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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 775 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.03.2014 16:26
#251 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #250
Zitat von adder im Beitrag #246
Im Englischen wird für Deutsch German und für die Deutschen the Germans verwendet. Für Germanisch verwenden die Briten Germanic und für die Germanen the Teutons.

Das ist mir neu und deckt sich überhaupt nicht mit dem was ich aus dem englischsprachigen Raum gelesen und gehört habe. Gibt es dafür einen Link oder ein Beispiel?

Ich hoffe die Bezüge bei den Zitaten richtig verstanden und zugeordnet zu haben ...

Links kann ich jetzt nicht geben, aber ich höre regelmäßig podcasts etc. wo qualifizierte englische Historiker über solche Themen sprechen.

Und da ist es dann so, daß "germanic" das Schlüsselwort für die Germanen ist. D.h. es wird weder "germans" noch "teutons" für die Leute verwendet, die im Deutschen "Germanen" genannt werden. Sondern das sind "germanic tribes" oder "germanic peoples".

Was ich für sehr angemessen halte um diese Leute zu bezeichnen - die zwar viele Gemeinsamkeiten haben, aber nie eine Einheit gebildet haben.

Das deutsche "Germanen" ist zwar nicht falsch, kann aber eine solchen Einheitsidee suggerieren.

adder Offline




Beiträge: 1.073

26.03.2014 18:25
#252 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #250
Zitat von adder im Beitrag #246
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #245
Zitat von Fluminist im Beitrag #244
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #243
Lieber Fluminist, in einem Land das einen Unterschied macht zwischen Germanen und Deutschen, mag man solche Spitzfindigkeiten ja zu schätzen wissen.

Lieber Erling Plaethe, in welchem Land macht man denn keinen Unterschied zwischen Germanen und Deutschen? Für mich sind das keineswegs gleichbedeutende Begriffe. Die Krimgoten z.B. (um einigermaßen beim Thema zu bleiben) waren Germanen, aber sie waren keine Deutschen (obwohl ein gewisser Österreicher das mal gerne so gesehen hätte).

Gilt das auch für die Gewinner der Varusschlacht? Wie soll denn der Unterschied semantisch klarwerden, z.B. im englischsprachigen Raum?


Zu 1) Die Gewinner der Varusschlacht waren Chauken (ein Stamm der später in den Sachsen aufging) - also Germanen, aber keine Deutschen (die sprachlich von den Teutonen hergeleitet werden) - die Chauken und ihre Nachfahren sprachen auch nicht "deutsch", sondern niedersachsisch - eine Sprache, die mit dem niederfränkisch so verschiedene Sprachen wie Niederländisch oder Ammerländisches Platt gebildet hat.

zu 2) Das ist doch einfach. Im Englischen wird für Deutsch German und für die Deutschen the Germans verwendet. Für Germanisch verwenden die Briten Germanic und für die Germanen the Teutons.


zu 1) Die Varusschlacht wurde von einem Bund germanischer Stämme unter Führung der Cherusker gewonnen.


In der neueren Forschung ist eine Meinung eben die, dass die Chauken, ein Stamm der um die Zeitenwende herum bis etwa 200 n.C. zwischen den Friesen, Cheruskern und den Sachsen lebte, die größte an der Varusschlacht beteiligte Volksgruppe auf germanischer Seite war. Aber auch der weit kleinere Volksstamm der Cherusker (wobei diese Bezeichnung wahrscheinlich von Tacitus geprägt war und nicht unbedingt von den Germanen identisch verwendet worden sein muss), sind (spätestens im 4. Jhd.) von den Sachsen assimiliert worden.

Arminius war zumindest laut Tacitus ein Cherusker. Tacitus nennt aber auch die anderen an der Schlacht beteiligten Stämme ausführlich und mit Namen - so dass nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass die gesamte Führung cheruskisch war. Und was wichtiger ist: Tacitus ist der erste, der überhaupt in diesem Zusammenhang von den Cheruskern spricht (etwa 90 Jahre nach der Varusschlacht) - Velleius Patercullus, der Zeitgenosse war, nennt keine Namen der beteiligten Volksstämme.
Letztlich aber egal - denn auch im Siedlungsgebiet der Cherusker wurde niedersachsisch gesprochen, welches sich mit dem niederfränkisch vermengte.

Zitat
Und zu den Teutonen:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Teutonen#De..._in_der_Neuzeit
Der Volksname Deutsche stammt nicht von dem Namen der „Teutonen“ ab. Deutsch geht – wie das italienische tedesco – auf das Althochdeutsche theodisk, diutisc aus der germanischen Wurzel theoda für Volk oder Stamm zurück. Es bedeutete ursprünglich so viel wie zum Volk gehörig oder die Sprache des Volkes sprechend und wurde seit spätkarolingischer Zeit zur Bezeichnung der nicht romanisch sprechenden Bevölkerung des Frankenreichs, aber auch der vom Festland stammenden Angelsachsen benutzt.




http://en.wikipedia.org/wiki/Teutons

Zitat
This article is about the tribe known in Latin as the Teutones. The term "Teutons" also may refer to the Germanic peoples collectively or the Germans in particular. It also may be used a shorthand for the Teutonic Knights.



Zitat
zu 2) Das ist mir neu und deckt sich überhaupt nicht mit dem was ich aus dem englischsprachigen Raum gelesen und gehört habe. Gibt es dafür einen Link oder ein Beispiel?



http://en.wikipedia.org/wiki/Germanic_peoples
Die Verwendung von Germanic vs. German ist mir allerdings absolut vertraut. Ebenfalls - und da bin ich selbst von meinem ersten Wiki-Link etwas überrascht - Teutons als spezielle Bezeichnung für Germanen. Allerdings klingt Germanic tribes in meinen Ohren auch etwas weniger abwertend als Teutons - vielleicht liegt es also auch an der Stoßrichtung.

adder Offline




Beiträge: 1.073

26.03.2014 18:43
#253 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #251
Sondern das sind "germanic tribes" oder "germanic peoples".

