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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.04.2014 17:41
#376 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #374
wäre der Westen dann aber gezwungen, drastischere Maßnahmen zu ergreifen, und die würden dann richtig weh tun.

Wer soll da wen zwingen?
Und was sollen das für Maßnahmen überhaupt sein? Diese halbes hundert Industriemagnaten, die jetzt nicht mehr in den Westen dürfen, sind vermutlich froh das sie jetzt eine spitzenmäßige Ausrede haben, ihre Frauen nicht mehr zum Schuheinkauf nach Paris und New York begleiten zu müssen. Vermutlich sind ganz viele Russen und Ukrainer richtig wütend darüber, daß sie nicht auf diese Liste wirklich wichtiger Leute gekommen sind.

Alles unterhalb eines Stops der Gaseinfuhren juckt Putin überhaupt nicht. Und wenn man das macht verkauft er halt dem Iran ganz tolle Flugabwehrraketen und stationiert für die Hisbollah seine Schiffszerstörungsgeräte an der Mittelmeerküste (die Israelis werden sich bedanken).

Niemand hat überhaupt Lust dem Putin weh zu tun. Das hatte man 1938 mit Hitler zwar auch nicht aber der hat damals richtige Gründe und eben kein Gas geliefert.

__________________________________________
Wegen der aktuellen Krise werde ich fortan Krimsekt, russischen Kaviar, russische Puppen, russische Eier und Boeuf Stroganoff boykottieren

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

16.04.2014 18:29
#377 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #369
Lassen Sie uns mal kurz spekulieren, lieben Emulgator. Nehmen wir mal an, dieses Konzept der humanitären Intervention hätte es nie gegeben. Würde Putins Russland dann anders handeln?
Das kann man nicht beantworten, weil schon zu lange Interventionen als Rechtfertigung benutzt werden. Ein Beispiel ist ja Nordzypern.


Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #369
Und findet etwas statt oder wird voraussichtlich etwas, was den Begriff humanitäre Katastrophe rechtfertigt, stattfinden?
Dass Putin massive Desinformation und Propaganda betreibt ist aus meiner Sicht recht klar. Die Frage, welche sich mir stellt, lautet deshalb:
Was stellt man ihr entgegen?
Gegenwärtig stellen unsere Obrigkeiten Putin dreierlei entgegen:
  1. Uneinigkeit
  2. Forderungen, deren Erfüllung für Putin einen Gesichtsverlust bedeuten würden
  3. Militärische Unentschlossenheit
  4. Politische Schwäche, weil man nicht dauerhaft auf russische Rohstofflieferungen verzichten kann.


Putin setzt dem folgendes dagegen:
  1. Einigkeit nach Außen. Sogar mehr, als in einer Demokratie mit einer Opposition möglich wäre.
  2. Die Widerlegungen seiner Vorwände spielen in den russischen Medien keine Rolle. Innenpolitisch funktioniert alles für Putin. Er ist der starke Problemlöser. Wer die Probleme erfunden hat spielt in Rußland keine Rolle.
  3. Putin hat sich mit schweren Waffen ausgerüstet und die Kräfte der Armee nicht in einem humanitären Wanderzirkus vom Hindukusch bis Afrika verbraten.
  4. Wirtschaftlich traut sich Putin der Chicken-Spiel zu, weil durch massive Stärke nach Innen Unzufriedenheit über wirtschaftliche Schwächen unterdrückt werden kann. Was unsere Politiker vergessen: In Demokratien können Regierungen wegen schlechter Wirtschaftslage abgewählt werden, nicht aber in Diktaturen.


Was man machen könnte, ist folgendes:
  1. Klare Aufgabenverteilung: Ist es ein NATO-Problem oder ein EU-Problem? Der EU gehören auch neutrale Länder --eines sogar an Rußlands Grenze-- an. Wieso telefoniert Putin mit Obama über ein Problem, das in Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU entstanden ist? Obama kann nicht Putin Versprechungen auf Kosten der EU machen und die EU kann militärisch ohne die NATO nichts machen. Das Berlin-Plus-Abkommen hat politisch mehr geschadet als genutzt.
  2. Man muß die Unruhen in der Ukraine zum Vorwand nehmen, eine Friedenstruppe in das Land zu schicken, damit Putin nicht wieder dort die Macht übernimmt. Das hätte man schon mit der Krim so machen müssen. Die Argumentation wäre gewesen, daß das Land so gespalten ist und man einen Bürgerkrieg vermeiden will, indem man als neutrale Macht auftritt. Rußland hätte man am selben Tage einbinden müssen, daß die Russen auch bei ein paar Checkpoints dabeisitzen dürfen, so wie damals im Kosovo.
    Vorteile für Putin: Der NATO- und EU-Beitritt wäre erstmal für alle erkennbar ausgefallen, der Handelsverkehr in die Ukraine und in die EU bliebe offen, Putin hätte an außenpolitischen Prestige gewonnen, mit dem er sich innenpolitisch populär machen kann (auch Diktatoren wollen geachtet werden). Nachteil: Er hätte nichts erobert, aber das hat er daheim auch nie versprochen.
    Vorteile für die EU: Der EU-Beitritt des nunmehr als bankrott bekannten Landes wäre erstmal ausgefallen, ohne daß man seine Zusagen zurückziehen müßte. Der Handelsvekehr in die ganze Ukraine und nach Rußland bliebe offen, evtl. wäre der Euro eine faktische Ersatzwährung geworden. Die Nationalisten in der Ukraine können den Konflikt nicht mehr eskalieren lassen und andere mit hineinziehen. Nachteil: Kosten für den Militäreinsatz.
    Vorteile für die Ukraine: Die Integrität des Landes bleibt bestehen, der Handelsverkehr nach EU und Rußland bleibt offen. Nachteil: Die Übergangsregierung kann erstmal nur Übergangsbeschlüsse fassen.
    Vorteile für die USA: Die Ukraine hat keinen Nachteil davon, ihre Atomwaffen abgegeben zu haben, weil die Garantien durch die USA, F, GB und RU erfüllt bleiben. Nachteil: Außenpolitischer Prestigeverlust in Europa, der in den USA aber sowieso kaum wahrgenommen würde.
  3. siehe 2.
  4. Da kann man nichts machen, und das ist auch gut so. Das Tolle an der Europäischen Einigung ist ja, daß durch zunehmende wirtschaftliche Verflechtungen europäische Kriege unmöglich werden. Durch WTO, Nordstream usw. hat man Rußland eingebunden. Beide Seiten sind abhängiger voneinander geworden. Dadurch wird die Bereitschaft zu politischen Opfern für eine wirtschaftliche, friedliche Lösung größer. Mit Sanktionen konterkariert man diese Idee. Denn sind erstmal alle Sanktionen in Kraft, braucht Putin nichts mehr zu fürchten und schnappt sich auch noch Moldawien.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.04.2014 18:48
#378 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #377
[*]Wirtschaftlich traut sich Putin der Chicken-Spiel zu, weil durch massive Stärke nach Innen Unzufriedenheit über wirtschaftliche Schwächen unterdrückt werden kann. Was unsere Politiker vergessen: In Demokratien können Regierungen wegen schlechter Wirtschaftslage abgewählt werden, nicht aber in Diktaturen.

Abgewählt werden nicht - aber gestürzt.
Ein Diktator muß nicht jedes Prozent Veränderung in den Umfragewerten fürchten. Aber er allein die Macht hat, ist er auch alleine für alles Negative verantwortlich. Er muß ständig darauf aufpassen, alle wichtigen Gruppen halbwegs ruhig zu halten. Wirtschaftliche Probleme gefährden direkt seine Machtbasis.

Zitat
[*]Man muß die Unruhen in der Ukraine zum Vorwand nehmen, eine Friedenstruppe in das Land zu schicken ...


Eine interessante Idee - aber soll/darf/muß diese Truppe eingreifen, wenn der Frieden dort gestört wird? Von Aufrührern, die öffentliche Gebäude besetzen? Oder von ukrainischen Sicherheitskräften, die gegen solche Leute vorgehen wollen?
Wer diese Truppe stellt, hat sofort die innenpolitischen Problem plus russischer Einmischung in der Verantwortung.

Zitat
Das Tolle an der Europäischen Einigung ist ja, daß durch zunehmende wirtschaftliche Verflechtungen europäische Kriege unmöglich werden.


Bis zu einem gewissen Grad werden sie weniger wahrscheinlich. Aber unmöglich werden sie nicht.
Die wirtschaftliche Verflechtung der europäischen Großmächte vor Ausbruch des ersten Weltkriegs war sehr eng.
Jugoslawien war intern engstens wirtschaftlich verflochten - und doch kam es zum blutigen Krieg zwischen den Nachfolgestaaten.

Zitat
Durch WTO, Nordstream usw. hat man Rußland eingebunden.


Nicht wirklich. Weil Rußland bisher nicht fürchten muß, daß das Gasgeschäft wirklich gestört wird.

Zitat
Denn sind erstmal alle Sanktionen in Kraft, braucht Putin nichts mehr zu fürchten und schnappt sich auch noch Moldawien.


Zwischen "Sanktionen, die weh tun" und "alle Sanktionen" ist ein Riesenunterschied. Und derzeit sind wir noch bei "Sanktionen, die lächerlich sind".

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.04.2014 00:30
#379 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #378
Abgewählt werden nicht - aber gestürzt.
Ein Diktator muß nicht jedes Prozent Veränderung in den Umfragewerten fürchten. Aber er allein die Macht hat, ist er auch alleine für alles Negative verantwortlich. Er muß ständig darauf aufpassen, alle wichtigen Gruppen halbwegs ruhig zu halten. Wirtschaftliche Probleme gefährden direkt seine Machtbasis.
Die Verantwortung für wirtschaftliche Probleme, die wegen diktaturenüblicher Unfreiheit und Korruption sowieso existieren, kann man besser abwälzen, wenn das Ausland Sanktionen durchführt. Klappt so jedenfalls in Kuba und Iran. Auch in Nordkorea, Irak und Simbabwe haben die Sanktionen nicht wirklich einen Umsturz herbeigeführt.
Aber selbst wenn: Können Obama, Merkel und Co. in kauf nehmen, daß eine Situation entsteht, durch die eine Atommacht so instabil wird, daß ihre Regierung (blutig) gestürzt wird? Ich weiß es nicht. Es wäre auch ein Risiko, wer danach käme. Putin ist zwar ein Nationalist, aber es gibt noch viel extremere Strömungen in Rußland. Daß Carter den Schah hat fallen lassen, war ja auch keine gute Idee, wenn man sieht, wie Unglücklich man mit den Mullahs geworden ist.

