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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.01.2013 05:31
#101 RE: Hinweis Antworten

Zitat von vivendi im Beitrag #100
Ich begrüsse sehr, dass Sie versuchen, den Ton in Ihrem Forum auf einem moderaten Niveau zu halten. Und es gelingt Ihnen auch, sonst wäre ich mit Sicherheit schon lange nicht mehr Gast.


Das versuche ich, lieber Vivendi; und ich überlege es mir einigermaßen gründlich, ob oder wann ich moderiere (selten, im Vergleich zu vielen anderen Foren).

Daß man das unterschiedlich beurteilen kann, liegt in der Natur der Sache.

Metadiskussionen bringen uns da nicht weiter. Diskutieren wir wieder zur Sache?

Herzlich, Zettel

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 12:36
#102 RE: Hinweis Antworten

Ich habe mir nochmal Gedanken über den Freiheitsbegriff, so wie er hier bisweilen skizziert und oft genug idealisiert wird, gemacht. Dieser, der „radikale“, Freiheitsbegriff, ist für mich letztlich auch nur wieder eine von diesen Ideologien, genau wie rechte, linke oder grüne. Und all diesen Ideologien ist es meiner Meinung nach eigen, daß sie, zuende gedacht und konsequent umgesetzt, in die gesellschaftliche Katastrophe führen. Ideologien, das wissen hier natürlich alle, haben den Vorteil, daß man sich in ihren geschlossenen, selbstreferentiellen, Denkgebäuden sicher, behaglich und warm fühlen kann. Möglicherweise ein tieferes psychologisches Moment im offensichtlichen Bedürfnis von Menschen, sich Ideologien anzuhängen.

Ich hatte mir erlaubt, in diesem Thread Nutzenaspekte (zur Begründung s. u.) in die Diskussion über Cannabisfreigabe einzuführen und habe dafür zwar Häme, jedoch kein wirkliches Gegenargument kassiert. Das macht für mich das Wesen einer ideologisch geführten Diskussion aus. Ich bin geneigt, diese Ideologie "liberalistisch" zu nennen (oder gibts den Begriff schon?). Und deren Kern sich mit "je weniger Staat, desto besser für alle" zusammenfassen läßt.

Das halte ich nicht für erstrebenswert.

Eine erstrebenswerte Maxime politischen (und individuellen) Handelns ist aus meiner Sicht der Nutzen für die Menschen. Wünschenswert ist, was den Nutzen für den Menschen mehrt und was den Schaden für den Menschen mindert. Der zweite Punkt ist eindeutig freiheitseinschränkend (und ja, er birgt die Gefahr des Mißbrauchs durch andere, nämlich grüne Ideologen). Und wünschenswert ist weiter, daß es ein gemeinsames und inhaltliches Ringen um die nützlichste der machbaren Lösungen gibt. Wenn man so will, ein reiner politischer (und individueller) Pragmatismus.
Das hat erstens den Nachteil, daß man mit einer solchen Haltung von buchstäblich allen Ideologen auf die Mütze bekommt. Das hat zweitens den Nachteil, daß er sich einschränkend auf die individuelle Freiheit auswirkt. Das hat drittens den Nachteil, daß man sich immer wieder selbst in Frage stellen und über jedes neue Problem neu nachdenken muß, da es eben keine ideologisch vorgefertigten Lösungen gibt. Man ist dabei ganz sicher nicht widerspruchsfrei. Und es ist überhaupt nicht behaglich und warm. Aber wenigstens lernt man dazu. Und man hat die Freiheit, mal der einen und mal der anderen Position (Person, Gruppe, Partei) recht geben zu können.
Viele Grüße,
AD
P.S. Wer Pathos oder Selbstmitleid findet, kanns behalten

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

13.01.2013 13:57
#103 RE: Hinweis Antworten

Zitat von vivendi im Beitrag #88
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #28
Dies bedeutet aber nicht die Verantwortungsübernahme des Gängelnden, wenn im Schadensfall die Frage der Verantwortung gestellt wird.
Der Schadensfall ist bereits da: wer übernimmt die Verantwortung für die massiv gestiegenen Energiekosten, die die Energiewende verursacht hat? Wer übernimmt die Verantwortung für die Verschwendung von Land durch den Anbau von Bio-Treibstoffen? Wer wird die Verantwortung übernehmen, wenn diesen Winter der Strom ausfällt, weil Wind und Sonne sich rar machen? Sicher nicht die Grünen und ihre Anhänger.

Hatte ich geschrieben: "eine höhere Gewalt". Verantwortung übernehmen und Konsequenzen tragen ist m.E. nicht dasselbe.
Die von Ihnen angeführten Beispiele sind gekennzeichnet von erheblichen staatlichen Eingriffen, was einem Verantwortungsentzug gleichkommt. Staatliche Institutionen sind ein gutes Beispiel dafür; bei gleichzeitiger Organisierung von Verantwortungslosigkeit.
Das ist aber nichts Ungewöhnliches in Bürokratien.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Llarian Offline



Beiträge: 7.126

13.01.2013 14:30
#104 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #102
Ich habe mir nochmal Gedanken über den Freiheitsbegriff, so wie er hier bisweilen skizziert und oft genug idealisiert wird, gemacht. Dieser, der „radikale“, Freiheitsbegriff, ist für mich letztlich auch nur wieder eine von diesen Ideologien, genau wie rechte, linke oder grüne. Und all diesen Ideologien ist es meiner Meinung nach eigen, daß sie, zuende gedacht und konsequent umgesetzt, in die gesellschaftliche Katastrophe führen.

