich plötzlich schwer ? Vorher schreiben Sie noch, da wo keine Norm vorliegt, würde man Nutzen-Kosten bewerten. Das klingt für mich erst einmal sehr universell.
Ganz einfach: Die Richtlinien für Zulassungen beinhalten Risiko/Nutzen-Abwägungen entweder direkt, weil es Abwägungen Gesundheit gegen Gesundheit einfach zu vermitteln sind, und auch über die Funktion beteiligter Mediziners gesetzlich gestützt sind, oder die Risiko/Nutzen-Abwägungen sind implizit im Gesetzgebungesverfahren adressiert. Im letzteren Fall geschieht die Abwägung letztlich im Parlament. Beispiel: Sie können unmittelbar tausende Menschen vor dem Verkehrstod bewahren, indem Sie per Gesetz den Autoverkehr verbieten, oder aber, indem Sie sämtliche Gehwege zur Straße hin einzäunen lassen, und die verbleibenden Übergänge beschranken. Oder Sie können Kraftfahrzeuge mit einem dicken Wattepolster umgeben und gleichzeitig die Geschwindigkeit deutschlandweit auf 30 km/h begrenzen. Der Nutzen ist doch offensichtlich, und dem in der Maschinenrichtlinie verankerten Sicherheitsfachmann eigentlich ohne Alternative. Machen Sie entsprechende Gesetzesvorschläge, und Sie werden in der parlamentarischen Diskussion die Risiko/Nutzen-Abwägungen verfolgen können. Das ist alles Teil des Risikomanagements, das den gesellschaftlichen Konsens beinhaltet, nur dass hier dem Hersteller nicht notwendigerweise große Entscheidungsspielräume bleiben. Der Automobilhersteller muss sich mit dem Nutzen seiner Fahrzeuge nicht mehr beschäftigen. Tausende Tote im Jahr sind aber trotzdem gesellschaftlicher Konsens.
Hersteller im Medizinbereich sind dagegen zu klinischen Bewertungen verpflichtet, und darüber hinaus zu Meldepflichten, wobei sich Behörden notfalls übergeordnete Kosten/Nutzen Abwägungen vorbehalten.
Zitat Nee. Und bitte, gehen Sie niemals so vor. Denn so einfach ist es dann doch nicht. Es genügt eben nicht ein Schild aufzustellen, "Ab hier ist es gefährlich". Restrisiken müssen tatsächlich "vertretbar" sein und diese Auslegung ist verdammt eng....
Ich habe nur aus dem Gesetz zitiert und ich kann noch weiter zitieren. Dass es nicht so einfach ist, 'unsichere' Geräte auf den Markt zu bringen liegt nur daran, dass der berühmte Stand der Technik (in dem die Erfahrungen von Jahrzehnten zusammengetragen sind) ein enges Korsett setzt. Gibt es keinen etablierten Stand der Technik, beispielsweise bei hochinnovativen Produkten, dann lebt auch die europäische Union letztlich mit einem potentiell höheren Restrisiko.
Zitat Bleibe ich bei meiner Frage, die ich Sie jetzt das zweite mal bitte zu beantworten: Wieso glauben Sie, dass eine solche "professionelle Risikobewertung" stattgefunden hat ?
Wenn Sie die Kommentare erfahrener Marinesoldaten (auch vom Max) aufnehmen, dann sehen Sie durchgängig die Aussage, dass die Kosten (an Menschenleben) durch Drill weit geringer sind als der Nutzen, d.i. Menschen, die nicht zu Tode kommen weil sie für ihre Aufgabe bestens vorbereitet sind. Das ist Risikobewertung in Reinform. Als Segler ist für mich eine Ausbildung auf der Gorch Fock völlig plausibel, um für Arbeiten auf bewegtem Wasser das nötige Gefahrenbewusstsein zu entwickeln. Es wäre doch mal einen Versuch wert, amerikanische Fischer auf der Gorch Fock auszubilden, vielleicht würde das die von Gorgosal referenzierten Unfallzahlen reduzieren.
