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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 775 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

03.03.2014 13:46
#51 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Krischan im Beitrag #49
Beim, privat bedingt eher oberflächlichen, Verfolgen der Meldungen rund um die Ukraine erwische ich mich immer wieder bei dem Gedanken an "München 1938" und die faktische Teilung der Tschechoswlowakei. Das Setting ist gespenstischerweise fast identisch:
[...]
- Ein nicht-demokratisches Land auf der Suche nach Lebensraum bzw. Einflusskorridor - damals Deutschland, heute Russland. Und beide mit Minderwertigkeitskomplexen - immerhin trauert Putin ja ganz offen dem Sowjetimperium nach und versucht, es wieder zu errichten. Und ich glaube, viele Russen folgen ihm da. Ist doch besser als Supermacht denn als versoffener Öllieferant und Bergmann


Man kann Putin sicher vieles vorwerfen, aber daß er irgendeine Affinität zu Hitlers verquaster "Lebensraum"-Theorie hätte, wäre mir neu. Rußland, das (mit Sibirien) größte Flächenland, annektiert die winzige Krim auf der Suche nach Lebensraum oder Einfluß? Das ist doch albern. Wenn man Neonazis sucht, wird man eher in Kiew fündig.

Zitat von Krischan
- und eine internationale Situation, in der der mal ausgetestet wird, ob das größere Bündnis die Eier hat, auf das Schaffen von Fakten zu reagieren. Die Minderheitenkarte wird identisch gespielt, und es sollte jedem klar sein, dass das System Putin nicht vor Waffengewalt zurückschreckt. Siehe Georgien, siehe Krim. Wo endet das dann? Beim Appeasement, ganz klar.

Ich sehe irgendwie schwarz.


Klar, der richtige Weg wäre gewesen, über die UNO ein Mandat zu beantragen, Schutztruppen auf der Krim zu installieren. Aber diesen Weg beschreiten andere (z.B. die USA in Syrien) aus praktischen Gründen auch nicht.

Wenn man schwarz sehen will, sehe ich die Parallele nicht zu 1938, sondern zu 1914. Nationalisten in einem kleinen Land legen sich provokationshalber und mit der Rückendeckung von mächtigen Allierten im Westen mit einer benachbarten Großmacht an, gegen die diese Allierten im Laufe der vorhergehenden Jahrzehnte eine extreme Aversion entwickelt haben; und aus dem Funken einer kleinen Provokation wird eine internationale Katastrophe.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

03.03.2014 13:50
#52 Die antiwestliche Logik Antworten

Der Raketenschirm wird ja von links-alternativen Gesinnten abgelehnt, da er Putin erst provoziert hätte und ein Akt der Aggression gegen Russland gewesen wäre. Dabei handelte es sich um einen Raketenabwehrschirm.

Die, so die Anti-Imperialisten, sei aber von us-imperialistischen Motivation geprägt den (schändlichen) amerikanischen Einfluss auszuweiten, da müsse man für Putin schon Verständnis haben, denn wer möge schon den amerikanischen Einfluss.

So denkt der Anti-Westler:

Defensivmaßnahmen des Westens sind Aggressionen,
Aggressionen nicht-westlicher Länder sind Defensivmaßnahmen.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Krischan Offline




Beiträge: 609

03.03.2014 14:01
#53 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #51

Man kann Putin sicher vieles vorwerfen, aber daß er irgendeine Affinität zu Hitlers verquaster "Lebensraum"-Theorie hätte, wäre mir neu. Rußland, das (mit Sibirien) größte Flächenland, annektiert die winzige Krim auf der Suche nach Lebensraum oder Einfluß? Das ist doch albern. Wenn man Neonazis sucht, wird man eher in Kiew fündig.


Lieber Fluminist, ich unterstelle Herrn Putin nicht irgendwelche verquasten Lebensraum-Theorien. Der Motivator ist ein anderer: Russland hätte gerne viele Vasallenstaaten rund um sich herum, um einen Puffer um das eigene Mutterland zu haben. Das ist bei Ukraine nicht (mehr) gegeben, bei Georgien hat es schon zum "Zeigen der Instrumente" geführt, die baltischen Staaten sind das nächste Ziel (auch dort gibt es relevante russische Minderheiten!).
Mittelfristiges Ziel: Eine Menge an abhängigen Vasallenstaaten um sich herum, für politische Spielmasse und als Puffer. Hat ja im Kalten Krieg schon recht gut und lange funktioniert. Und man darf nicht vergessen, dass für viele Russen der Niedergang erst mit Gorbatschow und seiner Politik des Rückzugs angefangen hat. Natürlich ist Gorbi ein Symptom, und Russland war, wie die DDR, schon lange vorher pleite, aber so lebt es sich halt schön irrational.
Also: Ähnliche Mittel, unterschiedliche Motivation.

Btw., Sibirien ist eigentlich nur NACH einer Erderwärmung sinnvoll nutzbar. Vorher nur mit wahnsinnig viel Aufwand. OK für bestimmte Bodenschätze, aber nicht für Besiedelung und Leben im eigentlichen Sinne.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Kritiker Offline



Beiträge: 274

03.03.2014 14:50
#54 RE: Die antiwestliche Logik Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #52
Der Raketenschirm wird ja von links-alternativen Gesinnten abgelehnt, da er Putin erst provoziert hätte und ein Akt der Aggression gegen Russland gewesen wäre. Dabei handelte es sich um einen Raketenabwehrschirm.

Die, so die Anti-Imperialisten, sei aber von us-imperialistischen Motivation geprägt den (schändlichen) amerikanischen Einfluss auszuweiten, da müsse man für Putin schon Verständnis haben, denn wer möge schon den amerikanischen Einfluss.


Wen interessiert schon die Meinung der Anti-Imperialisten?

Meiner Information nach war und ist der Raketenabwehrschirm militärisch eh fragwürdig, weil nicht zuverlässig genug. Angesichts dieses Problems wäre die Installation eines solchen Schirms also keine praktische Maßnahme, sondern ein politisches Signal, das einer militärischen Drohung gleichkommt.

Solange Russland lediglich auf politischer Ebene von Großmachtstatus träumte war ein solches Signal unnötig und wenig zielführend. Wie zielführend es jetzt wäre, wäre zu prüfen. Es gilt also poltische Argumente zu finden, so etwas zu installieren und damit ein neues Wettrüsten in Gang zu setzen (denn technisch dürfte Russland einen solchen Schirm auch haben).

Der Kritiker

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 15:02
#55 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #13
Damit macht Putin erst einmal nichts anderes als seine „Gegner“, deren Handeln zu dieser Eskalation geführt hat.

Das ist schlicht falsch.
Keiner von Putins Gegnern hat einen europäischen Nachbarstaat militärisch angegriffen.

Zitat
Und genau hier sehe ich für mich ein Problem: Die Behauptung, Putin bzw. sein Rußland würden Polen, die Baltenstaaten oder später Resteuropa überfallen.


Das ist ein realistisches Szenario, wenn er mit seiner Expansionspolitik weiterhin ohne Probleme und Widerstand durchkommt.

Zitat
Der Kalte Krieg war beendet und trotzdem wurde und wird in den alten Kategorien weitergedacht.