Erst mal ad hoc: Nein. Das ist ihre Meinung, vielleicht auch eine gute Vermutung, aber man muss konstatieren, dass es vor allem eins nicht ist: Eine belegte Tatsache. Rechte und linke Ideologien sind zur Dutzenden ausprobiert worden und sie sind gescheitert. Mit den üblichen Millionen Toten. Die Umsetzung der radikalen Freiheits-"Ideologie" hat es bis heute nicht gegeben, es ist nirgendwo ausprobiert worden. Ob es funktioniert sei dahingestellt, ich neige auch dazu es eher mit einem Fragezeichen zu versehen, aber zunächst mal gehört das nicht in die selbe Schublade.

Zitat
Ich bin geneigt, diese Ideologie "liberalistisch" zu nennen (oder gibts den Begriff schon?). Und deren Kern sich mit "je weniger Staat, desto besser für alle" zusammenfassen läßt.


Der richtige Begriff lautet libertär. Und wenn Sie sich dafür interessieren, dann emfehle ich Ihnen einen Blick in die Schriften von Mises oder von Ayn Rand.

Zitat
Man ist dabei ganz sicher nicht widerspruchsfrei.


Und genau das ist das Problem. Ein Modell ist immer nur so gut, wie es die Welt erklären kann, das gilt in der Physik nicht anders als in der Soziologie oder in Jura. Sich damit zufriedenzugeben nach dem Motto "gibt es halt Widersprüche" ist ziemlich schlecht und spricht eigentlich dafür, dass man bisher kein gutes Modell gefunden hat oder mit einem eventuell guten Modell aus diesem oder jenem Grund nicht leben will. Nur weil andere gescheitert sind, die zwar in der Theorie her geschlossen, aber im empirischen nicht funktionieren, heisst das nicht, dass es keine guten Modelle gibt.

Zitat
Und man hat die Freiheit, mal der einen und mal der anderen Position (Person, Gruppe, Partei) recht geben zu können.


Was nichts anderes als Willkür ist. Ich kenne diese Argumentation zur Genüge (übrigens am ausgeprägtesten von "undogmatischen" (und ausgesprochen linken) Hochschulgruppen). Sie ist aber beispielsweise für einen Rechtsstaat unhaltbar. Und sie ist eigentlich (!) auch für eine Gesellschaft unhaltbar. Nehmen Sie ein simples Beispiel: Die Freiheit sich frei zu äussern ist ein Recht, dass man nicht aufspalten kann. Man kann nicht "mal so und mal so" entscheiden. Was dann unterm Strich übrig bleibt ist schlicht keine Freiheit sich zu äussern. Sie treffen auch damit eine Entscheidung. Und nach meiner Meinung eine sehr schlechte. Bezogen auf Freiheit ist auch Willkür eine Entscheidung. Und zwar die zur Unfreiheit.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

13.01.2013 14:30
#105 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #102

Ich hatte mir erlaubt, in diesem Thread Nutzenaspekte (zur Begründung s. u.) in die Diskussion über Cannabisfreigabe einzuführen und habe dafür zwar Häme, jedoch kein wirkliches Gegenargument kassiert. Das macht für mich das Wesen einer ideologisch geführten Diskussion aus.

Der Vollständigkeit halber möchte ich an dieser Stelle einwerfen, dass ich sehr wohl auf Ihr Argument der Nutzenaspekte eingegangen bin. Ihr Argument geht, wenn ich es richtig verstanden habe, von der Gesellschaft als Gesamtheit, als Kollektiv aus. Ich habe Ihrer Argumentation eine individuelle Sicht gegenübergestellt, mit allerdings einem ganz ähnlichen Ergebnis: Der Rechtfertigung des staatlichen Eingriffs.

Nicht die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen, sondern die Kriminalitätsbekämpfung als Wahrung der bürgerlichen Freiheit des Individuums steht für mich im Vordergrund, ohne das Eine gegen das Andere ausspielen zu wollen in einem Entweder/Oder. Inwiefern die aus dem Konsum von bestimmten Rauschmitteln (incl. Alkohol und Tabletten) resultierende Kriminalität kontrollierbar und die Gefahr für die Bürger in zumutbaren Grenzen gehalten werden kann, ist eine politische Frage, eine des Gesetzgebers. Experten sollten hier, wie auch auf bei anderen Themen, m.E. niemals das letzte Wort haben.

Eine Expertenmeinung über die Wirkung einer Droge zur Grundlage einer Beurteilung ihrer Ächtung zu machen, kommt einem paternalistischen Ansatz sehr nahe, muss ihn aber nicht bedeuten. Den Einsatz für Freiheit als Ideologie zu betrachten ist ein echtes Kampfargument der Gegner offener, freier Gesellschaften, kann aber bei manch libertärer Abslutheit meiner Ansicht nach durchaus zutreffend sein.

Ich sehe in diesem Thread keine Ideologen, dafür aber unterschiedliche Standpunkte. Auch solche, die ich selbst mal vertreten habe. Einen Standpunkt rigoros zu vertreten ist m.E. noch lange keine Ideologie. Der Einsatz von Kanonenkugeln wie dieser, kann den Spatzen dann u.U. schon mal verfehlen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 14:45
#106 RE: Hinweis Antworten

Zitat
Der Vollständigkeit halber möchte ich an dieser Stelle einwerfen, dass ich sehr wohl auf Ihr Argument der Nutzenaspekte eingegangen bin. Ihr Argument geht, wenn ich es richtig verstanden habe, von der Gesellschaft als Gesamtheit, als Kollektiv aus.