Zitat von R.A. im Beitrag #378
Eine interessante Idee - aber soll/darf/muß diese Truppe eingreifen, wenn der Frieden dort gestört wird? Von Aufrührern, die öffentliche Gebäude besetzen? Oder von ukrainischen Sicherheitskräften, die gegen solche Leute vorgehen wollen?
Wer diese Truppe stellt, hat sofort die innenpolitischen Problem plus russischer Einmischung in der Verantwortung.
Dafür haben unsere Großen ja sowieso die Verantwortung. Ein bißchen hat man sie ja mit dem Abkommen vom 22.02. wahrgenommen. Aber am Ende hat man nichts durchgezogen: Weder auf die Einhaltung der Verfassung gedrängt noch auf die Einhaltung des Abkommens. Grundsätzlich haben sich NATO und EU schon lange auf die Interventionslogik eingelassen, und da trägt man eben die Verantwortung, auch wenn man nichts macht. Deswegen hat man uns ja gesagt, habe man auf dem Balkan, im Hindukusch und überall etwas gemacht.
Eine Friedenstruppe muß natürlich sowieso Rußland einbinden, schon damit er überhaupt NATO/EU-Truppen im Nachbarland duldet. Anschließend kann man einen Neuanfang beginnen. Turtschynow hat inzwischen selber ein Referendum über den Status der Ukraine vorgeschlagen. Das ist ein kluger Vorschlag, wenn sichergestellt wird, daß so ein Referendum korrekt abläuft. Vielleicht ist es sogar die einzige Möglichkeit, der alle zustimmen können und die doch noch die Ukraine rettet. Dann fliegt nämlich Putins Propagandabehauptung von den ach so unterdrückten Russen auf. Zusätzlich bekommt die EU Sicherheit gegen die Gefahr, daß der Rückhalt für die Europäische Idee doch nicht so gut sein könnte. Wir hätten Probleme, wenn ukrainische Regierungen sich darin abwechseln, EU-Verträge einzugehen und zu brechen.

Zitat von R.A. im Beitrag #378
Zwischen "Sanktionen, die weh tun" und "alle Sanktionen" ist ein Riesenunterschied. Und derzeit sind wir noch bei "Sanktionen, die lächerlich sind".
Sie sagen ja selber, daß
Zitat von R.A. im Beitrag #378
Rußland bisher nicht fürchten muß, daß das Gasgeschäft wirklich gestört wird.
"Alle Sanktionen" ist natürlich nur eine Ellipse. Das Gas wird weiter strömen, selbst wenn Putin in Moldawien ist. Bei uns will ja keiner seine Abwahl provozieren (s.o.). Putin weiß das. Nur durch seine Risikobereitschaft ist er stärker. Und wir sind die feigen Hühnchen. Sogar so feige, daß unsere Großen es nicht eingestehen wollen und übertreiben, wie schlimm die lächerlichen Sanktionen für Rußland seien. Sie wollen bluffen, aber sind zu leicht zu durchschauen.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

17.04.2014 01:40
#380 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #375
Er will auf jeden Fall die alte SU wiederhaben - wenn das mit Annektionen machbar ist, wird er das tun.

"Auf jeden Fall"? Woher weißt du das? Das ist eine These, die man aber nicht teilen muss. Wirklich wissen tun wir nur, dass er Russlands Macht ausdehnen will.

Zitat von R.A.
Was will er mit Transnistrien?

Transnistrien ist nicht annektiert, was bedeutet, dass ihm Einfluss auch ohne formelle Einverleibung reicht. Aber das Muster ist übrigens dasselbe: starker ethnisch russischer Anteil (30%). Nur deshalb geht das doch: Weil die Bevölkerung dem nicht völlig abgeneigt ist. Putin hat bisher noch nicht versucht, seinen Einfluss auf Gebiete auszudehnen, in denen keine starken russischen Minderheiten leben, also z.B. auf das moldawische Kernland, obwohl dies auch zur Sowjetunion gehörte. Den Stress, als Besatzer statt als Befreier begrüßt zu werden, will er sich offensichtlich dann doch nicht antun.

Zitat von R.A. im Beitrag #375
Hätte dafür aber "westliche" Traditionen und Einstellungen, die m. E. deutlich bessere Entwicklungschancen böten.
Ja cool, ein Land mit einem BIP/Kopf der Hälfte Rumäniens, dem dann auch noch die Rohstoffe weggebrochen sind. Mit einer kaputten und unzuverlässigen Armee, starken bewaffneten Banden und einer gepflegten Tradition von Korruption. Ich sehe die Skyline Kiews schon vor mir. Oder doch eher die Spuren der Trecks gen Westen?
Zitat von R.A. im Beitrag #375
NOCH drastischere? Und wer soll den Westen dazu zwingen?
Echte Wirtschaftssanktionen sehen doch anders aus, oder? Und bitte, keine Wortklauberei (gilt auch für den Kollegen AldiOn): "Wäre gezwungen" ist in diesem Kontext ganz klar Ausdruck einer unvermeidlichen Konsequenz, nicht eines Zwangs durch irgendeinen Dritten. Eine "Lösung" kann nur so aussehen, dass man Putin starken Einfluss auf den Osten zugestehen wird, indem man aus der Ukraine eine "Föderation" macht. Der Westen wird den Westen der Ukraine dann wie üblich mit überwiegend deutschem Geld zuschütten, das zur einen Hälfte an die dortigen Oligarchen und zur anderen über Gaslieferungen und ähnliche Dinge an Putin und seine Kumpane verteilt werden wird. Ich freue mich schon.

Das strategische Umdenken im Westen ist allerdings unausweichlich. Bei der Energieversorgung, bei den Rüstungsetats und bei der Sicht auf internationale Konflikte müssen jetzt die Fehler der letzten 20 Jahre korrigiert werden. Die Welt wird zukünftig wieder mehr der des Kalten Krieges ähneln müssen, mit einer international zwar nicht mehr so gefährlichen, aber immer noch hinreichend feindseligen und lästigen russischen Macht. Und hinten lachen sich die Chinesen ins Fäustchen, denn die bekommen jetzt Spielräume ohne Ende. Kein Ende der Geschichte, sondern der alte Gang, mit neu gemischten Karten. Tom Clancy lesen bringt da mehr als die Lektüre deutscher Qualitätsblätter...

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

17.04.2014 08:48
#381 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #377

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #369
Und findet etwas statt oder wird voraussichtlich etwas, was den Begriff humanitäre Katastrophe rechtfertigt, stattfinden?
Dass Putin massive Desinformation und Propaganda betreibt ist aus meiner Sicht recht klar. Die Frage, welche sich mir stellt, lautet deshalb:
Was stellt man ihr entgegen?
Gegenwärtig stellen unsere Obrigkeiten Putin dreierlei entgegen:
  1. Uneinigkeit
  2. Forderungen, deren Erfüllung für Putin einen Gesichtsverlust bedeuten würden
  3. Militärische Unentschlossenheit
  4. Politische Schwäche, weil man nicht dauerhaft auf russische Rohstofflieferungen verzichten kann.


Die Uneinigkeit ist so groß gar nicht. Und sie stellt bei den jetzt getroffenen Entscheidungen der NATO, welche aus meiner Sicht beim Schreiben des Blogbeitrages wichtig waren, kein Hindernis dar. Es wird sogar mehr Einigkeit gezeigt als in vergleichbaren Fällen. Auch die Rolle Deutschlands sehe ich immer noch positiv.
Putin würde gern am Verhandlungstisch die Ukraine aufteilen, so wie es die Sowjetunion und Deutschland einst mit Polen taten. Das wäre die Lösung ohne Gesichtsverlust für Putin. Nur ist sein möglicher Gesichtsverlust keine Kategorie. Er hat sein Gesicht außerhalb Russlands bereits verloren, als ein Aggressor der einen verdeckten Eroberungskrieg mit einer Undercover-Armee führt.
Das mit den Rohstofflieferungen kann man auch anders herum sehen: Russland ist so schwach, dass es die Lieferungen gar nicht stoppen kann, selbst wenn Europa das Gas an Kunden weiterverkauft, die Russland nicht mehr beliefert, weil es sich dafür gerade noch stark genug fühlt.
Die Forderung nach Respektierung der europäischen Grenzen ist nicht verhandelbar.

Zitat von Emulgator im Beitrag #377
Putin setzt dem folgendes dagegen:
  1. Einigkeit nach Außen. Sogar mehr, als in einer Demokratie mit einer Opposition möglich wäre.
  2. Die Widerlegungen seiner Vorwände spielen in den russischen Medien keine Rolle. Innenpolitisch funktioniert alles für Putin. Er ist der starke Problemlöser. Wer die Probleme erfunden hat spielt in Rußland keine Rolle.
  3. Putin hat sich mit schweren Waffen ausgerüstet und die Kräfte der Armee nicht in einem humanitären Wanderzirkus vom Hindukusch bis Afrika verbraten.
  4. Wirtschaftlich traut sich Putin der Chicken-Spiel zu, weil durch massive Stärke nach Innen Unzufriedenheit über wirtschaftliche Schwächen unterdrückt werden kann. Was unsere Politiker vergessen: In Demokratien können Regierungen wegen schlechter Wirtschaftslage abgewählt werden, nicht aber in Diktaturen.


Da gebe ich Ihnen recht, das sind seine Trümpfe. Bis auf einen: Das Chicken-Game. Die Sanktionen des Westens berücksichtigen ja den Umstand, dass Putin vor einer Wirtschaftskrise in seinem Land nicht zurückschreckt. Die wäre vielleicht so oder so gekommen. Es sind deshalb eben einzelne Politiker direkt betroffen. Er fährt also nicht nur sein Land wirtschaftlich gegen die Wand, sondern zeigt auch die finanziellen Risiken auf, die eine Vasallentreue zu ihm mit sich bringen.

Zu der UN-Friedenstruppe: Gute Idee, scheitert aber am Veto Russlands (Ist auch eine Forderung des ukrainischen Übergangspräsidenten). Gegen Russlands Veto Truppen zu schicken ist keine Option weil die Bedingungen dafür nicht vorhanden sind (keine humanitäre Katastrophe).

Wichtig ist, die russischen Propaganda nicht zu übernehmen, das Bündnis zu stärken und seine Verteidigungsfähigkeit im Osten und die Sanktionen durchzuhalten. Kurz: Den Preis hochzutreiben welchen Putin für sein Vorgehen bezahlen muss.

