Zitat Zitat R.A. M. E. paßt das künstliche Konstrukt "Nationalstaat" überhaupt nicht zur buntgemischten Historie Europas und hat unglaublich viel Unheil angerichtet.
Ich denke, wenn es keine Nationalstaaten innerhalb der EU mehr geben soll, dann muß man das den Bürgern auch sagen. [...] Und wenn ja, kann man das so einfach ohne Volksabstimmung?
Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß Demokratie (als Volks-Herrschaft) eng mit dem Nationalstaat verbunden ist. Wenn die politische Macht vom Volke ausgehen soll, muß das Volk als Einheit vorher schon vorhanden sein. In Deutschland erschienen demokratische Ideen gleichzeitig mit den nationalistischen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. England, eine Wiege der Demokratie, ist zugleich einer der ältesten Nationalstaaten. Imperialismus dagegen hat wohl immer eine zentralgesteuerte Form gehabt; es wäre eine interessante Frage, ob das immer so sein muß, d.h. ob man ein Imperium ohne Imperator nicht haben kann.
Aus diesem Blickwinkel ist es vielleicht nicht verwunderlich, daß die EU als imperialistisches Unternehmen (wohlgemerkt in einem neutralen Wortsinne: nämlich als politisches Konstrukt, das über den Nationen stehen will) so zentralisiert und un- bis antidemokratisch aussieht; vielleicht muß eine Überwindung der Nationalstaaten mit einer Überwindung der Demokratie einhergehen.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #124Da muss ich widersprechen: nicht der Nationalstaat hat Unheil angerichtet, sondern seine Übertreibung, der (ethnisch gefärbte) Nationalismus.
Nationalstaaten als solche können ausgezeichnet funktionieren, vor allem bei einer homogenen Nation.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #88OK, die Aussage nehme ich jetzt mal so hin. Dann hat Putin also eine ständige Invasionsarmee im Umfang knapp unterhalb einer Division vorrätig.
In den Nachrichten, die ich gerade im Fernsehen geshen habe, wird "nur" von 16000 Mann gesprochen, die auf die Krim verlegt worden sind. Ich würde das mal "klotzen und nicht kleckern" als Strategie beschreiben.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #88Ist ja auch logisch; es gibt immer mal wieder was zu überfallen; da ist man lieber vorbereitet, gell?
Das Wunder der 16000 Soldaten, die Putin angeblich mal so eben aus dem Ärmel auf die Krim schüttelt, hat vielleicht eine ganz einfache Erklärung. Laut "Mietvertrag", den Rußland mit der Ukraine geschlossen hatte, darf Rußland auf der Krim bis zu 25000 Soldaten stationieren. Die 16000, die jetzt dort sind, sind nicht als Invasoren angelandet, sondern waren schon da. (Daß sie auf der Krim aktiv werden, u.a. in der Kontrolle bzw. "Motivation" noch nicht übergelaufener ukrainischer Einheiten, gibt ihrer Anwesenheit natürlich eine neue Dimension.)
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #1Ich war fast fertig mit meinem Artikel, da kam die Meldung des Telegraph, Rasmussen hat gesagt: "Europe's peace is at risk". Ja. Sehe ich ganz genau so.
Zu dieser Diskussion im Allgemeinen möchte ich anmerken, dass mir viele Positionen doch reichlich übertrieben scheinen (teilweise gar paranoid, wenn hier bereits von einem drohenden 3. Weltkrieg geschrieben wird).
Zettel wäre sicherlich sachlicher geblieben und hätte Stratfor.com oder ähnliche Quellen bemüht.
Bettina Röhl's Einschätzung, dass man die Kirche im Dorfe lassen sollte, finde ich jedenfalls deutlich überzeugender.
Was Zettels Position in Bezug auf Russland anbetrifft, war ich mit ihm einer Meinung - und auch damals hier im Forum in der Minderheit. Sie können sich Ihr eigenes Bild machen ohne groß rumzusuchen. Kallias veröffentlicht gerade Artikel von Zettel. Der letzte hat Putins Russland zum Thema. Sicher kein Zufall. Und in diesem verlinkt Zettel alle seine Artikel zu Russland. Viel Spaß beim Lesen! Zu Bettina Röhl möchte ich sie zitieren, aus dem von Ihnen verlinkten Artikel:
Zitat Natürlich muss Putin jede Art von Kolonialisierung oder Bevormundung der Ukraine aufgeben, falls er derartige Ideen hegen sollte.
Witzig oder? Deshalb schätzt sie ja auch Steinmeier so. Der war unter Schröder Chef des Bundeskanzleramts und so objektiv wie Schröder...
Zitat von http://m.welt.de/article.do?id=politik/d...Putin&cid=&pg=1Das Vorgehen Russlands sei ja, so der Altkanzler, schon von zahlreichen Stimmen kritisiert worden, er müsse das nicht auch noch tun: "Versuchen Sie doch nicht, mich dazu zu bringen, eine Position zu formulieren, die nicht unbedingt die meine ist."