Lieber Erling Plaethe, da habe ich Ihnen tatsächlich unrecht getan, sorry dafür. Könnte daran liegen, daß ich Ihren Beitrag im wesentlichen zustimmend gelesen habe. Ich würde zwar nicht von Kollektiv sprechen, sondern von einem Spannungsfeld zwischen Individuum, Gesellschaft und Staat, das es auszutarieren gilt. Und dabei habe ich in der Tat eine eher gesellschaftliche Perspektive eingenommen, die Sie um die Individuelle ergänzt haben.
Nichts für ungut,
Viele Grüsse,
Andreas Döding

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Michel Offline



Beiträge: 265

13.01.2013 15:10
#107 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat von Doeding
Rational wäre es aus meiner Sicht, dies im Wesentlichen unter Kosten-Nutzen Aspekten zu diskutieren. Und wenn der Gesetzgeber gefragt sein soll, sollte dies meiner Meinung nach v. a. unter volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Aspekten betrachtet werden. Was kostet die Strafverfolgung (d. h. wieviel kann der Staat hier einsparen) und was kann der Staat einnehmen, wenn er die Sache frei gibt? Das wäre die Nutzenseite. Dem gegenüber stünden die volkswirtschaftlchen Kosten. Zum einen wenn der Konsument abhängig wird (Fehlzeiten, AU-Zeiten, ggf. vorzeitige Berentung, Kosten zur med. Rehabilitation usw.) sowie Kosten, die direkt aus dem Konsum entstehen (erhöhtes Unfallrisiko, Maschinenbedienungsfehler, Reaktionszeitverlängerung, Konzentrationsstörungen usw.).



Meines Erachten sollte der Staat in einer Freiheitlichen Gesellschaft keine Kosten-Nutzen Abwägungen dieser Art durchführen. Der Staat kann nicht den Nutzen des Cannabiskonsums beurteilen, das kann nur jeder einzelne für sich. Der primäre Nutzen der Legalisierung besteht im Genussempfinden des Konsumenten und nicht darin das die Kosten für die Strafverfolgung wegfallen. Nach der Logik könnte man auch gleich die Sklaverei wieder einführen (nicht das ich ihnen das unterstelle). Der Bürger ist nicht ein Mittel über das der Staat verfügen darf, um seinen eigenen Nutzen zu mehren.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

13.01.2013 15:10
#108 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Doeding
Eine erstrebenswerte Maxime politischen (und individuellen) Handelns ist aus meiner Sicht der Nutzen für die Menschen. Wünschenswert ist, was den Nutzen für den Menschen mehrt und was den Schaden für den Menschen mindert. Der zweite Punkt ist eindeutig freiheitseinschränkend (und ja, er birgt die Gefahr des Mißbrauchs durch andere, nämlich grüne Ideologen). Und wünschenswert ist weiter, daß es ein gemeinsames und inhaltliches Ringen um die nützlichste der machbaren Lösungen gibt. Wenn man so will, ein reiner politischer (und individueller) Pragmatismus.

Ja, diese Einstellung ist in der Tat reichlich weit weg nicht nur von radikalen, sondern von liberalen Ansichten überhaupt.Aus liberaler Sicht handelt es sich bei dem Anspruch, im Dienste eines größeren allgemeinen Nutzens mit Zwang in die Wahlmöglichkeiten anderer (ob Einzelner oder einer Gruppe) einzugreifen, schon mal prinzipiell um eine ziemlich dreiste Anmaßung, der man sich grundsätzlich entgegenzustellen hat. Das schließt nicht aus, dass dieses Prinzip in wenigen Fällen durchbrochen wird, weil die Argumente dann doch zu einleuchtend und weitestgehend unumstritten sind, aber daraus wird man als Liberaler nie und nimmer ein generelles Eingriffsrecht Dritter ableiten.Eine Gesellschaft ist kein Aufbauspiel mit dem Staat als Spieler.

Der Liberale unterscheidet sich vom Linken (und dann eben auch vom Konservativen) nicht dadurch, dass er behauptet, die besseren oder überlegeneren Werte zu besitzen, die deswegen auch zwingend staatlich umgesetzt werden müssen, sondern dadurch, dass er jedem die Möglichkeit geben will, nach seinen Werten zu leben.Den Liberalen interessiert vor allem der Prozess des Zusammenlebens und nicht das Ergebnis.Es ist für ihn wichtig, wie wir miteinander umgehen und nicht, welche Ziele wir dabei verfolgen mögen.Und er erweist sich in der Regel auch als Ignorant, indem er seine Unfähigkeit eingesteht, so etwas wie "Allgemeinwohl" zu objektivieren.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 15:22
#109 RE: Hinweis Antworten

Lieber Llarian, erstmal danke für Ihre ausführliche Antwort. Ein paar Gedanken von mir dazu.

Zitat
Erst mal ad hoc: Nein. Das ist ihre Meinung, vielleicht auch eine gute Vermutung, aber man muss konstatieren, dass es vor allem eins nicht ist: Eine belegte Tatsache.



Das ist natürlich richtig. Aber nun sind menschliche Gesellschaften eben auch keine empirischen Experimentierfelder. Ideologien zeichnen sich aus meiner Sicht u. a. durch Reduktionismus aus. Individuum, Gesellschaft und Staat sind drei Bestimmungsstücke menschlichen Zusammenlebens, die in einem Spannungsfeld zueinander stehen. Diese gilt es immer wieder in mühevoller Kleinarbeit zueinander auszutarieren. Ideologie zeichnet sich aus meiner Sicht durch die Überbetonung eines dieser Bestimmungsstücke unter Zurückdrängung der beiden anderen aus. Und deshalb funktionieren sie aus meiner Sicht schon theoretisch nicht. Ist zwar auch nur eine Vermutung, aber keine schlechte, meine ich. Totalitären Ideologien zeichnen sich durch krasse Überbetonung des Staates unter Zurückdrängung von Gesellschaft und Individuum aus. Der ursprüngliche, theoretisch-philosphische Kommunismus stellte die Gesellschaft über Staat und Individuum (was in der Realität dann natürlich sofort wieder staatlich-totalitär wurde). Und nun also ein Laissez-faire-Liberalismus, der das Individuum über die beiden anderen stellt. Ich stelle mir das gerade mal konkret für den Mikrokosmos meiner Familie vor, wenn man das so leben wollte..."Familie" ist dann kein identitätsstiftendes Merkmal mehr sondern eine bloße Ansammlung von Individuen. Jeder macht, was er will, es gibt letztlich keine Regeln des Zusammenlebens, außer die Freiheit des anderen ist tangiert. Meine Tochter würde sich vermutlich erstmal "SAW IV" reinziehen und dann wochenlang nicht schlafen. Ich halte das für keine gute Idee.