Was ich für sehr angemessen halte um diese Leute zu bezeichnen - die zwar viele Gemeinsamkeiten haben, aber nie eine Einheit gebildet haben.

Das deutsche "Germanen" ist zwar nicht falsch, kann aber eine solchen Einheitsidee suggerieren.



Das ist ein interessanter, und absolut richtiger, Aspekt. Unsere Vorfahren werden sich kaum als ein großer Volksstamm empfunden haben - Angehörige einer Völkergruppe mit ähnlicher Kultur, ganz ähnlich zu den Kelten (die ja auch nicht "ein Volk" waren), ja. Brüder und Schwestern eines Volkes, nein.
Alleine die brutalen Kriege, die die Germanen untereinander ausgefochten haben, beweisen ja auch die Uneinigkeit (prominentestes Beispiel Franken und Sachsen, aber auch die Eroberungskriege der sächsischen Königreiche in Brittanien untereinander). Gleichzeitig waren sich benachbarte Stämme meist so ähnlich, dass eine Assimilation ohne Probleme möglich blieb (Chauken, Cherusker, Angeln durch die Sachsen, Quaden, Jazygen und Markomannen durch Vandalen und Goten etc. pp.).

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.03.2014 19:27
#254 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #247
Putin hat dann mit seinem Narrativ, er müsse seine Landsleute in der Ukraine beschützen, die seitens des Westens übliche Begründung militärischen Eingreifens mit humanitären Gründen parodiert. Richtig ernst nimmt das wohl keiner.

Doch, lieber Fluminist, und wie ernst. Putin macht keine Witze, der macht ernst. Und deswegen sollte man ihn auch ernst nehmen, m.E.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #245
Die Komplexität der ukrainisch/russischen Wirklichkeit ist zu beachten, wenn man die Zerrissenheit und Spaltung der Ukraine bespricht. Die hat aber viel weniger ethnische Ursachen, sondern ist der der massiven Einmischung Russlands geschuldet. Russland hat dieses Land destabilisiert und jetzt nimmt es dies als Grund um sich Teile des Landes oder das gesamte Land anzueignen. Um in dieser Region die "größte, geopolitische Katastrophe des 20. Jh." zu revidieren.

Zitat von Fluminist im Beitrag #247
Eben um die Zerrissenheit und Spaltung der Ukraine zu verstehen, finde ich Kappelers Text hilfreich, auch wenn er natürlich nicht alles erklärt. Eingriff von außen mag dabei eine gewisse Rolle spielen, aber es gibt doch auch tieferliegende Gründe. Die hier gezeigten Karten, in denen die Wahlergebnisse 2010 mit der Sprachverteilung verglichen werden, geben zu denken; daraus folgt nicht schlüssig, daß man die Ukraine aufteilen sollte, aber es folgt eben doch, daß jede Regierung der Ukraine mit der ethnischen Frage sehr behutsam umgehen muß, um die Einheit des Landes nicht zu gefährden. Und da waren Jatsenjuk & Co zunächst einmal die Elefanten im Porzellanladen - ob aus Dummheit oder wegen irgendeiner versteckten Agenda, ist schwer zu sagen.


Da ich mich nicht immer wiederholen will, zitiere ich mal aus einem sehr aufschlussreichen Interview mit Wiktor Juschtschenko, welches ich gerade entdeckt habe:

Zitat von http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-66803948.html
SPIEGEL: Könnte auf der Krim Ähnliches passieren wie in den von Georgien abgespaltenen Provinzen Abchasien und Südossetien - eine von Moskau ermunterte Sezession?

Juschtschenko: Dafür gibt es keine inneren Gründe. Das Problem entsteht erst, wenn irgendwer irgendwie die Krim-Karte spielt, da lässt sich ernsthaftes Bedrohungspotential aufbauen. Als Präsident tue ich alles, um das zu verhindern.

SPIEGEL: Es gibt bereits Aufrufe von Russen auf der Krim, Moskau solle die Abspaltung unterstützen - notfalls mit einem Krieg gegen die "dummen Leute", die derzeit in Kiew an der Macht seien.

Juschtschenko: Wie sich die Lage entwickelt, wird wesentlich von Russland abhängen. Schon 1993 hatte das russische Parlament die Hafenstadt Sewastopol zu einer russischen Stadt erklärt; das war eine offizielle Entscheidung, sie ist noch immer in Kraft. Dieser Beschluss zeigt, dass es Kräfte gibt, die auf eine Destabilisierung der Krim setzen.

SPIEGEL: Der Druck, den Moskau ausübt, hat auch einen anderen Grund: Es will offenbar um jeden Preis verhindern, dass die Ukraine Aufnahme in die Nato findet.

Juschtschenko: Man muss sich klarmachen, warum Russland die Entwicklung einer jungen Demokratie an seiner Grenze so eifersüchtig betrachtet. 1654 hat die Ukraine ihre Souveränität verloren, sie wurde zu einer Randprovinz im russischen Imperium. Im 20. Jahrhundert hat die Ukraine sechsmal ihre Unabhängigkeit erklärt und sie fünfmal wieder verloren. Für uns ist der Verlust der Souveränität keine theoretische Gefahr, sondern die Lebenserfahrung vieler Generationen. Wir haben immer nur aus einem Grund unsere Souveränität verloren: weil wir Opfer von Machtspielen wurden. Deswegen suchen wir heute unsere Sicherheit in der Nato, einem Bündnis von Demokratien, zu dem bereits Polen, Tschechen, Litauer, Letten und Esten gehören.