Lieber Fluminist, Putin wird hier nicht mit Hitler verglichen. Ausdrücklich nicht. Situationen werden verglichen. Und Putin ist natürlich nicht irre sondern sehr intelligent. Meiner Ansicht nach ist seine Politik längerfristig ausgerichtet und seine innenpolitischen "Erfolge" die vor allem den Zusammenhalt der Russischen Föderation betreffen, werden von wirtschaftlichen Misserfolgen begleitet. Putin versucht mit außenpolitischen Erfolgen und innenpolitischem Nationalismus seine Macht zu sichern. Natürlich ist die Ukraine für Russland von großer, auch symbolischer Bedeutung. Für Europa ist es nur ein Markt. Um den haben wir uns bemüht. Das kann man naiv nennen, oder aber konsequent. Ich sehe keinen Grund die Ukraine als ein Anhängsel Russlands zu betrachten und deshalb die Finger von zu lassen. In einer Art vorauseilendem Gehorsam Russland gegenüber. Wichtig für das Verständnis was jetzt in der Ukraine passiert, ist die in Russland für die Staaten welche einst Sowjetrepubliken waren die Bezeichnung "Nahes Ausland". Dazu gehören eben auch die baltischen Staaten. Was Putin jetzt zeigt und m.E. auch zeigen will, ist die Entschlossenheit Grenzen in Frage zu stellen, die in der Sowjetunion nicht bestanden. Das wurde von vielen in der EU nicht für möglich gehalten. Mit Naivität hat das eigentlich nicht viel zu tun. Nur überzeugte Antikommunisten haben Putin das zugetraut. Die Antikommunisten wie Sarah Palin lagen also richtig. Und nun sollte dringend die Politik des Westens gegenüber Russland überarbeitet und geändert werden. Unabhängig von dem, was jetzt weiter in der Ukraine passiert. Das wird so oder so ein Dauerbrenner für Putin und ihm noch sehr schwer auf die Füße fallen. Die Naivität des Westens gegenüber Russland kann kaum noch aufrechterhalten werden, dafür wird Putin sorgen. Er wird Öl ins Feuer gießen und nicht zu knapp.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #129 Das wird so oder so ein Dauerbrenner für Putin und ihm noch sehr schwer auf die Füße fallen. Die Naivität des Westens gegenüber Russland kann kaum noch aufrechterhalten werden, dafür wird Putin sorgen. Er wird Öl ins Feuer gießen und nicht zu knapp.
Lieber Erling Plaethe,
es hat ja schon einen Reiz, die Zukunft vorhersagen zu wollen, ich wäre schon zufrieden, wenn ich die Gegenwart verstehen könnte. In meiner Anfangszeit hier im ZR hatte ich mit Zettel mal das Phänomen der Kippbilder und den Vergleich zur Wahrnehmung in Abläufen des täglichen Lebens diskutiert. Für mich sieht die Gegenwart so aus, dass dem Westen seine ständige Zündelei (Öl ins Feuer) irgendwann auf die Füße fallen muss, wenn nicht schon gefallen ist. Man mag Putin als Gernegroß sehen oder nicht, wenn er sich die Butter vom Brot nehmen lässt wird er mit Sicherheit bedeutungslos. Deshalb ist für mich seine Reaktion schon fast zwingend. Ich denke nicht, dass der Westen naiv ist, er hat sich höchstens verrechnet.
Zitat Zitat R.A. M. E. paßt das künstliche Konstrukt "Nationalstaat" überhaupt nicht zur buntgemischten Historie Europas und hat unglaublich viel Unheil angerichtet.
Ich denke, wenn es keine Nationalstaaten innerhalb der EU mehr geben soll, dann muß man das den Bürgern auch sagen. [...] Und wenn ja, kann man das so einfach ohne Volksabstimmung?
Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß Demokratie (als Volks-Herrschaft) eng mit dem Nationalstaat verbunden ist. Wenn die politische Macht vom Volke ausgehen soll, muß das Volk als Einheit vorher schon vorhanden sein. In Deutschland erschienen demokratische Ideen gleichzeitig mit den nationalistischen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. England, eine Wiege der Demokratie, ist zugleich einer der ältesten Nationalstaaten. Imperialismus dagegen hat wohl immer eine zentralgesteuerte Form gehabt; es wäre eine interessante Frage, ob das immer so sein muß, d.h. ob man ein Imperium ohne Imperator nicht haben kann.
Aus diesem Blickwinkel ist es vielleicht nicht verwunderlich, daß die EU als imperialistisches Unternehmen (wohlgemerkt in einem neutralen Wortsinne: nämlich als politisches Konstrukt, das über den Nationen stehen will) so zentralisiert und un- bis antidemokratisch aussieht; vielleicht muß eine Überwindung der Nationalstaaten mit einer Überwindung der Demokratie einhergehen.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #124Da muss ich widersprechen: nicht der Nationalstaat hat Unheil angerichtet, sondern seine Übertreibung, der (ethnisch gefärbte) Nationalismus.
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Nationalstaaten als solche können ausgezeichnet funktionieren, vor allem bei einer homogenen Nation.
Sehe ich auch so. Das, wirft aber weitere Fragen auf. Nicht nur nach dem Nationalstaat, sondern nach dessen Bürgern und inwieweit durch Migration die "Urgesellschaft nebst ihrer kulterellen Eigenschaften" verändert werden soll und wenn ja, WARUM.
Und ist es das erzieherische Bestreben nicht nur der europäischen Union, unter dem Dach Europa die Bürger zu zwingen nach dem Motto: Alle Menschen werden Brüder? Wohl kaum, denn ich habe bis jetzt und auf sehr weite Sicht nicht den Eindruck das dieses gelingt. Das wird zu einer weiteren kulturellen/religiösen Unterwerfung führen, die für Unruhen bis zu Kriegen erst wieder führen wird.
Was also soll der tiefere Sinn der "erzwungenen" Vermischung sein? Wie oft haben wir als junge Menschen für Frankreich, mit seiner Lebensart und ländlichen Schönheit geschwärmt oder von Italien, oder sogar von Griechenland. In jedem Urlaub hat man sich vorgenommen "auszuwandern" weil die Andersartigkeit gereizt hat, ein ganz anderes Lebensgefühl womit man sich selbst identifizieren konnte. Das ichs nicht gemacht habe, hat ganz persönliche Gründe gehabt. Aber, was ist mit den heutigen jungen Arbeitnehmern? Ins europäische "Ausland" nach bald abgeschlossener Egalisierung wird keiner mehr wollen. Der Trend geht zur Zeit nach Neuseeland, immer noch Kanada, Australien - eben dahin, wo man den ureigensten Wunsch nach möglichst viel gesetzlichen Freiheiten wenigstens noch träumen kann.