Zitat
Man ist dabei ganz sicher nicht widerspruchsfrei.
--------------------------------------------------------------------------------



Und genau das ist das Problem. Ein Modell ist immer nur so gut, wie es die Welt erklären kann, das gilt in der Physik nicht anders als in der Soziologie oder in Jura



Das sehe ich tatsächlich anders, aber vielleicht mißverstehe ich Sie auch nur. Die Akzeptanz eigener Widersprüchlichkeit und Fehlbarkeit ist für mich Voraussetzung für Lernen und Entwicklung sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Und genau das spreche ich einem "echten" Ideologen ab. Dabei geht es aus meiner Sicht auch nicht um ein Modell, das sozusagen eine homomorphe Abbildung der Realität wäre und empirisch zu prüfen sein muß, sondern um die Frage, wie man zusammenleben will, so daß es möglichst vielen Menschen möglichst gut geht, ohne dies allzusehr auf Kosten anderer zu tun. Eben im Spannungsfeld zwischen Individuum UND Gesellschaft UND Staat. Und ich vermute (schon wieder eine Vermutung, ich weiß ;), daß dies ein ewiger Prozeß mühevoller Kleinarbeit ist und bleibt und nicht durch den "großen, liberalen Wurf" zu lösen ist. Womit ich, ohne es zu merken, dem Politikstil von Angela Merkel das Wort geredet habe.

Zitat
Und man hat die Freiheit, mal der einen und mal der anderen Position (Person, Gruppe, Partei) recht geben zu können.
--------------------------------------------------------------------------------

Was nichts anderes als Willkür ist.


Auch das sehe ich anders, vielleicht auch dies ein Mißverständnis, werter Llarian. Für mich bedeutet das lediglich keinen "inneren Fraktionszwang" zu haben. Ich behalte mir vor, mal einem Linken und mal einen Rechten zuzustimmen. Meistens Zettel und oft auch Ihnen. Mal einem Christdemokraten und auch mal dem Papst. Diese Freiheit haben Ideologen nicht.

Viele Grüße,
Andreas Döding

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 15:32
#110 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat
Meines Erachten sollte der Staat in einer Freiheitlichen Gesellschaft keine Kosten-Nutzen Abwägungen dieser Art durchführen.



In der Tat, das sollte der Staat nicht tun. Das habe ich aber auch nicht gesagt, werter Michel. Ich habe mich dafür eingesetzt, daß dies von Experten, die sich mit der Materie auskennen und die über die erforderlichen Daten verfügen, vorgenommen werden sollte.
Zur Illustrierung hatte ich dann noch auf die Kosten-Nutzen-Aspekte der Atomkraft hingewiesen, die man leider ebenfalls nicht den Experten überlassen hat, weshalb wir ja jetzt den Energiewndeschlamassel haben. Niemals würde ich das den Staat machen lassen wollen. Aber "Liberalsein" ist eben auch keine Expertise in einer solchen inhaltlichen Frage.
Viele Grüße,
AD

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Michel Offline



Beiträge: 265

13.01.2013 15:37
#111 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat
Das habe ich aber auch nicht gesagt, werter Michel. Ich habe mich dafür eingesetzt, daß dies von Experten, die sich mit der Materie auskennen und die über die erforderlchen Daten verfügen, vorgenommen werden sollte.



Meine Kritik bleibt auch dann gültig. Diesen Experten fehlt wie jedem anderen Staatorgan die Fähigkeit den Nutzen zu erfassen, der durch den Konsum von Rauschmitteln entsteht. Die Welt ist mehr als nur eine Anhäufung von Daten und daher sind Experten nicht immer die Richtigen, um eine Entscheidung zu fällen.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 15:44
#112 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat
Diesen Experten fehlt wie jedem anderen Staatorgan die Fähigkeit den Nutzen zu erfassen, der durch den Konsum von Rauschmitteln entsteht.



Das ist wohl richtig. Dafür kann man den Schaden, der daraus entsteht, auch für Dritte, ganz gut erfassen. Ich habe es weiter oben versucht darzustellen. Und bei Schaden für Dritte hört, wenn ich es richtig verstanden habe, ja auch in der liberalen Weltsicht der Spaß langsam auf.
Viele Grüße
Andreas Döding

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

13.01.2013 15:45
#113 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #109
Individuum, Gesellschaft und Staat sind drei Bestimmungsstücke menschlichen Zusammenlebens, die in einem Spannungsfeld zueinander stehen. Diese gilt es immer wieder in mühevoller Kleinarbeit zueinander auszutarieren. Ideologie zeichnet sich aus meiner Sicht durch die Überbetonung eines dieser Bestimmungsstücke unter Zurückdrängung der beiden anderen aus. Und deshalb funktionieren sie aus meiner Sicht schon theoretisch nicht. Ist zwar auch nur eine Vermutung, aber keine schlechte, meine ich. Die meisten totalitären Ideologien zeichnen sich durch krasse Überbetonung des Staates unter Zurückdrängung von Gesellschaft und Individuum aus. Der ursprüngliche, theoretisch-philosphische Kommunismus stellte die Gesellschaft über Staat und Individuum (was in der Realität dann natürlich sofort wieder staatlich-totalitär wurde). Und nun also ein Laissez-faire-Liberalismus, der das Individuum über die beiden anderen stellt. Ich stelle mir das gerade mal konkret für den Mikrokosmos meiner Familie vor, wenn man das so leben wollte..."Familie" ist dann kein identitätsstiftendes Merkmal mehr sondern eine bloße Ansammlung von Individuen. Jeder macht, was er will, es gibt letztlich keine Regeln des Zusammenlebens, außer die Freiheit des anderen ist tangiert. Meine Tochter würde sich vermutlich erstmal "SAW IV" reinziehen und dann wochenlang nicht schlafen. Ich halte das für keine gute Idee.

