Zitat von Rayson im Beitrag #74Das Auftauchen von Parteien wie der "Piraten" oder der AfD zeugt von der Funktionsfähigkeit unseres Systems.
Richtig. Damit ist das "es ist alles alternativlos" eines Rietzschel m. E. falsch.
Zitat Das Problem ist nur: Die bisherigen Spieler in diesem System haben sich so sehr mit den Institutionen dieses Staates verwoben, dass jede neue Partei als existenzbedrohend wahrgenommen wird.
Das halte ich nicht wirklich für ein Problem. Jeder Markteintritt eines neuen Konkurrenten ist für die bestehenden Teilnehmer eine Bedrohung. Das nehmen die völlig zu Recht auch so wahr. Und es ist verständlich und legitim, daß die die Neulinge nicht mit Samthandschuhen anfassen (wie ja auch umgekehrt die Neulinge selten nett zu den Alten sind). Problematisch ist m. E. nur, daß die Staatsmedien da manchmal sehr einseitig Stellung beziehen. Gerade die AfD wurde da nicht fair behandelt (was ihr aber eher genutzt hat), die Piraten wurden eher gefördert.
Aber diese Einseitigkeit der Staatsmedien beschränkt sich nicht auf Neuparteien, davon kann die alt-etablierte FDP ein Lied singen ...
Und die Privatisierung dieser Medien ist ohnehin sinnvoll, ganz unabhängig vom Spezialthema neue Parteien.
Zitat von R.A. im Beitrag #76das "es ist alles alternativlos" eines Rietzschel
Ich werde nicht müde darauf hinzuweisen, dass er das nicht gesagt hat.
Er kritisiert die fünf (mittlerweile muß man ja sagen vier) alten & großen Parteien und läßt sich darüber aus, dass sie im Kern keine Alternativen anbieten. Das ist etwas völlig anderes als zu sagen, dass alles alternativlos sei. Im Gegenteil, er erkennt und benennt die Wahl der AFD und gezieltes nichtwählen ja gerade als Alternative innerhalb des Systems.
Seine Kritik richtet sich gegen die vier alten & großen Parteien, nicht gegen das System. Und da teile ich in weiten Teilen seine Kritik. Ich selbst gehe sicherlich nicht so weit zu sagen dass Linke und CDU alles der gleiche Kaffe seien. Ich gehe aber so weit zu sagen, dass weder CDU, SPD, Grüne, Linke oder FDP mir persönlich derzeit eine Alternative bieten, die ich zu wählen um ihrer selbst Willen als sinnvoll empfände -- höchstens um größere Katastrophen zu verhindern. Dazu unterscheiden sich die Positionen dieser Parteien, in für mich ganz wesentlichen Punkten, im Kern zu wenig bis garnicht. Und das finde ich, mir sei das offene Wort verziehen, zum kotzen und daher habe ich auch Verständnis und gewisses Wohlwollen dafür, wenn sich mal jemand wie Rietschel einmal auskotzt. Dass Auskotzen nicht immer "nah an der Sache" ist, ist dem Auskotzen wohl inhärent.
Diese Kritik ist (zumindest was meine Person betrifft) nicht als Herabwürdigung der vielen Ehrenamtlichen in der Parteiarbeit gemünzt. Sie ist auf die Struktur der Parteien selbst gemünzt, die nicht in der Lage zu sein scheinen, sich von den Stereotypen des Zeitgeistes loszusagen und auch Interessen abseits desselben zu bedienen. Warum auch immer. Mit der AfD erscheint nun, nach den Piraten, eine weitere Partei auf der Bildfläche, die sich dieses Themas annimmt. Ich weiß nicht wie die Sache mit der AfD ausgehen wird, aber ich habe die Hoffnung, dass dies den Politikbetrieb gehörig aufmischen wird, wenn nicht, wie bei den Piraten geschehen, die Partei wieder mehr oder weniger von ökolinken, gendergläubigen Zeitgeistaktivisten oder durch andere konformistische oder radikale Elemente "übernommen wird".
Was ich übrigens an der AfD (bzw ihren Wählern) auch sehr interessant finde in diesem Zusammenhang ist, dass sie unterschiedliche politische Spektren aufgrund von Positionen vereint, die alle anderen Parteien nicht anbieten. Ich finde das sehr ermutigend, weil ich in diesem Umstand etwas wage hinein zu interpretieren: Den Menschen geht es garnicht so sehr um politisches Lagerdenken, sondern darum dass ihre Interessen vertreten werden und nichts anderes als eine Interessenvertretung des Bürgers sollte eine Partei innerhalb einer parlamentarischen Demokratie auch sein. Nicht etwa der Herausgeber des "Knigge" oder einer "weltlichen Bibel", so wie sich die Parteien/Politiker heute gerne als Volkserzieher verstehen. Eine Familienministerin, die ich zum Beispiel gewählt habe, hat meine Interessen zu vertreten und mir nicht zu erzählen, ob mein Familienbild antiquiert sei, oder eben nicht. Das erachten Politiker heutzutage ja gerne als ihre Aufgabe: Nicht etwa für ihre Positionen zu werben, welche sie vertreten wollen, sondern dem Bürger zu erklären was richtig ist, was er zu lassen hat und was er tun sollte. Um ehrlich zu sein empfinde ich die damit einhergehnde Entmündigung meines Intellekts teilweise schon als persönliche Beleidigung.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von R.A. im Beitrag #76das "es ist alles alternativlos" eines Rietzschel
Ich werde nicht müde darauf hinzuweisen, dass er das nicht gesagt hat.
Das hat er nicht gesagt, aber wenn er, im Sinne eines Resümees, folgendes schreibt:
Zitat von RietzschelEs möchte einen angst und bange werden, gäbe es nicht die wachsende Partei der Nichtwähler.
dann frage ich mich, was er sich eigentlich so Großartiges von der "Partei der Nichtwähler" erwartet. Wächst die Zahl der Nichtwähler, dann nehmen zunächst einmal nur die Stimmen der Wähler (die vermutlich die Kaffeeparteien wählen) an Gewicht zu. Am Parteienspektrum hat sich dadurch aber noch nichts verändert. Eine Veränderung kann erst dadurch eintreten, daß sich jemand dazu aufrafft, die von den bestehenden Parteien nicht vertretenen Ansichten und Entwicklungswünsche der Nichtwähler (die erst einmal zu erraten wären) zu formulieren, im Flakfeuer der politisch Etablierten und ihrer Freunde in den Medien zu verteidigen und in ein Programm einer neuen Partei zu fassen, das einerseits politisch stimmig und tragfähig sein, andererseits eine hinreichende Zahl von Wählern und Nichtwählern ansprechen können muß; das ist sehr viel Arbeit und Risiko, und ich sehe nicht, inwiefern die "Partei der Nichtwähler" hier sonderlich hilfreich wäre. Ja, wenn sich jemand einmal dieser Partei angeschlossen und das Nichtwählen zur Gewohnheit gemacht hat, wird er auch leicht einer neuen Partei so skeptisch gegenüber stehen wie den alten. Der Nichtwähler ist sozusagen ein unsichtbarer Protestwähler. Er ähnelt einem Demonstranten, der vor lauter Entrüstung gar nicht zur Demonstration hingeht.