Außerdem, wenn ich das richtig sehe, ist der "Deutsche" Status als zunächst mal autonomer Staat in vollkommener Unabhängigkeit und oder Anerkennung durch die Allierten nicht schriftlich besiegelt. Ähnlich unserer in Frankreich und USA gelagerten Goldbarren, "wir haben sie zwar, aber können nicht wirklich darüber verfügen".
Edit letzten Absatz korrigiert.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #129Für Europa ist [die Ukraine] nur ein Markt.
Ist dieses "nur" nicht auch ein bißchen naiv, denn so ein kleines bißchen politischer Einflußnahme sitzt beim Bestreben, die Ukraine als Markt zu gewinnen, doch auch im Hinterkopf? Die EU exportiert mit ihren wirtschaftlichen Verträgen auch immer etwas von ihrer Ideologie, das haben wir ja am Beispiel der Schweiz gerade eben gesehen.
Aber davon abgesehen, ich finde es wirklich tragisch, welche Wendung die Dinge nun genommen haben. Eine doppelte Öffnung der Ukraine nach Rußland und nach Europa hin hätte ihr eine wichtige Vermittlerrolle (und nebenbei wirtschaftlichen Aufschwung) verschafft und hätte längerfristig zu einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Rußland und dem Westen beitragen können. Ob die politische Führung der Ukraine dieser Aufgabe gewachsen gewesen wäre, wäre angesichts des etwas eigenartigen Parteienspektrum des Landes allerdings noch fraglich gewesen. Aber so wie es jetzt aussieht, zerfällt die Ukraine (soweit sie politisch aktiv ist -- die Bevölkerungsmehrheit, die nur in Frieden leben will, tut mir sehr, sehr leid) in antagonistische Lager aus ukrainischen Nationalisten einerseits und Rußlandfreunden andererseits, gewürzt mit einer Prise Oligarchen, die mit allen können. Da kommt offenbar nur entweder ein Wirtschaftsbündnis mit Rußland oder eines mit Europa in Frage, und damit Bedeutungslosigkeit, Vasallenstatus oder gar Zerfall.
ist die Krim denn wirklich "annektiert", oder wartet Russland nur die Wahlen in der Ukraine ab, um dann mit einer wirklichen Regierung zu sprechen?Sichert deshalb erst mal seinen wichtigsten Seestützpunkt ab? Ist nicht Russland berechtigt, auf der Krim bis zu 41T Soldaten zu halten? Was über den "Maidan" bisher erfolgt ist, kann doch keine "Regierung" sein - vollkommen unabhängig davon, dass der Janukowitsch ein korruptes "Dingens" ist . Seine Kontrahentin Timoschenko ist doch kein bisschen besser. Ansonsten frage ich, was denn gegen eine Volksabstimmung auf der Krim spräche? Der Westen hat doch sonst derlei, beispielsweise im früheren Jugoslawien, immer unterstützt. Gilt das für die Krim nicht, nur weil sich deren Einwohner möglicherweise für das ungeliebte Russland entscheiden könnten? Sind wir hier mit dem - ich übertreibe bewusst- "Kriegsgeschrei" nicht etwas zu voreilig?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #129 Das wird so oder so ein Dauerbrenner für Putin und ihm noch sehr schwer auf die Füße fallen. Die Naivität des Westens gegenüber Russland kann kaum noch aufrechterhalten werden, dafür wird Putin sorgen. Er wird Öl ins Feuer gießen und nicht zu knapp.
Lieber Erling Plaethe,
es hat ja schon einen Reiz, die Zukunft vorhersagen zu wollen, ich wäre schon zufrieden, wenn ich die Gegenwart verstehen könnte. In meiner Anfangszeit hier im ZR hatte ich mit Zettel mal das Phänomen der Kippbilder und den Vergleich zur Wahrnehmung in Abläufen des täglichen Lebens diskutiert. Für mich sieht die Gegenwart so aus, dass dem Westen seine ständige Zündelei (Öl ins Feuer) irgendwann auf die Füße fallen muss, wenn nicht schon gefallen ist. Man mag Putin als Gernegroß sehen oder nicht, wenn er sich die Butter vom Brot nehmen lässt wird er mit Sicherheit bedeutungslos. Deshalb ist für mich seine Reaktion schon fast zwingend. Ich denke nicht, dass der Westen naiv ist, er hat sich höchstens verrechnet
Es ist nicht seine Butter und ich sehe das was die EU in der Ukraine verhandelt hat auch als grenzwertig an. Aber zündeln? Das möchte ich nicht unterstellen. Aber ansonsten gebe ich Ihnen recht, lieber Martin. Die Balten wären nie aus russischem "Nahen Ausland" herausgekommen, wenn der Westen ihnen nicht dabei geholfen hätte. So läuft das nunmal. Putin will die Spielregeln, welche er mal akzeptiert hat, nicht mehr einhalten. Man sitzt nicht am Pokertisch und zieht die Knarre.
Zitat von Fluminist im Beitrag #126 Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß Demokratie (als Volks-Herrschaft) eng mit dem Nationalstaat verbunden ist. Wenn die politische Macht vom Volke ausgehen soll, muß das Volk als Einheit vorher schon vorhanden sein.
hmmm... Dazu gibt es auch andere Meinungen.
In der Maischberger Debatte zur Armutseinwanderung letzte Woche hat Augstein vorgetragen, daß im 19. Jahrhundert in Deutschland das Deutsche Volk - dem Volk - von oben aufgezwungen worden wäre und das man das gefälligst mit der EU auch so machen solle (er hat das nicht sehr viel eleganter formuliert).
Auch zur Zeit der französischen Revolution hat überhaupt nur 1/3 der "Franzosen" Französsich als Muttersprache gehabt und das französische Nationalbewußtsein wurde dann ja auch mit Gewalt (Vendee!) eingebleut.