Zitat es ist ein schlechtes Beispiel, wenn es den Blick auf die Grundsätze versperrt. Deshalb verweise ich auf den Bereich der Medizin (-technik), wo die Grundsätze besser erkennbar sind.
Lieber Martin, es hilft uns wenig, wenn so rumgeeiert wird. Ich fragte ganz eindeutig: Wie universell ist ihre Aussage ? Anlagenbau haben Sie ausgeschlossen, schön. Was noch ? Das Beispiel Medizintechnik ist ein bischen einsam, wenn Sie universell Nutzenrechnungen unterstellen. Also: Wie universell ist ihre Aussage ?
Zitat Tausende Tote im Jahr sind aber trotzdem gesellschaftlicher Konsens.
Was vor allem gesellschaftlicher Konsens ist, ist, dass Autos sicher sein müssen. Die allermeisten dieser Unfälle sind auf Fahrlässigkeit zurückzuführen, ich erlaube mir Wikipedia zu zieren: [ZITAT] Hauptunfallursachen nach der Verkehrsunfallstatistik sind: Überhöhte Geschwindigkeit, Alkoholeinfluss des Fahrers, Zu geringer Abstand, Falsche Straßenbenutzung, Riskantes Überholen, Übersehene Vorfahrt/Vorrang, Unachtsamkeit beim Abbiegen/Wenden/Rückwärtsfahren, Fehlverhalten gegenüber Fußgängern [TATIZ] Da sind allesamt Dinge, die nicht die Konstruktion des Autos betreffen, die Fahrzeuge sind reichlich sicher. Die Fehler sind nahezu alle fahrlässig, sie sind nicht systembedingt. Konstruktionsmängel am Auto sind nicht einmal unter diesen Plätzen erfasst. Es ist also keinesfalls gesellschaftlicher Konsens, dass Autos ein Restrisiko von 4000 Toten tragen dürfen, nahezu alle dieser Ursachen sind schlicht verboten. Verbotenes widerspricht dem gesellschaftlichen Konsens, oder ?
Zitat Gibt es keinen etablierten Stand der Technik, beispielsweise bei hochinnovativen Produkten, dann lebt auch die europäische Union letztlich mit einem potentiell höheren Restrisiko.
Das ist einfach falsch, siehe Raketenrucksack. Ich hatte gehofft, dass die Absurdität eines solchen Produktes das klar vor Augen führt. Wenns das nicht tut, kann ich auch nix dran machen.
Zitat Wenn Sie die Kommentare erfahrener Marinesoldaten (auch vom Max) aufnehmen, dann sehen Sie durchgängig die Aussage, dass die Kosten (an Menschenleben) durch Drill weit geringer sind als der Nutzen
Das habe ich IMMERNOCH nicht gefragt, lieber Martin. Ich fragte, und das ist das dritte mal: Wieso glauben Sie, dass eine solche "professionelle Risikobewertung" stattgefunden hat ? Da ist keine Rede von Nutzen, da ist keine Rede von Anwesenden, da ist simple die Frage nach einer "professionellen Risikobewertung" (mit der Sie hoffentlich (!) etwas anderes gemeint haben als ein prüfender Blick und intensives Nachdenken). Wenn Sie die Frage nicht beantworten wollen oder können, okay, kann ich mit leben. Aber diese Eierei geht mir gegen den Strich und ich habe keine Lust permanent nachzufragen.
Zitat Es wäre doch mal einen Versuch wert, amerikanische Fischer auf der Gorch Fock auszubilden, vielleicht würde das die von Gorgosal referenzierten Unfallzahlen reduzieren.