Und vor allem sollte man realisieren was Putins Ziel ist:
Die Eroberung von Gebieten die einst der Sowjetunion angehörten. Es geht, und das wurde hier schon verlinkt, um seine Vision der Eurasischen Union und sein Verhältnis zum sogenannten Nahen Ausland. Die Ukraine spielt dabei eine Schlüsselrolle. Hat er sie erobert, wird er weitere Ziele, z.B. Moldawien in Angriff nehmen. Das ist keine wilde Spekulation, sondern ein ganz rationales zu-Ende-Denken dessen, was wir auf der Krim und in der Ostukraine erleben. Es gab nur wenige Politiker die von Anfang an von einer Annektierung der Krim ausgegangen sind, als das getarnte russische Militär die Grenzen seiner Mietsache überschritt und mit der Eroberung begann.
Das hat nichts mit Europa und seinen Bemühungen um eine Assoziierung zu tun. Es ist Putins Zeitplan die Eurasische Union 2015 offiziell zu gründen. Also in ein paar Monaten.

Man (EU und NATO) kann sich schon heute überlegen was im Falle eines Vorgehens Russlands (wie in der Ukraine) in Bezug auf Moldawien getan werden könnte und beginnen, es zu tun.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.04.2014 11:00
#382 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #379
Grundsätzlich haben sich NATO und EU schon lange auf die Interventionslogik eingelassen

Nein. Sie haben Meinungsäußerungen abgelassen und sie wollen Geld schicken - damit sind sie aber noch nicht in der Verantwortung. Insbesondere nicht für schwierige Probleme wie den Besetzungen in der Ostukraine.

Zitat
Eine Friedenstruppe muß natürlich sowieso Rußland einbinden ...


Und damit ist die Idee schon tot. Wie immer man Putins Ziele sonst einschätzt: Es geht ihm definitiv NICHT darum, die Ukraine zu stabilisieren.

Zitat
Turtschynow hat inzwischen selber ein Referendum über den Status der Ukraine vorgeschlagen. Das ist ein kluger Vorschlag, wenn sichergestellt wird, daß so ein Referendum korrekt abläuft.


Richtig: "Wenn sichergestellt wird".
Und genau darum rührt Putin derzeit im Kessel - um in einem möglichst großem Bereich der Ukraine Zustände zu schaffen, die eine korrekte Durchführung verhindern.

Zitat
Vielleicht ist es sogar die einzige Möglichkeit, der alle zustimmen können und die doch noch die Ukraine rettet. Dann fliegt nämlich Putins Propagandabehauptung von den ach so unterdrückten Russen auf.


Das ist nun ein Widerspruch: Genau weil Putins Propaganda auffliegen würde, wird er dieser Möglichkeit natürlich nicht zustimmen können.

Richtig problematisch wird so ein Referendum, wenn in einzelnen Abstimmungsbereichen (und sei es nur auf Ortsebene) pro-russische Mehrheiten rauskommen. Was schon deshalb zu erwarten ist, wenn lokal Putins Leute die Kontrolle übernommen haben.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.04.2014 11:25
#383 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #380
Zitat von R.A. im Beitrag #375
Er will auf jeden Fall die alte SU wiederhaben - wenn das mit Annektionen machbar ist, wird er das tun.

"Auf jeden Fall"? Woher weißt du das? Das ist eine These, die man aber nicht teilen muss.

Schon richtig, "auf jeden Fall" ist eine subjektive Erwartung. Aber Putins Spruch vom Zerfall der SU als Katastrophe und sein Handeln sind schon starke Indizien in diese Richtung.

Zitat
Transnistrien ist nicht annektiert ...


Was m. E. schlicht daran liegt, daß er zum Zeitpunkt der Transnistrienkrise noch zurückhaltender agiert hat. Inzwischen merkt er, daß er sich mehr erlauben kann.
Im übrigen würde die förmliche Annektion erst dann sinnvoll sein, wenn er auch die zwischen Rußland und Transnistrien liegende Ukraine besetzt hat.

Zitat
Aber das Muster ist übrigens dasselbe: starker ethnisch russischer Anteil (30%).


Starker Anteil - aber doch nur eine Minderheit. Wenn ihm 30% reichen, dann hat er fast die komplette frühere SU in Reichweite.

Zitat
Nur deshalb geht das doch: Weil die Bevölkerung dem nicht völlig abgeneigt ist.


Das weiß keiner genau. Natürlich gibt es Leute vor Ort, die sich nach Rußland orientieren. Aber die übrige Bevölkerung ist nie gefragt worden.

Zitat
Putin hat bisher noch nicht versucht, seinen Einfluss auf Gebiete auszudehnen, in denen keine starken russischen Minderheiten leben, also z.B. auf das moldawische Kernland,...


Bisher noch nicht. Es ist ja auch logisch zuerst die Gebiete mit russischer Minderheit "heim ins Reich" zu holen. Ansonsten geht er ja auch rational vor: Er greift da zu, wo sich durch irgendwelche lokalen Entwicklungen Chancen bieten. Das bestimmt im wesentlichen die Prioritäten.
Aber Transnistrien mit seiner fast völligen Bedeutungslosigkeit und dem niedrigen Russen-Anteil zeigt, daß er wohl keinen früheren SU-Teil verschmäht.

Zitat
Den Stress, als Besatzer statt als Befreier begrüßt zu werden, will er sich offensichtlich dann doch nicht antun.


Den Streß hat er sich in Tschetschenien sehr wohl angetan. Klar, das war innerhalb Rußlands - aber er hat offensichtlich keinerlei Probleme, als Besatzer aufzutreten.

Zitat
Ja cool, ein Land mit einem BIP/Kopf der Hälfte Rumäniens, dem dann auch noch die Rohstoffe weggebrochen sind. Mit einer kaputten und unzuverlässigen Armee, starken bewaffneten Banden und einer gepflegten Tradition von Korruption.


Der "Ressourcenfluch" ist Dir ja bekannt (Rußland ist übrigens ein hervorragendes Beispiel dafür). Und die Unzuverlässigkeit der Armee und die Korruption haben ihren Schwerpunkt im Osten (eben wegen der Ressourcen ...).
Die Westukraine mit ihrem habsburgischem Hintergrund hätte mittelfristig deutlich bessere Entwicklungschancen als diverse Balkanländer. So mal nebenbei, weil Du Rumänien erwähnst: Auch da ist der Unterschied zwischen dem prosperierendem ehemals habsburgischem Teil und dem katastrophalen Zustand im Rest des Landes deutlich.

Im übrigen ist das Ganze kein realistisches Szenario. Eine selbständige Westukraine ist unwahrscheinlich, und die würde auch noch lange kein EU-Mitglied.

Zitat
Echte Wirtschaftssanktionen sehen doch anders aus, oder?


Klar. Das wollte ich doch ironisch sagen.
Aber ich sehe auch keine "unvermeidliche Konsequenz", die den Westen zu deutlich mehr Subventionen zwingen würde.

Zitat
Das strategische Umdenken im Westen ist allerdings unausweichlich. Bei der Energieversorgung, bei den Rüstungsetats und bei der Sicht auf internationale Konflikte müssen jetzt die Fehler der letzten 20 Jahre korrigiert werden.


Beim zweiten Satz stimme ich Dir zu. Aber das heißt leider nicht, daß der erste Satz stimmt. Es wäre auch weiterhin möglich, sich vor dieser Notwendigkeit zu drücken. Gerade in Deutschland ist das mehrheitsfähig.

Zitat
Und hinten lachen sich die Chinesen ins Fäustchen, denn die bekommen jetzt Spielräume ohne Ende.


Richtig.
Deswegen ist Putins Politik auch so dumm.
Er investiert unglaublich in Symbolpolitik. Er verschleudert Wirtschaftskraft und politischen Einfluß auf die Besetzung von Gebieten, die ihm nur marginal echte Vorteile bringen. Und riskiert damit, daß Rußland am anderen Ende massiv verliert.
Die chinesische Minderheit in Sibirien ist schon vorhanden. Und er hat vorexerziert wie man solche Minderheiten nutzt, wenn man militärisch stärker ist.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.04.2014 14:17
#384 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Die Uneinigkeit ist so groß gar nicht. Und sie stellt bei den jetzt getroffenen Entscheidungen der NATO, welche aus meiner Sicht beim Schreiben des Blogbeitrages wichtig waren, kein Hindernis dar. Es wird sogar mehr Einigkeit gezeigt als in vergleichbaren Fällen. Auch die Rolle Deutschlands sehe ich immer noch positiv.
Sie haben Recht, Uneinigkeit trifft es nicht genau. Sagen wir Abstimmungsbedürftigkeit, denn zwischendurch finden sich gemeinsame Haltungen, aber sie entstehen langsam, zufällig und sind nicht in sich schlüssig. Damit meine ich besonders die Frage nach militärischer Intervention. Den Anfang hat D gemacht, indem es gesagt hat, es werde keinen Krieg geben. Obamas Leute haben sich zwar den Maidanlern immer hilsbereit gezeigt, insgeheim war man aber ganz froh über Ds Vorstoß und daß man nun doch nicht so unumschränkt helfen muß. Einseitig will Obama ja nichts mehr machen, und ohne D geht militärlogistisch in Europa sowieso nichts. So standen erstmal die Waffen still. Dann wurden die Balten und Polen immer unruhiger und man hat am Ende doch kleine Einheiten geschickt. Die sind aber so wenige und so schwach, daß sie nicht als Rußland überlegener Kampfverband sondern als eine Art Geiseln beruhigt haben, die untergehen werden, wenn auch Polen und Balten untergehen.
Auf mich wirkt das überhaupt nicht überlegt. Ich möchte auch mal an die Broschüren erinnern, die man in den 90ern jungen Wehrpflichtigen der Bundeswehr gegeben hat. Da hat man die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr als eine Art Unterpfand gegen außenpolitische Erpreßbarkeit erklärt. Das stimmt alles nicht mehr, wenn man frühzeitig sagt, man würde kein Militär einsetzen. Das ist wie eine außenpolitische Selbstentwaffnung. Die frühzeitige Ansage, militärisch nichts zu tun, ist verheerend gewesen. Man muß sich immer alle Optionen offenhalten.
Die andere Dummheit war, den Maidanlern den falschen Eindruck einer Niebelungentreue zu geben. Das betrifft vor allem die USA. Der unsägliche Plan mit dem Sprachengesetz war nur Übermut aus Vertrauen auf diese Treue.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Das mit den Rohstofflieferungen kann man auch anders herum sehen: Russland ist so schwach, dass es die Lieferungen gar nicht stoppen kann, selbst wenn Europa das Gas an Kunden weiterverkauft, die Russland nicht mehr beliefert, weil es sich dafür gerade noch stark genug fühlt.
Ja, da ist Putins Verhalten natürlich ein Witz. Es zeigt wie andere Äußerungen von ihm, daß er kein Verständnis dafür hat, wie Märkte funktionieren. Wenn er der Ukraine für russisches Gas einen schlechteren Preis macht als Deutschland für dasselbe Gas, bekommt die Ukraine das Gas natürlich zum deutschen Preis + Durchleitungsgebühr. Aber irgendwann muß Deutschland sich die Frage stellen, ob man selber überhaupt noch russisches Gas beziehen will, ohne seine Glaubwürdigkeit mit den Sanktionsdrohungen zu verlieren.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Bis auf einen: Das Chicken-Game. Die Sanktionen des Westens berücksichtigen ja den Umstand, dass Putin vor einer Wirtschaftskrise in seinem Land nicht zurückschreckt. Die wäre vielleicht so oder so gekommen. Es sind deshalb eben einzelne Politiker direkt betroffen. Er fährt also nicht nur sein Land wirtschaftlich gegen die Wand, sondern zeigt auch die finanziellen Risiken auf, die eine Vasallentreue zu ihm mit sich bringen.
Da verstehe ich Sie nicht. Meinen Sie, daß eine allgemeine Wirtschaftskrise für die Oligarchen nicht so unangenehm sei wie die jetzigen "persönlichen" Sanktionen?