Bitte nicht so abstrakt "wurde ... weitergedacht". Man sollte schon Roß und Reiter nennen: Es ist ausschließlich Putin, der immer Kalter Krieg spielt und den russischen Imperialismus wiederbelebt hat.

Zitat
Auch wenn Rasmussen sagt, der Frieden in Europa sei in Gefahr, folge ich der Annahme nicht.


Wenn der Wetterbericht Gewitter ansagt, muß man dieser Annahme auch nicht folgen. Aber man sollte dann nicht überrascht sein, wenn die Grillparty ins Wasser fällt.

Zitat
Im konkreten Fall sollte die Krim an Rußland zurück gehen, damit es einen sicheren Dauerparkplatz für die Flotte hat.


Das mit der Flotte ist ziemlich das schlechteste Argument in diesem ganzen Kontext.

Rußland hat Zugang zum Schwarzen Meer und kann seine Flotte problemlos anderswo unterbringen. Wenn es überhaupt noch eine Schwarzmeerflotte braucht - die ist strategisch schon lange völlig obsolet.

Die Schwarzmeerflotte und der Stützpunkt auf der Krim sind sinnlose Symbole der alten imperialen Träume.

Und deswegen ist es so beunruhigend, daß Putin wegen solchen Unsinns einen Krieg anzettelt. Für ihn ist außenpolitische Expansion zum Selbstzweck geworden, der er konsequent die wirtschaftliche Entwicklung und die Zukunftschancen seines Landes unterordnet.

Und das macht auch den ganzen Ansatz so gefährlich - es gibt keine natürliche Grenze für seine Ambitionen.
Selbst wenn man ihm die komplette alte SU wieder überließe, wäre er noch nicht saturiert. Weil die Machtlogik des alten Sowjetapparats das eigene Territorium ja nur als Sprungbrett sah, um noch weitere Gebiete zu dominieren. Ohne die Kontrolle des Bosporus ist die Schwarzmeerflotte ein sinnloses Spielzeug. Putins Pläne sind letztlich völlig irreal.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

03.03.2014 15:08
#56 RE: Die antiwestliche Logik Antworten

Zitat

Wen interessiert schon die Meinung der Anti-Imperialisten?



Im engeren Sinne? Nicht viele. Aber sie teilen deren Ansichten ja auch:

Zitat

Meiner Information nach war und ist der Raketenabwehrschirm militärisch eh fragwürdig, weil nicht zuverlässig genug. Angesichts dieses Problems wäre die Installation eines solchen Schirms also keine praktische Maßnahme, sondern ein politisches Signal, das einer militärischen Drohung gleichkommt.



Sie schaffen aber die Krönung der Argumentation: Militärisch untauglich, daher ein besonderer Akt der Aggression.

Zitat

Solange Russland lediglich auf politischer Ebene von Großmachtstatus träumte war ein solches Signal unnötig und wenig zielführend.



Jetzt wissen wir ja, wie es sich entwickelt, wenn man auf ein solches Signal verzichtet, da der "lediglich auf politischer Ebene von Großmachtstatus [träumende]" ganz bestimmt nur spielen wollte.

Zitat

Wie zielführend es jetzt wäre, wäre zu prüfen. Es gilt also poltische Argumente zu finden, so etwas zu installieren und damit ein neues Wettrüsten in Gang zu setzen (denn technisch dürfte Russland einen solchen Schirm auch haben).



Die Argumente schafft Putin gerade als handfeste Tatsachen auf der Krim. Das getarnte Vorgehen ohne Hoheitsabzeichen sagt übrigens auch einiges über Putins Politik- und Militärstil aus.

Übrigens geht es damit auf dieser Exkalationsstufe nicht mehr nur um ein Raketenabwehrsystem, sondern eher die verstärkte Stationierung von Nato-Truppen in Ost-Europa. Wenn ihnen das zu viel Eskalation ist, dann wollen Sie bestimmt lieber nicht wissen, was nötig werden könnte, wenn man jetzt keine klare Grenze aufzeigt.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

03.03.2014 15:47
#57 RE: Die antiwestliche Logik Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #54
Meiner Information nach war und ist der Raketenabwehrschirm militärisch eh fragwürdig, weil nicht zuverlässig genug. Angesichts dieses Problems wäre die Installation eines solchen Schirms also keine praktische Maßnahme, sondern ein politisches Signal, das einer militärischen Drohung gleichkommt.
Warum fragwürdig? Etwas erprobteres als das Aegis-Flug/Raketenabwehrsystem gibt es nicht. Immerhin nutzt die US Navy das System seit den frühen 80ern, heute auf über 80 Schiffen.

Zitat
denn technisch dürfte Russland einen solchen Schirm auch haben

Nein, haben sie nicht.


Bitte denken Sie an die Umwelt bevor Sie diesen Kommentar ausdrucken

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

03.03.2014 16:01
#58 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55
Rußland hat Zugang zum Schwarzen Meer und kann seine Flotte problemlos anderswo unterbringen. Wenn es überhaupt noch eine Schwarzmeerflotte braucht - die ist strategisch schon lange völlig obsolet.
Zustimmung zum 1. teil, zum 2. Teil nicht. Genauso gut könnte ja Deutschland auf seine Flotte verzichten.

Zitat
Die Schwarzmeerflotte und der Stützpunkt auf der Krim sind sinnlose Symbole der alten imperialen Träume.

Russland hat, wie jeder andere Staat der Welt auch, das Recht eine Flotte zu unterhalten.

Zitat
Ohne die Kontrolle des Bosporus ist die Schwarzmeerflotte ein sinnloses Spielzeug.

Oder eben eine reine Schwarzmeerflotte.


Bitte denken Sie an die Umwelt bevor Sie diesen Kommentar ausdrucken

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 16:13
#59 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #48
Es ist schon interessant, wie manche hier bereits dabei sind, die Nato Streitkräfte gegen Russland in Gang zu setzen.

Habe ich etwas überlesen? Mir ist kein Beitrag hier untergekommen, der so etwas fordern würde.

Zitat
Kein europäischer Politiker mit Verstand sollte wegen der Ukraine (von der Krim gar nicht zu reden) ...


Was heißt hier "von der Krim gar nicht zu reden"? Die gehört zur Ukraine.

Zitat
... einen heißen Krieg vom Zaun brechen.


Es gibt noch viel zwischen dem heißen Krieg und freundlichem Zuwinken.

Zitat
Dasselbe gilt übrigens auch für die baltischen Staaten. Denn auch diese sind noch nicht genug mit der EU und der Nato verbunden.


Wie bitte? Alle drei baltische Staaten sind Vollmitglieder von EU und NATO. Mehr Verbundenheit geht nicht.
Wenn die NATO es zulassen würde, daß eines ihrer Mitglieder von einem Drittstaat angegriffen und annektiert wird, kann sie sich sofort auflösen. Und wir könnten uns dann auch nicht beklagen, wenn Putin seine DDR zurück haben will.

Zitat
Wirtschaftliche Sanktionen Europas gegen Russland würde Deutschland hart treffen.


Nö. Trotz Schröders Bemühungen sind wir noch nicht von Rußlands Gas abhängig. Ersatz ist jederzeit möglich, kostet auch nicht so viel mehr.
Für Rußland wäre es dagegen ein harter Schlag, wenn es keine Geschäfte mehr mit dem Westen machen könnte.