Wenn Sie die weiter oben referenzierten Zahlen durchsehen würden, werden Sie feststellen, dass die Risiken für besagte Fischer dadurch deutlich erhöht würden.
ich habe den Beitrag zu früh abgeschickt, ich möchte noch etwas nachschicken: Ich führe gerne ein Gespräch, von dem ich auch weiss, das wir am Ende unterschiedlicher Meinung bleiben werden. Wir können Argumente austauschen und trotzdem bei unserer Meinung bleiben. Für mich ist es frustrierend, wenn ich Argumente von Ihnen lese, aber die Nachfrage nach Inhalten dieser ignoriert wird, bzw. dann rumgeeiert wird. Dann frage ich mich, war das Argument überhaupt für mich bestimmt oder an die breite Leserschaft gerichtet ? Dann führen wie kein Gespräch mehr, sondern eine Debatte. Das kann auch interessant sein, aber Debatten suche ich mir gezielter aus. Und in diesem Fall ist mir das Thema für eine Debatte nicht geeeignet (dann hätte ich es auch ganz anders angefangen und sicher nicht an jeder zweiten Ecke zugegeben, was ich alles nicht weiss, sondern das schlicht abgebügelt). Deswegen meine ganz konkrete Bitte zur Beantwortung meiner Fragen. Wenn es stattdessen darum geht, möglichst gut zu debattieren, dann ist die Sache geschenkt, das ist ein Rennen, dass ich hier weder gewinnen kann noch daran teilnehmen möchte.
Lieber Llarian, das Beispiel mit dem Auto hat Martin nicht schlecht gewählt. Der Gesetzgeber verzichtet darauf, mittels Regulierungen, das Auto sicherer zu machen. Abstandmesssysteme, Anlassen des Motors nur nach Alkoholkontrolle, Drosselung der Leistung, alles technisch möglich. Nicht mal einen Fahrtenschreiber verlangt er. Und das alles im sicheren Wissen, dass es jedes Jahr Verkehrstote gibt. Er verzichtet zu grossen Teilen auf beschrankte Bahnübergänge, wissend dass es jedes Jahr Tote gibt. Weshalb denn das? Weil diese Massnahmen vielleicht etwas teuer sind? Wenn ich etwas verbiete, von dem ich aus Erfahrung weiss, dass es millionenfach jedes Jahr missachtet wird, weil es schlicht Fehlverhalten gibt, und ich lasse das System trotzdem weiterlaufen, was mache ich dann? Vielleicht eine Kosten/Nutzenrechnung?
Zitat Der Gesetzgeber verzichtet darauf, mittels Regulierungen, das Auto sicherer zu machen.
Weil es ziemlich sicher ist, lieber max, WENN man sich an die Gesetze und die Warnungen der Hersteller hält. Für den Gesetzgeber ist ein erst einmal befriedigender Zustand eingetreten, wenn eine Sache, die richtig benutzt wird, sicher ist. Das ist beim Auto weitgehend der Fall. Es mag Ausnahmen geben, wo es wirklich zu technischem Versagen kommt, aber das ist sehr, sehr selten. Natürlich könnte der Gesetzgeber auch noch etwas gegen menschliche Dummheit und Fahrlässigkeit tun, das hält er aber nicht für nötig, jedenfalls nicht unter dem Kostendruck der dahinter steht (ihr Argument kann ich da absolut nachvollziehen, ich sehe aber einen Unterschied auf welchem Level man es anwendet). Ich denke, und der Gesetzgeber wohl auch, das ein Zustand befriedigend ist, der sicher ist, solange sich nicht jemand fahrlässig verhält. Üebr etwas was darüber hinaus geht, kann man sicher nachdenken, aber dann muss es tatsächlich billig sein (passiert ja auch). Simpel gesagt: Sicherheit ohne Fahrlässigkeit im Spiel ist teuer, aber das ist eben so. Sicherheit für Fälle (grober) Fahrlässigkeit ist unendlich teurer und wird auch normalerweise nicht gefordert.