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Zu der UN-Friedenstruppe: Gute Idee, scheitert aber am Veto Russlands (Ist auch eine Forderung des ukrainischen Übergangspräsidenten). Gegen Russlands Veto Truppen zu schicken ist keine Option weil die Bedingungen dafür nicht vorhanden sind (keine humanitäre Katastrophe).
Ganz und gar nicht! Die humanitäre Katastrophe malt Putin selber an die Wand. Da müssen ihn alle nur beim Wort nehmen. Lehnt Putin ab, würde das einen massiven Gesichtsverlust bedeuten. Erst weist Putin auf ach so schlimme bürgerkriegsähnliche Zustände hin. Dann mahnt er, daß Obama doch etwas tun solle. Er weiß: Truppen werden nicht kommen. Also kann Putin irgendwann sagen: "Es wird alles immer schlimmer in der Ukraine. Mir will keiner aus dem Westen helfen. Tja, da muß ich wohl mit meinen eigenen Soldaten in der Ukraine für Frieden sorgen. Huch, die werden so fröhlich mit Winkelementen empfangen? Die Einwohner wollen einen Аншлус? Na, da kann ich doch nicht Nein sagen."
Was Putin macht, ist genau wie die Dramaturgie im Kosovo, nur daß er nicht nur den Hufeisenplan erfindet, sondern auch die Kosovo-Albaner dazu.
Man kann dem nur begegnen, indem man Putins Vorwände erstmal ernst nimmt, und die verbleibende Handlungsfreiheit nutzt Putin mit seinen eigenen Vorwänden in seine Schwachstellen zu führen. Da hat Putin nämlich folgende:

  • Er übertreibt die Zustimmung zu ihm, ist Opfer seiner eigenen Propaganda. In einem fairen Referendum hätte der Anschluß der Ostukraine und vielleicht sogar der Krim an Rußland keine Chance. Diese Schwachstelle nutzt man nicht aus, wenn man zuläßt, daß Putin unfaire Referenden durchführen läßt.
  • Er neigt dazu, sich in Details zu verzetteln. Das sieht man auf seinen Pressekonferenzen. Freiheitliche Politiker haben kein Problem, Verantwortung an subsidiäre Ebenen zu übergeben.
  • Er überschätzt die eigene Wirtschaftskraft. Die Ukraine ist bankrott. Die Währung verfällt. Wenn sie die Wahl haben, würden die Ukrainer lieber mit Rubel oder mit Euro als Ersatzwährung zahlen?

Deswegen muß man sich beeilen, eine Situation herbeizuführen, die erstmal Zeit bringt und Putin die Initiative raubt. Sanktionen, die erst nach Monaten greifen, leisten das nicht. Soldaten schon. Damit Putin sich damit anfreunden kann, muß man natürlich Rußland einem Anteil an der Friedenstruppe zugestehen (aber nicht nach Sektorenaufteilung) und mindestens die Regierung Jazenjuk opfern. Das wäre alles gar nicht so schlimm. Russische Soldaten kommen oder sind sowieso schon dort, da sind Kameraden, die ihnen auf die Finger schauen, ganz nützlich. Um die Regierung ist es auch nicht schade, weil die jetzt mit dem Staatsbankrott in Verbindung gebracht wird, auf den 20 Jahre lang hingewirtschaftet wurde. Sie würde also sowieso nicht wiedergewählt werden. Auch würde man damit vorläufig die antisemitische Swoboda-Partei entmachten, die wirklich nicht ganz koscher ist.
Wenn die ukrainische Regierung ausländische Truppen einlädt, geht das auch ohne UN-Mandat. Ein UN-Mandat braucht man nur gegen den Willen der Ukraine. Die Regierung könnte mit der Einladung verbinden, sich freiwillig (naja, aber der Druck kommt im Endeffekt ja aus Rußland, nicht von der NATO) teilweise zu entmachten und die Sorge um die Sicherheit an eine gemischte und zu bildende Rußland-NATO-Truppe zu übergeben. Historisch gibt es zwar wenig Beispiele dafür, aber warum soll eine Regierung nicht sagen: "Das Land ist so gespalten, wir werden nicht mehr überall als legitime Macht anerkannt, soll eine neutrale Macht für Ruhe sorgen!"
Damit verlagert man das Spiel dorthin, wo Putin seine Schwächen hat. Man läßt der Ukraine Zeit, sich wirtschaftlich zu konsolidieren, demokratisch eine neue Regierung zu wählen und die Referenden abzuhalten.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Kurz: Den Preis hochzutreiben welchen Putin für sein Vorgehen bezahlen muss.
Wenn die Inkassokosten der Gegenseite noch höher sind, wird er den Preis nicht zahlen müssen. Und darauf spekuliert Putin. Eine Ansage von Merkel und Obama der Art "Freiheit für die Ukraine oder Weltuntergang für alle!" würde Putins Strategie sofort zerstören. Das ist einfache Spieltheorie. Diese Ansage wird aber nicht kommen, weil das Innenpolitisch eine Niederlage wäre. Ich habe auch keine Lust, für die Chaoten in der Ukraine zu sterben. Ja, man kann sagen, daß das eine Schwäche von Demokratien ist, beim außenpolitischen Chicken-Game die defensive Strategie zu wählen, weil die totale Vernichtung keine demokratische Billigung findet. Aber diese Friedfertigkeit ist genau die Eigenschaft, weswegen es erstrebenswert ist, Demokratien in der Welt zu haben. Moralisch ist es eine Stärke. Darum haben die USA auch (vergeblich) versucht, auf militärischen Weg demokratische Nationen heranzuziehen. Nun schlägt dieses Prinzip bei uns selber an und wir sehen uns so risikoliebend wie die Diktaturen, die wir genau deswegen stürzen wollten? Wir werden das Chicken-Game verlieren und wir wissen es.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Und vor allem sollte man realisieren was Putins Ziel ist:
Die Eroberung von Gebieten die einst der Sowjetunion angehörten. Es geht, und das wurde hier schon verlinkt, um seine Vision der Eurasischen Union und sein Verhältnis zum sogenannten Nahen Ausland.
Genau, ich bat Sie um den Link, weil ich es nicht sofort geglaubt habe. Aber es hat historischen Sinn. Die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg ist ja noch sehr wach. Damals hat der NS-Staat den Krieg auf das Gebiet der Sowjetunion getragen und dort viele Tote und viele Verwüstungen verursacht. Das hat Spuren in der sowjetischen Militärdoktrin hinterlassen. Von einem NVA-General (Name mit entfallen) haben wir gelernt, daß trotz der offensiven militärischen Ausrichtung der Warschauer-Pakt-Streitkräfte doch nur defensiv eingesetzt werden sollten: Bei einem Angriff der ach so imperialistischen NATO hätte der Krieg schnell auf deren Territorim getragen werden sollen, damit die NATO nicht wie die Wehrmacht die SU verwüsten kann. Deswegen so viele Landungsboote, Panzer, Luftlandetruppen. Es ist eben eine Art historisches Trauma.
Deswegen hat es auch Sinn, daß Putin eine Raketenabwehr als Angriffselement betrachtet und sich ein Recht auf die Möglichkeit einbildet, unsere Städte einäschern zu können (hätte er auch ohne Raktenabwehr, weil die nie das ganze russische Arsenal abfangen kann, aber Angst ist nicht so rational). Deswegen wiederum hat es auch in Putins Augen einen Sinn, Pufferstaaten zur NATO zu haben.
Die NATO ist aber kein Erbe des Dritten Reiches und Rußland ist keine Sowjetunion mehr, die sich aus ideologischen Gründen einbilden muß, von Imperialisten überfallen zu werden. Das ist nun dem Ex-KGB-Mann, seinen Generalen und den russischen Nazis nicht so klar.

Emulgator Offline



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17.04.2014 14:49
#385 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #382
Zitat von Emulgator im Beitrag #379
Grundsätzlich haben sich NATO und EU schon lange auf die Interventionslogik eingelassen

Nein. Sie haben Meinungsäußerungen abgelassen und sie wollen Geld schicken - damit sind sie aber noch nicht in der Verantwortung. Insbesondere nicht für schwierige Probleme wie den Besetzungen in der Ostukraine.

Mit "schon lange" meine ich einen viel weiteren Zeithorizont:

Zitat von Clinton, 24.03.1999
Imagine what would happen if we and our allies instead decided just to look the other way, as these people were massacred on NATO's doorstep. That would discredit NATO, the cornerstone on which our security has rested for 50 years now.

Es ist eben die Glaubwürdigkeit. Da kann man nicht einfach zur Seite schauen. Mit Meinungsäußerungen und Geld (Sanktionen, denn die kosten erstmal Geld in Form entgangener Handelsgewinne) hat man in Jugoslawien ja auch angefangen und es hat nicht gereicht. Wenn Kerry auf dem Maidan den Leuten verspricht, er würde alles für sie tun, dann kann er erst recht nicht mehr sagen, man hätte für die Ereignisse dort keine Verantwortung. Nach welchen Prinzipien machen wir Außenpolitik? Worauf können sich unsere Verbündeten und Gegner verlassen?