Putin hat sich in seiner ganzen Amtszeit fast nur auf die eigene Machtsicherung und auf seine Großmachtträume konzentriert. Rußland ist immer noch "Obervolta mit Atomwaffen", die wirtschaftliche Entwicklung ist bescheiden und basiert wesentlich auf Rohstoffexporten.
Wenn die russischen Oligarchen keine Geschäfte mehr mit dem Westen machen können, wenn sie nicht mehr in ihre Skihütte in den Alpen können, wenn die Mittelschicht keine Entwicklungschancen mehr sieht - dann bekommt Putins Autokratie Probleme.
Denn die Russen haben doch genug von der Welt mitbekommen in den letzten 20 Jahren um sich mit altbackenem Chauvinismus zu begnügen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 16:18
#60 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #58
Genauso gut könnte ja Deutschland auf seine Flotte verzichten.

Die kleine deutsche Flotte hat gewisse strategische Aufgaben, die für die deutsche Verteidigung nötig sind. Diese hat die Schwarzmeerflotte eigentlich nicht.

Zitat
Russland hat, wie jeder andere Staat der Welt auch, das Recht eine Flotte zu unterhalten.


Das Recht natürlich. Aber nicht das Recht, das zu einem vitalen Interesse zu erklären und deswegen die Souveränität anderer Staaten einzuschränken.
Es geht ja auch nicht um die russische Flotte generell, sondern konkret um die Schwarzmeerflotte als völlig überdimensioniertes Relikt und die Marinebasis in Sewastopol, die leicht durch einen russischen Hafen ersetzt werden könnte.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 16:20
#61 RE: Die antiwestliche Logik Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #56
Das getarnte Vorgehen ohne Hoheitsabzeichen sagt übrigen auch einiges über Putins Politik- und Militärstil aus.

Auch ein ganz wesentlicher Tabubruch.
Solche massiven Verstöße gegen das Kriegsrecht waren bisher das zweifelhafte Vorrecht von Terror- oder Guerilla-Bewegungen - für eine Großmacht undenkbar.

Frankenstein Offline




Beiträge: 888

03.03.2014 16:25
#62 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #11
Also gehört am Ende dieser Betrachtung die Krim gar nicht so richtig zur Ukraine? Nur so von Russlands Gnaden? Weil sie sie mal "abgegeben" haben? Alaska hat Russland auch mal "abgegeben".
Ich weiß nicht so recht, lieber Fluminist, was Sie mit dieser Argumentation ausdrücken wollen. Meiner Ansicht nach gibt es so etwas wie Grenzen und territoriale Integrität. Ganz unabhängig davon, wer wann wo mal gelebt hat.

Lieber Erling Plaethe,

es wäre mir neu, dass in Alaska eine russischstämmige Bevölkerungsmehrheit wohnen würde, die die Unabhängigkeit von den USA anstrebt und sich Russland anschliessen möchte. Mit Verlaub, aber Ihr Vergleich hinkt ganz gewaltig.

Es geht - und hier stimme ich voll und ganz mit Margaret Thatchers Positionen zu beispielsweise den Falkland-Inseln und Nordirland vollkommen überein (Frau Thatcher hat die Zugehörigkeit dieser Territorien zum Empire mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigt, da die dortige Bevölkerungsmehrheit dies explizit wünscht) - um das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Wenn die Bevölkerungsmehrheit der Krim also die Ukraine verlassen möchte und dies in einem demokratischen Votum zum Ausdruck bringt, so ist dies absolut legitim. Genauso, als wenn die Einwohner Alaskas die USA verlassen und sich Russland oder Kanada anschliessen wollen würden.

Herzlichst

Frankenstein

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.256

03.03.2014 16:49
#63 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von adder im Beitrag #44

...Allerdings haben wir Europäer dieses Problem selbst gezüchtet. Die Russen nehmen uns die "Einmischung" (=Forderung nach mehr Kapitalismus) unter Jelzin übel, die von der damaligen Regierung vor allem als kleptokratischer Umbau des Vermögens orchestriert wurde. Der Kreml nimmt uns auch den Vertragsbruch übel, den die NATO sich leistete, als sie sich so weit nach Osten erweiterte. Hier wäre damals mehr Diplomatie mit einem Umbau des Vertrages statt einseitigem Ignorieren besser gewesen. Und der Kreml nimmt Georgien massiv übel. Letzteres kann ich verstehen, denn so eindeutig wie uns gerne von der Politik beschrieben war die Lage damals nicht - und das ständige Schwarzzeichnen Russlands in der veröffentlichten Meinung ist auch nicht gerade positiv in Russland angekommen.

Vielleicht haben auch viele Russen nach Gorbatschow gehofft, dass Europa ihnen auch eine Perspektive und Hoffnung bringen würde - was natürlich vollkommen versäumt wurde. Statt dessen hat Jelzin nach westlichen Beratern gehandelt, die das Land fast ruinierten.


An dieser Stelle werde ich die Diskussion abbrechen, weil das meinem Blutdruck nicht gut tut. Putin hat wiederholt die Opposition im eigenen Land brutal niedergehalten; rechtsstaatliche Institutionen sind nicht vorhanden; wiederholt ist Putin militärisch gegen andere Staaten vorgegangen, jetzt zuletzt gegen die Ukraine. Putin ist nach absolut jedem ethischen Standard unseres Kulturkreises ein Verbrecher. Und seine Führungsriege gleich mit. Und das wird auf eine Stufe gestellt mit DEMOKRATISCHEN PROZESSEN bei denen ganze Völker SELBSTBESTIMMT entscheiden, mit wem sie befreundet sein wollen - und mit wem nicht. Das ganze wird auf eine Stufe gestellt mit MEINUNGSÄUßERUNGEN einer freien Presse. Der obige Kommentar stellt also pure FREIHEIT bereits als Bedrohung und Beleidigung des "Systems Putin" dar und militärische Gegenschläge damit als gerechtfertigte Verteidigung.

Und wenn sie meine Zusammenfassung für zu radikal halten, dann lesen sie noch mal oben das Zitat durch - von mir aus auch dreimal, bis sie begriffen haben, was sie da eigentlich geschrieben haben.

Schuld ist auf jeden Fall der Westen - und sei es nur auf Grund der "Provokation", dass es Zeitungen gibt, die Putin nicht ausreichend als "lupenreinen Demokraten" loben.

"Schwarzzeichnen"? Wo haben sie gelebt die letzten Jahre? Russland und Putin sind doch wo es ging von deutschen Politikern, Journalisten und Künstlern schön geredet worden! Es gab wochenlange Diskussionen, weil in dem 320 Millionen-Gebilde USA in einem Kaff dessen Name vorher niemand kannte ein Mitglied der Bürgerwehr möglicherweise seine Kompetenzen überschritten hatte. Das ganze wurde hochgebasht als Menetekel der "bösen USA". Das gleichzeitig in Russland systematisch hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf Grund politischer Urteile in Straflagern verschwinden und auch sonst das Land eine Mischung aus Anarchie, Korruption und Brutalität ist - davon liest man nichts in den deutschen Qualitätsleitmedien.