Viele Grüße, Erling Plaethe

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

26.03.2014 19:51
#255 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Ich habe noch nicht begriffen, weshalb die Abspaltung des Kosovo von Serbien, betrieben durch Freischärler, eine legitime Aktion ist, eine ebensolche Abspaltung der Krim aber nicht. Gestern war in einer Nachrichtensendung eine von der Krim nach Kiew geflüchtete Ukrainerin zu sehen, die nicht in einem von Russen beherrschten Staat leben will. Als das gleiche im Kosovo passierte - Serben, die sich plötzlich in einem anderen Staat wiederfanden und unter Umständen noch nicht einmal zum Flüchten kamen, war das offenbar ganz in Ordnung.
Wie ich schon einmal schrieb, wurde lange vor der jetzigen Krim-Krise Putin als der Oberbösewicht aufgebaut - mag ja sein, daß er das ist, nur läßt man die anderen Bösewichte in anderen Staaten (von denen es wahrlich genug gibt) auffallend in Ruhe.
Vollends kurios wurde es, als dieser Tage in einer (seriösen) Zeitung die "Vaginal- und Schamlippenrebellinnen" zitiert wurden, denen zufolge Putin Demokratie etc. beigebracht werden müßte. Für mich ist das so, als ob eine russische Zeitung Bushido zitieren würde, der die Demokratiedefizite Deutschlands kritisiert.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.03.2014 21:58
#256 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von alteseuropa im Beitrag #255
Ich habe noch nicht begriffen, weshalb die Abspaltung des Kosovo von Serbien, betrieben durch Freischärler, eine legitime Aktion ist, eine ebensolche Abspaltung der Krim aber nicht.

Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass es sich im Fall der Krim nicht um eine Abspaltung handelt, sondern um eine Annexion und auch nicht um Freischärler, sondern russische Truppen deren einziges Ziel die Eroberung eines Gebietes ist.
Auch dieses Argument wird von der russischen Propaganda rauf und runter gebetet.
Und ebenso ähnelt sich die Situation der Einwohner beider Gebiete nicht.
Der Vergleich dient lediglich der Diskreditierung der NATO die einen Völkermord an der Zivilbevölkerung in Bosnien, mit KZ-ähnlichen Lagern, beendet hatte.
Zwei Jahre später entwickelte sich der Kosovo-Konflikt ganz ähnlich. 1999 gab es wegen des Krieges zwischen der UCK und den Serben und von 460.000 Flüchtlingen allein nach Albanien, die Befürchtung Milosevics Strategie der ethnischen Säuberung werde von ihm nun auch im Kosovo angewandt. Das hat die NATO versucht zu verhindern.
Im Ergebnis war die Unabhängigkeit des Kosovo eine Sezession. Die Krim dagegen wurde ihrer weitgehenden Unabhängigkeit beraubt und von russischen Truppen besetzt und annektiert.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Martin Offline



Beiträge: 4.129

27.03.2014 08:47
#257 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von alteseuropa im Beitrag #255
Ich habe noch nicht begriffen, weshalb die Abspaltung des Kosovo von Serbien, betrieben durch Freischärler, eine legitime Aktion ist, eine ebensolche Abspaltung der Krim aber nicht.


Lieber alteseuropa,

wie so Vieles ist auch dies eine Frage der Deutungshoheit. Formal wird in solchen Fällen ein Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende man dann den Schiedsspruch nachlesen kann. Der europäische Gerichtshof hat zur territorialen Zugehörigkeit des Kosovo nicht Stellung bezogen, vor den UN wird es ohne die Zustimmung Russlands keine Anerkennung als eigenständiger Staat geben. Im Fall von Südossetien wurde Russland auch lange beschuldigt, den letzten Konflikt losgetreten zu haben, der EuGH hat der russischen Position zugestimmt (die Diskussion darüber mit Zettel war einer meiner ersten Beiträge im ZR, und ich bin sozusagen vom EuGH damals bestätigt worden). Südosseten wurde allerdings nicht Teil der russischen Föderation, die Eigenständigkeit ist nur von wenigen Staaten anerkannt. Die Eigenständigkeit des Kosovo ist immerhin von knapp der Hälfte der UN-Mitgliedsstaaten nicht anerkannt.

Im Fall der Krim wird nun Annexion behauptet (behaupten darf jeder mal), eine Klage vor dem EuGH ist zu erwarten, der Ausgang ebenso. Im Vergleich zum Kosovo dürfte es schwer fallen, die Rechtmäßigkeit einer Unabhängigkeitserklärung nicht anzuerkennen. Man wird über den Begriff 'Annexion' gutachterlich streiten (gab es Gewaltanwendung seitens der Russen?), der Ausgang ist abzuwarten. Rechtlich wird er keine Bedeutung haben. Die UN werden die Krim jedenfalls nicht als Teil Russlands anerkennen, es sei denn, es käme zu einem Deal mit dem Kosovo.

Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass mit Gerhard Schröder einer der beteiligten Entscheidungsträger für einen Angriff auf Serbien inzwischen eingeräumt hat, dass er dies wohl im Bewusstsein entschieden hatte, dass Deutschland damit gegen Internationales Recht verstoßen werde. Konterkariert dieses Zugeständnis nicht nachträglich die EuGH-Entscheidung zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo?

