Zitat von FTT_2.0"Politisch bedeutungslos" ist so eine Sache. Der FN mag zwar nicht direkt an die Schalthebel der Macht kommen, kann aber dennoch die Aussichten des Mitte-Rechts-Lagers empfindlich stoeren, vor allem wenn seine Kandidaten fuer die Nationalversammlung irgendwie in die zweite Runde einziehen.
Ja, das ist leider wahr.
Die Linke hat unter dem französischen Wahlrecht einen strukturellen Vorteil, weil es im zweiten Wahlgang traditionell die discipline républicaine gibt - die Sozialisten wählen eisern den Kommunisten, wenn sich ihr eigener Kandidat zu dessen Gunsten zurückgezogen hat; und umgekehrt. Hinzu kommt, daß die meisten linksextremen Wähler (also derzeit vor allem die des Trotzkisten Olivier Besancenot) ebenfalls zähneknirschend im zweiten Wahlgang den verbliebenen linken Kandidaten wählen; und auch die meisten Wähler der Grünen.
Auf der Rechten gibt es hingegen derartige Absprachen und Übertragungen der Stimmen im zweiten Wahlgang nicht. Es kommt dann zu den berüchtigten triangulaires, bei denen ein linker, ein rechter und ein FN-Kandidat übrigbleiben.
Für diesen stimmen dann oft nicht nur dessen eigene FN-Wähler, sondern auch manche, die im ersten Wahlgang einen konervativen Kandidaten gewählt haben, zB jemanden auf der Liste von Philippe de Villiers oder einen divers droite. Siehe zum Beispiel diesen Artikel in Le Monde zu den Wahlen Ende März.
Die rechten Stimmen teilen sich also auf, die linken werden gesammelt. Das Ergebnis ist dann in der Regel ein Sieg des linken Kandidaten.
Herzlich, Zettel
Nachtrag: Der Satz "Auf der Rechten gibt es hingegen derartige Absprachen und Übertragungen der Stimmen im zweiten Wahlgang nicht" bezog sich auf die Wahl eines gemäßigten Kandidaten durch Wähler, die zuvor für einen Extremisten gestimmt hatte; so wie das auf der Linken die Regel ist (oder umgekehrt die Wahl eines Kommunisten durch Anhänger der sozialdemokratischen Sozialisten).
Das gibt es auf der Rechten nicht; der FN ruft nicht zur Wahl eines Kandidaten der der UMP im zweiten Wahlgang auf, und umgekehrt. Innerhalb der Mitte-Rechts-Parteien (la droite im Unterschied zu l'extréme droite) gibt es solche Absprachen und Stimmenübertragungen aber schon; gegenwärtig zum Beispiel zwischen Sarkozys UMP und dem Nouveau Centre, das Abgeordnete der liberalen UDF gegründet hatten, die nicht dem Kurs Bayrous folgen wollten.
Zitat von lois jane1. Llarian, woher kommen Sie denn? Oder nehmen Sie sich selbstverständlich dabei aus, wenn Sie gegen die Deutschen wettern?
Im Allgemeinen nein, im Speziellen ja. Im Allgemeinen bin ich ziemlich deutsch, ich tendiere viel zu oft zum deutschen Pessimismus, schätze die meisten heute als Sekundärtugenden abgewerteten Idealvorstellungen und ziehe die Currywurst dem französischen 4-Gänge-Menü vor. Im Speziellen bin ich dagegen etwas aus der Art geschlagen, weil ich Naturwissenschaftler und Ingenieur bin, da ist eine gewisse Belastung mit Ratio nicht zu vermeiden. Das war übrigens nicht immer so, das ist eher eine Spätfolge des Lebensweges. In jungen Jahren fand ich Grün & Greenpeace ziemlich reizvoll, so peinlich mir das heute ist.
Zitat 2. Es ist sinnlos gegen solche Überzeugungen anzudiskutieren: die Engländer sind "perfide", die Franzosen und Italiener "Lüstlinge", die Spanier ständig "stolz", die Russen "versoffen", die Amerikaner "dumm und fett" und die Deutschen eben "irrational". Hab ich schon verstanden ...