Das Nichtwählen aus welchem Grund auch immer - und es kann durchaus ein guter und ehrenhafter Grund sein - muß jedem Einzelnen erlaubt sein. Aber sich aus der Menge und Gesamtheit der Nichtwähler eine positive demokratische Kraft schön- und herbeireden zu wollen, das scheint mir vollkommen abwegig.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #77Was ich übrigens an der AfD (bzw ihren Wählern) auch sehr interessant finde in diesem Zusammenhang ist, dass sie unterschiedliche politische Spektren aufgrund von Positionen vereint, die alle anderen Parteien nicht anbieten. Ich finde das sehr ermutigend, weil ich in diesem Umstand etwas wage hinein zu interpretieren: Den Menschen geht es garnicht so sehr um politisches Lagerdenken, sondern darum dass ihre Interessen vertreten werden und nichts anderes als eine Interessenvertretung des Bürgers sollte eine Partei innerhalb einer parlamentarischen Demokratie auch sein. Nicht etwa der Herausgeber des "Knigge" oder einer "weltlichen Bibel", so wie sich die Parteien/Politiker heute gerne als Volkserzieher verstehen. Eine Familienministerin, die ich zum Beispiel gewählt habe, hat meine Interessen zu vertreten und mir nicht zu erzählen, ob mein Familienbild antiquiert sei, oder eben nicht. Das erachten Politiker heutzutage ja gerne als ihre Aufgabe: Nicht etwa für ihre Positionen zu werben, welche sie vertreten wollen, sondern dem Bürger zu erklären was richtig ist, was er zu lassen hat und was er tun sollte. Um ehrlich zu sein empfinde ich die damit einhergehnde Entmündigung meines Intellekts teilweise schon als persönliche Beleidigung.
In diesem Punkt (der aber mit dem anderen Thema nur sehr am Rande zu tun hat) gebe ich Ihnen recht. Viele Politiker mißverstehen ihre Aufgabe in dieser Weise; meines Erachtens hat das mit dem Verhältnis- / Listenwahlrecht zu tun, durch das die Abgeordneten zur Auffassung verleitet werden, sie verträten nicht einen Kreis von Wählern, sondern die Ideologie ihrer Partei.
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Zitat von Fluminist im Beitrag #78dann frage ich mich, was er sich eigentlich so Großartiges von der "Partei der Nichtwähler" erwartet
Unabhänging von der Frage ob Rietschel die Nichtwähler in den Himmel heben möchte (das habe ich nicht so gelesen) oder ob er dem Vorwurf des dummen/faulen Nichtwählers begegnen möchte (so habe ich das gelesen), würde ich folgende Hoffnung, über die wachsende "Partei der Nichtwähler" begründet sehen: Dass das Vakuum an Interessenspositionen in unserem aktuellen politischen Betrieb (welches Menschen in die Nichtwahl treibt) von politischen Parteien bemerkt wird und darüber auch das Wählerpotential, welches sich damit erschließen läßt. Für mich ist das entstehen der AfD, unter anderem, durchaus in diesem Sinne zu verstehen.
Diese Frage, welche oft an meine Adresse gerichtet wird, was Nichtwählen bringen sollte, sehe ich umgekehrt übringens mindestens als genauso berechtigt an: Was soll Wählen bringen, wenn man damit nur Parteien wählen kann, die in den eigenen Augen falsche Positionen vertreten? Warum soll ich die politische Position von Politkern und Parteien stärken, und vor allem ihren Glauben bestätigen, das Richtige zu tun und zu vertreten, wenn ich ihre Positionen nicht teile und sogar großteils als schädlich für unsere gesellschaftliche Entwicklung ansehe?
Nach welcher Logik sollte die Wahl einer Partei zu etwas anderem führen als sie in Ihren Zielen zu bestätigen, welche sie sich aktuell auf die Fahnen schreibt? Etwa zu einer Kursänderung oder dem Vertreten bisher verpönter Positionen? Das ist mir völlig unklar. Eine Partei denkt doch nicht: Oh der n_s_n hat uns gewählt, da müssen wir aber mal was gegen Genderwahnsinn, Mindestlohn und Energiewende in unser Programmm aufnehmen und die Haltung zur Kernkraft überdenken. Ne, die werden denken: "Na also. Ein klarer Wählerauftrag für unser Programm für Genderwahnsinn, Mindestlohn und Energiewende und zum Glück sind wir auch gegen Atomkraft. Diesmal haben wir sogar die Stimme vom n_s_n bekommen. Da bewegt sich was."
Ich bin sicher keiner, der das Nichtwählen in den Himmel hebt. Aber ich habe über Diskussionen in ZkZ für mich die Erkenntnis gewonnen, dass es sich lohnt über die Folgen des Nichtwählens und des Wählens sehr genau nachzudenken und dass es ungerechtfertig ist, über Nichtwähler negative Urteile zu fällen, wie es sehr verbreitet getan wird. Nichtwählen ist in meinen Augen eine Option, welche dem Wählen absolut ebenbürtig ist. Im "Ergebnisdenken", wie auch in "moralischer Bewertung". Nicht mehr, nicht weniger will ich sagen und meine Argumente dafür darlegen.
Herzlich
n_s_n
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Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #79...würde ich folgende Hoffnung, über die wachsende "Partei der Nichtwähler" begründet sehen: Dass das Vakuum an Interessenspositionen in unserem aktuellen politischen Betrieb (welches Menschen in die Nichtwahl treibt) von politischen Parteien bemerkt wird und darüber auch das Wählerpotential, welches sich damit erschließen läßt. Für mich ist das entstehen der AfD, unter anderem, durchaus in diesem Sinne zu verstehen.