Zitat von R.A. im Beitrag #382
Und damit ist die Idee schon tot. Wie immer man Putins Ziele sonst einschätzt: Es geht ihm definitiv NICHT darum, die Ukraine zu stabilisieren.
Heißt natürlich nicht, daß eine stabile Ukraine Rußland stören würde. Und heißt natürlich erst recht nicht, daß Rußland ein Interesse an einer Destabilisierung offen zugeben würde. Diplomatie ist die Kunst, wortreich zu verschweigen. Das heißt für unsere Diplomaten: Man muß nicht sagen, daß man die russischen Vorwände für vorgeschoben hält.

Zitat von R.A. im Beitrag #382
Und genau darum rührt Putin derzeit im Kessel - um in einem möglichst großem Bereich der Ukraine Zustände zu schaffen, die eine korrekte Durchführung verhindern
Damit wird er auch Erfolg haben, denn selbst mit den strengsten Sanktionen wird er zunächst Zeit für eine Besetzung und ein Referendum haben. Und daß Putin einmal angegliederte Gebiete zurückgibt, selbst unter dem Druck von jahrzehntelangen Sanktionen, kann man sich doch abschminken.

Zitat von R.A. im Beitrag #382
Zitat von Emulgator im Beitrag #379
Vielleicht ist es sogar die einzige Möglichkeit, der alle zustimmen können und die doch noch die Ukraine rettet. Dann fliegt nämlich Putins Propagandabehauptung von den ach so unterdrückten Russen auf.

Das ist nun ein Widerspruch: Genau weil Putins Propaganda auffliegen würde, wird er dieser Möglichkeit natürlich nicht zustimmen können.
Aber er kann sie auch nicht ablehnen, weil dann seine Behauptung auch auffliegen würde. Was spricht gegen ein Referendum unter internationaler Aufsicht, wenn er es selber fordert? Das ist die einzige Zwickmühle, in der Putin steckt. Sie muß man ausnutzen. Er würde deswegen zunächst darauf eingehen und anschließend versuchen, in Details die Sache doch noch zu seinen Gunsten zu verschieben. Da wird es dann mühsam für die Diplomaten. Aber die Zeit arbeitet gegen ihn. Ein wesentlicher Antrieb der Sezessionisten ist die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage. An einer Besserung dieser Lage haben Rußland und die EU ein Interesse. Tatsächlich war der Ausgangspunkt ja, daß beide die Ukraine als Handelspartner haben wollten.

R.A. Offline



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17.04.2014 15:08
#386 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #384
Uneinigkeit trifft es nicht genau. Sagen wir Abstimmungsbedürftigkeit

Da stimme ich zu. Überhaupt sollte man die Fähigkeit des ansonsten so desorganisierten Westens nicht unterschätzen, unter Druck zur Einigkeit zu finden.

Zitat
Die andere Dummheit war, den Maidanlern den falschen Eindruck einer Niebelungentreue zu geben. Das betrifft vor allem die USA. Der unsägliche Plan mit dem Sprachengesetz war nur Übermut aus Vertrauen auf diese Treue.


Von "Nibelungentreue" war m. W. nie die Rede. Man fand die Maidan-Leute besser als Janukowitsch und hat moralische Rückendeckung gegeben. Aber von Hilfe gegen eine (damals noch völlig unvorstellbare) russische Militärintervention war nie die Rede.
Und das mit dem Sprachengesetz war eine Schnapsidee von Leuten, die gar keinen Plan von den internationalen Gegebenheiten hatten.

Zitat
Aber irgendwann muß Deutschland sich die Frage stellen, ob man selber überhaupt noch russisches Gas beziehen will, ohne seine Glaubwürdigkeit mit den Sanktionsdrohungen zu verlieren.


Richtig. Es muß eine mittelfristige Strategie auf den Tisch um ohne russische Energielieferungen auszukommen.

Zitat
Die humanitäre Katastrophe malt Putin selber an die Wand. Da müssen ihn alle nur beim Wort nehmen.


Sicher ist das eine Propagandalüge. Aber es hilft überhaupt nichts, Putin "beim Wort zu nehmen". Was schert ihn denn sein dummes Geschwätz von gestern?
Seine Argumentationslinie ist weitgehend faktenfrei und jenseits der Realität. Er wird sich auch weiterhin nach Belieben Begründungen erfinden - egal ob die nun zu den bisherigen Aussagen passen.
Putin wird einer internationalen Truppe nicht zustimmen, selbst wenn Rußland dabei mitmachen dürfte.

Zitat
Deswegen muß man sich beeilen, eine Situation herbeizuführen, die erstmal Zeit bringt und Putin die Initiative raubt.


Grundsätzlich Zustimmung. Nur wie? Einseitig Soldaten schicken geht m. E. aus verschiedenen Gründen nicht, und die gemeinsame Truppe mit Rußland wird Putin verweigern.

Zitat
... muß man ... die Regierung Jazenjuk opfern.
...
Um die Regierung ist es auch nicht schade, ...
Sie würde also sowieso nicht wiedergewählt werden. Auch würde man damit vorläufig die antisemitische Swoboda-Partei entmachten, die wirklich nicht ganz koscher ist.


Mal Langsam!
Im Gegensatz zu Putins Propaganda ist die Ukraine ein selbständiger Staat mit einer demokratisch gewählten Regierung. Die kann man nicht einfach "opfern" oder das Wahlergebnis vorweg nehmen.
Entscheidend ist, wie die Wahlen ausgehen, das muß insbesondere der Westen respektieren.

Zitat
Ja, man kann sagen, daß das eine Schwäche von Demokratien ist, beim außenpolitischen Chicken-Game die defensive Strategie zu wählen, weil die totale Vernichtung keine demokratische Billigung findet. Aber diese Friedfertigkeit ist genau die Eigenschaft, weswegen es erstrebenswert ist, Demokratien in der Welt zu haben. Moralisch ist es eine Stärke.


Richtig.
Und deswegen bleiben uns im wesentlichen nur Sanktionen, auch wenn die nur langsam wirken.

Zitat
Die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg ist ja noch sehr wach.


Nun ja, für die Propaganda Putins ist dieser Bezug natürlich nützlich. Deswegen glaubt er nicht selber dran.

R.A. Offline



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17.04.2014 16:36
#387 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #385
Heißt natürlich nicht, daß eine stabile Ukraine Rußland stören würde.

Aber WIE das stören würde!
Bisher konnte (und anfangs: mußte) Putin mit dem Hin und Her in der Ukraine leben. Jetzt nicht mehr.

Er hat den Fuß in die Tür gestellt und damit die Spielregeln komplett verändert. Jede Stabilisierung in der Ukraine wäre ab jetzt eine Konsolidierung GEGEN Rußland. Denn jedem Ukrainer ist klar, daß die bisher nie wirklich für denkbar gehaltene russische Invasion eine reale Gefahr geworden ist.
Putin kann keine Stabilisierung zulassen. Er muß die Dinge in Fluß halten, und das tut er aktuell ja auch.

Und von der Machtpolitik abgesehen: Eine stabile Ukraine NACH dem Sieg der nach Westene orientierten Demokratiebewegung ist eine direkte Gefahr für Putins Stellung innerhalb Rußlands. Da kommen ja auch immer wieder Leute auf die Idee, daß Diktatur nicht mehr wirklich in die Zeit paßt ...

Derzeit ist ja fast nur von den Schwächen und Problemen der Ukraine die Rede. Es gibt aber auch Stärken und Vorteile. Z. B. hat die Ukraine von allen SU-Nachfolgestaaten außerhalb des Baltikums die freiesten Medien. Das wird auch in Rußland wahrgenommen. Russisch-Sprachige in der Ukraine haben eine Meinungsfreiheit, von der Russisch-Sprachige in Rußland nur träumen dürfen.

Zitat
Was spricht gegen ein Referendum unter internationaler Aufsicht, wenn er es selber fordert?


Weil er dieses "selbst fordert" jederzeit wieder zurücknehmen kann, wenn ihm die Konditionen der Abstimmung nicht passen. Und "nicht passen" kann ja schon bedeuten, daß in der Ost-Ukraine NICHT seine Trupps das Sagen haben und die Abstimmung kontrollieren.

Emulgator Offline



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17.04.2014 16:58
#388 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Von "Nibelungentreue" war m. W. nie die Rede. Man fand die Maidan-Leute besser als Janukowitsch und hat moralische Rückendeckung gegeben. Aber von Hilfe gegen eine (damals noch völlig unvorstellbare) russische Militärintervention war nie die Rede.
"Alles" ersetzt in meinem Sprachgebrauch eine erschöpfende Aufzählung. So ist Kerry auf dem Maidan unterwegs gewesen, als die neue Regierung schon eingesetzt war und die Krim schon besetzt war. Man darf den Mund eben nicht so voll nehem, wenn man dem anderen keine Blankovollmacht ausstellen will wie vor 100 Jahren Kaiser Wilhelm II. der k.u.k-Monarchie.

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Richtig. Es muß eine mittelfristige Strategie auf den Tisch um ohne russische Energielieferungen auszukommen.
Die Wiedereinführung der Atomenergie in Deutschland wird erst vollzogen, wenn wir eine Republik innerhalb der Russischen Föderation sind.

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Was schert ihn denn sein dummes Geschwätz von gestern?
Seine Argumentationslinie ist weitgehend faktenfrei und jenseits der Realität.
Aber nicht jenseits der Logik. Das ist ja auch der Punkt, warum Putin hierzulande viele für sich einnehmen kann. Seine Argumente in den Pressekonferenzen, und wie sie hier wahrgenommen werden, sind logisch gültig, nur bei den Prämissen mogelt er. Diese Logik ist aber auch seine Schwachstelle. Es ist logisch, daß der Westen seine Behauptungen abstreitet, will er doch Rußland nur Böses. Es ist aber nicht logisch, wenn der Westen auf Putins Behauptungen eingeht und Putin sie plötzlich nicht mehr aufrechterhält. Wie will er das begründen?

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Putin wird einer internationalen Truppe nicht zustimmen, selbst wenn Rußland dabei mitmachen dürfte.
Zunächst signalisiert man Putin, daß durchaus militärische Ressourcen vorhanden sind, auf die er Acht geben muß. Das ist schon mal ein Pluspunkt. Dann --siehe oben-- wie will er eine Ablehnung begründen, wenn er doch sagt, daß so dringend etwas geschehen muß? Er kann ja nicht sagen: "Nur ich kann die Welt retten, indem ich auf meinem weißen Pferd über den Regenbogen reite und aus meinem Füllhorn Frühling und Frieden über die Ukraine gieße."