Klar ist, dass sowohl im Kosovo, in Südossetien, als auch auf der Krim die de facto Situation nur durch Militärpräsenz gewährleistet werden kann/konnte. Immerhin gibt es auf der Krim eine historisch begründbare russische Präsenz. Im Kosovo haben sich dagegen die USA mit Camp Bondsteel so breit gemacht, wie es nur geht. Wahrscheinlich begründet sich das darauf, dass in den USA ein paar aus dem Kosovo stammende Einwanderer gibt. Immerhin gibt es noch den Unterschied, dass der Kosovo noch nicht Aufnahme in der US-Föderation gefunden hat. Aber Costa Rica lässt grüßen.

In jedem Fall denke ich, dass die russische Unterstützung der Unabhängigkeitsbestrebungen auf der Krim haarscharf entlang der Grenze zur Angreifbarkeit in Sachen 'Annexion' gewährt wurde. Die Russen waren in solchen Fragen bisher die Korrekteren. Zudem dürfte Putin einer der in solchen Fragen bestgebildeten und damit auch berechenbarsten Regierungschefs sein.

Obama halte ich wegen seiner Schwäche für gefährlicher. Über Russland als schwache Regionalmacht zu spotten mag ja für journalistisch und hinterbänklerisch tätige Sandkastengeneräle angehen, für einen Präsidenten der USA ist es aber unprofessionell und Ausdruck der Schwäche, auch gegenüber den Falken im eigenen Land. Es steckt aber auch ein Stück Unberechenbarkeit darin.

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

27.03.2014 12:43
#258 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall der Krim wird nun Annexion behauptet ...

Wie viel deutlicher kann Annexion eigentlich noch sein?
Putin schickt Truppen, belagert die Truppen des angegriffenen Landes und besetzt dann die Stützpunkte und vollzieht derzeit den Anschluß der Krim an Rußland.
Da fehlt nichts außer dem offiziellen Statement des Kreml: "Wir haben einen Angriffskrieg geführt und gewonnen".

Zitat
Im Vergleich zum Kosovo dürfte es schwer fallen, die Rechtmäßigkeit einer Unabhängigkeitserklärung nicht anzuerkennen.


Erling Plaethe hat ja schon ausgeführt, warum der Vergleich mit dem Kosovo überhaupt nicht paßt. Und es fällt auch nicht schwer, die Rechtmäßigkeit dieser Sache nicht anzuerkennen - fast alle Staaten dieser Erde tun das.

Zitat
Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass mit Gerhard Schröder einer der beteiligten Entscheidungsträger für einen Angriff auf Serbien inzwischen eingeräumt hat, dass er dies wohl im Bewusstsein entschieden hatte, dass Deutschland damit gegen Internationales Recht verstoßen werde.


Das sah er damals offenbar anders. Als er noch nicht von Putin bezahlt wurde.
Irgendeine völkerrechtliche Relevanz hat dieses Statement natürlich nicht.

Zitat
Immerhin gibt es auf der Krim eine historisch begründbare russische Präsenz.


Und die war auch juristisch abgesichert und hat eigentlich nichts mit dem aktuellen Konflikt zu tun.

Zitat
Im Kosovo haben sich dagegen die USA mit Camp Bondsteel so breit gemacht, wie es nur geht.


Warum auch nicht? Auch hier mit einem ganz normalen, juristisch abgesicherten Stützpunkt.

In beiden Fällen ist der Stützpunkt selber kein Problem - solange von dort nicht Militäraktionen gegen das Gastland geführt werden. Was auf der Krim der Fall war, im Kosovo nicht.

Zitat
Die Russen waren in solchen Fragen bisher die Korrekteren.


Nein. Beim Propagandakrieg waren die Russen immer nur die Geschickteren, die ihr unkorrektes Vorgehen gegenüber ihren nützlichen Idioten im Westen verschleiern konnten.
Korrekt war am Vorgehen auf der Krim überhaupt nichts - insbesondere auch nicht der Einsatz von Truppen ohne das vorgeschriebene Hoheitskennzeichen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.827

27.03.2014 13:21
#259 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #256
Zwei Jahre später entwickelte sich der Kosovo-Konflikt ganz ähnlich. 1999 gab es wegen des Krieges zwischen der UCK und den Serben und von 460.000 Flüchtlingen allein nach Albanien, die Befürchtung Milosevics Strategie der ethnischen Säuberung werde von ihm nun auch im Kosovo angewandt. Das hat die NATO versucht zu verhindern.
Im Ergebnis war die Unabhängigkeit des Kosovo eine Sezession. Die Krim dagegen wurde ihrer weitgehenden Unabhängigkeit beraubt und von russischen Truppen besetzt und annektiert.
Wurde die Autonomie der Krim, das Krimparlament und die Verfassung der Krim nicht von der ukrainischen Übergangsregierung aufgehoben? Möglicherweise bekommt die Krim in der russischen Föderation den Status einer autonomen Republik, hat dann also ihre weitgehende Unabhängigkeit durchaus wieder.

Die Sezession des Kosovo ist wiederum nicht aus eigener Kraft geschehen, etwa so wie in Eritrea oder Südsudan durch (Verhandlungs-)Sieg, sondern durch das direkte militärische Eingreifen einer fremden Macht, der in einer Vereinbarung die Gewaltausübung über das Gebiet überlassen wurde. Die UCK hatte militärisch gegen Serbien ja keine Chance und konnte nicht einmal einen Verhandlungsfrieden erreichen. Wäre es nicht so gewesen, hätte die NATO auch nicht das Argument bringen können, sie müsse die Kosovoalbaner vor Serben schützen. Noch heute wird das Kosovo als unabhängiger Staat sogar von der EU nicht anerkannt, weil EU-NATO-Mitglieder dagegen sind.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

27.03.2014 14:51
#260 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #259
... Kosovo ...