Wenn wir den Vergleich zur Gorch Fock machen, entspräche das einem Gesetzgeber, der feststellt, es ist sicher auf diesen Mast zu klettern, wenn man diesen richtig benutzt. Das wäre auch eine Aussage, mit der ich leben könnte, wenn es denn so ist. Aber mal ehrlich: Das ist hier nicht argumentiert worden. Hier wurde argumentiert, dass solche Unfälle eben passieren können, das man diese aber hinnehmen muss, um den Nutzen zu erreichen, den der eine in einer guten Ausbildung, der andere in der Vorbereitung auf Gefahren und der dritte als Überwindung von Furcht gerne sehen möchte. Das ist etwas gänzlich anderes. Denn da wird tatsächlich über einen Nutzen argumentiert und eine eventuell unsichere Situation für den Zweck in Kauf genommen. Das tut der Gesetzgeber bei Autos nicht. Autos müssen im Normalbetrieb (!) sicher sein. Oder zumindest sehr, sehr sicher.
Lieber Llarian, Verkehrstote entstehen im System Verkehr. Dieses regelt der Gesetzgeber. Da ist die Sicherheit eines Autos ein Bestandteil. Es kann an Ihrem Auto technisch alles in bester Ordnung sein, es nützt ihnen relativ wenig, wenn Sie durch das Fehlverhalten eines anderen Autofahrers getötet werden. Der Gesetzgeber weiss genau um das Fehlverhalten von Millionen von Fahrzeuglenkern, Gesetze hin oder her (er kontrolliert das Verhalten von Autofahrern auch nur stichprobenartig). Und nicht nur er, jeder Fahrzeuglenker weiss das auch. Aber, er akzeptiert diese Gefahr. In meinen Augen beschreibt das ziemlich klar einen gesellschaftlichen Konsens. Und eine Kosten/Nutzenrechnung.
Sie bestreiten schlicht den Nutzen dieses Teils der Ausbildung auf der Gorch Fock. Und da, lieber Llarian, bin ich eben der Meinung, das zu beurteilen sollte man den Leuten überlassen, die etwas von der Materie verstehen.
Danke für den Hinweis, lieber energist. Habs sogleich verlinkt und hoffe, dass dies noch viel mehr Blogs tun.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat Sie bestreiten schlicht den Nutzen dieses Teils der Ausbildung auf der Gorch Fock.
Das tu ich nicht, lieber max. Oder sagen wir lieber, ich bin nicht sicher, denn das kann ich tatsächlich nur schwer beurteilen. Sagen wir ich habe einfach Zweifel oder ich bin nicht überzeugt (und wundere mich wie überzeugt andere sind, die das auch nicht selbst erlebt haben). Das alleine wäre übehaupt nicht tragisch, denn ich bin von vielem nicht überzeugt, wie beispielsweise dem Putzen mit Zahnbürsten. Dennoch käme ich nicht auf die Idee, dass das abgestellt werden muss. Für mich ist das nicht des Pudels Kern. Der Kern ist für mich, dass es mir gefährlich erscheint. Und zwar unkontrolliert gefährlich. Ich benutze bewusst den Konjunktiv, denn es könnte sein, dass wir hier wirklich eine Kette von Fehlern haben. Und diese Gefahr kann man meines Erachtens nach nicht mit ad hoc Nutzen aufwiegen. Ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass es eine ganze Reihe von Dingen gibt, die furchtbar nützlich wären aber eben auch gefährlich und auf die man verzichtet. Vom Standpunkt des Nutzens her gesehen könnte das Aufeinander-Schiessen mit scharfer Munition die besseren Soldaten hervorbringen. Aber dieser Nutzen rechtfertigt kaum die Gefahr, dass auch mal jemand umkommt. Zumindest entspricht das dem heutigen Stand.