Aber so und in dieser zeitlichen Reihenfolge ist es ja gerade nicht passiert. Die politischen Parteien haben (prä-AfD) das Vakuum in der politischen Interessenvertretung (spezifisch: Euro-Kritik und Ablehnung der "Energiewende") gerade nicht bemerkt, erfolgreich ignoriert, insgeheim gutgeheißen: für solche Ansichten, meinten sie, dürfe es in unserer Demokratie keine Plattform geben. Erst nach langem erfolgreichen Ignorieren dieser Positionen - sinkende Wahlbeteiligung erfordert zwar ein paar nachdenkliche Mienen und ad hoc-Erklärungsversuche am Wahlabend, tut aber ansonsten überhaupt nicht weh - haben sich politisch Aktive außerhalb dieser Parteien aufgerafft, die AfD zu gründen, um einen Teil des Vakuums zu besetzen (eine neue Partei entsteht ja nicht spontan aus dem Nichts, nur weil man sie braucht). Und die anderen Parteien haben darauf reagiert, indem sie zunächst einmal fortfuhren, das Vakuum in der Vertretung politischer Interessen einschließlich der neuen Partei zu ignorieren und zu leugnen. Erst jetzt, nachdem die AfD in Landtagswahlen beachtliche Ergebnisse erzielt hat, wird die Existenz der Partei und die Möglichkeit, es könne politische Interessen geben, die diese vertritt, während die anderen Parteien das nicht tun, wahrgenommen und eingeräumt. Es waren also nicht Nichtwähler, die einen politischen Stimmungswechsel geschaffen haben, sondern die Überzeugungs- und Protestwähler der neuen Partei.
(Weltmeister im Ignorieren der Nichtwähler ist, nebenbei bemerkt, die FDP: die machen unbeirrt weiter wie bisher, notfalls eben auch ohne Wähler.)
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #79Nach welcher Logik sollte die Wahl einer Partei zu etwas anderem führen als sie in Ihren Zielen zu bestätigen, welche sie sich aktuell auf die Fahnen schreibt? Etwa zu einer Kursänderung oder dem Vertreten bisher verpönter Positionen? Das ist mir völlig unklar. Eine Partei denkt doch nicht: Oh der n_s_n hat uns gewählt, da müssen wir aber mal was gegen Genderwahnsinn, Mindestlohn und Energiewende in unser Programmm aufnehmen und die Haltung zur Kernkraft überdenken. Ne, die werden denken: "Na also. Ein klarer Wählerauftrag für unser Programm für Genderwahnsinn, Mindestlohn und Energiewende und zum Glück sind wir auch gegen Atomkraft. Diesmal haben wir sogar die Stimme vom n_s_n bekommen. Da bewegt sich was."
Das ist selbstverständlich richtig. Eine Partei, der man nicht in den Grundsätzen zustimmen kann, sollte man nicht wählen. Wenn man dann aber gar nicht wählt, wird diese Partei das kaum bemerken. Besser ist die Protestwahl einer anderen, ansonsten aussichtslosen Partei, das fällt nämlich auf am Wahlabend. Wenn nun die ungünstige Lage eingetreten ist, daß man keiner der zur Wahl stehenden Partei auch nur im Geringsten zustimmen kann, dann kann man wohl nicht anders als nicht wählen; aber es handelt sich nicht um eine ausweglose Lage, und es ist nicht das Nichtwählen, das zum Ausweg führt.
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Zitat von Fluminist im Beitrag #80Die politischen Parteien haben (prä-AfD) das Vakuum in der politischen Interessenvertretung (spezifisch: Euro-Kritik und Ablehnung der "Energiewende") gerade nicht bemerkt, erfolgreich ignoriert, insgeheim gutgeheißen: für solche Ansichten, meinten sie, dürfe es in unserer Demokratie keine Plattform geben. Erst nach langem erfolgreichen Ignorieren dieser Positionen - sinkende Wahlbeteiligung erfordert zwar ein paar nachdenkliche Mienen und ad hoc-Erklärungsversuche am Wahlabend, tut aber ansonsten überhaupt nicht weh - haben sich politisch Aktive außerhalb dieser Parteien aufgerafft, die AfD zu gründen, um einen Teil des Vakuums zu besetzen (eine neue Partei entsteht ja nicht spontan aus dem Nichts, nur weil man sie braucht). Und die anderen Parteien haben darauf reagiert, indem sie zunächst einmal fortfuhren, das Vakuum in der Vertretung politischer Interessen einschließlich der neuen Partei zu ignorieren und zu leugnen. Erst jetzt, nachdem die AfD in Landtagswahlen beachtliche Ergebnisse erzielt hat, wird die Existenz der Partei und die Möglichkeit, es könne politische Interessen geben, die diese vertritt, während die anderen Parteien das nicht tun, wahrgenommen und eingeräumt. Es waren also nicht Nichtwähler, die einen politischen Stimmungswechsel geschaffen haben, sondern die Überzeugungs- und Protestwähler der neuen Partei.
Lieber Fluminist, im Prinzip stimme ich mit Ihnen in der Beschreibung der Vorgänge überein. Wenn ich es so formulieren darf, sind die von uns dargelegten Standpunkte lediglich so etwas wie die Frage was zuerst da war: Die Henne oder das Ei? Kann das „Interessenvakuum“ jetzt nur deswegen nicht mehr ignoriert werden, weil es nun die AfD und ihre Wähler gibt? Oder ist die AfD nur deswegen entstanden, weil ein solches „Interessenvakuum“, wie im politischen Spektrum vorhanden, repräsentiert durch Nichtwähler, mittelfristig zu Parteineugründungen führt, die dieses Interessenvakuum füllen? – Quasi ein Marktwirtschaftliches Prinzip: Nachfrage führt zu Produktion dessen was nachgefragt wird und Nichtwähler könnten die Nachfrage nach bisher nicht vorhandenen Interessenvertretungen signalisieren.
Ich will nicht sagen, dass die von mir dargelegte Interpretation die Richtige ist, bzw. Ihre die Falsche. Der Prozeß der politischen Willensbildung innerhalb einer parlamentarischen Demokratie ist viel zu komplex, um das final beurteilen zu können. Ich will sagen, die Ansicht dass Nichtwähler das Entstehen von Parteien mit neuen, bisher nicht vorhandenen Interessenpositionen (wie die AfD) maßgeblich befördern ist mindestens so valide, wie zu sagen Protestwählen bringt die Parteien dazu Ihre Positionen zu verändern. Nachzuweisen, dass das ein oder andere falsch sei, dürfte enorm schwierig werden. Es sind beides Standpunkte, die jeder für sich in seiner eigenen Logik entscheiden und danach handeln muß. Sie sind beide gleich valide und unterstreichen die Verantwortung des Individuums, welche einer liberalen Sicht ja gerade am Herzen liegen sollte. Unsere Verfassung garantiert uns dabei eine freie Wahl, was ich als Hinweis darauf deute, dass die Schöpfer der Verfassung dazu wohl einen ähnlichen Standpunkt einnahmen.