Auch ein türkisches Volk gibt es (eigentlich bis heute) nicht. Es ist ja eine Konstruktion. Versucht und gescheitert ist diese Konstruktion ja im Fall Jugoslavien. Bei Belgien hat das vis heute nicht so recht geklappt und die Basken und Katalanen werden ihre eigene Meinung zum Thema haben. Und auch Rußland ist ja eher ein Völkergemisch, durch die ständigen halbkolonialen Erweiterungen und Ethnienverschiebungen.
Ist es nicht so, daß die Sicht "Volk als bereits vorhandene Einheit und Voraussetzung" eher die Ausnahme denn die Regel ist?
Zitat von Nola im Beitrag #120wenn es keine Nationalstaaten innerhalb der EU mehr geben soll,
Das wollte ich keineswegs sagen. Zur EU gehören heute ja auch gemischte Staaten wie Belgien oder Spanien.
Wie auch immer Europa künftig aussehen sollte - ein wesentlicher Baustein sollten m. E. immer auch historisch gewachsene Einheiten sein, die meistens über eine klare nationale Ausrichtung verfügen.
Wenn ich so kritisch über "Nationalstaat" rede, dann meine ich die Staaten unterhalb der EU-Ebene. Sondern die in der französischen Revolution entwickelte Fiktion, jeder Staat solle exakt nur eine Nation umfassen, also ein Volk mit einer Sprache und einer Kultur. Und dieses Volk solle dann auch geographisch genau abgegrenzt (meist kombiniert mit der ebenfalls theoretisch entwickelten Fiktion der "natürlichen Grenzen") sein von den anderen Völkern mit ihren Nationalstaaten.
Dieses Konzept war schon für Frankreich falsch, es war erst recht falsch für die buntgemischt besiedelte Vielfalt im übrigen Europa. Speziell in Osteuropa und auf dem Balkan führte das zur völlig absurden Situation, daß jedes Volk einen Nationalstaat beansprucht hat, dessen Grenzpfähle den letzten irgendwo lebenden Volksangehörigen einbeziehen sollten. Und es damit riesige Anspruchsüberschneidungen und Minderheitenprobleme gab.
Für Europa angemessen sind die vor dem Nationalstaat typischen Formen von Vielvölkerstaaten oder Staaten mit zwar einem Hauptvolk, aber starker regionaler Eigenständigkeit unter Berücksichtigung von Minderheiten.
Zitat von crastro im Beitrag #133 ist die Krim denn wirklich "annektiert", oder wartet Russland nur die Wahlen in der Ukraine ab, um dann mit einer wirklichen Regierung zu sprechen?
De facto ist das so. Er neutralisiert das ukrainische Militär, Milizen, die sich nicht zu erkennen geben, aber lachend zugeben dass sie Russen sind, hissen russische Flaggen auf Regierungsgebäuden... Klar, die Annexion läuft noch, sie ist noch nicht abgeschlossen und könnte rückgängig gemacht werden. Nur, wer will denn solch einen Mieter haben?
Zitat von crastro im Beitrag #133Sichert deshalb erst mal seinen wichtigsten Seestützpunkt ab? Ist nicht Russland berechtigt, auf der Krim bis zu 41T Soldaten zu halten?
Meines Wissens nach sind es 25T die aber die Mietsache nicht überschreiten dürfen.
Zitat von crastro im Beitrag #133Was über den "Maidan" bisher erfolgt ist, kann doch keine "Regierung" sein - vollkommen unabhängig davon, dass der Janukowitsch ein korruptes "Dingens" ist . Seine Kontrahentin Timoschenko ist doch kein bisschen besser.
Ich stelle keine so hohen Ansprüche an die Politiker dort. Aber im Vergleich zu russischen ist der Unterschied auch gering.
Zitat von crastro im Beitrag #133Ansonsten frage ich, was denn gegen eine Volksabstimmung auf der Krim spräche? Der Westen hat doch sonst derlei, beispielsweise im früheren Jugoslawien, immer unterstützt. Gilt das für die Krim nicht, nur weil sich deren Einwohner möglicherweise für das ungeliebte Russland entscheiden könnten? Sind wir hier mit dem - ich übertreibe bewusst- "Kriegsgeschrei" nicht etwas zu voreilig?
Die Volksabstimmung wird durchgeführt von einem nicht legitimierten Marionettenregime, was soll daran eine Volksabstimmung sein? Und selbst wenn es so wäre, dass die Mehrheit russisch werden will - wie mit solch einem Wunsch zu verfahren wird, entscheidet nicht Putin, sondern die Regierung in der Ukraine. Wenn niemand mehr Staaten anerkennt, erkennt auch niemand mehr Grenzen an. Solch ein Zustand ist die Basis für Krieg. Übrigens war es nicht der Westen der in Jugoslawien vorgeprescht ist, sondern Deutschland. Zum Ärger des Westens. Das war damals der unrühmliche Abgang von Hans-Dietrich Genscher.
Zitat von Fluminist im Beitrag #126Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß Demokratie (als Volks-Herrschaft) eng mit dem Nationalstaat verbunden ist.
Jein. Es gibt eine Phase (frühes 19. Jahrhundert), da gibt es eine starke Korrelation zwischen der Forderung nach Demokratie und der nach einem Nationalstaat. Am stärksten war diese Korrelation wohl in Frankreich und davon inspiriert in Deutschland. In anderen Ländern war das nicht so ausgeprägt, da konnte man als Nationalstaatsanhänger auch Monarchist etc. sein.
Zitat Wenn die politische Macht vom Volke ausgehen soll, muß das Volk als Einheit vorher schon vorhanden sein.
Nicht unbedingt. Jedenfalls muß dieses Volks nicht national, sprachlich und kulturell einheitlich sein. Demokratie verträgt sich prima mit der Existenz verschiedener Volksgruppen - gerade im Alten Reich gab es dazu diverse Erfahrungen.