Die EU habe es also selbst provoziert, wenn Putin die Krim annektiert? Hätte die EU mehr Demut und Unterwürfigkeit gezeigt, dann hätte Putin vielleicht großmütig darauf verzichtet? NEIN, nicht die europäischen Demokratien sind schuld, wenn die baltischen Länder, Polen, Tschechien oder die Ukraine nicht länger Russlands Vasallen sein wollen.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.256

03.03.2014 16:53
#64 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #62

Es geht - und hier stimme ich voll und ganz mit Margaret Thatchers Positionen zu beispielsweise den Falkland-Inseln und Nordirland vollkommen überein (Frau Thatcher hat die Zugehörigkeit dieser Territorien zum Empire mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigt, da die dortige Bevölkerungsmehrheit dies explizit wünscht) - um das Selbstbestimmungsrecht der Völker.


Würde man heute im ehemaligen Tibet eine Abstimmung über die Zugehörigkeit zu China durchführen - was käme dabei wohl für ein Ergebnis raus? Und die baltischen Kulturen waren auch ganz kurz davor zu verschwinden - begraben unter einer Flut russischstämmiger Einwanderer, die die Esten, Letten und Litauer zu einer Minderheit im eigenen Land zu machen drohten.

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

03.03.2014 17:11
#65 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat
Zitat von Frankenstein im Beitrag #62
Es geht - und hier stimme ich voll und ganz mit Margaret Thatchers Positionen zu beispielsweise den Falkland-Inseln und Nordirland vollkommen überein (Frau Thatcher hat die Zugehörigkeit dieser Territorien zum Empire mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigt, da die dortige Bevölkerungsmehrheit dies explizit wünscht) - um das Selbstbestimmungsrecht der Völker.



Würde man heute im ehemaligen Tibet eine Abstimmung über die Zugehörigkeit zu China durchführen - was käme dabei wohl für ein Ergebnis raus? Und die baltischen Kulturen waren auch ganz kurz davor zu verschwinden - begraben unter einer Flut russischstämmiger Einwanderer, die die Esten, Letten und Litauer zu einer Minderheit im eigenen Land zu machen drohten.




Das alles scheint mir keine so ganz einfache Sache zu sein. Wie ist es zum Beispiel mit dem Kosovo, den Freischärler von Serbien abgetrennt haben? Eines Tages könnten doch auch die "Türken" von Neukölln ihre Unabhängigkeit von Deutschland erklären.
Die Situation in der Ukraine scheint ziemlich kompliziert zu sein, auch was die Historie anbelangt, wie hier schon einige Kommentatoren geschrieben haben.
Ich kann auch dieses nicht so recht beurteilen:
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...but_not_serious

Daß die westlichen Medien Putin schöngeredet hätten, kann ich nicht bestätigen. Schon seit einigen Monaten fällt eine antirussische Propaganda auf. Wenn sich das auf echte Bürgerrechtler oder Journalisten bezieht, die womöglich wegen läppischer Vergehen ins Gefängnis geworfen werden, ist Kritik ja durchaus berechtigt. Aber angesichts dessen, wie die ordinären Halbnackten vom "vaginalen Aufruhr" hier als Künstlerinnen, Demokratinnen oder was es sonst noch Hehres gibt, hochgejubelt wurden, konnte ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Wochenlang wurde darüber berichtet. Die gleichen Hürchen hier in einer Moschee oder Synagoge, wie wäre das wohl gewesen?

Frankenstein Offline




Beiträge: 888

03.03.2014 17:15
#66 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #64
Zitat von Frankenstein im Beitrag #62

Es geht - und hier stimme ich voll und ganz mit Margaret Thatchers Positionen zu beispielsweise den Falkland-Inseln und Nordirland vollkommen überein (Frau Thatcher hat die Zugehörigkeit dieser Territorien zum Empire mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigt, da die dortige Bevölkerungsmehrheit dies explizit wünscht) - um das Selbstbestimmungsrecht der Völker.


Würde man heute im ehemaligen Tibet eine Abstimmung über die Zugehörigkeit zu China durchführen - was käme dabei wohl für ein Ergebnis raus? Und die baltischen Kulturen waren auch ganz kurz davor zu verschwinden - begraben unter einer Flut russischstämmiger Einwanderer, die die Esten, Letten und Litauer zu einer Minderheit im eigenen Land zu machen drohten.

Bei aller Liebe, werter Frank2000,

die russische Bevölkerungsmehrheit auf der Krim ist ja nicht das Produkt imperialer Umsiedlung oder Annexion zu Sowjetzeiten.

Was den Tibet angeht, so gilt für Minderheiten in China die Ein-Kind-Politik meines Wissens nicht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das Ergebnis einer freien Abstimmung dort in der Separation von China enden würde. Ich denke aber, dass es legitim wäre, wenn die Bevölkerung der baltischen Staaten sich in einer freien demokratischen Abstimmung für die Zugehörigkeit zu Russland entschiede.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 17:20
#67 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #62
... eine russischstämmige Bevölkerungsmehrheit wohnen würde, die die Unabhängigkeit ... anstrebt und sich Russland anschliessen möchte.

Bevor wir weiter in solche Vergleich einsteigen: Es ist überhaupt nicht geklärt, was die Bevölkerungsmehrheit auf der Krim will.
Man kann vermuten, daß sie keine Beschränkung ihrer Minderheitenrechte will. Aber das geplante (dumme und menschenrechtswidrige) Sprachgesetz war ja ein Schnellschuß und wird wohl sowieso nicht kommen und wäre auch noch keinen Grund für Gewalt.

Man weiß derzeit nur, daß es Gruppen auf der Krim gibt, die einen Anschluß an Rußland wollen. Was auch per se nicht illegitim ist.
Aber der Mehrheitswille ist unbekannt, würde im Zweifelsfall auch sehr davon abhängen, wie so ein Anschluß genau ablaufen soll. Eigentlich ist Putins Rußland ja kein sehr attraktiver Staat, die Ukraine ist trotz der politischen Probleme für ihre Minderheiten nicht umbedingt so uninteressant.

Zitat
Wenn die Bevölkerungsmehrheit der Krim also die Ukraine verlassen möchte und dies in einem demokratischen Votum zum Ausdruck bringt, so ist dies absolut legitim.


Im Prinzip ja. Aber dann kämen halt die typischen Folgeprobleme - dann hätten z. B. die ukrainischen und vor allem die tatarischen Minderheiten wiederum die Option, ihre Wohngebiete per Mehrheit von der russischen Krim zu lösen.

Generell ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein sehr praxisfernes Konstrukt, weil man so selten ein klar definiertes "Volk" mit geschlossenem Staatsgebiet hat.

Eigentlich fällt mir weltweit nur das Beispiel Schottland ein, wo vielleicht ein Volk mit klaren Grenzen unabhängig werden könnte. Bei allen übrigen diskutierten Fällen wird es mit der Durchführung recht trübe.

schattenparker Offline



Beiträge: 150

03.03.2014 17:26
#68 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Man kann sich nur an den Kopf fassen, in welche Malaise uns unsere Spitzendiplomatie hineingeritten hat.