Eine gewisse Parallele zur Ukraine ergibt sich übrigens auch daraus, daß Kosovo im nationalmythologischen Narrativ Serbiens eine ähnlich zentrale Rolle spielt wie die Kiewer Rus' im russischen. Woraus natürlich konkret völkerrechtlich nichts folgt; aber es wirkt in den Köpfen und erschwert das Akzeptieren der jetzigen politischen Verhältnisse.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

27.03.2014 14:57
#261 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #258
... gegenüber ihren nützlichen Idioten im Westen ...

Findet dieses angenehme Epitheton auch Anwendung auf diejenigen, die die US-Mär vom selbstlosen und durch keine anderen Interessen getrübten Verbreiten von Freiheit und Demokratie hook, line and sinker schlucken und auch angesichts eher gegenteiliger Erfolge daran festhalten, oder gibt es dafür ein eigenes Wort?

Martin Offline



Beiträge: 4.129

27.03.2014 15:41
#262 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #258
Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall der Krim wird nun Annexion behauptet ...

Wie viel deutlicher kann Annexion eigentlich noch sein?
Putin schickt Truppen, belagert die Truppen des angegriffenen Landes und besetzt dann die Stützpunkte und vollzieht derzeit den Anschluß der Krim an Rußland.
Da fehlt nichts außer dem offiziellen Statement des Kreml: "Wir haben einen Angriffskrieg geführt und gewonnen".

Zitat
Im Vergleich zum Kosovo dürfte es schwer fallen, die Rechtmäßigkeit einer Unabhängigkeitserklärung nicht anzuerkennen.

Erling Plaethe hat ja schon ausgeführt, warum der Vergleich mit dem Kosovo überhaupt nicht paßt. Und es fällt auch nicht schwer, die Rechtmäßigkeit dieser Sache nicht anzuerkennen - fast alle Staaten dieser Erde tun das.



Nun ja, lieber R.A.,

Sie sitzen dann ja sicher in Den Haag mit auf der Richterbank und klären das hochoffiziell .

Gruß, Martin

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.03.2014 19:00
#263 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall von Südossetien wurde Russland auch lange beschuldigt, den letzten Konflikt losgetreten zu haben, der EuGH hat der russischen Position zugestimmt (die Diskussion darüber mit Zettel war einer meiner ersten Beiträge im ZR, und ich bin sozusagen vom EuGH damals bestätigt worden).

Lieber Martin, könnten sie diese Aussage des EuGH bitte verlinken dass ich mir ein Bild machen kann? Ich habe etwas derartiges zwar im Kopf aber nicht in der Eindeutigkeit wie Sie es beschreiben. Und ich finde dieses Urteil nicht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

27.03.2014 19:55
#264 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #263
Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall von Südossetien wurde Russland auch lange beschuldigt, den letzten Konflikt losgetreten zu haben, der EuGH hat der russischen Position zugestimmt (die Diskussion darüber mit Zettel war einer meiner ersten Beiträge im ZR, und ich bin sozusagen vom EuGH damals bestätigt worden).

Lieber Martin, könnten sie diese Aussage des EuGH bitte verlinken dass ich mir ein Bild machen kann? Ich habe etwas derartiges zwar im Kopf aber nicht in der Eindeutigkeit wie Sie es beschreiben. Und ich finde dieses Urteil nicht.



Verehrte Mitdiskutanten,

darf ich mich hier kurz einmischen? Martin hat sich offenbar verschrieben. Die angesprochene Rechtssache wurde nicht vom (dafür ja auch unzuständigen) EuGH, sondern vom IGH behandelt, und ich glaube, es handelt sich um diese hier:

http://www.icj-cij.org/docket/index.php?...40&code=GR&p3=4

LG Noricus

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.03.2014 20:19
#265 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #259
Wurde die Autonomie der Krim, das Krimparlament und die Verfassung der Krim nicht von der ukrainischen Übergangsregierung aufgehoben? Möglicherweise bekommt die Krim in der russischen Föderation den Status einer autonomen Republik, hat dann also ihre weitgehende Unabhängigkeit durchaus wieder.

Das ist mir nicht bekannt und eine oberflächliche Recherche hat ergeben, dass die jetzige ukrainische Regierung. Und eine mögliche Autonomie der Krim innerhalb der Russischen Föderation halte ich für extrem unwahrscheinlich. Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür. Dagegen spricht, wenn man mal von der massiven Präsenz des russischen Militärs absieht, dass Putin es war, der den Mitgliedern der Föderation nicht mal mehr die Wahl ihrer Gouverneure selbst überlassen wollte. Die bestimmt Putin.
Zitat von Emulgator im Beitrag #259
Die Sezession des Kosovo ist wiederum nicht aus eigener Kraft geschehen, etwa so wie in Eritrea oder Südsudan durch (Verhandlungs-)Sieg, sondern durch das direkte militärische Eingreifen einer fremden Macht, der in einer Vereinbarung die Gewaltausübung über das Gebiet überlassen wurde. Die UCK hatte militärisch gegen Serbien ja keine Chance und konnte nicht einmal einen Verhandlungsfrieden erreichen. Wäre es nicht so gewesen, hätte die NATO auch nicht das Argument bringen können, sie müsse die Kosovoalbaner vor Serben schützen. Noch heute wird das Kosovo als unabhängiger Staat sogar von der EU nicht anerkannt, weil EU-NATO-Mitglieder dagegen sind.