Zitat Imperialismus dagegen hat wohl immer eine zentralgesteuerte Form gehabt; es wäre eine interessante Frage, ob das immer so sein muß, d.h. ob man ein Imperium ohne Imperator nicht haben kann.
Ohne Imperator bestimmt - siehe England. Aber nicht ohne Zentrale. Ein föderalistisches Imperium kann es wohl nicht dauerhaft geben.
Zitat Aus diesem Blickwinkel ist es vielleicht nicht verwunderlich, daß die EU als imperialistisches Unternehmen (wohlgemerkt in einem neutralen Wortsinne: nämlich als politisches Konstrukt, das über den Nationen stehen will) so zentralisiert und un- bis antidemokratisch aussieht
Einen solchen "neutralen Wortsinn" gibt es m. E. nicht. Imperialistisch ist eine relativ klar definierte Sache, und die EU mit allen ihren Fehlern mag viel sein, aber sie ist überhaupt nicht imperialistisch.
Zitat Nationalstaaten als solche können ausgezeichnet funktionieren, vor allem bei einer homogenen Nation.
Sozialismus als solcher kann ausgezeichnet funktionieren - vor allem bei einer sozialistisch denkenden Bevölkerung ...
Will sagen: Es gibt fast keine wirklich homogenen Nationen in Europa.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #129Für Europa ist [die Ukraine] nur ein Markt.
Ist dieses "nur" nicht auch ein bißchen naiv, denn so ein kleines bißchen politischer Einflußnahme sitzt beim Bestreben, die Ukraine als Markt zu gewinnen, doch auch im Hinterkopf? Die EU exportiert mit ihren wirtschaftlichen Verträgen auch immer etwas von ihrer Ideologie, das haben wir ja am Beispiel der Schweiz gerade eben gesehen.
Ich kenne die Verträge nicht, gehe aber davon aus, dass sie mehr wirtschaftliche Freiheit bieten als die mit Russland.
Zitat von Fluminist im Beitrag #132Aber davon abgesehen, ich finde es wirklich tragisch, welche Wendung die Dinge nun genommen haben. Eine doppelte Öffnung der Ukraine nach Rußland und nach Europa hin hätte ihr eine wichtige Vermittlerrolle (und nebenbei wirtschaftlichen Aufschwung) verschafft und hätte längerfristig zu einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Rußland und dem Westen beitragen können. Ob die politische Führung der Ukraine dieser Aufgabe gewachsen gewesen wäre, wäre angesichts des etwas eigenartigen Parteienspektrum des Landes allerdings noch fraglich gewesen. Aber so wie es jetzt aussieht, zerfällt die Ukraine (soweit sie politisch aktiv ist -- die Bevölkerungsmehrheit, die nur in Frieden leben will, tut mir sehr, sehr leid) in antagonistische Lager aus ukrainischen Nationalisten einerseits und Rußlandfreunden andererseits, gewürzt mit einer Prise Oligarchen, die mit allen können. Da kommt offenbar nur entweder ein Wirtschaftsbündnis mit Rußland oder eines mit Europa in Frage, und damit Bedeutungslosigkeit, Vasallenstatus oder gar Zerfall.
Natürlich, lieber Fluminist, da gebe ich Ihnen recht, aber ich denke dies war eine langfristige Entwicklung die spätestens mit der Orangenen Revolution ihren Anfang nahm. Vielleicht war sie sogar unausweichlich. Die bloße Existenz des Europäischen Binnenmarktes weckt ja schon Begehrlichkeiten.
Zitat Zitat R.A. Wie auch immer Europa künftig aussehen sollte - ein wesentlicher Baustein sollten m. E. immer auch historisch gewachsene Einheiten sein, die meistens über eine klare nationale Ausrichtung verfügen.
... Einheiten, ... nationale Ausrichtung - ist das das neue EU-Sprech? Lieber R.A. ich mein das nicht zynisch und schon gar nicht polemisch.
Ich stelle nur fest, das sich politisch um klare Aussagen zu den bisherigen Nationalstaaten unter dem Gesamt-EU-Konstrukt gedrückt wird.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Fluminist im Beitrag #126 Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß Demokratie (als Volks-Herrschaft) eng mit dem Nationalstaat verbunden ist. Wenn die politische Macht vom Volke ausgehen soll, muß das Volk als Einheit vorher schon vorhanden sein.
hmmm... Dazu gibt es auch andere Meinungen.
In der Maischberger Debatte zur Armutseinwanderung letzte Woche hat Augstein vorgetragen, daß im 19. Jahrhundert in Deutschland das Deutsche Volk - dem Volk - von oben aufgezwungen worden wäre und das man das gefälligst mit der EU auch so machen solle (er hat das nicht sehr viel eleganter formuliert).
Auch zur Zeit der französischen Revolution hat überhaupt nur 1/3 der "Franzosen" Französsich als Muttersprache gehabt und das französische Nationalbewußtsein wurde dann ja auch mit Gewalt (Vendee!) eingebleut.
Auch ein türkisches Volk gibt es (eigentlich bis heute) nicht. Es ist ja eine Konstruktion. Versucht und gescheitert ist diese Konstruktion ja im Fall Jugoslavien. Bei Belgien hat das vis heute nicht so recht geklappt und die Basken und Katalanen werden ihre eigene Meinung zum Thema haben. Und auch Rußland ist ja eher ein Völkergemisch, durch die ständigen halbkolonialen Erweiterungen und Ethnienverschiebungen.
Ist es nicht so, daß die Sicht "Volk als bereits vorhandene Einheit und Voraussetzung" eher die Ausnahme denn die Regel ist?