Lieber Doeding,
Gesellschaft und Staat sind für Etatisten wie Hegel ein und dasselbe, für Kommunisten übrigens auch. Aus meinem liberalen Verständnis heraus, ist die Gesellschaft ein Konstrukt, welches gar nicht existiert.
Die Gesellschaft ist nicht vergleichbar mit dem Staat und den Bürgern die ihn benutzen um ihr Zusammenleben zu organisieren. Der Staat repräsentiert Institutionen, die Bürger Individuen und die Gesellschaft repräsentiert nichts als Verallgemeinerung, eine Auflösung des Individuellen in einer Masse.
Wenn in einer Familie das Individuelle der Familienmitglieder verlorengeht, entsteht ein Stamm, oder die Mafia.

Nachtrag: Meine Tochter hat übrigens einmal ferngesehen so lange sie wollte, war am nächsten Schultag totmüde und hat von da an ihr "Zeitmanagement" selbst in die Hand genommen, was darin zum Ausdruck kam, dass sie so frühzeitig schlafen wollte, damit sie nächsten Morgen fit war. Ein großer Schritt zur Übernahme ihrer Eigenverantwortung war das.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Michel Offline



Beiträge: 265

13.01.2013 15:49
#114 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat
Ich habe es weiter oben versucht darzustellen. Und bei Schaden für Dritte hört, wenn ich es richtig verstanden habe, ja auch in der liberalen Weltsicht der Spaß langsam auf.



Der Schaden den ein Ding bei unsachgemäßem Gebrauch verursacht, kann keine Argument gegen diese Ding sein. Schon jetzt ist es durch die SVO untersagt unter Drogeneinfluss Auto zu fahren und auch im Arbeitsrecht gibt es entsprechende Normen. Es ist also gar nicht notwendig den Drogengebrauch selbst zu kriminalisieren.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 15:59
#115 RE: Hinweis Antworten

Zitat
Wenn in einer Familie das Individuelle der Familienmitglieder verlorengeht, entsteht ein Stamm, oder die Mafia.



Das ist sehr schön ausgedrückt, lieber Erling Plaethe. Aber was bleibt umgekehrt, wenn einer Familie das Gemeinsame und Identitätsbildende verloren geht? Eine Ansammlung von egoistischen Individuen.
Nee, da bin ich nicht bei Ihnen und auch nicht beim Liberalismus. Schon evolutionsbiologisch ist es dem Menschen in die Wiege gelegt, Gruppen zu bilden und sich darin reziprok altruistisch zu verhalten. Letztlich im Wettbewerb um begrenzte Ressourcen. Diese Gruppen bilden dann größere Gemeinschaften, Dörfer, Städte und schließlich noch größere Gebilde, am Ende Nationen. Der Staat kommt irgendwann als Organisationsform hinzu und entwickelt leider immer wieder reichlich Eigendynamik und -leben. Aber daß es so etwas wie soziale Gefüge nicht gäbe, die nicht nur ein Eigenleben jenseits der "Masse" und auch einen Eigenwert haben, halte ich für einen Kurzschluß des Liberalismus.

Nachtrag zu Ihrem Nachtrag:

Zitat
Nachtrag: Meine Tochter hat übrigens einmal ferngesehen so lange sie wollte, war am nächsten Schultag totmüde und hat von da an ihr "Zeitmanagement" selbst in die Hand genommen, was darin zum Ausdruck kam, dass sie so frühzeitig schlafen wollte, damit sie nächsten Morgen fit war. Ein großer Schritt zur Übernahme ihrer Eigenverantwortung war das.



Das freut mich für Sie. Mit meinem Sohn hat das übrigens nicht geklappt. Aber mal ehrlich, schaffen Sie es, Ihr persönliches Familienleben nach liberalen Prinzipien zu organisieren, und dann noch widerspruchsfrei, wie Llarian fordert? Was, wenn Ihre Tocher ihren Fernsehabend mit ein paar Vodka-Lemon hätte versüßen wollen? Ich meine, daß das einfach nicht funktioniert, außerhalb mehr oder weniger theoretischer Diskussionen. Sie werden als Vater immer wieder "staatliche Durchsgriffrechte" nutzen, vermute ich. Und letztlich einem "nutzbringenden Pragmatismus" folgen, vermute ich. Und wenn es schon in der Mikrostruktur Familie nicht wirklich funktioniert, wie dann makroskopisch auf staatlicher Ebene?
Herzlichen Gruß
Andreas Döding

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

13.01.2013 17:09
#116 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #115

Zitat
Wenn in einer Familie das Individuelle der Familienmitglieder verlorengeht, entsteht ein Stamm, oder die Mafia.


Das ist sehr schön ausgedrückt, lieber Erling Plaethe. Aber was bleibt umgekehrt, wenn einer Familie das gemeinsame und indentitätsbildende verloren geht? Eine Ansammlung von egoistischen Individuen, eben.


Mir ist meine Familie sehr wichtig, sie bedeutet mir immens viel und ihre Stärke entwickelt sie durch die Aktivität der einzelnen Mitglieder. In dem jeder seine Probleme angeht und sich nicht auf die anderen verlässt. Deren Hilfe ihm sicher ist, aber jeder würde sie erst in Anspruch nehmen, wenn seine eigenen Bemühungen scheiterten.

Zitat von Doeding im Beitrag #115
Nee, da bin ich nicht bei Ihnen und auch nicht beim Liberalismus. Schon evolutionsbiologisch ist es dem Menschen in die Wiege gelegt, Gruppen zu bilden und sich darin reziprok altruistisch zu verhalten.