Nun möchte ich daran erinnern wo wir herkommen, bzw. was der Aufhänger Erling Plaethes für seinen Artikel war: Dass der Nichtwähler in seiner moralischen Verderbtheit mit einem Straftäter, dem man in unserer Gesellschaft besondere moralische Verderbtheit unterstellt (dem Steurhinterzieher), (fast) gleich gestellt wurde. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden dann hier auch Nichtwähler des Öfteren als in der Masse als faul, desinteressiert, dumm oder ähnliches bezeichnet, denen selbst zuzuschreiben sei, wenn sich nichts ändert.
In diesem Sinne geht es mir nicht darum dazulegen, dass Nichtwählen das einzige Mittel zur Veränderung einer politischen Situation wie unserer heutigen ist. Es geht mir darum Argumente dazulegen, die das Nichtwählen als sinnvolle Alternative zum Wählen, als eine valide Teilnahme am demokratischen, politischen Prozeß begründen. Es geht mir darum darzulegen, dass ich keinen Grund sehe einen Nichtwähler abzuqualifizieren gegenüber jemandem, der eine Partei entweder aus ideologischen Gründen entgegen seiner Interessen wählt oder jemandem der eine Partei wählt deren Positionen ihm zwar nicht behagen, der aber hofft dadurch etwas zu verändern. Der Nichtwähler hofft das auch. Möglicherweise zu recht, möglicherweise zu unrecht – wie der Protestwähler.
Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch die Unfaßbarkeit der von Herr Papier geäußerten Aussage: Der oberste Hüter der Verfassung (wenn auch aD) tut kund, dass er das verfassungsmäßig garantierte Recht des Bürgers als Wähler (welches ich für sehr weitsichtig und wohlbegründet halte) moralisch mißbilligt und mit einer Straftat gleichsetzt. Natürlich ist das seine Privatmeinung, unsere Verfassung in gewissen Punkten moralisch zu mißbilligen und diese Privatmeinung ist sicher durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Für mich zeigt diese Privatmeinung aber einen Sachverhalt auf: Da wurde der Schlächter dazu ausgewählt über das Wohl des Schlachtviehs zu wachen. Da wurde jemand ausgewählt über die Rechte der Bürger zu Wachen, der diese Rechte, zumindest in Teilen, abzulehnen scheint.
Dass sich der ein oder andere maßlos über Nichtwähler ärgert, weil er eben anderer Meinung ist, kann ich natürlich verstehen. Dass dies ab und an zu einer hitzigen Aussage oder pauschaler Polemik führt, die nicht immer ganz sachlich sein kann, auch. Aber genauso kann ich Verständnis für den Text von Herrn Rietschel entwickeln, der von der anderen Seite kommt.
Zitat von Fluminist im Beitrag #80 Weltmeister im Ignorieren der Nichtwähler ist, nebenbei bemerkt, die FDP: die machen unbeirrt weiter wie bisher, notfalls eben auch ohne Wähler.
Absolute Zustimmung. Daher kann ich ja auch oft dem geschätzten Mitforisten R.A. in dieser Hinsicht nicht folgen. Ich kann den „liberalen Aufbruch“ in der FDP nicht entdecken, der ihr ein neues Profil geben könnte. Ich erkenne nur ein: “Noch mehr Lullefix, damit auch der letzte glaubt, dass wir nicht böse sind.“ Sollte die FDP entgegen dieser meiner Wahrnehmung für andere politische Inhalte stehen, dann wäre sie gut beraten diese auch so zu vermarkten, dass man sie wahr nimmt. Das richtige Marketing gehört auch zur parlamentarischen Demokratie, nicht nur ein paar kluge Köpfe in der Partei zu haben, die sich (nach außen zumindest) nicht durchsetzen können.
Zitat von Fluminist im Beitrag #80 Wenn man dann aber gar nicht wählt, wird diese Partei das kaum bemerken.
Das ist die Frage, die (meines Ermessens) so einfach nicht zu beantworten ist. Sie wird es mittelfristig möglicherweise eben doch bemerken, weil mit der Zeit Parteien wie die AfD dieses Vakuum besetzen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #80 Besser ist die Protestwahl einer anderen, ansonsten aussichtslosen Partei, das fällt nämlich auf am Wahlabend.
Die Frage ist nicht, ob es am Wahlabend auffällt. Die Frage ist, welche politische Entwicklung in Gang gesetzt wird durch eine große Zahl von Nichtwählern. Dass ist, wie oben ausgeführt, bei weitem nicht so klar wie viele gerne behaupten. Das die AfD u.a. aufgrund Wählerdesinteresses an den vorhandenen Parteien entstanden ist, ist eine nicht so einfach zu widerlegende Ansicht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #80 Wenn nun die ungünstige Lage eingetreten ist, daß man keiner der zur Wahl stehenden Partei auch nur im Geringsten zustimmen kann, dann kann man wohl nicht anders als nicht wählen;
Ich störe mich an der Formulierung, „auch nur im Geringsten zustimmen kann“. Natürlich habe ich mit einigen Parteien „geringe Übereinstimmung“. Aber in ganz zentralen Punkten Divergenz. Meine Stimme wird nun nicht so differenziert gezählt, dass dies zum tragen käme, sondern sie wird (auch/vor allem) als Zustimmung zu den Punkten gewertet, welche mir schwer im Magen liegen. Dieser Effekt ist (möglicherweise) kontraproduktiv. Daher ist für mich bei weitem nicht so klar, dass ich auch dann noch wählen sollte, wenn ich irgendwo wenigstens eine geringe Übereinstimmung sehe. Vor dem Auftauchen der AfD und mit dem inhaltlichen Siechtum der FDP hatte ich in der Tat ein Problem. Ich konnte grünlinkem, ökogenderschwachsinnigem Europazentralismus lediglich in verschieden Abstufungen zustimmen, aber nicht dagegen. Die Protestwahl einer Partei am Rande der Verfassung kommt für mich nicht in Frage und ob die Wahl einer Partei mit einem Ergebnis von 0.1%, das ungültig Wählen oder die Nichtwahl zielführender ist, ist müßig zu diskutieren. Jetzt kann ich die AfD Wählen. Sie vertritt immerhin einige Interessen, die ich teile – wenn auch (was mich betrifft) aus der (teils) falschen politischen Motivation heraus. Da gilt es abzuwägen, zu beobachten und zu entscheiden, wenn es soweit ist.