Lieber AldiOn, das sind interessante Beispiele; ich sehe meine These natürlich nicht als gesicherte Wahrheit, sondern als einen zu prüfenden Gedanken.* Aber widersprechen diese Beispiele wirklich der These? D.h. haben wir hier Nicht-Nationalstaaten, die aber Beispiele für eine glänzend funktionierende Demokratie sind? Wohl eher nicht -- mit Ausnahme Frankreichs natürlich, das aber eben auch den Nationalstaat par excellence repräsentiert, nachdem es, wie Sie schreiben, mit Gewalt dazu gemacht wurde. Sie wollen mit dem Beispiel vermutlich auf die zeitliche Reihenfolge hinaus, in dem Sinne, daß hier die Demokratie vor der Nation kam; aber das ist vielleicht nicht so offensichtlich. Die französische Revolution war ein demokratisches Experiment, das allerdings flugs in die Binsen ging. Napoleons Imperium war nebenbei nationalistisch, hier ist der Versuch zu erkennen, Imperialismus und Nationalismus zu verbinden (und gerade dieser hegemoniale Imperialismus, der einen Nationalstaat zum Zentrum eines Imperiums macht, verschafft dem Imperialismus einen schlechten Ruf). Frankreich wurde mit Gewalt zu einer einheitlichen Nation geformt, bevor es dauerhaft demokratisch werden konnte. _______________________
* Mehr noch; da mir die Demokratie am Herzen liegt, der Nationalismus aber quer im Hals, würde ich mir wünschen, ich hätte unrecht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #141Frankreich wurde mit Gewalt zu einer einheitlichen Nation geformt, bevor es dauerhaft demokratisch werden konnte.
Da würde es sich vielleicht lohnen, Deutschland und Frankreich zu vergleichen. War denn das deutsche Reich nach 1871 bereits eine Demokratie? Jedenfalls war es demokratischer als die meisten seiner Einzelstaaten. Wie und warum Bismarck das damals hingekriegt hat, liegt ja noch im Streit der Historiker. Tatsache ist allerdings, daß es ja spätestens sein ´48 den Wunsch nach dem deutschen Nationalstaat gab. Zunächst wurde dieser Wunsch ja unterdrückt. Bismarck hat die Sache ja - stark verkürzt - gegen den Willen seine Chefs und gegen den Willen der Ewiggestrigen aber auch ohne die Beteiligten (das deutsche Volk) irgendwie zu befragen durchgedrückt.
Auch für die USA war ja lange gar nicht klar, ob das nicht ein loser Verbund einzelner Staaten sein würde. Es gab einen ziemlichen großen Bürgerkrieg und erst danach war - mit Gewalt - geklärt, daß es einen Gesamtstaat sein würde im dem wesentliche Gesetzte überall gelten. Von dem Vorhandensein eines Volkes kann ja sowieso keine Rede sein. Die meisten kamen ja eh erst nach 1866.
Ihre Vermutung, daß der demokratische Staat ein bestehendes Volk voraussetzt könnte auch einfach nur Propaganda der Nationalstaatsanhänger sein. Ich persönlich glaube nicht an den Staat Europa und lehne ihn ab. Es könnte natürlich sein, daß ich damit so ein Ewiggestriger bin, der auch vor 1870 das Deutsche Reich abgelehnt hätte - oder vor 1789 Frankreich und vor 1861 die USA.
Zitat von Fluminist im Beitrag #126Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß Demokratie (als Volks-Herrschaft) eng mit dem Nationalstaat verbunden ist.
Jein. Es gibt eine Phase (frühes 19. Jahrhundert), da gibt es eine starke Korrelation zwischen der Forderung nach Demokratie und der nach einem Nationalstaat. Am stärksten war diese Korrelation wohl in Frankreich und davon inspiriert in Deutschland. In anderen Ländern war das nicht so ausgeprägt, da konnte man als Nationalstaatsanhänger auch Monarchist etc. sein.
Es geht mir umgekehrt eher um die Frage, ob die Demokratie einen Nationalstaat voraussetzt. Daß es undemokratische Nationalstaaten gibt, ist unstrittig.
Zitat Wenn die politische Macht vom Volke ausgehen soll, muß das Volk als Einheit vorher schon vorhanden sein.
Nicht unbedingt. Jedenfalls muß dieses Volks nicht national, sprachlich und kulturell einheitlich sein. Demokratie verträgt sich prima mit der Existenz verschiedener Volksgruppen - gerade im Alten Reich gab es dazu diverse Erfahrungen.
Sprachlich und kulturell muß das Volk nicht einheitlich sein, aber es muß doch in irgendeinem Sinne eine Einheit bilden, siehe z.B. die Schweiz. Wobei hier vielleicht der Fortbestand lokaldemokratischer Strukturen durch die sprachliche und kulturelle Vielfalt (außer allgemeinem Konservatismus) begründet ist.
Zitat Imperialismus dagegen hat wohl immer eine zentralgesteuerte Form gehabt; es wäre eine interessante Frage, ob das immer so sein muß, d.h. ob man ein Imperium ohne Imperator nicht haben kann.
Ohne Imperator bestimmt - siehe England.
Dieses Beispiel kapiere ich nicht, das müssen Sie mir genauer erklären. England als Land ist kein Imperium, sondern (die Unterscheidung zwischen England und Vereinigtem Königreich lasse ich mal beiseite) ein Nationalstaat, einer der homogensten in Europa. Wenn Sie aber an das vergangene British Empire denken, dann hatte das durchaus einen Imperator, nämlich den englischen Monarchen.
Zitat Aus diesem Blickwinkel ist es vielleicht nicht verwunderlich, daß die EU als imperialistisches Unternehmen (wohlgemerkt in einem neutralen Wortsinne: nämlich als politisches Konstrukt, das über den Nationen stehen will) so zentralisiert und un- bis antidemokratisch aussieht
Einen solchen "neutralen Wortsinn" gibt es m. E. nicht. Imperialistisch ist eine relativ klar definierte Sache, und die EU mit allen ihren Fehlern mag viel sein, aber sie ist überhaupt nicht imperialistisch.