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Im Gegensatz zu Putins Propaganda ist die Ukraine ein selbständiger Staat mit einer demokratisch gewählten Regierung. Die kann man nicht einfach "opfern" oder das Wahlergebnis vorweg nehmen.
Entscheidend ist, wie die Wahlen ausgehen, das muß insbesondere der Westen respektieren.
Es ist ja eine honorige Einstellung, eine demokratisch gewählte Regierung zu respektieren, aber jetzt muß man damit leben, daß man diese Einstellung so lange nicht gelebt hat. Wie haben Sie gerade oben geschrieben? "Man fand die Maidan-Leute besser als Janukowitsch und hat moralische Rückendeckung gegeben." Was ist das für ein Respekt? Wenn z.B. in Frankreich Wahlen sind, gibt unsere Bundesregierung auch keine Rückendeckung an bestimmte Kandidaten, nur weil sie die besser findet. Wo wird auch das Wahlergebnis respektiert, demzufolge die Partei der Regionen die Mehrheit erziehlt hat? Warum üben diese Abgeordneten nicht ihr Mandat aus, wenn sie doch respektiert werden müßten?

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Richtig. Und deswegen bleiben uns im wesentlichen nur Sanktionen, auch wenn die nur langsam wirken.
Langsam heißt gar nicht. Oder glauben Sie, Rußland würde ein einmal annektiertes Gebiet wegen irgendwelcher Sanktionen jemals zurückgeben? Noch dazu ein Gebiet mit reichen Kohle- und Erzvorkommen? Man lernt mit den Sanktionen leben, knallt dem Westen immer ein beleidigtes "Veto!" vor den Latz, wenn der mal im Sicherheitsrat etwas will, und fertig ist. Man kann nicht nur die Ukraine abschreiben, auch die UN.

Erling Plaethe Offline




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17.04.2014 17:03
#389 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #384

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Bis auf einen: Das Chicken-Game. Die Sanktionen des Westens berücksichtigen ja den Umstand, dass Putin vor einer Wirtschaftskrise in seinem Land nicht zurückschreckt. Die wäre vielleicht so oder so gekommen. Es sind deshalb eben einzelne Politiker direkt betroffen. Er fährt also nicht nur sein Land wirtschaftlich gegen die Wand, sondern zeigt auch die finanziellen Risiken auf, die eine Vasallentreue zu ihm mit sich bringen.
Da verstehe ich Sie nicht. Meinen Sie, daß eine allgemeine Wirtschaftskrise für die Oligarchen nicht so unangenehm sei wie die jetzigen "persönlichen" Sanktionen?

Genau das meine ich.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #381
Zu der UN-Friedenstruppe: Gute Idee, scheitert aber am Veto Russlands (Ist auch eine Forderung des ukrainischen Übergangspräsidenten). Gegen Russlands Veto Truppen zu schicken ist keine Option weil die Bedingungen dafür nicht vorhanden sind (keine humanitäre Katastrophe).

Zitat von Emulgator im Beitrag #384
Ganz und gar nicht! Die humanitäre Katastrophe malt Putin selber an die Wand. Da müssen ihn alle nur beim Wort nehmen.

Der Westen ist besser beraten seinen eigenen Werten und Maßstäben zu folgen als denen Putins. Der Kosovo-Einsatz war meiner Ansicht nach grenzwertig. Darüber hinaus zu gehen wäre kaum mit diesen Werten vereinbar.

Zitat von http://www.dw.de/merkel-und-putin-uneins...aine/a-17571916
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich skeptisch zu einer möglichen Entsendung von UN-Friedenstruppen in die Ukraine. Ein solcher Schritt scheine derzeit nicht praktikabel, sagte Ban bei einem Besuch in Mexiko. "Solange wir kein eindeutiges Mandat vom und eine Autorisierung durch den Sicherheitsrat haben, kann ich nicht aktiv werden", erklärte er. Angesichts des Vetorechts Russlands im Weltsicherheitsrat erscheint ein solches Mandat allerdings äußerst unwahrscheinlich. Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow hatte in einem Telefongespräch mit Ban um Blauhelmsoldaten gebeten.


Zitat von Emulgator im Beitrag #384
Wenn die ukrainische Regierung ausländische Truppen einlädt, geht das auch ohne UN-Mandat. Ein UN-Mandat braucht man nur gegen den Willen der Ukraine. Die Regierung könnte mit der Einladung verbinden, sich freiwillig (naja, aber der Druck kommt im Endeffekt ja aus Rußland, nicht von der NATO) teilweise zu entmachten und die Sorge um die Sicherheit an eine gemischte und zu bildende Rußland-NATO-Truppe zu übergeben. Historisch gibt es zwar wenig Beispiele dafür, aber warum soll eine Regierung nicht sagen: "Das Land ist so gespalten, wir werden nicht mehr überall als legitime Macht anerkannt, soll eine neutrale Macht für Ruhe sorgen!"
Damit verlagert man das Spiel dorthin, wo Putin seine Schwächen hat. Man läßt der Ukraine Zeit, sich wirtschaftlich zu konsolidieren, demokratisch eine neue Regierung zu wählen und die Referenden abzuhalten.

Die NATO hat klar erklärt, dass sie sich nur für ihre Mitglieder militärisch einsetzt. Ein militärischer Einsatz muss auch vom Ende her gedacht werden können. Wie er beendet wird, ist mindestens so wichtig wie ihn zu beginnen.
Und wenn dies bedacht wird, dann spricht mehr gegen einen Einsatz. Der wichtigste Punkt ist sicherlich die militärische Stärke Russlands. Gegen Russland militärisch vorzugehen, und das wäre in der Ukraine schnell der Fall, gehört zu den schwerwiegendsten und folgenreichsten Entscheidungen die die NATO überhaupt treffen kann. Dafür muss mehr für die NATO-Mitglieder auf dem Spiel stehen als es derzeit der Fall ist.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Emulgator Offline



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17.04.2014 17:33
#390 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #387
Jede Stabilisierung in der Ukraine wäre ab jetzt eine Konsolidierung GEGEN Rußland. Denn jedem Ukrainer ist klar, daß die bisher nie wirklich für denkbar gehaltene russische Invasion eine reale Gefahr geworden ist.
Ich glaube seit Georgien macht man sich doch keine Illusionen mehr, oder? Nach diesem Krieg wurde erstmal der Pro-NATO-Juschtschenko abgewählt. Ich glaube, für die meisten Ukrainer ist nicht so wichtig, wer sie regiert, sondern wie.

Zitat von R.A. im Beitrag #387
Putin kann keine Stabilisierung zulassen. Er muß die Dinge in Fluß halten, und das tut er aktuell ja auch.
Kurzfristig stimmt das. Deswegen muß man ja Zeit gewinnen, in der sich nichts weiter verschlechtert. Langfristig wäre aber ein Failed State auch für Rußland nicht angenehm.

Zitat von R.A. im Beitrag #387
Und von der Machtpolitik abgesehen: Eine stabile Ukraine NACH dem Sieg der nach Westene orientierten Demokratiebewegung ist eine direkte Gefahr für Putins Stellung innerhalb Rußlands. Da kommen ja auch immer wieder Leute auf die Idee, daß Diktatur nicht mehr wirklich in die Zeit paßt ...

Derzeit ist ja fast nur von den Schwächen und Problemen der Ukraine die Rede. Es gibt aber auch Stärken und Vorteile. Z. B. hat die Ukraine von allen SU-Nachfolgestaaten außerhalb des Baltikums die freiesten Medien. Das wird auch in Rußland wahrgenommen. Russisch-Sprachige in der Ukraine haben eine Meinungsfreiheit, von der Russisch-Sprachige in Rußland nur träumen dürfen.
Das ist natürlich ein Punkt. Aber man sollte das nicht überschätzen. Wie meinungsbildend wirken österreichische Medien in Deutschland? Ist ein außenpolitisches Risiko schwerer als Youtube und Twitter abzuschalten? Putin wird es da leichter als Erdogan haben.

Zitat von R.A. im Beitrag #387
Weil er dieses "selbst fordert" jederzeit wieder zurücknehmen kann, wenn ihm die Konditionen der Abstimmung nicht passen.
Nein, das kann er nicht. Jeder ist an sein Wort gebunden, auch ein Diktator. Wenn er eine Drohung nicht wahrmacht, wird man seine künftigen Drohungen nicht mehr glauben. Wenn er sich nicht an eine Zusage hält, wird er künftig niemanden mehr besänftigen können. Ich kann Ihnen das auch bei Machiavelli zeigen.


Zitat von R.A. im Beitrag #387
Und "nicht passen" kann ja schon bedeuten, daß in der Ost-Ukraine NICHT seine Trupps das Sagen haben und die Abstimmung kontrollieren.
Es wird passen. Die Ukrainer werden nicht für einen NATO-Beitritt stimmen. Das kann Putin als Teilsieg betrachten. Im Grunde wird sich schon das Programm durchsetzen, mit dem Janukowitsch angetreten ist: EU, aber neutral. Man hat Janukowitsch da zu pessimistisch eingeschätzt.

Nola Offline



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17.04.2014 17:50
#391 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat
Aber irgendwann muß Deutschland sich die Frage stellen, ob man selber überhaupt noch russisches Gas beziehen will, ohne seine Glaubwürdigkeit mit den Sanktionsdrohungen zu verlieren.



Zitat
Richtig. Es muß eine mittelfristige Strategie auf den Tisch um ohne russische Energielieferungen auszukommen.



Wie soll das gehen? Stattdessen sieht anscheinend - zumindest in diesem Falle - niemand (bis auf die "Grünen") Handlungsbedarf.