Zitat von Fluminist im Beitrag #80 aber es handelt sich nicht um eine ausweglose Lage
In der Tat, es handelt sich nicht um eine ausweglose Lage, denn das Nichtwählen ist in der parlamentarischen Demokratie mit freien und geheimen Wahlen immer ein Weg, der zum Ausweg werden kann - natürlich nicht zwangsläufig muß. Diese Ansicht ist mindestens so valide in meinen Augen, wie die, dass nur Protestwählen zum Ausweg werden kann, wie ich finde. Daher kann ich nicht erkennen, dass diese Aussage
Zitat von Fluminist im Beitrag #80und es ist nicht das Nichtwählen, das zum Ausweg führt
zwangsläufig richtig sein muß. Sie kann es sein. Sie kann aber auch falsch sein. Gleich welche Meinung man dazu hat, sehe ich keinen Grund den Nichtwähler gegenüber dem Wähler "abzuwerten".
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #77Er kritisiert die fünf (mittlerweile muß man ja sagen vier) alten & großen Parteien ...
Tut mir wirklich leid, aber das ist falsch. An keiner Stelle differenziert er zwischen den alten fuenf und den uebrigen Parteien. Er spricht immer nur von den Parteien, ganz pauschal, und das Nichtwaehlen begruendet er damit, dass man ja keinen waehlen koenne, der es nicht kann. D.h. seine Kritik bezieht sich auf alle Parteien und Kandidaten, die angetreten sind. Wenn es wirklich nur um Kritik an den fuenf alten Parteien ginge, dann haetten ja die uebrigen antretenden Parteien, insbesondere Piraten und AfD, den groessten Teil der Nichtwaehler fuer sich gewinnen koennen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #80Die politischen Parteien haben (prä-AfD) das Vakuum in der politischen Interessenvertretung (spezifisch: Euro-Kritik und Ablehnung der "Energiewende") gerade nicht bemerkt, erfolgreich ignoriert, ...
"Ignorieren" ist m. E. der falsche Ausdruck. Denn es ist NICHT Aufgabe einer Partei (oder gar einer Gruppe miteinander konkurrierender Parteien), die in der Waehlerschaft vorhandenen politischen Positionen abzubilden. Die Parteien sollen das vertreten, was sie selber fuer richtig halten. Das Gegenteil der eigenen Ueberzeugung zu vertreten, nur um Stimmen zu gewinnen, ist eigentlich nicht richtig.
Beispiele wie Energiewende und Euro verdecken auch, dass sehr oft ein Konsens der Parteien bedeutet, dass sie recht haben. Es gibt durchaus populaere Forderungen, die inhaltlich voellig murksig sind und deswegen zu Recht von keinem ernst zu nehmenden Politiker uebernommen werden. Das hat man in der Kommunalpolitik haeufig: Da steht einer im Publikum auf, erzaehlt einen voelligen Unsinn, und bekommt grossen Beifall. Und die Parteienvertreter auf dem Podium schauen sich dann nur seufzend gegenseitig an, weil sie unabhaengig von Parteigrenzen alle genau wissen, dass das nicht geht. Und dann muss einer halt in den sauren Apfel beissen (das macht man dann fairerweise meist im Wechsel) und den Buhmann spielen, d.h. moeglichst hoeflich erklaeren, warum der lautstarke Typ im Publikum ein Idiot ist ...
Ein "Vakuum" ist also erst einmal nichts Ungewoehnlliches oder Schlimmes. Und bei der Energiewende gab es ja auch Konsens zwischen Politikern und 95% der Bevoelkerung - die waren halt gemeinsam von den gruenen Medien desinformiert worden.
Die "Euro-Rettung" ist eine Ausnahme. Also ein wichtiges Thema, bei der mit guten Argumenten viele Waehler anderer Meinung sind. Da ist es aber auch nicht Pflicht einer existierenden Partei, ihre eigene Position in die Tonne zu treten. Sondern da muessen halt die betroffenen Buerger dafuer sorgen, dass es auch fuer ihre Position eine Partei gibt - genau das ist mit Gruendung der AfD geschehen.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #77Er kritisiert die fünf (mittlerweile muß man ja sagen vier) alten & großen Parteien ...
Tut mir wirklich leid, aber das ist falsch. An keiner Stelle differenziert er zwischen den alten fuenf und den uebrigen Parteien.
Zitat von Thomas Rietschel: Alles der gleiche Kaffe!In Thüringen wie in Brandenburg konnte die AfD aus dem Stand heraus punkten, weil sie die anderen bei Hofe nicht zulassen wollten [...] Die Altparteien, CDU, SPD, Grüne und Linke, haben sich selbst ein Bein gestellt, indem sie sich eine gleichsam göttliche Verfügungsgewalt über die Demokratie anmaßten. Für diese Hybris wurden sie mit überwältigender Mehrheit abgewählt, von einem Verbund aus AfD- und Nicht-Wählern.
"Fett Formatierung" durch mich.
Herzlich
n_s_n
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Ok, ich modifiziere "an keiner Stelle" durch "spaeter im Text und in einem anderen Kontext".
Macht wenig fuer meine Aussagen - im ersten Teil des Texts geht es um die Rechtfertigung der Nichtwaehler, und das laeuft bei ihm ja ueber die Behauptung, alle Parteien wuerden es nicht bringen.
Den zweiten Teil wollte ich gar nicht mehr detailliert anschauen. Da fand ich seine Vergleiche mit der alten Aristokratie und anderen Quatsch so daneben, da wollte ich gar nicht anfangen mich noch mehr aufzuregen
Zitat von R.A. im Beitrag #85ich modifiziere "an keiner Stelle" durch "spaeter im Text und in einem anderen Kontext".
Sie sind wahrlich ein zäher Diskussionsgegner lieber R.A. und schwer zu schlagen. Man merkt, dass Sie in der Politik zuhause sind.
Zitat von R.A. im Beitrag #85Da fand ich seine Vergleiche mit der alten Aristokratie und anderen Quatsch so daneben, da wollte ich gar nicht anfangen mich noch mehr aufzuregen.
Aufgrund meiner mitunter auftretenden Probleme mit niedrigem Blutdruck, freue ich mich über soche Gelegenheiten meistens und nehme sie dankbar an.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von R.A. im Beitrag #37Wenn die 50% Nichtwähler wirklich an einer Partei in anderer Form interessiert wären, könnten sie ja eine solche gründen.