Zettel hat dazu schon einiges gesagt, nicht jeder Stereotyp ist falsch. Die Amerikaner sind in der Mehrheit deutlich übergewichtiger als beispielsweise die Deutschen. Es ist nicht rassistisch das zu sagen, es stimmt schlicht im Mittel. Was nicht heisst, dass es nicht Millionen Amerikaner gibt, die normal oder untergewichtig sind. Und das Franzosen ein deutlich entspannteres Verhältnis zur Sexualität haben halte ich auch für evident. Deswegen kann es doch auch einen verklemmten Franzosen geben. Und ebenso sind die Deutschen ziemlich irrational. Und ziemlich anfällig für politische Heilslehren. Das war 1933 so, das ist heute nicht viel anders.
Michael Crichton äussert in "Vergessene Welt" einen sehr interessanten Gedanken: Das Verhalten ein deutlich wirksamerer Erbmechanismus ist als Genetik. Die Amerikaner unterscheiden sich mit Sicherheit genetisch nahezu gar nicht von uns. Aber ihr Verhalten ist ein anderes. Und das geben sie auch an ihre Kinder weiter, so wie wir an unsere. Das ist doch kein Rassismus, das ist eigentlich völlig logisch. Ich würde so weit gehen und sagen, dass es kontraproduktiv ist, etwas so kanonisches mit dem Hinweis auf Rassismus abzulehnen.
Zitat Das Gegenargument bleibt: Mit der DNVP ist die NSDAP eine Koalition eingegangen, die KPD hat sie verfolgt und deren Mitglieder umbringen lassen. Gemeinsamkeiten hin oder her, zumindest die Zeitgenossen haben zwischen Roten und Braunen die größte Lücke gesehen.
Den Berliner Verkehrsstreik von 1932 haben KPD und NSDAP gemeinsam (gegen die SPD) organisiert und geführt. Von Goebbels habe ich mir mal das Zitat notiert: "Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke ... Nichts ist uns verhaßter als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock."
Zitat von GansguoterDen Berliner Verkehrsstreik von 1932 haben KPD und NSDAP gemeinsam (gegen die SPD) organisiert und geführt. Von Goebbels habe ich mir mal das Zitat notiert: "Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke ... Nichts ist uns verhaßter als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock."
Das trifft es exakt. Goebbels war ein Linker, dessen Haß auf den Kapitalismus nur eben die Form des Antisemitismus angenommen hatte.
Wenn man seine Tagebücher liest, dann fällt auf, wie erbarmunglos er auf Churchill und Roosevelt herumhackt (das war also nicht nur Propaganda, sondern entsprach seiner Überzeugung), während sich entsprechende Tiraden gegen Stalin nicht finden; jedenfalls kann ich mich an keine erinnern.
Übrigens wäre es lohnend, unter diesem Aspekt einmal "Mein Kampf" zu studieren. Auch Hitlers Haltung zur Linken war keineswegs so eindeutig ablehnend, wie es heute gern gesehen wird.
Zitat von WikipediaDer junge Goebbels verstand sich als Sozialist. Er verherrlichte den Arbeiter und wollte sich innerlich mit ihm verbunden fühlen. Sein Abscheu galt dem „Bourgeois“: Dies war nicht nur der Kapitalist, sondern auch der Kleinbürger. An Kommunisten gefiel ihm deren revolutionärer Eifer und der Hass auf das Bürgertum. Sozialdemokratie und Liberalismus waren die gemeinsamen Gegner. Trennend war für ihn die internationale Ausrichtung des Kommunismus, während er selbst einen „nationalen Sozialismus“ zu errichten gedachte.
Zitat von SPIEGEL"Sozial oder sozialistisch, für uns ist die Wahl nicht schwer", schrieb der junge Nationalsozialist 1925: "Lieber mit dem Bolschewismus den Untergang, als mit dem Kapitalismus ewige Sklaverei." Den "kleinen Bourgeois Adolf Hitler" hätte er am liebsten aus der Partei ausgeschlossen.
Zitat von DrNickSie können die französische Mentalität sicher besser einschätzen als ich, aber wie erklären Sie sich dann, daß die französische Gegenwartsphilosophie völlig uncartesianisch daherkommt und eine wilde Mischung aus Hegel, Heidgger und Freud plus schlechter Semiotik, Vulgärkonstruktivismus und -relativismus ist (zumindest wenn man sich an den wirklich prominenten Figuren orientiert).
Sie denken an Michel Foucault, Jacques Derrida, Gilles Deleuze, Jacques Lacan, Jean Baudrillard, gar an Bernard-Henri Lévy, André Glucksmann?
Ich sehe keinen von ihnen als einen Philosophen. Es sind Schriftsteller, die zwischen Soziologie, Psychoanalyse, Sexualforschung, Politik und diesem und jenem Philosophen, von dem sie etwas aufgeschnappt haben, herumvagabundieren. Wie ihr Urvater Sartre.