Ich möchte das Vorgehen der UCK hier keinesfalls positiv werten. Dennoch haben sie Serbien erheblichen Widerstand geleistet. Chancenlos waren sie keineswegs. Dass es keinen Verhandlungsfrieden gab, lag an den Kriegsparteien. Verhandlungen wurden geführt, es gab auch einen Waffenstillstand und die UN-Resolution 1199:
Zitat:Unterdessen verurteilte der Weltsicherheitsrat in der Resolution 1199 am 23. September 1998 scharf den „exzessiven Gebrauch von Gewalt“ durch serbisches Militär und Polizeikräfte und bezeichnete ihn als „Bedrohung des Friedens“. Darüber hinaus forderte der UN-Sicherheitsrat „die Führung der Kosovo-Albaner auf, alle terroristischen Handlungen zu verurteilen“, und betonte, „daß alle Teile der kosovo-albanischen Volksgruppe ihre Ziele ausschließlich mit friedlichen Mitteln verfolgen müssen.“

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.03.2014 20:29
#266 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #264
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #263
Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall von Südossetien wurde Russland auch lange beschuldigt, den letzten Konflikt losgetreten zu haben, der EuGH hat der russischen Position zugestimmt (die Diskussion darüber mit Zettel war einer meiner ersten Beiträge im ZR, und ich bin sozusagen vom EuGH damals bestätigt worden).

Lieber Martin, könnten sie diese Aussage des EuGH bitte verlinken dass ich mir ein Bild machen kann? Ich habe etwas derartiges zwar im Kopf aber nicht in der Eindeutigkeit wie Sie es beschreiben. Und ich finde dieses Urteil nicht.



Verehrte Mitdiskutanten,

darf ich mich hier kurz einmischen? Martin hat sich offenbar verschrieben. Die angesprochene Rechtssache wurde nicht vom (dafür ja auch unzuständigen) EuGH, sondern vom IGH behandelt, und ich glaube, es handelt sich um diese hier:

http://www.icj-cij.org/docket/index.php?...40&code=GR&p3=4


Bleibt festzuhalten, dass der IGH keinesfalls der russischen Position zugestimmt hat. Georgien hatte einen Verfahrensfehler begangen als es nicht vor Klageerhebung bilateral mit Russland in Verhandlungen eingetreten war.
Die Richter sahen Streitigkeiten im Sinne des Übereinkommens.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

27.03.2014 20:35
#267 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #266
Zitat von Noricus im Beitrag #264
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #263
Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall von Südossetien wurde Russland auch lange beschuldigt, den letzten Konflikt losgetreten zu haben, der EuGH hat der russischen Position zugestimmt (die Diskussion darüber mit Zettel war einer meiner ersten Beiträge im ZR, und ich bin sozusagen vom EuGH damals bestätigt worden).

Lieber Martin, könnten sie diese Aussage des EuGH bitte verlinken dass ich mir ein Bild machen kann? Ich habe etwas derartiges zwar im Kopf aber nicht in der Eindeutigkeit wie Sie es beschreiben. Und ich finde dieses Urteil nicht.



Verehrte Mitdiskutanten,

darf ich mich hier kurz einmischen? Martin hat sich offenbar verschrieben. Die angesprochene Rechtssache wurde nicht vom (dafür ja auch unzuständigen) EuGH, sondern vom IGH behandelt, und ich glaube, es handelt sich um diese hier:

http://www.icj-cij.org/docket/index.php?...ode=GR&p3=4


Bleibt festzuhalten, dass der IGH keinesfalls der russischen Position zugestimmt hat. Georgien hatte einen Verfahrensfehler begangen als es nicht vor Klageerhebung bilateral mit Russland in Verhandlungen eingetreten war.
Die Richter sahen Streitigkeiten im Sinne des Übereinkommens.


Ich habe mir die Entscheidung nicht näher angeschaut, sondern wollte nur mit dem Link behilflich sein.

LG Noricus

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.03.2014 20:44
#268 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #267


Ich habe mir die Entscheidung nicht näher angeschaut, sondern wollte nur mit dem Link behilflich sein.

LG Noricus

Ja, lieber Noricus, ich wollte Sie jetzt auch nicht mit "reinziehen".
Vielen Dank für den Link.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Martin Offline



Beiträge: 4.129

27.03.2014 23:38
#269 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #263
Zitat von Martin im Beitrag #257
Im Fall von Südossetien wurde Russland auch lange beschuldigt, den letzten Konflikt losgetreten zu haben, der EuGH hat der russischen Position zugestimmt (die Diskussion darüber mit Zettel war einer meiner ersten Beiträge im ZR, und ich bin sozusagen vom EuGH damals bestätigt worden).

Lieber Martin, könnten sie diese Aussage des EuGH bitte verlinken dass ich mir ein Bild machen kann? Ich habe etwas derartiges zwar im Kopf aber nicht in der Eindeutigkeit wie Sie es beschreiben. Und ich finde dieses Urteil nicht.



Ja, lieber Erling Plaethe, und auch Dank an Noricus. Gemeint an verschiedenen Stellen war tatsächlich der IGH. Nur im Fall von Südossetien war das Urteil des IGH nicht in dieser Eindeutigkeit, der IGH hatte lediglich der Klage Georgiens nicht stattgegeben und war eher bei einer Nichtaussage geblieben. Ausschlaggebend für die Beurteilung der damaligen Vorgänge und meiner Diskussion mit Zettel, ob Georgien Schuld an der kriegerischen Auseinandersetzung hatte, und die mit dem Einmarsch der russischen Truppen endete war das Ergebnis der europäischen Untersuchungskommission http://www.morgenpost.de/printarchiv/pol...g-begonnen.html .