Soweit ich weiß, war Janukowitsch in demokratischen Wahlen an die Macht gekommen - eine Entscheidung gegen die EU oder kleptokratische Verhaltensweisen sind wohl kein Anlaß für Volksaufstände (wenn das so wäre, hätte man Goldmann Sachs längst zerschlagen müssen, gegenüber denen ist jeder Kleptokrat ein bemitleidenswerter Anfänger).

Nach unseren eigenen Regeln hätten wir die Aufstände in Kiew nicht auch noch unterstützen und als "Freiheitsbewegung" glorifizieren dürfen, incl. dauerhafter Präsenz eines schlaggewaltigen Volkshelden in allen Prime-Time-Nachrichten. Nur dadaurch, daß sich ein bekannter Sympath wie Klitschko den Aufständischen anschließt, wird die Sache nicht besser oder richtiger, zumal ja wohl schnell klar wurde, daß er vom Westen massive Förderung erhalten hat. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als öffentliche Einrichtungen besetzt und in Brand gesetzt wurden, hätten auch wir unsere Unterstützung abbrechen müssen.

Aber nein, flugs wurde hier der Staatsstreich als de facto vollzogen und in seiner Legitimation nicht weiter hinterfragt anerkannt. Und die neue Regierung rückte den Russen ja auch gleich zu Leibe und wollte ihre Sprache als Amtssprache verbieten, ein unglaublich dreistes Unterfangen. Da sieht man gleich, mit welch menschenfreundlichen Pflänzchen man es zu tun hat, und was passieren würde, wenn die könnten wie sie wollen.

Um es platt zu sagen - die EU und die USA haben den Russen ein großes Häufchen in ihren Hinterhof gelegt und wundern sich jetzt, daß es zu Gegenreaktionen kommt. Der Westen wollte die Russen mal wieder mehr als nur ein bißchen düpieren und demütigen. Daß sowas auch im Namen deutscher Diplomatie läuft, ist wirklich erschreckend.

Stelle man sich mal vor, ein paar tausend linke Chaoten besetzen das Zentrum von Berlin, und ziehen, nachdem sie sich hinreichend versichert haben, daß von den Ordnungskräften keine Gefahr droht, plündernd und marodierend durch Ministerien. Sobald ein Ordnungshüter versucht, dem Einhalt zu gebieten - natürlich mit Waffengewalt, mit Blumen hätt´s wohl nix gebracht - empört sich der Rest der Welt über die unglaubliche Brutalität des Staates (der damit offenbar jegliche Legitimation verloren hat). Abseitige Überlegung??

Putin hat sich bisher sicherlich nicht als "lupenreiner" Demokrat betätigt, er hat aber auch nicht laufend mit dem Säbel gerasselt - da gibt es sehr viel aggressivere Staaten.

Zum Glück ist nicht mal die deutsche Journaille, der ich an Blödheit und Verlogenheit ziemlich viel zutraue, blöd genug, all die immanenten Widersprüche in der Position "des Westens" nicht zu sehen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 17:26
#69 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #66
Die russische Bevölkerungsmehrheit auf der Krim ist ja nicht das Produkt imperialer Umsiedlung oder Annexion zu Sowjetzeiten.

Aber sicher ist sie das.
Denn ursprünglich (wenn man mal alle Vorgängervölker ignoriert ...) hatten natürlich die Krimtataren die deutliche Mehrheit. Und es war die imperiale Politik der Zaren, die in großer Zahl Russen auf der Krim ansiedelte, und es war die Sowjetpolitik unter Stalin, die umgekehrt die Tataren fast in Form eines Völkermords dezimierte.

Wobei das nun auch einige Zeit her ist und ich daher schon die russische Mehrheit auf der Krim als legitime Einwohner ansehe, die entscheidend über die Zukunft der Krim mitreden dürfen.
Aber angesichts der Vorgeschichte haben die Krimtataren m. E. ein Mitspracherecht, das deutlich gewichtiger ist als ihrer zahlenmäßigen Stärke entspricht.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.03.2014 17:36
#70 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von schattenparker im Beitrag #68
Soweit ich weiß, war Janukowitsch in demokratischen Wahlen an die Macht gekommen ...

Was ja auch allgemein anerkannt wurde - so weit kein Problem.

Wenn danach seine Entscheidungen und sein Regierungsstil zu massiven Protesten der Bevölkerung führen, dann sind die aber auch legitim.

Zitat
hätte man Goldmann Sachs längst zerschlagen müssen, gegenüber denen ist jeder Kleptokrat ein bemitleidenswerter Anfänger


Was soll das? Es gibt m. W. noch nicht einmal einen Anfangsverdacht, daß Goldmann Sachs kriminelle Handlungen begangen hätte. Das gehört nicht in diese Diskussion.

Zitat
Nach unseren eigenen Regeln hätten wir die Aufstände in Kiew nicht auch noch unterstützen und als "Freiheitsbewegung" glorifizieren dürfen ...


Es steht uns völlig frei, wen wir glorifizieren. Sowohl die EU wie Putin wie auch andere Parteien dürfen selbstverständlich mit irgendwelchen Leuten innerhalb der Ukraine sympathisieren oder diese unterstützen. Aber nicht mit Truppen.

Zitat
Aber nein, flugs wurde hier der Staatsstreich als de facto vollzogen und in seiner Legitimation nicht weiter hinterfragt anerkannt.


Es war kein Staatsstreich, sondern der von Janukowitsch angeordnete Massenmord hat ihm die Unterstützung der eigenen Leute gekostet. Es war das ukrainische Parlament, das ihn abgesetzt und eine Interimsregierung gewählt hat - das ist legal.

Zitat
Und die neue Regierung rückte den Russen ja auch gleich zu Leibe und wollte ihre Sprache als Amtssprache verbieten, ein unglaublich dreistes Unterfangen.


In der Tat eine dumme und falsche Idee - die dann auch sofort zurückgenommen wurde.

Zitat
Um es platt zu sagen - die EU und die USA haben den Russen ein großes Häufchen in ihren Hinterhof gelegt ...


Unsinn.
In der Ukraine wechseln sich Eu-freundliche und Rußland-freundliche Regierungen seit Staatsgründung ab. Die EU hat akzeptiert, als die russische Seite gewonnen hatte, und das muß auch umgekehrt gelten.

Zitat
und wundern sich jetzt, daß es zu Gegenreaktionen kommt.


Die Invasion auf der Krim ist in keiner Weise als "Gegenreaktion" zum Regierungswechsel in Kiew zu rechtfertigen. Sondern es ist ein krasser Verstoß gegen Verträge und Völkerrecht.

Zitat
Stelle man sich mal vor, ein paar tausend linke Chaoten besetzen das Zentrum von Berlin, ...
Abseitige Überlegung??


Ja. Abseitige Überlegung.

Zitat
Putin hat sich bisher sicherlich nicht als "lupenreiner" Demokrat betätigt, er hat aber auch nicht laufend mit dem Säbel gerasselt


Putin rasselt nicht nur, er benutzt ihn. Zuerst in Georgien, jetzt in der Ukraine.

Zitat
- da gibt es sehr viel aggressivere Staaten.