Diese sogenannten Philosophen wandeln auf den Spuren Voltaires, nicht denen von Descartes, Condillac oder LaMettrie. Auf denen der "Humanisten" der iatlienischen Renaissance, die überwiegend sophistische Windbeutel waren.
In der seriösen französischen Philosophie kenne ich mich leider gar nicht aus; ich denke, da könnten Sie mehr wissen. Sicherlich wird doch dort auch Analytische Philosophie betrieben?
Und noch eine Überlegung: Gerade weil das cartesianische Denken so fest in der französischen Mentalität verankert ist, muß in diesem Kultur-Treibhaus Paris, in dem die philosophischen Moden schneller wechseln als diejenigen der Haute Couture, natürlich gegen den Strich argumentiert und geschrieben werden. Originalität zählt, nur sie.
Das ist nichts Neues - die französische Faszination durch Nietzsche und dann Heidegger ist ja schon älter.
Herzlich, Zettel
Was macht denn einen Philosophen aus? Wer ist zum Beispiel ein 'richtiger' Philosoph? Ist Habermas einer?
Um nicht mißverstanden zu werden: ich hab keine Ahnung und würd gern mehr erfahren.
Zitat von Lalelu Was macht denn einen Philosophen aus? Wer ist zum Beispiel ein 'richtiger' Philosoph? Ist Habermas einer?
Um nicht mißverstanden zu werden: ich hab keine Ahnung und würd gern mehr erfahren.
Sie werden, lieber Lalelu, auf diese Frage wahrscheinlich sehr verschiedene Antworten bekommen; es ist halt eine philosophische Frage.
Ich möchte sie empirisch angehen: Was haben alle diejenigen gemeinsam, die (ziemlich unstrittig) als große Philosophen angesehen werden?
Erstens, daß sie sich mit bestimmten Grundfragen beschäftigt haben:
* Mit Fragen also, die wir unter die (leicht mißverständliche) Kategorie "Metaphysik" subsumieren. (Sie heißt schlicht deshalb "nach der Naturwissenschaft", weil in den Schriften von Aritoteles diese Themen nach denjenigen der Natuwissenschaft kamen).
In einem längst vergriffenen, aber immer noch sehr lesenswerten Buch hat der Neukantianer Heinz Heimsoeth die sechs großen Themen der Abendländischen Metaphysik beschrieben und über die Jahrhunderte verfolgt: Einheit und Gegensatz, Endlichkeit und Unendlichkeit, Seele und Welt, Werden und Sein, Universalismus und Individualität, Verstand und Wille (die Schlagwörter sind von mir).
* Sodann mit Fragen der Erkenntnistheorie. Wie können wir zu gesicherter Erkenntnis gelangen? Wo liegen die Grenzen des Erkennbaren? "Was kann ich wissen?" hat Kant das knapp zusammengefaßt.
* Schließlich mit Fragen der Ethik. "Was soll ich tun?" in Kants Formulierung.
Zweitens zeichnet es alle großen Philosophen aus, daß sie alles das kannten und würdigten, was vor ihnen gedacht worden war. Platon und Aristoteles wären ohne die Vorsokratiker nicht denkbar, Thomas von Aquin nicht ohne Aristoteles, Descartes nicht ohne die Scholastik (die er sehr genau kannte; auch wenn er das Pathos des völligen Neubeginns pflegte), alle Nachfolgenden nicht ohne Descartes. Kant nicht ohne Leibniz und Wolff auf der einen und Locke und Hume auf der anderen Seite.
Und so fort, bis hin zur modernen analytischen Philosophie, die wesentlich auf die Wiener Schule und auf die britische Philosophie Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeht, die ihrerseits entscheidend durch die schottische Schule (Thomas Reid, Dugald Stewart) und natürlich im größeren Zeitrahmen von Berkeley, Locke und Hume beeinflußt war.
Jeder große Philosoph steht auf den Schultern von Riesen, kennt und respektiert sie. Derjenige, für den das nicht gilt, ist bestenfalls ein philosophierender Schriftsteller; oft eher ein Scharlatan.
Bei soviel Gerechtigkeit und Umweltschutz würden wohl wirklich nur noch die unbelehrsbarsten Ewiggestrigen nicht einverstanden sein. Proteste dürften in der verlinkten Geschichte ja ohnehin verboten sein.
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