Ich komme nochmal auf die Analogie der Risikoanalyse zurück. Wenn jemand eine Maschine baut und diese ist gefährlich, dann muss er das Risiko reduzieren. Er tuts aber nicht und weisst darauf hin, dass das nicht geht, der Zweck der Maschine aber das entstandene Risiko aufwiegt. Wenn jetzt jemand etwas passiert, meinen Sie, der kommt damit durch ? Nein, der wird darauf hingewiesen, dass ein meinen, etwas gehe nicht, sehr genau begründet werden muss. Da ist der Nutzen, egal wie hoch der ist, völlig unwichtig. Selbst unter der Annahme, dass das Restrisiko überall angepappt wurde, steht erstmal die Frage im Raum: War es irgendwie möglich, es anders (sicherer) zu machen ? An dieser Stelle tu ich Ihnen den Gefallen und bewerte diese Frage nicht. Ich stelle lieber eine: Glauben Sie, dass irgendjemand dieser Frage gestellt hat ? Und können Sie sich vorstellen, dass diese Bewertung sich eher wie ein "das haben wir schon immer so gemacht, und es hat immer funktioniert." angehört haben könnte ? Ich kann nur sagen, meine Beobachtung des Menschen (und das hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, ob jemand Soldat, Offizier oder Zivilist ist) ist die, dass althergebrachte Dinge nur sehr selten in Frage gestellt werden. Deswegen frage ich, ob Sie gegenteilige Erfahrungen gemacht haben.
ich beantworte gerne konkrete Fragen, wenn ich glaube, dass die Antwort weiterführt. Sie sehen aus meiner Sicht die Welt aus der Sicht eines vom Gesetzgeber in ein enges Korsett gezwungenen Herstellers eines für die Gesellschaft offensichtlich unwichtigen Produkts: Alleiniges Kriterium für eine Markteinführung ist allerhöchste Sicherheit. Ich meine aber, wir können uns über die Realität nur vernünftig austauschen, wenn wir den gesamten gesellschaftlichen Kontext zu sehen bereit sind.
=> Max hat meinen Punkt richtig verstanden. Und wenn Sie partout nur auf Maßnahmen am Produkt (Herstellersicht) bestehen: Sie können heute schon die Maximalgeschwindigkeit eines Fahrzeugs auf 30 km/h begrenzen. Sie sollten aber trotzdem auch verstehen, dass Sie als Hersteller beispielsweise eines Messers ganz wenig Kontrolle über Risiken eines Messers haben (denken Sie an den 'foreseeable misuse), da hilft nicht mal das Beiblatt.
=> Auf den Raketenrucksack wollte ich bewusst nicht eingehen, er bestätigt in seiner Absurdität meine Sicht: Sie haben intuitiv dieses Beispiel gewählt, nicht wegen der Gefahr, sondern weil Ihnen kein Nutzen einfiel, der eine 50% Mortalitätsrate für eine solche Anwendung rechtfertigen kann. Mir auch nicht. Die Risiko/Nutzen-Bewertung richtet das ganz schnell.
=> Ihre Frage, ob es bei der Gorch Fock eine formale Risikobewertung gegeben hat, kann ich nicht beantworten. Ich habe das auch nicht behauptet. Ich vermute, Ihre Frage leitet sich aus meinem Hinweis ab, dass das Militär Risikomanagement schon länger betreibt (als die z.B. für die Maschinenrichtlinie zuständige EU-Kommission). Meine Kenntnisse beziehen sich das amerikanische Militär, für das existiert die Gorch Fock wohl kaum. Ich kann mir vorstellen, dass es eine solche formale Bewertung bei der Gorch Fock nicht gab, weil die Erfahrungswerte älter sind als die systematischen Verfahren. Hinterfragen Sie doch bitte mal die EU-Normen, die Ihr Korsett für Sicherheitsfragen bilden: Diese Normen basieren zum Teil auf fünfzig oder mehr Jahre Erfahrung, die Inhalte der Normen (Grenzwerte u.a.) wurden nie nach modernen Gesichtspunkten ermittelt. Wenn beispielsweise irgendwo eine (sagen wir mal) zehnfache Sicherheitsmarge gefordert wird, dann ist das nicht wissenschaftlich begründet, sondern man weiß aus jahrelanger Erfahrung, dass das ausreichen müsste (bis neue Erkenntisse auftauchen).