Seit dem Sturz Saddam Husseins nicht mehr.

adder Offline




Beiträge: 1.073

03.03.2014 18:43
#71 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #63
Zitat von adder im Beitrag #44

...Allerdings haben wir Europäer dieses Problem selbst gezüchtet. Die Russen nehmen uns die "Einmischung" (=Forderung nach mehr Kapitalismus) unter Jelzin übel, die von der damaligen Regierung vor allem als kleptokratischer Umbau des Vermögens orchestriert wurde. Der Kreml nimmt uns auch den Vertragsbruch übel, den die NATO sich leistete, als sie sich so weit nach Osten erweiterte. Hier wäre damals mehr Diplomatie mit einem Umbau des Vertrages statt einseitigem Ignorieren besser gewesen. Und der Kreml nimmt Georgien massiv übel. Letzteres kann ich verstehen, denn so eindeutig wie uns gerne von der Politik beschrieben war die Lage damals nicht - und das ständige Schwarzzeichnen Russlands in der veröffentlichten Meinung ist auch nicht gerade positiv in Russland angekommen.

Vielleicht haben auch viele Russen nach Gorbatschow gehofft, dass Europa ihnen auch eine Perspektive und Hoffnung bringen würde - was natürlich vollkommen versäumt wurde. Statt dessen hat Jelzin nach westlichen Beratern gehandelt, die das Land fast ruinierten.


An dieser Stelle werde ich die Diskussion abbrechen, weil das meinem Blutdruck nicht gut tut.

Daran kann ich Sie nicht hindern, auch wenn ich es schade finde, da ich denke, dass Sie mich falsch verstehen.

Zitat
Putin hat wiederholt die Opposition im eigenen Land brutal niedergehalten; rechtsstaatliche Institutionen sind nicht vorhanden;



Das stelle ich gar nicht in Abrede.

Zitat
wiederholt ist Putin militärisch gegen andere Staaten vorgegangen, jetzt zuletzt gegen die Ukraine.



Tschetschenien? Wohl kaum ein gutes Beispiel, denn die Aggression ging von militanten Islamisten aus Teschetschenien aus. Georgien? Auch kaum ein gutes Beispiel da Georgiens Präsident die Krise selbst beschworen hat und Putin damit einen extrem guten Vorwand zur Eskalation geliefert hat. Putin ist - bei allem Abscheu - leider extrem gut darin, andere für sich arbeiten zu lassen. Und Idioten, nützliche Idioten, gibt es leider. Gerade in diesen beiden Fällen würde ich fast gerne wissen, ob die Islamisten oder Saakaschwili vom Kreml finanziert wurden, so gut haben sie Putins Arbeit gemacht.

Zitat
Putin ist nach absolut jedem ethischen Standard unseres Kulturkreises ein Verbrecher. Und seine Führungsriege gleich mit.



Hmmm. Obwohl ich nicht abgeneigt bin, dem zuzustimmen: in den Augen der Russen ist Putin eben kein Verbrecher, sondern der Mann, der mit dem korrupten System Jelzin aufgeräumt hat.

Zitat
Und das wird auf eine Stufe gestellt mit DEMOKRATISCHEN PROZESSEN bei denen ganze Völker SELBSTBESTIMMT entscheiden, mit wem sie befreundet sein wollen - und mit wem nicht. Das ganze wird auf eine Stufe gestellt mit MEINUNGSÄUßERUNGEN einer freien Presse. Der obige Kommentar stellt also pure FREIHEIT bereits als Bedrohung und Beleidigung des "Systems Putin" dar und militärische Gegenschläge damit als gerechtfertigte Verteidigung.



Das ist nicht korrekt. Sie unterstellen mir hier etwas, das ich so nicht gesagt habe.

Zitat
Schuld ist auf jeden Fall der Westen - und sei es nur auf Grund der "Provokation", dass es Zeitungen gibt, die Putin nicht ausreichend als "lupenreinen Demokraten" loben.



Weil ich dargestellt habe, wie der Kreml und wie die Russen unsere Handlungen betrachten? Wenn Sie das als Schuldzuweisung verstehen, als Kotau vor Putin, dann ist es eventuell doch ganz gut, dass Sie diese Diskussion mit mir nicht mehr fortführen, da sie unter diesem Mißverständnis sinnlos wurde.

Zitat
"Schwarzzeichnen"? Wo haben sie gelebt die letzten Jahre? Russland und Putin sind doch wo es ging von deutschen Politikern, Journalisten und Künstlern schön geredet worden! Es gab wochenlange Diskussionen, weil in dem 320 Millionen-Gebilde USA in einem Kaff dessen Name vorher niemand kannte ein Mitglied der Bürgerwehr möglicherweise seine Kompetenzen überschritten hatte. Das ganze wurde hochgebasht als Menetekel der "bösen USA".



Das betrifft Deutschland. Und selbst hier stimmte das ja auch nicht. Unter Schröder vielleicht - aber später wurde dann schon gerne und breit über diverse Gerichtsurteile und Absurditäten in Moskau berichtet. Ich will jetzt auch gar nicht Chodorkowski angreifen - aber auch dessen Rolle wird in Russland komplett anders gesehen als hier.

Zitat
Das gleichzeitig in Russland systematisch hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf Grund politischer Urteile in Straflagern verschwinden und auch sonst das Land eine Mischung aus Anarchie, Korruption und Brutalität ist - davon liest man nichts in den deutschen Qualitätsleitmedien.



Man muss sich auch nicht immer auf die Qualitätsmedien verlassen. Allerdings las man in bestimmten anderen Zusammenhängen immer wieder vom bösen Russen, der humanitäre Interventionen ablehnte und seine Pariahs schützte. Die Berichterstattung über Georgien mal ganz aussen vorgelassen.

Zitat
Die EU habe es also selbst provoziert, wenn Putin die Krim annektiert? Hätte die EU mehr Demut und Unterwürfigkeit gezeigt, dann hätte Putin vielleicht großmütig darauf verzichtet? NEIN, nicht die europäischen Demokratien sind schuld, wenn die baltischen Länder, Polen, Tschechien oder die Ukraine nicht länger Russlands Vasallen sein wollen.



Das ist richtig. Vielleicht denken Sie aber noch einmal über meine Worte nach: die Aufnahme der baltischen Staaten in die EU (die absolut richtig war, btw) hätte man auch ohne eine direkte Konfrontation einleiten können. Man hätte auch durchaus die Aufnahme osteuropäischer Staaten in die NATO (die wollten ja unbedingt in dieses Bündnis, die NATO wollte ja nicht unbedingt in diese Länder; übrigens auch eine richtige Entscheidung) diplomatisch besser flankieren können. Das ganze hätte aber schon davor, weit davor bessere diplomatische Kontakte und Maßnahmen erfordert - schon unter Jelzin, ja eigentlich schon unter Gorbatschow. Die Goldgräberstimmung im Westen als Jelzin den Umbau der russischen Wirtschaft versprach hat uns nicht geholfen. Das ist wahrscheinlich der Schlüsselstein im Problem (und wird gerne hier im Westen vergessen): den Russen ging es unter Jelzin schlecht, richtig schlecht und sie haben gesehen, wie einige wenige Super-Reich wurden, während andere absolut alles verloren haben. Und westliche Berater standen dabei und haben das gutgeheißen und sogar offen zugegeben, dass es ihre Idee war.