Ich möchte mich auch an einer anderen Stelle korrigieren: Nicht Costa Rica lässt grüßen, sondern Puerto Rico.

Gruß, Martin

Emulgator Offline



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28.03.2014 00:04
#270 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #265
Das ist mir nicht bekannt und eine oberflächliche Recherche hat ergeben, dass die jetzige ukrainische Regierung.
Das können Sie beim Hamburger Abendblatt lesen. Wie das verfassungsmäßig gehen soll, ist mir schleierhaft. Man stelle sich vor, der Bund würde einen Landtag bei uns auflösen wollen! Laut Verfassung kann der Präsident der Ukraine lediglich eine verfassungswidrige Entscheidung des Krimparlaments (also z.B. die Entscheidung zum Referendum) dem Verfassungsgericht zur Ablehnung vorlegen. Ich weiß freilich nicht, ob das geschehen ist.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #265
Und eine mögliche Autonomie der Krim innerhalb der Russischen Föderation halte ich für extrem unwahrscheinlich. Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür. Dagegen spricht, wenn man mal von der massiven Präsenz des russischen Militärs absieht, dass Putin es war, der den Mitgliedern der Föderation nicht mal mehr die Wahl ihrer Gouverneure selbst überlassen wollte. Die bestimmt Putin.
Seit 2012 werden die Gouverneure wieder gewählt.
Wenn die Krim eine autonome Republik in der "multinationalen Föderation" (O-Ton Russische Verfassung) wird, wird sie natürlich ... autonom sein. Wie die Verfassungspraxis tatsächlich eingehalten wird, ist natürlich schwierig zu beurteilen.


Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #265
Ich möchte das Vorgehen der UCK hier keinesfalls positiv werten. Dennoch haben sie Serbien erheblichen Widerstand geleistet. Chancenlos waren sie keineswegs.
Mein Argument ist ja, daß eine Sezession entweder durch Sieg der Sezessionisten oder durch Vertrag mit dem abtretenden Land geschieht. Im Fall des Kosovo ist beides nicht der Fall gewesen und das ist historisch ja unstrittig.
Hätte hypothetisch sein können, daß ein Sieg der UCK zu einer Sezession durch Sieg geführt hätte, die NATO einem historisch zwangsläufigen Ereignis sozusagen lediglich vorweggegriffen hätte? Ich glaube nicht. Die UCK hatte zwar viele leichte Waffen und Munition, an die sie gekommen ist, als 1997 in Albanien Unruhen ausgebrochen waren, weil sich so viele Albaner von einem Pyramidensystem haben hereinlegen lassen. Mit den Waffen kann man auch viel Ärger machen. Aber die UCK hätte gegen die Panzer und Flugzeuge Jugoslaviens kaum eine wirksame Staatsmacht etablieren können geschweige denn die Jugoslavische Armee schlagen können.
Folglich kann von einer richtigen Sezession überhaupt nicht gesprochen werden.

Was Putin-Kosovo-Krim angeht, ist Putin natürlich insofern unredlich, indem er sich auf das Kosovo als Präzedenzfall bezieht, um seine Aktionen zu rechtfertigen, andererseits aber nicht die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt. Leider lassen unsere Politiker ihn auch damit durchkommen. Ich würde gerne sehen, wie Putin Serbien und China vor den Kopf stößt (und sich damit vollends isoliert), nur um die Krim zu bekommen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

28.03.2014 07:08
#271 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #270
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #265
Das ist mir nicht bekannt und eine oberflächliche Recherche hat ergeben, dass die jetzige ukrainische Regierung.
Das können Sie beim Hamburger Abendblatt lesen. Wie das verfassungsmäßig gehen soll, ist mir schleierhaft. Man stelle sich vor, der Bund würde einen Landtag bei uns auflösen wollen! Laut Verfassung kann der Präsident der Ukraine lediglich eine verfassungswidrige Entscheidung des Krimparlaments (also z.B. die Entscheidung zum Referendum) dem Verfassungsgericht zur Ablehnung vorlegen. Ich weiß freilich nicht, ob das geschehen ist.

Gut. Das Krimparlament erkennt die ukrainische Regierung nicht an und die ukrainische Regierung reagiert gleichermaßen.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #265
Und eine mögliche Autonomie der Krim innerhalb der Russischen Föderation halte ich für extrem unwahrscheinlich. Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür. Dagegen spricht, wenn man mal von der massiven Präsenz des russischen Militärs absieht, dass Putin es war, der den Mitgliedern der Föderation nicht mal mehr die Wahl ihrer Gouverneure selbst überlassen wollte. Die bestimmt Putin.

Zitat von Emulgator im Beitrag #270
Seit 2012 werden die Gouverneure wieder gewählt.

Es dürfen sich nur die Gouverneure zur Wahl stellen, die durch den "Präsidentenfilter" kommen. Diese Bezeichnung steht lt. bpb so im seit 2012 gültigen Wahlgesetz. Putin bestimmt also wer kandidieren darf.
Danke für den Hinweis, lieber Emulgator.
Zitat von Emulgator im Beitrag #270
Wenn die Krim eine autonome Republik in der "multinationalen Föderation" (O-Ton Russische Verfassung) wird, wird sie natürlich ... autonom sein. Wie die Verfassungspraxis tatsächlich eingehalten wird, ist natürlich schwierig zu beurteilen.

Ich weiß nicht wie das zusammengeht mit der seit 2000 von Putin betriebenen Zentralisierung der Macht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Solus Offline



Beiträge: 384

28.03.2014 08:01
#272 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

28.03.2014 10:10
#273 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #270
Man stelle sich vor, der Bund würde einen Landtag bei uns auflösen wollen!