Gerade die Evolution zeigt, dass in Gesellschaften ein Zusammenleben nur möglich ist, wenn Geben und Nehmen nicht auf Kosten von einem oder einer Gruppe von Individuen stattfindet. Andererseits gibt es Spannungen. Nächstenliebe setzt Eigenliebe voraus und Kreativität und Erfindungsgeist die Verfolgung eigener, individueller Ziele.
Altruismus ist ein Ideal welches schon viel Leid über menschliche Gesellschaften gebracht hat.
Zitat von Doeding im Beitrag #115
Letztlich im Wettbewerb um begrenzte Ressourcen. Diese Gruppen bilden dann größere Gemeinschaften, Dörfer, Städte und schließlich noch größere Gebilde, am Ende Nationen. Der Staat kommt irgendwann als Organisationsform hinzu und entwickelt leider immer wieder reichlich Eigendynamik und -leben. Aber daß es so etwas wie soziale Gefüge nicht gäbe, die nicht nur ein Eigenleben jenseits der "Masse" und auch einen Eigenwert haben, halte ich für einen Kurzschluß des Liberalismus.

Ich möchte das mehr als meine persönliche Meinung verstanden wissen.
Der Wettbewerb beginnt in der Gruppe, auch in der Familie. Er entsteht immer dann, wenn es unterschiedliche Problemlösungsansätze gibt. Das kommt bei Mann und Frau nicht gerade selten vor und es kristalisiert sich eine Arbeitsteilung auf Grund anerkannter Spezialisierungen heraus. Im günstigsten Fall wird dies begleitet von Respekt und Wertschätzung der Leistung des Anderen. Dies sind die Voraussetzungen für Emanzipation und Gleichberechtigung. Erweitert sich die Familie zur Gruppe und zu größeren Gemeinschaften werden die persönlichen Beziehungen zwar schwächer, das Prinzip des gegenseitigen Geben und Nehmens aber bleibt.
Natürlich sind die Bindungen immer noch stark genug um von einem sozialen Gefüge sprechen zu können, welches sehr verschieden und kompliziert miteinander verknüpft ist. Aber es ist eben nicht das Gefüge das leicht zu erkennen ist, ebenso wie es nicht die Gesellschaft gibt. Sie ist nicht fassbar, nur durch starke Verallgemeinerung wie "die Menschen", "das Volk" oder, schon etwas älter: "die Untertanen".
Aber ich tausche mich gerne mit Ihnen aus, lieber Doeding, auch wenn sie nicht beim Liberalismus sind. Denn letztlich werde ich mich vermutlich genauso "sozial" verhalten wie Sie, vermute ich mal, nur mit einer anderen Intention.

Viele Grüße, Erling Plaethe

vivendi Offline



Beiträge: 663

13.01.2013 18:12
#117 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #108
Der Liberale unterscheidet sich vom Linken (und dann eben auch vom Konservativen) nicht dadurch, dass er behauptet, die besseren oder überlegeneren Werte zu besitzen, die deswegen auch zwingend staatlich umgesetzt werden müssen, sondern dadurch, dass er jedem die Möglichkeit geben will, nach seinen Werten zu leben. Den Liberalen interessiert vor allem der Prozess des Zusammenlebens und nicht das Ergebnis.Es ist für ihn wichtig, wie wir miteinander umgehen und nicht, welche Ziele wir dabei verfolgen mögen.Und er erweist sich in der Regel auch als Ignorant, indem er seine Unfähigkeit eingesteht, so etwas wie "Allgemeinwohl" zu objektivieren.
Sehr schön auf den Punkt gebracht. Der Liberale will jedem Individuum die Möglichkeit lassen, selbst zu entscheiden wie er sein Leben führen will und will nicht die Entscheidung jemandem überlassen, der aufgrund seiner Position die Macht aber nicht notwendigerweise die Kompetenz hat, seine persönlichen Vorstellungen anderen aufzuzwingen. Einer der Vorteile dieses Vorgehens ist, dass damit unzählige, sich möglicherweise konkurrenziernde, Lebensformen möglich sind, so dass man anhand der praktischen Beispiele das in einer gegebenen persönlichen Situation am besten erscheinende Modell auswählen kann.

vivendi Offline



Beiträge: 663

13.01.2013 18:31
#118 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #110
In der Tat, das sollte der Staat nicht tun. Das habe ich aber auch nicht gesagt, werter Michel. Ich habe mich dafür eingesetzt, daß dies von Experten, die sich mit der Materie auskennen und die über die erforderlichen Daten verfügen, vorgenommen werden sollte.
Zur Illustrierung hatte ich dann noch auf die Kosten-Nutzen-Aspekte der Atomkraft hingewiesen, die man leider ebenfalls nicht den Experten überlassen hat, weshalb wir ja jetzt den Energiewndeschlamassel haben. Niemals würde ich das den Staat machen lassen wollen. Aber "Liberalsein" ist eben auch keine Expertise in einer solchen inhaltlichen Frage.

Wer sind diese Experten, die Sie anrufen? Sind das nicht Menschen, die auch ihre eigenen Vorstellungen und Interessen haben und schon aus diesem Grunde möglicherweise einseitige Urteile fällen.
In der Energiewendediskussion stehen auf beiden Seiten, bei Befürwortern und Gegnern, Experten. Wenn wir im Idealfall davon ausgehen, dass ihre Entscheidungen völlig neutral, weder von persönlichen noch von ideologischen Einfärbungen verfälscht sind, dann stehen Expertenmeinungen gegen Expertenmeinungen. Solange die "Wahrheit" nicht durch nachvollziehbare Fakten festgestellt werden kann, wird sich daran nichts ändern. Und nun beklagen Sie, dass man die Entscheidung nicht denjenigen Experten überlassen hat, die Sie als die richtigen Experten ansehen. Sind Sie Experte und wenn ja, welche unumstössliche Gewissheit können Sie uns gegeben, dass Sie auf das richtige Pferd setzen? Es gibt eben neben Kosten und Nutzen noch ganz andere Entscheidungsgrundlagen, sei es individuell oder in einer Gesellschaft. So zum Beispiel reale und imaginäre Ängste.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 20:03
#119 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat
Wer sind diese Experten, die Sie anrufen? Sind das nicht Menschen, die auch ihre eigenen Vorstellungen und Interessen haben und schon aus diesem Grunde möglicherweise einseitige Urteile fällen.