Lieber Frank, ich möchte gar nicht Putins Handlungen relativieren - auch wenn ich einige davon anders sehe als Sie, ist Putins Russland doch mit allen, auch unschönen und brutalen Mitteln auf dem Weg zur Hegemonialmacht, weil der Kreml es so will. Ich hoffe allerdings, dass der Westen endlich kapiert, dass einige Idiotien unsererseits diesen Hegemonialwillen noch bekräftigt haben, und das jeder weitere halbherzige Eindämmungsversuch Putin noch darin bestärkt, weiter zu machen.

Und wie ich bereits schrieb, fehlt mir der Glaube daran, dass unsere Politiker und Eliten ihn überhaupt aufhalten wollen. Teilweise aus gutem Grund - denn einen Atomkrieg will sicherlich keiner (nicht einmal diejenigen, die dadurch unter russischen 'Schutz' fallen würden, glaube ich). Aber auch die dumpfe Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen von Sanktionen wird unsere Politiker hier in der EU lähmen.

Fluminist Offline




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03.03.2014 20:15
#72 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55
Ohne die Kontrolle des Bosporus ist die Schwarzmeerflotte ein sinnloses Spielzeug. Putins Pläne sind letztlich völlig irreal.

Ob das, lieber R.A., vielleicht daran liegt, daß Sie nicht Putins Pläne aufgezählt haben, sondern nur eine Spekulation, was Putins Pläne möglicherweise sein könnten?
So unsympathisch Putin auch sein mag, außenpolitisch haben er und Lavrov in den letzten Jahren sehr viel mehr Zurückhaltung und diplomatisches Geschick gezeigt als westliche Staaten, die sich durch blutige und z.T. letztlich erfolglose Einmischung in das Innenleben anderer Staaten (wenn man nicht deren Destabilisierung, z.B. in Libyen, schon als Erfolg sehen will) hervorgetan haben.

Hier wird Putin einfach mal so unterstellt, er wolle die Krim annektieren und die Ukraine dazu, auch, wenn er schon mal dabei ist, alle baltischen Staaten, Polen, Ungarn usw. Ein blindwütiger, welterobernder Imperialist also. Mag ja sein, daß er das alles vorhat, aber gibt es denn Anzeichen dafür?
Als Beweis für seinen militaristischen Imperialismus wird Georgien genannt, z.B. (aber nicht nur) hier:
Zitat von R.A. im Beitrag #70

Zitat
Putin hat sich bisher sicherlich nicht als "lupenreiner" Demokrat betätigt, er hat aber auch nicht laufend mit dem Säbel gerasselt

Putin rasselt nicht nur, er benutzt ihn. Zuerst in Georgien, jetzt in der Ukraine.


Wenn sich das auf die Vorgänge im Sommer 2008 bezieht, dann ist es eher ein Gegenbeispiel als ein Beispiel! Damals ging die Aggression von dem im Westen aus unerfindlichen Gründen geliebten (natürlich lupenrein demokratischen und ganz und gar nicht korrupten) Saakashvili aus, der im Vertrauen auf seine Freundschaften im Westen -- auch dies ein wiederkehrendes Motiv! -- gedachte, Südossetien mit Waffengewalt zu annektieren. Rußland hat damals durch militärische Intervention diese Sache schnell beendet. Hat Putin, der Imperialist, damals die Gelegenheit genutzt, die militärische Überlegenheit Rußlands dazu zu verwenden, Georgien als ganzes einzunehmen, so à la "shock and awe", und entweder zum Teil des russischen Reiches zu machen oder zumindest einen Regimewechsel herbeizuführen, bei dem Saakashvili durch eine Moskauhörige Marionette ersetzt wird? Nein! Er hat nur eine Schutzmacht in Südossetien zurückgelassen, um die Grenze zu Georgien zu sichern. Expansionsdrang und Invasion sieht m.E. anders aus.

Auch die sogenannte (übrigens völlig gefechtfreie und unblutige) Invasion der Krim hat, bisher jedenfalls, wirklich die stabilisierende Wirkung gehabt, die die Russen als ihr Ziel angegeben haben, während in Odessa, Kharkov etc. der Bürgerkrieg zwischen Rußlandfreunden und Liebhabern des Westens gerade richtig losgeht. Bis auf weiteres würde ich den Russen also doch noch the benefit of the doubt geben.

Freilich kann man jetzt sagen, ganz so wie in Georgien war es hier nicht, weil ja keine direkte Aggression der neuen ukrainischen Regierung auf der Krim vorausgegangen war. Stimmt schon, aber wer einmal nachschaut, wer jetzt die Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine leitet, hat nicht unbedingt Grund zur Freude:

Zitat
Andriy Volodymyrovych Parubiy [...] is [...] the Secretary of the National Security and Defence Council of Ukraine, appointed after leading the anti-government riots in the 2014 Ukrainian revolution. His deputy is Right Sector leader Dmytro Yarosh.
[...] In 1991 he founded the neo-Nazi Social-National Party of Ukraine together with Oleh Tyahnybok. Parubiy co-led the Orange Revolution in 2004. In the 2007 parliamentary elections he was elected into the Ukrainian parliament on an Our Ukraine–People's Self-Defense Bloc ticket. He then became a member of the deputy group that would later become For Ukraine!. Parubiy stayed with Our Ukraine and became a member of its Political Council.
In February 2010 Parubiy had asked the European Parliament to reconsider its negative reaction to former Ukrainian President Victor Yushchenko's decision to award Stepan Bandera, the leader of the Organization of Ukrainian Nationalists, the title of Hero of Ukraine.

Dmytro Yarosh[...] is the Deputy Secretary of the National Security and Defence Council of Ukraine. He was a leading figure in the 2014 Ukrainian revolution and is the leader of the far-right militant Right Sector organization.


Ist das nicht genau der Typ von Figur, vor denen uns unsere Kämpfer gegen Rechts immer gewarnt haben?

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

03.03.2014 20:34
#73 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Krischan im Beitrag #53
Zitat von Fluminist im Beitrag #51

Man kann Putin sicher vieles vorwerfen, aber daß er irgendeine Affinität zu Hitlers verquaster "Lebensraum"-Theorie hätte, wäre mir neu. Rußland, das (mit Sibirien) größte Flächenland, annektiert die winzige Krim auf der Suche nach Lebensraum oder Einfluß? Das ist doch albern. Wenn man Neonazis sucht, wird man eher in Kiew fündig.


Lieber Fluminist, ich unterstelle Herrn Putin nicht irgendwelche verquasten Lebensraum-Theorien. Der Motivator ist ein anderer: Russland hätte gerne viele Vasallenstaaten rund um sich herum, um einen Puffer um das eigene Mutterland zu haben. Das ist bei Ukraine nicht (mehr) gegeben, bei Georgien hat es schon zum "Zeigen der Instrumente" geführt, die baltischen Staaten sind das nächste Ziel (auch dort gibt es relevante russische Minderheiten!).
Mittelfristiges Ziel: Eine Menge an abhängigen Vasallenstaaten um sich herum, für politische Spielmasse und als Puffer. Hat ja im Kalten Krieg schon recht gut und lange funktioniert. Und man darf nicht vergessen, dass für viele Russen der Niedergang erst mit Gorbatschow und seiner Politik des Rückzugs angefangen hat. Natürlich ist Gorbi ein Symptom, und Russland war, wie die DDR, schon lange vorher pleite, aber so lebt es sich halt schön irrational.
Also: Ähnliche Mittel, unterschiedliche Motivation.