Und extrem viel Zeit und Geld reinstecken, um sich dann von den Medien und Mitbürgern beschimpfen zu lassen? Es ist ja jetzt nicht so, dass es mit ein bisschen Zeit investieren getan wäre. Irgendjemand muss für das ganze auch den Kopf hinhalten. Anders gesagt: Wenn Auswandern im Verhältnis als das kleinere Übel erscheint, dann macht es wenig Sinn, sich für eine neue Partei aufzuopfern.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #81Lieber Fluminist, im Prinzip stimme ich mit Ihnen in der Beschreibung der Vorgänge überein. Wenn ich es so formulieren darf, sind die von uns dargelegten Standpunkte lediglich so etwas wie die Frage was zuerst da war: Die Henne oder das Ei? Kann das „Interessenvakuum“ jetzt nur deswegen nicht mehr ignoriert werden, weil es nun die AfD und ihre Wähler gibt? Oder ist die AfD nur deswegen entstanden, weil ein solches „Interessenvakuum“, wie im politischen Spektrum vorhanden, repräsentiert durch Nichtwähler, mittelfristig zu Parteineugründungen führt, die dieses Interessenvakuum füllen? – Quasi ein Marktwirtschaftliches Prinzip: Nachfrage führt zu Produktion dessen was nachgefragt wird und Nichtwähler könnten die Nachfrage nach bisher nicht vorhandenen Interessenvertretungen signalisieren. [...] Das die AfD u.a. aufgrund Wählerdesinteresses an den vorhandenen Parteien entstanden ist, ist eine nicht so einfach zu widerlegende Ansicht.
Sie haben recht, wir sind uns nicht so uneinig und diskutieren Details. Aber es ist eben nicht so, daß die Nachfrage automatisch zur Produktion führt; es muß auch jemand da sein, der das Vorhandensein der Nachfrage erkennt, das unternehmerische Risiko auf sich nimmt und die Produktionsmittel aufbaut und bereitstellt. Und das ist, wie Solus angemerkt hat -
Zitat von SolusUnd extrem viel Zeit und Geld reinstecken, um sich dann von den Medien und Mitbürgern beschimpfen zu lassen? Es ist ja jetzt nicht so, dass es mit ein bisschen Zeit investieren getan wäre. Irgendjemand muss für das ganze auch den Kopf hinhalten.
- überhaupt nicht selbstverständlich. Der Nutzen der Nichtwähler, den Sie im Auge haben, ist wohl in etwa so wie der eines Brachfelds in einer Maismonokultur: an sich trägt das Brachfeld noch keine Früchte, aber es gibt die Möglichkeit und die Hoffnung, darauf etwas anderes anzubauen. Wenn der Anteil der Brachfelder in einer landwirtschaftlichen Landschaft zunimmt, dann ist das für sich noch nichts Erfreuliches; erst wenn wieder Neues daraus entsteht, kommt der Gewinn.
Um die Legitimität des Nichtwählen eines Einzelnen geht es dabei wohlgemerkt nicht, sondern darum, ob man ein Anwachsen der "Partei der Nichtwähler" wirklich schon als Gewinn für die Demokratie bewillkommnen soll. Praktisch ist ein Nichtwähler ja ein Durchschnittswähler; seine nicht abgegebene Stimme zählt de facto so wie das Mittel der anderen Stimmen. Ein bedachter Nichtwähler, der mit den zur Wahl stehenden Parteien unzufrieden ist, verhält sich also im Endeffekt (so leid es mir tut) wie jemand, der im Gasthaus dasselbe bestellt wie sein Nachbar und dann über das Essen schimpft.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #81Da wurde jemand ausgewählt über die Rechte der Bürger zu Wachen, der diese Rechte, zumindest in Teilen, abzulehnen scheint.
Das ist in der Tat ein sehr bedenklicher Punkt.
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Zitat von Fluminist im Beitrag #80Die politischen Parteien haben (prä-AfD) das Vakuum in der politischen Interessenvertretung (spezifisch: Euro-Kritik und Ablehnung der "Energiewende") gerade nicht bemerkt, erfolgreich ignoriert, ...
"Ignorieren" ist m. E. der falsche Ausdruck. Denn es ist NICHT Aufgabe einer Partei (oder gar einer Gruppe miteinander konkurrierender Parteien), die in der Waehlerschaft vorhandenen politischen Positionen abzubilden. Die Parteien sollen das vertreten, was sie selber fuer richtig halten.
Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Aber was ich geschrieben hatte, war ja ein Einwand gegen die Vorstellung, die Parteien nähmen sich sinkende Wahlbeteiligung zu Herzen, überlegten sich, welche politischen Wünsche die Nichtwähler wohl haben und nirgends repräsentiert finden, und paßten sich entsprechend an. Das passiert natürlich nicht; es ist nicht ihre Aufgabe, es liegt nicht in ihrem Interesse und sie kümmern sich nicht drum. Deshalb ist Nichtwählen ja kein Denkzettel, höchstens (wenn's ganz schief ausgeht) für die Nichtwähler selbst.
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Zitat von Fluminist im Beitrag #80Die politischen Parteien haben (prä-AfD) das Vakuum in der politischen Interessenvertretung (spezifisch: Euro-Kritik und Ablehnung der "Energiewende") gerade nicht bemerkt, erfolgreich ignoriert, ...
"Ignorieren" ist m. E. der falsche Ausdruck. Denn es ist NICHT Aufgabe einer Partei (oder gar einer Gruppe miteinander konkurrierender Parteien), die in der Waehlerschaft vorhandenen politischen Positionen abzubilden. Die Parteien sollen das vertreten, was sie selber fuer richtig halten. Das Gegenteil der eigenen Ueberzeugung zu vertreten, nur um Stimmen zu gewinnen, ist eigentlich nicht richtig.
Genau! Und kann zum Rauswurf dieser Partei aus allen Parlamenten führen, sollte man noch hinzufügen. Das passiert nämlich wenn der Wähler gar nicht mehr weiß, welche Überzeugungen eine Partei vertritt. Die Wähler bleiben dann einfach zu Hause. Oder starten einen neuen Versuch, denn, seien wir mal ehrlich: Sie lassen sich immer und immer wieder veräppeln, weil ihr Glaube an die Existenz integrer Politiker unerschütterlich ist. Eigentlich ist es ja mehr eine Hoffnung die durchaus dann und wann bestätigt wird. Selbst der größte Zyniker, und das glaube ich im Ernst, gibt diese Hoffnung nicht auf. Sie stirbt zuletzt. Aber soweit sind wir noch lange nicht in Deutschland.
Vorbemerkung: Ein so langer Tread hat den Nachteil für den Späteinsteiger, dass er etwas schreibt, was schon erörtert wurde. Das Risiko gehe ich ein und bitte um Nachsicht.
Lieber Erling Plaethe, grundsätzlich stimme ich mit Ihnen überein. Aber ich kann auch Papier verstehen, der das Nichtwählen anrüchig machen möchte. Leider hat er m.E. die falsche Begründung gewählt. Aber er macht sich Sorgen wegen der steigenden Zahl der Nichtwähler.