Zitat

http://www.polenum.com/politik_energie_u...deals-befragen/

Die BASF-Tochter Wintershall will ihre 50-prozentige Beteiligung an dem Speicher sowie große Teile des deutschen Gashandelsmarktes an die Russen abgeben, um im Tausch dafür Förderlizenzen für Erdgas in Sibirien zu erhalten. RWE plant, die Gas- und Ölfördertochter Dea für 5,1 Milliarden Euro an den Fonds LetterOne des russischen Oligarchen Michail Friedman zu verkaufen. Aus Sicht der Grünen sind “die damit zusammenhängenden Bedenken für die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland von so großer Bedeutung, dass eine eigenständige Diskussion dazu zwingend erforderlich ist”, wie es in dem Schreiben an Ramsauer heißt. Deshalb rege man an, “den Vorstand des Energieversorgungsunternehmens RWE sowie der BASF zu diesem Tagesordnungspunkt einzuladen.” Der stellvertretende Fraktionschef von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, kritisiert, dass “russische Unternehmen gerade jetzt während der Ukraine-Krise deutsche Energieinfrastruktur in großem Stil übernehmen. Entgegen aller Sanktionsrhetorik hat die Bundesregierung mit diesen Geschäften kein Problem.” “Dass Deutschland und Europa sich damit noch weiter in die Abhängigkeit von Putin begeben, scheint der Regierung Merkel egal zu sein”, sagte Krischer der “Welt”.




Zitat

http://www.wiwo.de/unternehmen/industrie...st/9759924.html

14.04.2014, BASF hält an Tauschgeschäft mit Gazprom festQuelle: Handelsblatt Online
Der Chemieriese BASF plant, das Gasgeschäft seiner Tochter Wintershal im Tausch gegen Anteile an Erdgasfeldern in Sibirien an Gazprom zu geben. Daran hält Konzernchef Kurt Bock auch im Angesicht der Ukraine-Krise fest.

Der Chemieriese BASF hat das Anteilstauschgeschäft mit dem staatlichen russischen Gaskonzern Gazprom verteidigt. „Die Diskussion darüber, man würde uns den Gashahn abdrehen, finde ich absurd. Die Russen wollen liefern, das haben sie auch während des Kalten Krieges gemacht“, sagte der Chef des weltgrößten Chemiekonzerns, Kurt Bock, im Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Das Ludwigshafener Unternehmen und Gazprom hatten vereinbart, dass die BASF-Tochter Wintershall das Gashandels- und Gasspeichergeschäft vollständig an die Russen abgibt. Dafür erhält BASF im Gegenzug mehr Anteile an großen Erdgasfeldern in Sibirien. Der Anteilstausch soll Mitte des Jahres vollzogen werden.

Von Sanktionen gegen Russland hält der BASF-Chef nichts. Dann müsse man auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen und fragen, wer am meisten leidet. „Und man muss wissen, wie man von Sanktionen wieder herunterkommt“, sagte Bock. Politiker oder Historiker müssten entscheiden, ob Boykott-Maßnahmen zu einem Wandel führten. „Ich habe da meine Zweifel.“ BASF erwirtschaftet derzeit etwa eine Milliarde Umsatz mit Kunden in Russland. Zudem ist der Konzern an der Erdgasförderung in Sibirien beteiligt. Der Gesamtumsatz von BASF lag 2013 bei rund 74 Milliarden Euro.



♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Fluminist Offline




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17.04.2014 17:58
#392 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #386
Von "Nibelungentreue" war m. W. nie die Rede. Man fand die Maidan-Leute besser als Janukowitsch und hat moralische Rückendeckung gegeben. Aber von Hilfe gegen eine (damals noch völlig unvorstellbare) russische Militärintervention war nie die Rede.

Die moralische Rückendeckung der Weltsuperpower kann schon leicht ein paar Provinzköpfe verdrehen. Die Auftritte Nulands und Kerrys auf dem Maidan waren für die USA vielleicht nur eine Geste, hatten aber für die Ukrainer gewiß den Charakter eines weitreichenden Versprechens. Und es ging ja noch weiter, nach seinem Amtsantritt wurde Jatsenjuk auffallend, ja geradezu demonstrativ herzlich in Washington aufgenommen; auch daß er und seine Regierung weiterhin als Hauptinformationsquelle für das State Department dienen (wie er aus dem Munde Jen Psakis bestätigt finden wird) stärkt ihm sicher den Rücken.
Zitat von R.A. im Beitrag #386
Und das mit dem Sprachengesetz war eine Schnapsidee von Leuten, die gar keinen Plan von den internationalen Gegebenheiten hatten.

"Schnapsidee" - völlige Zustimmung. Aber von welchen Leuten genau sprechen Sie hier? Daß die Figuren von Swoboda und Pravyi Sektor über die Grenzen ihrer ukrainischen Nation nicht hinausdenken (und ja z.B. auch die EU-Assoziation ablehnen) glaube ich gern, aber Jatsenjuk, der sich für die ukrainische Sprache stark macht und auf alle Fälle als Ministerpräsident für das Sprachgesetz mitverantwortlich ist, ist mit Sicherheit keiner, der "gar keinen Plan von den internationalen Gegebenheiten" hat; er war immerhin schon mal ukrainischer Außenminister und hat bekanntlich sehr gute Beziehungen in die USA.
Nein, so naiv und unschuldig sind die ukrainischen Politiker bei dem ganzen Trauerspiel auch nicht, die wissen schon, was sie da anrühren. Daß ihnen der Hexenkessel jetzt überkocht und sie damit etwas überfordert sind, mag sein, aber daß die Ukraine auf einmal im Fokus des internationalen Geschehens steht, paßt ihnen schon ganz gut in den Kram.

Emulgator Offline



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17.04.2014 18:07
#393 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #389
Der Westen ist besser beraten seinen eigenen Werten und Maßstäben zu folgen als denen Putins. Der Kosovo-Einsatz war meiner Ansicht nach grenzwertig. Darüber hinaus zu gehen wäre kaum mit diesen Werten vereinbar.
Wir könnten das ganze ja locker sehen: Wenn die Ukraine so vertrottelt ist, Gebiete an Rußland zu verlieren --selber Schuld. Aber die Ukraine hat im Tausch für Atomwaffen ihre territoriale Integrität garantiert bekommen. Wenn das nichts Wert ist, können wir uns die ganze Nonproliferationssachen sparen. Dann ist es immer sinnvoll, Atomwaffen zu haben. Positive Folge wäre lediglich, daß dann Atommüll nicht komplizierter zu lagern sein würde als normaler hochgiftiger Müll.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #389
Die NATO hat klar erklärt, dass sie sich nur für ihre Mitglieder militärisch einsetzt.
Mal Hü, mal Hott! Die UCK war kein NATO-Mitglied und trotzdem hat man faktisch Partei für sie ergriffen. Man muß auch mal erklären, warum man EU-Battlegroup und Eurokorps zur Führung von Interventionstruppen in Europa unterhält. Diese Stäbe hat man aufgestellt, als immer mehr Staaten EU- und NATO-Mitglieder wurden. Die sind gewissermaßen inhärent stabil, sonst wären sie nicht aufgenommen worden. Bleiben als mögliche Einsatzländer in Europa, die nicht zu EU oder NATO gehören nur noch Mazedonien, Serbien, BIH, die Schweiz, Moldawien, Weißrußland und eben die Ukraine. Die Konflikte in Jugoslawien sind ausgetobt. Also wirklich nur noch Moldawien, Ukraine und Weißrußland. Das scheint wohl bisland nur Putin aufgefallen zu sein!?

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #389
Ein militärischer Einsatz muss auch vom Ende her gedacht werden können. Wie er beendet wird, ist mindestens so wichtig wie ihn zu beginnen.
Da hätte man ja aus dem Afghanistan-Debakel gelernt.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #389
Der wichtigste Punkt ist sicherlich die militärische Stärke Russlands. Gegen Russland militärisch vorzugehen, und das wäre in der Ukraine schnell der Fall, gehört zu den schwerwiegendsten und folgenreichsten Entscheidungen die die NATO überhaupt treffen kann.
Nein, das ist tatsächlich unmöglich. Man muß schnell Einvernehmen mit Putin erzielen. Das gelingt aber nicht, wenn man permanent fordert und nichts dafür gibt. Der Haken ist ja nur, daß man nicht einfach ihm die ganze Ukraine geben kann, wegen der Atomwaffengeschichte.

Nola Offline



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17.04.2014 18:09
#394 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #390
Zitat von R.A. im Beitrag #387
Jede Stabilisierung in der Ukraine wäre ab jetzt eine Konsolidierung GEGEN Rußland. Denn jedem Ukrainer ist klar, daß die bisher nie wirklich für denkbar gehaltene russische Invasion eine reale Gefahr geworden ist.


Zitat
Ich glaube seit Georgien macht man sich doch keine Illusionen mehr, oder? (...)


Echt? Dann ist das wohl zur Bundesregierung nicht durchgedrungen, denn die hat sich offensichtlich zum restlichen Europa für ein Nickerchen aufs Sofa begeben. Auch ist der folgende Vertrag ganz eindeutig kommentiert worden. Außenpolitisch hätten alle Alarmglocken donnern müssen, stattdessen dengelten lauschige Klingelzeichen in den Schlaf.


Zitat:
Sewastopol bleibt weitere 25 Jahre russischer Marinestützpunkt (Zusammenfassung)
Thema: Moskau und Kiew erzielen Einigung zu Schwarzmeerflotte und Gaspreis
21/04/2010
CHARKOW, 21. April (RIA Novosti). Die Ukraine hat der russischen Schwarzmeerflotte erlaubt, auch nach 2017, dem Ablaufjahr des geltenden Vertrages, Sewastopol auf der Halbinsel Krim als Stützpunkt zu nutzen. Der Stationierungsvertrag wurde um 25 Jahre mit der Option auf weitere fünf Jahre verlängert.

Der neue Vertrag wurde am Mittwoch im Beisein der Präsidenten beider Staaten, Dmitri Medwedew und Viktor Janukowitsch im ostukrainischen Charkow signiert. Im Gegenzug wird die Schwarzmeerflotte laut Medwedew den Sozialsektor und die Wirtschaft der Stadt Sewastopol unterstützen. „Die Verlängerung der Stationierung der Schwarzmeerflotte, die wir gerade erst mit unseren Unterschriften besiegelt haben, hat für uns eine besondere Bedeutung“, sagte Medwedew auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Janukowitsch.