Vielleicht habe ich ein unglückliches Wort gewählt, um auszudrücken, daß die EU kein Nationalstaat (ich glaube, nur ein paar schwärmerische Gleichmacher denken noch an eine "Nation Europa"), sondern ein übernationales politisches Gebilde, eben ein Reich, sein will. Gegen das Wort "Reich" haben Sie sicher auch gleich wieder etwas einzuwenden, aber ich denke dabei nicht an ein Hegemonialreich, sondern eher an so ein Ideal wie das des Alten Reichs oder meinetwegen des russischen Reichs, wo der Kaiser als Stellvertreter Gottes über seinen untergebenen Völkern und ihren Königen steht und das ganze durch seine bloße Anwesenheit irgendwie zusammenhält, im Prinzip jedenfalls.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #124Da muss ich widersprechen: nicht der Nationalstaat hat Unheil angerichtet, sondern seine Übertreibung, der (ethnisch gefärbte) Nationalismus.
Die vertrautesten und im Regelfall auch vertrauenswürdigsten Institutionen auf exekutiver, legislativer und judikativer Ebene sind solche auf der Ebene der Nationalstaaten.
Kommt drauf an wie groß dieser Nationalstaat ist, d.h. wie weit entfernt diese Institutionen vom Bürger sind. Meinem Bürgermeister kann ich persönlich auf die Füße steigen, einem Landrat kann man auch noch klarmachen wenn er Prioritäten falsch setzt. Beim Ministerpräsidenten des Bundeslandes wird das schon schwerer, aber der bekommt auch noch ganz gut mit, wenn in seinem Land was schief läuft.
Diese Institutionen würden z.B. nicht einfach eine Energiewende proklamieren können, weil bei ihnen dann ganz direkt die Lichter ausgehen würden. Gemachte Fehler fallen sofort auf und man muss direkt gegensteuern, weil Konsequenzen sofort spürbar werden. Anders ist das bei einem Nationalstaat und auch bei einem föderalen Bundesstaat.
Wie oft hört man, dass Deutschland "sich verpflichtet", dass Deutschland "sich etwas zur Aufgabe macht", dass Deutschland irgendwelche "Gelder in die Hand nimmt". Eine kleinere Verwaltungseinheit könnte sich so manchen ideologischen Unsinn überhaupt nicht leisten, weshalb er da auch unterbleiben würde. Erst wenn eine übergeordnete Verwaltungsstruktur die Ergebnisse lokaler Fehlentwicklungen auszugleichen bereit ist, kommt es zu moral hazards wie in Griechenland (Euro-Hilfen) oder Überschuldung nebst irren Bildungssystem-Experimenten wie in manchen Bundesländern/Stadtstaaten (Länderfinanzausgleich).
Lobbygruppen greifen ja nicht umsonst vor allem dort an, wo die Entscheidungsgewalt möglichst weit von den resultierenden Konsequenzen entfernt ist. Die versammeln sich in Brüssel oder Berlin, eher selten im Dunstkreis von Landräten. Dort wäre einfach zuwenig auszurichten, während in Großeinheiten schon mal vergessen wird, wie sich "große Aufgaben" in der Etappe auswirken. Wir finden Nationalstaaten, im Sinne vom Europa der Vaterländer, besser als den völlig abgehobenen Moloch EU. Aber wir sollten nicht ausblenden, dass auch ein Nationalstaat wie Deutschland durchaus in der Lage ist, von oben her kompletten Irrsinn zu dekretieren, der sich vor Ort verheerend auswirkt.
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Fluminist im Beitrag #143 Dieses Beispiel kapiere ich nicht, das müssen Sie mir genauer erklären. England als Land ist kein Imperium, sondern (die Unterscheidung zwischen England und Vereinigtem Königreich lasse ich mal beiseite) ein Nationalstaat, einer der homogensten in Europa. Wenn Sie aber an das vergangene British Empire denken, dann hatte das durchaus einen Imperator, nämlich den englischen Monarchen.
Lieber Fluminist, das Britisch Empire hatte natürlich so etwas wie einen Imperator, nur war das nun gerade nicht der englische Monarch, sondern eher die britische Regierung mit Ober- und Unterhaus vereint. Bereits seit der Magna Carta, spätestens aber mit der Glorious Revolution, ist das Recht eines britischen Monarchen nun mal sehr arg eingeschränkt. Deswegen ja auch konstitutionelle Monarchie. Im Wesentlichen der Grüßaugust.
Denkt man an die übliche Konnotation von Imperatoren, so fällt einem dabei Cäsar ein, auch ein Alexander. Karl den Großen könnte man gelten lassen, so manchen Kalifen auch, Chinesische Kaiser, jawohl. Stalin? Aber sicher. Putin? Ein wenig, ohne ihn geht ja nichts in Russland. Als Komödienstadel dann Figuren wie Wilhelm II, da war die Welt ja Wille und Vorstellung.
Die englische Monarchie kann man da schon sehr lange nicht mehr so einordnen.
Zitat von Krischan im Beitrag #145Im Wesentlichen der Grüßaugust.
Ah ja, jetzt sehe ich, was gemeint ist, danke! Aber ob der Imperator eine Person oder ein Gremium ist, auf das Imperium bezogen ist es immer eine Zentralmacht. Es ist ja nicht so, daß die Verwaltung des British Empire nun immer die Inder oder Afrikaner gefragt hätte, bevor sie ihre Entscheidungen gefällt hat.
Mal anders herum gefragt: gibt es ein historisches Beispiel für ein demokratisches Imperium? Denn das sollte ja die EU bestenfalls sein (wenn eines schönen Tages dort das Parlament und nicht die Kommission entscheiden sollte).
Zitat von Fluminist im Beitrag #143Sprachlich und kulturell muß das Volk nicht einheitlich sein, ...