Btw., Sibirien ist eigentlich nur NACH einer Erderwärmung sinnvoll nutzbar. Vorher nur mit wahnsinnig viel Aufwand. OK für bestimmte Bodenschätze, aber nicht für Besiedelung und Leben im eigentlichen Sinne.

Freundlichst,
Krischan


Lieber Krishan,
in dem Punkt, daß Rußland nun wirklich kein Platzproblem für eine überquellende Bevölkerung hat (auch wenn weite Teile Sibiriens nicht wirklich bewohnbar sind), sind wir uns wohl einig.

Ich glaube auch, daß Sie hier einen wichtigen Punkt ansprechen:
Zitat von Krischan im Beitrag #49
- damals Deutschland, heute Russland. Und beide mit Minderwertigkeitskomplexen - immerhin trauert Putin ja ganz offen dem Sowjetimperium nach und versucht, es wieder zu errichten. Und ich glaube, viele Russen folgen ihm da.[...] Wo endet das dann? Beim Appeasement, ganz klar.

Im Hintergrund der Appeasementpolitik stand ja auch, daß man in Großbritannien eingesehen hatte, daß es ein großer Fehler gewesen war, Deutschland seit 1919 international zu ächten und zu isolieren; die Einsicht kam freilich zu spät und die Konsequenz, die man daraus zog, war ebenso fatal wie der ursprüngliche Fehler. Und hier besteht vielleicht auch eine Parallele zur Gegenwart: die antirussischen Ressentiments im Westen (der sich durch die Befreiung der ehemaligen Ostblockländer immer enger um Kernrußland herumgezogen hat) führt zu einer gewissen Isolation Rußlands, das kann leicht in die Paranoia führen.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

03.03.2014 20:38
#74 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #47
Zitat von Calimero im Beitrag #6
Da fällt es mir schwer zu erkennen, wer absolut im Unrecht ist.

Im Unrecht ist eindeutig und absolut Putin.

Völkerrechtlich klar, keine Frage. Mir ging es sozusagen um einen ideellen Anspruch durch "betriebliche Übung". Die Ukraine scheint ja ein ehemals russisches Randgebiet mit engsten historischen Verflechtungen zu Mütterchen RU zu sein. Wie bei mir oben verlinkt haben die Russen erst weite Gebiete dort besiedelt, heute wichtige Städte gegründet, die Ukrainer erst als eigenes Volk definiert. Militärische Verflechtungen, Teile der russischen Rüstungsindustrie stehen in der Ukraine (Antonow!) - das ist so ein bissl kleiner Bruder, großer Bruder. Eben auch ethnisch durchwachsen, wenn man da überhaupt von Ethnien sprechen kann. Für mich eine klassische Verwandtschaftsbeziehung.

Dass sich der kleinere Bruder emanzipieren und nicht permanent bevormundet werden will ist klar. Dass er das Recht dazu hat, auch. Nur wird niemand anders ihm jemals näher sein als eben der große Bruder. Eine komplette Emanzipation der Ukraine, eine Absetzung von Russland, wird ihr nicht das bringen, was man sich vielleicht erträumt. Allein wird sie ökonomisch nicht durchstarten können, ohne RU wird die Sache sogar noch viel komplizierter. Die EU wird außer warmen Worten und versickernden Hilfskrediten nichts leisten, die USA sind weit weg und mentalitätsmäßig viel ferner als es RU ist.
Das wissen auch die Ukrainer selbst (also die Bewohner der Ukraine). Janukowitsch wurde ja demokratisch gewählt, oder?

RU wiederum hat in der Ukraine einiges investiert, eben im Wissen darum, dass man quasi verwandschaftlich verbunden ist. Jahrhundertelange betriebliche Übung im Vertrauen darauf, dass das auch so bleiben wird. Das jetzige Spiel mit dem Feuer - mit all den progressiven aber auch ukrainisch-nationalistischen Kräften; mit allen international sich engagierenden Parteien - ist eine Momentaufnahme. Keiner hat so richtig auf dem Zettel was passieren würde, wenn die Ukraine sich komplett von RU löste.
Die ökonomische Problematik würde verschärft und niemand könnte sie lindern. Bestehende Spannungen zwischen den innerukrainischen Volksgruppen würden im wirtschaftlichen Zusammenbruch wieder obsolet, weil im Zweifelsfall Blut dann doch dicker als Wasser wäre. Aber was wäre bis dahin schon kaputtgeschlagen worden? Welchen Preis müsste die Ukraine als auch RU bis dahin zahlen?

Ich verstehe die pro-westlichen Ukrainer, die sich eine bessere Zukunft näher an Europa wünschen (und später mit Sicherheit enttäuscht würden). Ich verstehe die russischstämmigen Ukrainer, die genau davor Angst haben und denen Mütterchen Russland weitaus näher ist als alle anderen außerukrainischen Akteure. Und ich verstehe Russland, in dessen bisher halbwegs sicherem Hinterhof plötzlich das Chaos tobt. Wie gesagt, ich finde das alles äußerst kompliziert und es ist bei weitem nicht so klar wie bei Balten, Georgiern und Turkstaaten (von Polen und Tschechien gar nicht zu reden).

Beste Grüße, Calimero

-------------------------------------------------------
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.03.2014 20:55
#75 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #41
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #27

Russland hatte doch gerade erst seinen "Mietvertrag" um 25 Jahre verlängert. Sie hatten was sie wollten. Aber sie wollen jetzt die gesamte Halbinsel einverleiben.


Ja klar, dass hätten alle anderen als zu garantieren angesehen.

Zitat von Reisender im Beitrag #25
Nein, es ist mir nicht egal. http://elynitthria.net/europa-der-schwelle-zum-krieg/
Aus einem vermutlich linken Blog trotzdem ein interessanter Gedanke:

Vermutlich, der war gut. Na ja, wenn ich linke Theorien diskutieren will, dann sicher nicht als "amerikanischer Knecht" und eigentlich auch nicht hier. Nichts für ungut, lieber Reisender.


Wie empfindlich man plötzlich ist. Ob es einem passt oder nicht, an dem linken Kram kommt man nicht vorbei. Also muss man sich damit auseinander setzen. Zumindest dann, wenn die (eigene Comfortzone) immer kleiner wird. [/quote]
Nein, lieber Reisender so war das nicht gemeint. Ich hatte nur keine Lust. Also grundsätzlich sehe ich das so:
Es gibt Firmen in der Ukraine die zur Zeit sehr intensiv Geschäfte mit Russland machen. So weit, so normal. Nun kommt Europa und will auch Geschäfte machen. Klar, das geht evtl. auf Kosten russischer Firmen. Na und?
Das Problem ist m.E. dieses koloniale und imperiale Selbstverständnis dieses Schlägertypen aus dem Kremel. Das schreit regelrecht nach Widerstand. Wir leben in einer globalisierten Welt und wenn protektionistisch abgeschottete Märkte aufgebrochen werden, ist das ein ganz normaler Vorgang - den ich nebenbei begrüße. Ich begrüße auch, dass Europa sich den Markt Ukraine erschließen will. Warum auch nicht?

Viele Grüße, Erling Plaethe

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