Für mich sind Nichtwähler nicht Parteien- oder Politikverdrossen, sondern Sie äußern ihren Unmut über unsere Politiker und deren politisches Handeln bzw. Nichthandeln. Das kann ich sogar verstehen und nachvollziehen.
Trotzdem würde ich nie nicht zur Wahl gehen, weil ich damit immer eine mir nicht bekannte stärkste Partei wähle. An jedem Wahlgang nehme ich auch als Nichtwähler teil. Ob ich das will oder nicht. Also Nichtwähler kann es nicht geben. Nichtwähler bzw. Stimmenthaltung stärkt immer den mit den meisten Stimmen. Das fatale daran ist, dass ich dann nicht mehr selbstbestimmt meine Stimme abgebe. Das stört mich gewaltig. Deshalb werde ich immer zur Wahl gehen, auch wenn ich weiß, dass ich durch meine Stimme letztlich nichts bewege.
Nur in der DDR hatte die Wahlverweigerung eine politische Bedeutung. Deshalb bin ich in der DDR nie zur Wahl gegangen. In dieser Situation sehe ich mich aber jetzt nicht. Das Wahlrecht, die freie Wahlmöglichkeit, ist für mich ein so hohes Gut, dass ich es auch aus diesm Grund immer ausüben werde.
Mir ist es völlig unverständlich, warum jemand dieses Recht leichtfertig ausschlägt. Aber das ist die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, die ich nicht verstehen muss, die ich auch kritisieren kann, die ich aber trotzdem akzeptieren mus.
Noch ein anderer Gedanke: Auch unser Wahlrecht ist die Ursache für Wahlverweigerung. Bei der Stimmabgabe weiß ich nie was ich wähle, weil die von mir gewählte Partei nicht die absolute Mehrheit bekommt. Ich bekomme als Wähler ein Ergebnis, dass ich bei der Stimmabgabe nicht gewollt habe. Thüringen ist ein gutes aktuelles Beispiel. Das Wahlsystem müste geändert werden. Ein Mehrheitswahlrecht würde zwar die Wahlvielfalt einschränken, aber immer zu einer Regierungsmehrheit ohne Koalition führen. Das wollen alle Parteien nicht, weil ein bischen Macht immer noch besser ist als keine. Das Ziel der Politiker ist nicht das Wohl des Volkes, sondern Macht. Deshalb ist es den Parteien auch, entgegen allen scheineheiligen Beteuerungen, völlig egal wie hoch die Wahlbeteiligung ist. Sie sind nur auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erpicht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #89Deshalb ist Nichtwählen ja kein Denkzettel, höchstens (wenn's ganz schief ausgeht) für die Nichtwähler selbst.
Korrekt. Viele Leute erwarten, dass "Volksvertreter" heisst, ein Politiker muesse die Wuensche der Waehler vertreten. Als gaebe es ein imperatives Mandat. Aber genau das ist in unserem System (richtigerweise) nicht vorgesehen. Politiker bieten ihre jeweiligen Loesungen an, und die Waehler koennen sich eine davon aussuchen. Und wenn keine ihrer Wahl im Angebot ist, dann muessen sie halt selber kandidieren. Nichtwaehlen bedeutet in diesem Kontext nur, dass man die eigenen politischen Vorstellungen aus dem Spiel nimmt.
Zitat von Paul im Beitrag #91Das Wahlsystem müste geändert werden. Ein Mehrheitswahlrecht würde zwar die Wahlvielfalt einschränken, aber immer zu einer Regierungsmehrheit ohne Koalition führen.
Das ist sachlich leider nicht richtig. Es ist reiner Zufall, und haengt von konkreten politischen Rahmenbedingungen ab, wenn ein Mehrheitswahlrecht tatsaechlich den Vertretern einer Partei zur alleinigen Mehrheit verhilft. In der Regel funktioniert das nur, wenn (wie z. B. in den USA) ohnehin nur zwei relevante Parteien antreten - dann ist es aber triviial, dass eine Partei eine Mehrheit bekommt.
In Laendern mit vielen Parteien (z. B. in Deutschland) wuerde es mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder eine Koalitionsnotwendigkeit ergeben.
Zitat Das Ziel der Politiker ist nicht das Wohl des Volkes, sondern Macht.
Das muss kein Gegensatz sein. Natuerllich haben viele Politiker private Karriereambitionen. WIe das ja in der Wirtschaft auch der Fall ist - und dort auch nicht als verwerflich gilt. Aber ueblicherweise will man die Macht, um damit etwas zu erreichen, was man gut fuer das Wohl des Volkes haelt. EIne Nahles setzt ihre Macht ja nicht fuer den Mindestlohn ein, weil ihr das private Vorteille bringen wuerde. Sondern weil sie subjektiv davon ueberzeugt ist, dass der ganz toll ist.
Zitat Deshalb ist es den Parteien auch, entgegen allen scheineheiligen Beteuerungen, völlig egal wie hoch die Wahlbeteiligung ist. Sie sind nur auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erpicht.
Richtig. Mal angenommen, bei der naechsten BTW wuerde nur noch 1% zur Wahl gehen - aber davon wuerden 0,6% meine Partei waehlen. Und ich duerfte nun als Bundeskanzler diese Mehrheit nutzen. Dann waere die "Energiewende" sofort weg vom Fenster. Weil ich persoenlich das fuer gut halte fuer das Wohl des Volkes. Und wenn dann die 99% sich die Augen ausweinen aus Sehnsucht nach den Solarpanels - ihr Pech, haetten sie halt waehlen gehen muessen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #88 Aber es ist eben nicht so, daß die Nachfrage automatisch zur Produktion führt; es muß auch jemand da sein, der das Vorhandensein der Nachfrage erkennt, das unternehmerische Risiko auf sich nimmt und die Produktionsmittel aufbaut und bereitstellt. Und das ist […]überhaupt nicht selbstverständlich. Der Nutzen der Nichtwähler, den Sie im Auge haben, ist wohl in etwa so wie der eines Brachfelds in einer Maismonokultur: an sich trägt das Brachfeld noch keine Früchte, aber es gibt die Möglichkeit und die Hoffnung, darauf etwas anderes anzubauen. Wenn der Anteil der Brachfelder in einer landwirtschaftlichen Landschaft zunimmt, dann ist das für sich noch nichts Erfreuliches; erst wenn wieder Neues daraus entsteht, kommt der Gewinn.
Lieber Fluminist, absolut. Ich stimme zu.
Folgt nun aber daraus, dass der Nichtwähler überflüssig ist? Oder folgt daraus vielleicht, dass es zunächst einmal Brachland braucht, damit neue Nutzfläche entstehen kann? -- Schwer zu sagen, finde ich. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber weil ich es nicht weiß fällt es mir schwer, das Nichtwählen als überflüssig zu betrachten.