Nur zur Klarstellung: Wenn ich hier von "Nationalstaat" rede, dann meine ich die moderne französische Version. In der sich ein Volk durch gemeinsame Sprache und Kultur definiert. Und in der die Übereinstimmung von Volk, Staat, Staatsgebiet und Sprache propagiert wird. Also: Jedes Volk soll seinen eigenen Staat haben, alls Angehörigen dieses Volkes sollen in diesem Staat leben, alle Menschen in diesem Staat sollen umgekehrt Angehörige dieses Volks sein (oder es werden). Wo dieses Nationalstaatskonstrukt nicht zur Realität paßt, wird zu den typischen seit dem 19. Jahrhundert üblichen Mitteln gegriffen, um die gewünschte Übereinstimmung zu erreichen: Flucht, Vertreibung, Zwangsassimilation.
Im Sinne dieser Nationalstaatsidee ist die Schweiz kein Nationalstaat.
Zitat England als Land ist kein Imperium, sondern (die Unterscheidung zwischen England und Vereinigtem Königreich lasse ich mal beiseite) ein Nationalstaat, einer der homogensten in Europa.
Diese Unterscheidung wird man gerade hier nicht beiseite lassen können. England ist (wenn man Wales ignoriert) seit der Tudorzeit ein Nationalstaat. Aber das UK war es nie und soll es ja gar nicht sein, sondern definiert sich als Vereinigung verschiedener Völker in einem Staat. Und dieses England hat dann ein Imperium errichtet.
Zitat Vielleicht habe ich ein unglückliches Wort gewählt, um auszudrücken, daß die EU kein Nationalstaat (ich glaube, nur ein paar schwärmerische Gleichmacher denken noch an eine "Nation Europa"), sondern ein übernationales politisches Gebilde, eben ein Reich, sein will.
Da sind wir uns völlig einig. Die EU ist ein sehr eigentümliches Gebilde ohne echtes Vorbild. Weder Nationalstaat noch Imperium. Am ehesten noch mit dem Alten Reich vergleichbar, ich hätte kein Problem mit diesem Begriff.
Zitat von Fluminist im Beitrag #146gibt es ein historisches Beispiel für ein demokratisches Imperium?
England war demokratisch - und besaß ein Imperium. Wobei die Untertanen in den imperialen Provinzen bei der Demokratie nicht mitmachen durften. Womit ich das nicht als das gewünschte Beispiel sehen würde.
Es wird halt etwas schwierig, weil die Demokratie sich erst dann richtig durchsetzte, als die Zeit der Imperien dem Ende zuging.
Das halbwegs beste Beispiel ist wohl die Habsburger Monarchie. Die war ein (kleines) Imperium, und sie war durchaus demokratisch. Keine vollständige Demokratie, weil der Monarch immer noch eine starke Stellung hatte. Aber doch so, daß alle Reichsbürger an den demokratischen Vertretungen teilnehmen durften. Mit einer durchaus beeindruckenden Beteiligung der Minderheiten. Es wäre auch grundsätzlich möglich gewesen, noch einige Schritte weiter zu gehen und den Monarchen auf die Stellung seines englischen Kollegen zu reduzieren. Dann wäre Österreich-Ungarn wohl wirklich ein demokratisches Imperium gewesen.
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #124Da muss ich widersprechen: nicht der Nationalstaat hat Unheil angerichtet, sondern seine Übertreibung, der (ethnisch gefärbte) Nationalismus.
Die vertrautesten und im Regelfall auch vertrauenswürdigsten Institutionen auf exekutiver, legislativer und judikativer Ebene sind solche auf der Ebene der Nationalstaaten.
Kommt drauf an wie groß dieser Nationalstaat ist, d.h. wie weit entfernt diese Institutionen vom Bürger sind.
Völlig richtig. Ich glaube, dass manche der Separationsbewegungen, die es in den europäischen Staaten gibt, eigentlich Bestrebungen nach mehr Subsidiarität bzw. Autonomie sind. Man will mehr Entscheidungskompetenzen auf eine untere Ebene verlagern. Es geht eigentlich weniger darum, nicht mehr mit den anderen in einem Gebilde namens Staat zusammenleben zu müssen, sondern um das Wie der Staatsorganisation.
Die erstaunliche Beständigkeit der USA liegt m.E. darin, dass dort der Bund nach innen relativ ohnmächtig ist, viele Kompetenzen bei den Staaten liegen, aber auch sehr viel in kleinräumigen Einheiten (oft auch durch direkte Demokratie) entschieden wird. Ähnliches dürfte auf die Schweiz zutreffen.
Ich denke, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eigentlich ein ganz gutes Vorbild für die EU wären. Freilich lässt sich die US-Verfassung nicht 1:1 auf "unser Kontinent, das alte" (Geheimrat Goethe) umlegen, aber vom Grundgedanken her wäre das wohl ein gangbarer Weg. Mir ist es eigentlich gleichgültig, ob die EU dereinst als Staat, Staatenverbund, Staatenbund oder wie auch immer bezeichnet wird, wenn nur die Verteilung der Zuständigkeiten stimmt und z.B. das Parlament nach demokratischen Grundsätzen organisiert wird. Mir ist der Brüsseler Zentralismus genauso zuwider wie sein Berliner oder Münchner Pendant.
Im Übrigen möchte ich ganz eigennützig auf einen alten Beitrag von mir hinweisen, in dem ich mir Gedanken zum derzeitigen Zustand der EU und ihrer möglichen Zukunft gemacht habe.
Weder die NATO noch die USA haben die Möglichkeit etwas gegen Rußland zu unternehmen.
Heute hat man sich innerhalb der Natostaaten geeinigt, das man eine weitere Zusammenarbeit mit Rußland überdenken will. So eben in der ARD Tagesschau mitgeteilt.
Das nimmt gefährliche Ausmaße an.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
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