Ich will Ihnen aber ein Beispiel aus der Realität erzählen, das Ihnen vielleicht hilft meine Sicht der Dinge nachzuvollziehen: Vor einigen Jahren hat die EU eine Arbeitsschutzrichtlinie erlassen, die u.a. die Stärke der Magnetfelder am Arbeitsplatz begrenzt hat. Die neuen Grenzwerte hätten im Handstreich die Kernspintomographie mitsamt Arbeitsplatz aus Europa verbannt. Ohne Ihnen die traurige Geschichte allzu breit erzählen zu wollen, wie man EU-Kommissionen dazu bringt, Irrtümer einzugestehen, kann ich Ihnen versichern, dass die zuständige Kommission letztlich eingesehen hat, dass der Nutzen der Kernspintomographie größer ist, als das Risiko für die Gesundheit der MTRs. Man kann das Ergebnis der Nachentscheidung aber als den gesellschaftlichen Konsens betrachten. Um Ihrer (Hersteller-)Sichtweise Rechnung zu tragen, sei bemerkt: Die Stärke der Magnetfelder ist methodenbedingt, es gibt keine Möglichkeit qualitativ gute Bilder mit geringeren Feldstärken zu erzielen.
Viel mehr kann ich nicht beitragen Sie davon zu überzeugen, dass am Ende immer die Kosten/Nutzen-Betrachtung steht, es sei denn, Anforderungen sind so einfach zu erfüllen, dass man keine weiteren Entscheidungen treffen muss. Oder - wie eingangs etwas provoziert - das Produkt ist so unwichtig, dass man bei Nichteinhaltung von Mindeststandards auf dieses Produkt leichten Herzens verzichten kann.
Mich erinnert diese Diskussion und insbesondere der offene Brief der Stammbesatzung sehr an meine eigene Wehrzeit vor gut einer Dekade. Ja, ich nehme der Stammbesatzung jedes einzelne Wort ab. Genau so haben sich die Dinge aus der Sicht der Unteroffiziere und laengerdienenden Manschaften ereignet. - Ich bin aber genauso uberzeugt, dass die Sicht der Kadetten, der Offiziersanwaerter einen grossen wahren Kern enthaelt, obwohl sich beide Darstellungen widersprechen. Es ist schlichtwegs so, dass 'Realitaesnahe Ausbildung unter erschwerten Bedingungen' fuer den anderen 'Schikane' ist. Und 'Gruppendynamik' fuer den einen, 'Gruppenzwang' fuer den anderen darstellt. - Ich habe selber genuegend dieser Beispiele in meinem Tagebuch aus dieser Zeit festgehalten: Dinge, die man bei einem Bier sehr lustig erzaehlen kann und die man genausogut mit Traenen in den Augen einem BILD-Reporter erzaehlen koennte. - Es handelt sich um eine sehr hirarchische Gesellschaft. Als Rekrut steht man ganz unten in der Befehlskette, unabhaengig vom Herkunft und - viel Schlimmer - unabhaengig vom Bildungsabschluss. Dies fuehrt zu Spannungen, die sich entladen und die zu der unterschiedlichen Bewertung der Situation an Bord fuehren. Ich denke, dies muss man sich vergegenwaertigen um die Berichte richtig einzuordnen.
Fuer mich ist nun die Frage: Ist der Unfall der Soldatin auf Spannungen zwischen den Auszubildenden Offiziersanwaertern und den Mannschaften, die hier in die Ausbilderrolle schluepfen und dadurch Macht erhalten, entstanden? Falls ja: Skandal. Falls nein: Kein Skandal, aber ein ggf. schlechtes Licht auf das System Bundeswehr. Je nachdm welchen Standpunkt man in der Frage Stammbesatzung vs. Lehrgangsteilnehmer einnimmt.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.