Wie wollen Sie das denn anders machen? Das klingt ja immer alles schön und gut, und Entscheidungen von Expertenkommissionen sind natürlich fehlerbehaftet. Aber wenn sich zur Eurokrise 170(?) Ökonomen um Sinn scharen und nur 8 oder 9 um Bofinger, dann sagt das schon etwas aus. Jedenfalls halte ich solche Entscheidungen für tendenziell besser als auf Basis Ihrer oder meiner Bauchgefühle, gesträubter Nackenhaare oder esoterischer Intuitionen. Denn Liberale müssen ja in letzter Konsequenz auch nicht argumentieren oder sich überzeugen lassen oder sich Mehrheitsentscheidungen beugen. "Ich will das so, es ist mein Recht" reicht da offenbar wohl bereits aus, wie Sie hier ausgeführt haben:

Zitat
iner der Vorteile dieses Vorgehens ist, dass damit unzählige, sich möglicherweise konkurrenziernde, Lebensformen möglich sind, so dass man anhand der praktischen Beispiele das in einer gegebenen persönlichen Situation am besten erscheinende Modell auswählen kann.



Aber selbst wenn Sie sich Mehrheitsentscheidungen beugen wollten: auch dann hätten Sie wieder die Energiewende an den Hacken. Das mag zwar liberal sein, vernünftig erscheint es mir aber nicht.
Anders gesagt: wenn Sie nur noch Individualenscheidungen Einzelner akzeptieren wollen, dann sitzen wir vermutlich früher oder später wieder auf den Bäumen.
Gruss
Andreas Döding

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.01.2013 20:29
#120 RE: Hinweis Antworten

Zitat
Natürlich sind die Bindungen immer noch stark genug um von einem sozialen Gefüge sprechen zu können, welches sehr verschieden und kompliziert miteinander verknüpft ist. Aber es ist eben nicht das Gefüge das leicht zu erkennen ist, ebenso wie es nicht die Gesellschaft gibt. Sie ist nicht fassbar, nur durch starke Verallgemeinerung wie "die Menschen", "das Volk" oder, schon etwas älter: "die Untertanen".



Da, so scheint mir, sind wir wieder etwas dichter beiinander, lieber Erling Plaethe. Auf der gesellschaftlichen sozialen Gliederungsebene spielen persönliche Beziehungen natürlich keine Rolle mehr. Dennoch identifizieren sich immer noch viele Menschen mit ihrer staatlichen/nationalen Zugehörigkeit. Ich freue mich, wenn Fremde über die eigene Nation freundlich reden, ich fiebere mit der Nationalmannschaft in großen Turnieren. Das ist nicht nur unaufgeklärter Quark, sondern ebenfalls dem Menschen innewohnend, meine ich. Es gibt in der Sozialpsychologie Forschungen zum sog. "Minimal Group Paradigm", bei dem sich untereinander fremde Versuchspersonen zufällig auf zwei Gruppen aufgeteilt werden. Als einziges Zeichen der Gruppenzugehörigkeit werden lediglich blaue vs. rote Kärtchen an die Probanden verteilt. Und siehe da, die "Blauen" schanzen sich gegenseitig Vorteile zu, identifizieren sich als Gruppe und versuchen die "Roten" zu übervorteilen. Umgekehrt natürlich ebenso. Sie bewerten sich untereinander positiver und sympathischer usw. Dabei geht es in Wahrheit um nichts, und die Probanden wissen das auch. Das ist im Kleinen, meiner Meinung nach, was im Großen zwischen Staaten oder, hier vielleicht richtiger, zwischen Gesellschaften läuft. Und das ist etwas eigenes, wenn Sie mich fragen, und läßt sich nicht auf additiv wirkende Individualprozesse zurückführen. Das ist Interaktion.

Zitat
Aber ich tausche mich gerne mit Ihnen aus, lieber Doeding, auch wenn sie nicht beim Liberalismus sind. Denn letztlich werde ich mich vermutlich genauso "sozial" verhalten wie Sie, vermute ich mal, nur mit einer anderen Intention.



Da bin ich mir sicher, und so geht es mir auch, lieber Erling Plaethe.
Herzlichen Gruß und schönen Abend,
Andreas Döding

"Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unsere dogmatischen Vorstellungen von den Dingen" (Epiktet)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

13.01.2013 22:05
#121 RE: Hinweis Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #120
Dennoch identifizieren sich immer noch viele Menschen mit ihrer staatlichen/nationalen Zugehörigkeit. Ich freue mich, wenn Fremde über die eigene Nation freundlich reden, ich fiebere mit der Nationalmannschaft in großen Turnieren.