Alles vorgesehen, siehe GG §28.3, §31 und §37.

Zitat
Wenn die Krim eine autonome Republik in der "multinationalen Föderation" (O-Ton Russische Verfassung) wird, wird sie natürlich ... autonom sein.


Eine solche Autonomie wäre Schall und Rauch.
Es gibt ja nun reichlich Beispiele für nationale Minderheiten und "autonome" Gebiete in Rußland - letztlich entscheidet aber immer nur die Zentrale.

Zitat
Mein Argument ist ja, daß eine Sezession entweder durch Sieg der Sezessionisten oder durch Vertrag mit dem abtretenden Land geschieht.


Das sind Möglichkeiten, es gibt noch mehr.
Insbesondere ist nicht gesagt, daß die Sezessionisten militärisch (und ohne Hilfe) siegen müssen.

Zitat
Aber die UCK hätte gegen die Panzer und Flugzeuge Jugoslaviens kaum eine wirksame Staatsmacht etablieren können geschweige denn die Jugoslavische Armee schlagen können.
Folglich kann von einer richtigen Sezession überhaupt nicht gesprochen werden.


Die "Richtigkeit" einer Sezession hängt bestimmt nicht von der militärischen Stärke der Sezessionisten ab. Kann höchstens sein, daß sie bei zu wenig Stärke UND zu wenig Hilfe von außen erfolglos bleiben.
Was aber im Kosovo nicht der Fall war.

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

28.03.2014 10:45
#274 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

handelsblatt.com/politik/international/masterplan-fuer-die-ukraine-griechenland-dient-als-lehrstueck/9676606.html
Freue dich, Deutschland, du darfst weiter zahlen. Nicht nur Europa wird gerettet, sondern die ganze Welt.
Lauter Leckerli, von denen zu lesen ist. Schäuble sieht Griechenland als gutes Beispiel, wie man "retten" kann, visafreier Besuch der Ukrainer in der EU, in dessen Folge sicher Kindergeld und Hartz IV, und Milliarden fließen sowieso, wir haben's ja.
Juhu!

Emulgator Offline



Beiträge: 2.827

28.03.2014 11:47
#275 RE: Putins Russland ist auch eine Bedrohung für Europa Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #273
Zitat von Emulgator im Beitrag #270
Man stelle sich vor, der Bund würde einen Landtag bei uns auflösen wollen!

Alles vorgesehen, siehe GG §28.3, §31 und §37.
Da steht nirgends, daß der Bund befugt wäre, ein Landesparlament aufzulösen. Der Bund ist zwar den Ländern übergeordnet, muß dabei aber dem Verfassungsprinzip der repräsentativen Demokratie gehorchen, in der das Parlament --auch das Landesparlament-- für den Souverän an sich steht. Auflösung eines Parlamentes abseits der geschriebenen Verfassung und vor allem, wenn danach keine Neuwahl stattfinden kann (wie jetzt auf der besetzten Krim), würde daher die Abschaffung der Demokratie an sich bedeuten.

Zitat von R.A. im Beitrag #273
Es gibt ja nun reichlich Beispiele für nationale Minderheiten und "autonome" Gebiete in Rußland - letztlich entscheidet aber immer nur die Zentrale.
Nach meinem Verständnis von "Föderationsrecht bricht Landesrecht" geht das so auch nicht. Wie Ihres ist, weiß ich nicht genau; siehe oben. Allgemein kann man vielleicht festhalten, daß weder auf ukrainischer noch auf russischer Seite die Verfassungen und fundamentale demokratische Prinzipien in ihrer Sinnhaftigkeit verstanden wurden. So schlecht war noch keine unserer Bundesregierungen wie das, was dort im Osten gerade passiert. Beste Illustration dafür ist der Uniformierte, der seinen ausgefüllten Referendumszettel vor den Wahlkabinen in die Kamera zeigt. Daß das durch den russischen Propagandafilter gegangen ist zeigt, wie gut man sich darauf verlassen kann, daß keiner eine Ahnung von Demokratie hat. Wahlen als Cargo-Kult.

Zitat von R.A. im Beitrag #273
Insbesondere ist nicht gesagt, daß die Sezessionisten militärisch (und ohne Hilfe) siegen müssen.
Wenn man das analog zum Eigentumsrecht sieht, sehr wohl. Eigentum kann ja nur von dem übertragen werden, der es innehat. Verfügungsgeschäfte über Dinge, über die man keinerlei Verfügungsgewalt hat sind entweder unwirksam oder unmöglich. Analog kann Staatsgewalt nur von dem übertragen oder angeeignet werden, bei dem sie faktisch besteht. Die Berechtigung in dieser Analogie liegt darin, daß völkerrechtlich an die faktische Ausübung der Staatsgewalt einige Rechte und Pflichten gebunden sind.

Der Kosovo-Situation liegt damit "Eigentumserwerb" am Kosovo durch die NATO zugrunde. Die UCK war ja außerstande, die Staatsgewalt im Kosovo an sich zu reißen, weder durch Gewalt noch durch Übernahme von dem vorherigen Eigentümer der Staatsgewalt, der BR Jugoslavien. (Laut Wikipedia hat die NATO erst mit den Bombardierungen Jugoslaviens begonnen, als eine UCK-Offensive am Scheitern war). Die NATO hat es aber geschafft im Abkommen von Kumanovo. Die NATO hat dann die Gewalt an die Kosovo-Regierung übertragen. Das waren also zwei Zessionen: BRJ an NATO, NATO an (politisch unkorrekt) UCK. Es war keine Sezession in dem Sinne, daß die Staatsgewalt sofort unmittelbar an die Abtrünnigen übergegangen wäre.

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