„Deshalb sind wir daran interessiert, dass der russische Stützpunkt nicht nur für die Sicherheit in der Region sorgt und bei der Klärung von Problemen an der Grenze hilft, sondern auch Sewastopol bei der Bewältigung der akutesten Sozial- und Wirtschaftsaufgaben unterstützt.“ Er werde den Verteidigungsminister und den Marinechef mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Vertrags beauftragen, sagte Medwedew.



edit: Hervorhebung eingefügt

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

17.04.2014 20:08
#395 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #393

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #389
Die NATO hat klar erklärt, dass sie sich nur für ihre Mitglieder militärisch einsetzt.
Mal Hü, mal Hott! Die UCK war kein NATO-Mitglied und trotzdem hat man faktisch Partei für sie ergriffen. Man muß auch mal erklären, warum man EU-Battlegroup und Eurokorps zur Führung von Interventionstruppen in Europa unterhält. Diese Stäbe hat man aufgestellt, als immer mehr Staaten EU- und NATO-Mitglieder wurden. Die sind gewissermaßen inhärent stabil, sonst wären sie nicht aufgenommen worden. Bleiben als mögliche Einsatzländer in Europa, die nicht zu EU oder NATO gehören nur noch Mazedonien, Serbien, BIH, die Schweiz, Moldawien, Weißrußland und eben die Ukraine. Die Konflikte in Jugoslawien sind ausgetobt. Also wirklich nur noch Moldawien, Ukraine und Weißrußland. Das scheint wohl bisland nur Putin aufgefallen zu sein!?

Und ich dachte jetzt haben wir mal eine längere Putin-Propaganda-Pause...
Aber gut. "Man unterhält" EU-Battlegroup und Eurokorps weil die NATO eben keine "halbe Leiche" (O-Ton Putin) sondern das am besten arbeitende Militärbündnis der Welt ist und die wichtigste Vorraussetzung um überhaupt robuste Mandate des UN-Sicherheitsrates ausführen zu können. So gesehen sind beide eine Reaktion auf die Auforderungen der UN an ihre Mitglieder sie bei der Umsetzung von Sicherheitsratsbeschlüssen aktiv zu unterstützen. Da Nationen der NATO im Sicherheitsrat sehr stark vertreten sind, ist es nur logisch, dass die NATO bei solchen Einsätzen eine tragende Rolle spielt. Sie und die genannten Gruppen sorgten bisher dafür, dass der Sicherheitsrat überhaupt von Bedeutung ist.
Ob das auch für die Zukunft gilt, kann bezweifelt werden.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

18.04.2014 01:09
#396 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #383
Aber Putins Spruch vom Zerfall der SU als Katastrophe und sein Handeln sind schon starke Indizien in diese Richtung.
Indizien dafür, dass er auf Expansion setzt. Aber derer bedarf es ja nicht mehr. Wie weit er gehen will, und unter welchen Bedingungen er das zu tun bereit ist, geht daraus aber nicht hervor.
Zitat von R.A. im Beitrag #383
Natürlich gibt es Leute vor Ort, die sich nach Rußland orientieren. Aber die übrige Bevölkerung ist nie gefragt worden.
Nein. Aber man merkt auch so, wie die Stimmung in den jeweiligen Gebieten ist. Der Fisch im Sinne Maos braucht das Wasser. Ohne es hat er keine Aussicht auf Erfolg. Nach allem, was ich erfahre, scheint es jedenfalls im Osten der Ukraine so zu sein, dass die Regierung in Kiew viel weniger Vertrauen genießt als Putins Russland. Ohne dass dieselben Menschen gleich Teil davon werden wollten. Aber das eröffnet Putin eben genau diesen Spielraum.
Zitat von R.A. im Beitrag #383
Wenn ihm 30% reichen, dann hat er fast die komplette frühere SU in Reichweite.

Aber eben nur fast. Kern-Moldawien z.B. gehörte dann nicht mehr dazu. Estland und Lettland kämen mit über einem Viertel in Frage. Aber das sind NATO-Mitgliedsstaaten, von denen Putin die Finger lassen wird, wenn er keinen echten Krieg haben will.
Zitat von R.A. im Beitrag #383
Es ist ja auch logisch zuerst die Gebiete mit russischer Minderheit "heim ins Reich" zu holen. Ansonsten geht er ja auch rational vor: Er greift da zu, wo sich durch irgendwelche lokalen Entwicklungen Chancen bieten. Das bestimmt im wesentlichen die Prioritäten.
Aber Transnistrien mit seiner fast völligen Bedeutungslosigkeit und dem niedrigen Russen-Anteil zeigt, daß er wohl keinen früheren SU-Teil verschmäht.
Sorry, aber 30% sind nicht niedrig. Schon gar nicht im Vergleich zur Bevölkerung des Kernlands, die eben nicht die übrigen 70% ausmacht, sondern einem weiteren Drittel Ukrainer den Vortritt lassen muss.
Zitat von R.A. im Beitrag #383
Den Streß hat er sich in Tschetschenien sehr wohl angetan.
Tschetschenien hat er geerbt. Das ist eine ganz andere Geschichte. Was russisch ist, wird er natürlich russisch lassen wollen, auch um diesen Preis. Bei Neuerwerbungen sieht das anders aus, was ja auch nachvollziehbar ist: Das bereits in Besitz Genommene betrachtet jeder anders als das neu zu Erwerbende.
Zitat von R.A. im Beitrag #383
Die Westukraine mit ihrem habsburgischem Hintergrund hätte mittelfristig deutlich bessere Entwicklungschancen als diverse Balkanländer.
Und womit? Und vielleicht auch nur dann, wenn die EU nicht wegen des Konflikts sofort Gelder hineinpumpen würde. Was sie aber auf jeden Fall tun wird. Vergiss es. Die Westukraine ist der nächste Kostgänger der EU, und wir werden in Deutschland bald viele Ukrainer begrüßen können.
Zitat von R.A. im Beitrag #383
Die chinesische Minderheit in Sibirien ist schon vorhanden. Und er hat vorexerziert wie man solche Minderheiten nutzt, wenn man militärisch stärker ist.
Als getreuer Jünger Tom Clancys behaupte ich mal: Sibiren ist den Chinesen zunächst völlig egal. Die spechten eher auf ihren direkten Vorhof im ostchinesischen Meer und drum herum. Alle jüngsten Konflikte mit China deuten auch in diese Richtung. Da käme es ihnen natürlich sehr gelegen, wenn die USA gerade anderweitig beschäftigt wären.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

18.04.2014 11:31
#397 RE: Militärintervention, egal wohin Antworten

Zitat
Die Westukraine ist der nächste Kostgänger der EU, und wir werden in Deutschland bald viele Ukrainer begrüßen können.


Sehe ich genauso. Man schaue sich dieses Land mal bitte im Atlas an. Ob das nicht vielleicht doch eine Nummer zu groß ist? Reichen uns Griechenland, Rumänien und Bulgarien noch nicht?

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.04.2014 14:29
#398 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #395
"Man unterhält" EU-Battlegroup und Eurokorps weil die NATO eben keine "halbe Leiche" (O-Ton Putin) sondern das am besten arbeitende Militärbündnis der Welt ist und die wichtigste Vorraussetzung um überhaupt robuste Mandate des UN-Sicherheitsrates ausführen zu können.
UN-Sicherheitsrat. Also wenn Putin zustimmt. Dann kann er doch entscheiden, ob diese Korps eine halbe Leiche sind oder nicht. (Im Englischen ginge da ein lustiges Wortspiel).

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #395
Da Nationen der NATO im Sicherheitsrat sehr stark vertreten sind, ist es nur logisch, dass die NATO bei solchen Einsätzen eine tragende Rolle spielt. Sie und die genannten Gruppen sorgten bisher dafür, dass der Sicherheitsrat überhaupt von Bedeutung ist.
Den Eindruck kann man bekommen, weil über Friedenseinsätze unter Beteiligung von NATO-Mitgliedern bei uns mehr berichtet wird. Die tragende Rolle spielen in Wahrheit aber Länder wie Pakistan, Indien, Indonesien, Ghana, Bangladesch und Malaysia. (Die UN hilft den Truppenstellern nämlich beim Sold aus). Irgendwann kommt ein Halb-NATO-Mitglied, Frankreich, und erst zum Schluß mit Kleckerbeiträgen die anderen sich ach so wichtig fühlenden Länder wie D, USA, RU, VRC, GB.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

18.04.2014 16:42
#399 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #398
Den Eindruck kann man bekommen, weil über Friedenseinsätze unter Beteiligung von NATO-Mitgliedern bei uns mehr berichtet wird. Die tragende Rolle spielen in Wahrheit aber Länder wie Pakistan, Indien, Indonesien, Ghana, Bangladesch und Malaysia. (Die UN hilft den Truppenstellern nämlich beim Sold aus). Irgendwann kommt ein Halb-NATO-Mitglied, Frankreich, und erst zum Schluß mit Kleckerbeiträgen die anderen sich ach so wichtig fühlenden Länder wie D, USA, RU, VRC, GB.

Richtig, hier ist die aktuelle Statistik: http://www.un.org/en/peacekeeping/contri...014/mar14_1.pdf
Ein paar Länder, die oben vergessen wurden:
Äthopien mit 6,622 Personen
Nepal mit 4,709 Personen (zum Vergleich Indien stellt 7,923 Personen)
Ruanda mit 4,786 Personen

Deutschland stellt magere 259 Männer und Frauen.

Natürlich gibt es auch friedenserhaltende Einsätze abseits der UN, so wie KFOR im Kosovo.


Bitte denken Sie an die Umwelt bevor Sie diesen Kommentar ausdrucken

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

18.04.2014 19:14
#400 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #399
Zitat von Emulgator im Beitrag #398
Den Eindruck kann man bekommen, weil über Friedenseinsätze unter Beteiligung von NATO-Mitgliedern bei uns mehr berichtet wird. Die tragende Rolle spielen in Wahrheit aber Länder wie Pakistan, Indien, Indonesien, Ghana, Bangladesch und Malaysia. (Die UN hilft den Truppenstellern nämlich beim Sold aus). Irgendwann kommt ein Halb-NATO-Mitglied, Frankreich, und erst zum Schluß mit Kleckerbeiträgen die anderen sich ach so wichtig fühlenden Länder wie D, USA, RU, VRC, GB.

Richtig, hier ist die aktuelle Statistik: http://www.un.org/en/peacekeeping/contri...014/mar14_1.pdf
Ein paar Länder, die oben vergessen wurden:
Äthopien mit 6,622 Personen
Nepal mit 4,709 Personen (zum Vergleich Indien stellt 7,923 Personen)
Ruanda mit 4,786 Personen

Deutschland stellt magere 259 Männer und Frauen.

Natürlich gibt es auch friedenserhaltende Einsätze abseits der UN, so wie KFOR im Kosovo.

Aha, was ist dem Kriegsgerät, der Logistik, der Beschaffung von Daten? Ich frag ja nur. Sie, lieber xanopos, schienen mir auf diesem Gebiet immer ein Fachmann zu sein. Aber vielleicht liege ich ja wirklich völlig falsch und in Zukunft kann sich die NATO völlig heraushalten wenn sie eh nicht gebraucht wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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