Das tue ich auch. Aber mir ist jemand nicht allein deswegen näher weil er Deutscher ist. Bezogen auf einen weitergefassten westlichen Kulturkreis im Gegensatz zum asiatischen und arabischen, kann ich Ihre Sicht nachvollziehen.
Das sind aber Empfindungen und Gefühle welche nicht allein durch die prägende deutsche Gesellschaft wirken, sondern ebenso durch Kontakte zu anderen Europäern, Amerikanern, Australiern. Die Mehrheitsmeinung in Deutschland ist nicht mit jeder individuellen Ansicht kompatibel, das schafft Abstand. Manche definieren sich nicht über ihre Landsleute sondern über Ihre eigenen Erfahrungen, eigenen Erlebnisse und eigenen Erkenntnisse. Manche benötigen nicht unbedingt ein Feedback als Bestätigung und es ist ihnen recht gleichgültig was andere über sie denken.
Im zwischenmenschlichen Umgang ausserhalb der Familie tritt das Private bei manch einem in den Hintergrund und damit auch die Gefühlsebene. Meiner Ansicht nach ist das private Miteinander in der Familie und mit Freunden nicht dasselbe wie der Umgang im Arbeitsumfeld oder beim Kontakt mit Menschen zu denen man nur einen losen, oberflächlichen Umgang pflegt. Das ist keine Frage der Freundlichkeit, sondern eine der Öffnung und Preisgabe von Privatem, wozu eben auch Gefühle und Empfindungen gehören, oder der Preisgabe von Gedanken, welche weniger privat und sachbezogener sein können.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

14.01.2013 14:14
#122 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #58
Bei aller Kritik am staatlichen Geundheitssystem, und da habe ich jede Menge von, glaube selbst ich nicht, dass es als Basis der Gängelung dienen soll und dafür implementiert ist. Es soll einen gänzlich anderen Zweck erfüllen und das tut es mehr schlecht als recht.


Das habe ich so auch nie behauptet. Das Problem ist nur, dass das Phänomen "Staat" immer schlußendlich auf Gängelei hinausläuft. Auf dem freien Markt kann ich verhandeln, wenn mir z.B. das Auto gefällt, aber zu teuer ist. Und ich kann mich auch entscheiden, es nicht zu kaufen.

Der Staat als "Anbieter" von "Leistung" gibt mir diese Möglichkeit nicht - versuchen Sie mal, mit Ihrem Finanzbeamten zu verhandeln; oder der GEZ klar zu machen, dass Sie deren Dienstleistung gar nicht in Anspruch nehmen.

Zitat von Llarian im Beitrag #58
Nur muss man sich darüber klar sein, dass ein konsequentes Umstellen auf private Versicherung erst in dem Moment ein wirklich nichtstaatliches Gesundheitssystem nach sich zieht, wenn man bereit ist den Tod oder zumindest eine starke Mangelversorgung an Menschen hinzunehmen, die schwer krank sind. Ich kann nicht beurteilen wie ihre Bereitschaft ist, einen Menschen mit Lungenkrebs krepieren zu lassen, weil er leider das Geld für eine eventuell rettende Operation nicht hat, aber ich vermute einfach mal, dass die eher begrenzt sein wird. Will man diesen Tod nicht hinnehmen, dann hat man den Staat, respektive die Sozialgemeinschaft wieder über die Hintertür drin.


Sehe ich in verschiedener Hinsicht anders. Erstens besteht ja durchaus eine Krankenversicherungspflicht - aktuell allerdings ohne wirkliche freie Wahl der Anbieter, zumindest für den Großteil der Bevölkerung. Auch in einem konsequent privatisierten Krankenversicherungssystem wäre das denkbar, mit Kontrahierungszwang ähnlich wie bei der Kfz-Haftpflicht - da funktioniert das System ja durchaus.

Aber selbst für den Fall, dass jemand schwer erkrankt und weder versichert ist noch die finanziellen Eigenmittel für eine Operation hat, sehe ich ihn nicht notwendigerweise krepieren. Der Mensch ist nämlich - das bin ich vielleicht sehr optimistisch - ein altruistisches Wesen. Es würden sich mit ziemlicher Sicherheit Stiftungen und spendenfinanzierte Hilfswerke finden, um solchen Menschen in Not zu helfen.

Darauf aufsetzend, wenn auch ziemlich off-topic: ich bin der reichlich festen Überzeugen, bei einem konsequenten Abschaffen des Sozialstaates ginge es tatsächlich Hilfsbedürftigen - dem alten Mütterchen mit Mini-Rente, der kinderreichen Familie mit Niedrigeinkommen etc. - besser als heute. Im Gegensatz zu den heutigen Amtsstuben, wo sich im Zweifelsfall der Dreistere oder Gewieftere nach dem Motto "Laut § xyz steht mir diese Leistung zu" durchsetzt, könnten die dann enstehenden privaten Hilfswerke viel gezielter den tatsächlich Hilfsbedürftigen unter die Arme greifen. Aber das ist eine andere Geschichte.

vivendi Offline



Beiträge: 663

14.01.2013 15:39
#123 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

In der Schweiz gibt es einen Zwang zu einer minimalen Krankenversicherung, deren Prämien und Leistungen gesetzlich festgelegt sind. Die Versicherungen liegen aber alle in privaten Händen. Sie verdienen Geld hauptsächlich mit Zusatzversicherungen.

michael m. Offline



Beiträge: 26

15.01.2013 18:04
#124 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat
Leider zeigt die Erfahrung eine reziproke Proportionalität der Eigenverantwortung zum Konsum von Rauschmitteln. Ich mach da keinen Unterschied zwischen Alkohol, Cannabisprodukten, Opiaten, Alkaloiden und Amphetaminen.




in was für einer welt leben sie? die erfahrung zeigt genau das gegenteil ihrer aussage?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.01.2013 18:26
#125 RE: Zitat des Tages: Die grünen Verbieter Antworten

Zitat von michael m. im Beitrag #124

Zitat
Leider zeigt die Erfahrung eine reziproke Proportionalität der Eigenverantwortung zum Konsum von Rauschmitteln. Ich mach da keinen Unterschied zwischen Alkohol, Cannabisprodukten, Opiaten, Alkaloiden und Amphetaminen.



in was für einer welt leben sie? die erfahrung zeigt genau das gegenteil ihrer aussage?


Um so mehr Rauschmittel jemand konsumiert, um so stärker sinkt seine Fähigkeit zur Eigenverantwortung.
Keine Ahnung von welcher Welt Sie reden, lieber michael m., aber diese Erkenntnis kommt aus der realen Welt, nicht aus Schriften über irgend eine.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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