Zitat von Fluminist im Beitrag #88 sondern darum, ob man ein Anwachsen der "Partei der Nichtwähler" wirklich schon als Gewinn für die Demokratie bewillkommnen soll
Soll man bewillkommnen, wenn Wähler Parteien wählen, deren Positionen Sie grundsätzlich nicht teilen und deren Ziele sie für schädlich erachten, nur um „das kleinere Übel“ zu wählen? Sollen Wähler aktiv Positionen stärken, die sie eigentlich verhindern wollen, nur um für sie nicht ganz so wichtige Nuancen der Ausgestaltung des "Irrsinns" aktiv mit zu beeinflussen? Wieder keine einfache Frage, wie ich finde.
Zitat von Fluminist im Beitrag #88 Praktisch ist ein Nichtwähler ja ein Durchschnittswähler; seine nicht abgegebene Stimme zählt de facto so wie das Mittel der anderen Stimmen.
Lieber Fluminist, dem stimme ich zu, wenn Sie das Ergebnis der Wahl, rein arithmetisch betrachten. Der Nichtwähler ist aber kein Durchschnittswähler, betrachten Sie seine gemachte Aussage. Heute stimmt der Durchschnittswähler für Quoten, Mindestlohn, Eurozentralismus, Energiewende, Klimaschutz, mehr Umverteilung und anderes. Sie fanden bis zur AfD keine Partei um dagegen zu stimmen. Sie konnten nur dafür stimmen oder eben gar nicht. Daher ist gar nicht zu wählen eben schon ein Unterschied zu dem Durchschnittswähler. Die Parteien können den Nichtwähler nicht als Zustimmung zu Ihrer Politik deuten – was immer das dann zur Folge hat. Um in ihrem Beispiel zu bleiben, entsteht dadurch Brachland.
Zitat von Fluminist im Beitrag #88 Ein bedachter Nichtwähler, der mit den zur Wahl stehenden Parteien unzufrieden ist, verhält sich also im Endeffekt (so leid es mir tut) wie jemand, der im Gasthaus dasselbe bestellt wie sein Nachbar und dann über das Essen schimpft.
Das würde ich anders sehen. Er steht auf und verläßt das Gasthaus, ohne etwas zu essen und ärgert sich, dass er hungrig bleibt und wenn genügend hungrige Leute auf der Straße stehen, kommt vielleicht irgendwann mal jemand auf die Idee ein neues Gasthaus zu betreiben und andere Speisen anzubieten.
Ich gebe Ihnen natürlich absolut recht, dass sich jemand finden muß der eine Partei gründet, dass dies mit Aufwand verbunden ist und nicht einfach so passiert. Demjenigen, der eine neue Partei gründet eröffnen sich aber auch Perspektiven: Auf Teilhabe, Macht, Bedeutung und Auskommen, mögliche Anerkennung für seine Positionen. Diese Perspektive vergrößert sich sicher bei einer großen Zahl von Nichtwählern. Lassen Sie es mich so formulieren: In einer Demokratie mit 100% Wahlbeteiligung erachte ich die Chance dafür, dass eine neue Partei entsteht als deutlich niedriger, als in einer in der die Wahlbeteiligung nur noch bei 25% liegt. Was nun genau wodurch bedingt wird, wie die Abhängigkeiten sind, wird schwer sein festzustellen.
Eine Frage, die ich hier bereits mehrfach gestellt habe und die mir bisher nicht befriedigend beantwortet wurde, steht für mich auch noch im Raum: Es wurden viele Argumente angeführt, warum nichtwählen zu nichts führen kann. Es wurde aber überhaupt nicht darauf eingegangen, was dadurch passiert wenn ich eine Partei wähle und damit Positionen festige, die ich nicht will.
Hat dies keine Auswirkungen, die zu meinen Interessen kontraproduktiv sein könnten? Hat die nur das Nichtwählen?
Konkretes Beispiel: Was ist die beste Wahl um den Mindestloh zu verhindern? CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP oder nicht zu Wählen? Mit anderen Worten, eine Partei zu wählen, die den Mindestloh befürwortet oder eben garnicht zu Wählen. Warum soll es besser sein eine Partei zu wählen, die den Mindestlohn befürwortet um ihn zu verhindern, als garnicht zu wählen?
Um auf ihr Beispiel mit dem Restaurant zurückzukommen: Was würden Sie vorschlagen? Dass ich ein anderes Essen als mein Tischnachbar bestelle, welches mir ebenfalls nicht schmeckt? Dass ich nach Hause gehe und selbst koche? – Wenn ich kochen könnte, würde ich das tun. Wenn ich es nicht kann, muß ich essen was mir nicht bekommt, oder hungrig bleiben in der Hoffnung dass irgendwann jemand der kochen kann, auf die Idee kommt, dass dieses Potential der Hungrigen für ihn eine neue Geschäftsbasis sein könnte.
In eigentlich allem was Sie sagen, kann ich Ihnen zustimmen. Ich erkenne nur nicht, warum dadurch klar sein soll, dass Nichtwählen gegenüber dem Wählen einer Partei welche einem zuwider ist, von Nachteil sein soll. Was gewinne ich dadurch, wenn ich mir auswähle wer mir vorschreibt, dass ich das zu tun habe was ich nicht will und ihn damit sogar in der Meinung bestärke, dass ich ja eigentlich will was er mir vorschreibt?
Die Beantwortung dieser Frage steht für mich nach wie vor im Raum.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von R.A. im Beitrag #83Denn es ist NICHT Aufgabe einer Partei (oder gar einer Gruppe miteinander konkurrierender Parteien), die in der Waehlerschaft vorhandenen politischen Positionen abzubilden. Die Parteien sollen das vertreten, was sie selber fuer richtig halten. Das Gegenteil der eigenen Ueberzeugung zu vertreten, nur um Stimmen zu gewinnen, ist eigentlich nicht richtig.
Absolut lieber R.A.
Genau wie es NICHT Aufgabe eines Wählers ist, durch seine Wahl die politischen Positionen der vorhandenen Parteien zu bestätigen.
Und dies ist, im übertragenen Sinne, das Prinzip einer freien Marktwirtschaft. Kein Unternehmen darf auf die Produkte verpflichtet werden, die es produziert und kein Käufer darauf, das zu kaufen was prouziert wird. Sonst würde man das Planwirtschaft nennen - nicht freie Marktwirtschaft.
Wenn jemand Glühbirnen ohne Glühdraht produzieren möchte, dann darf er das tun. Ich sage diesem Unternhehmen allerdings kein rosige Zukunft voraus.
Wenn plötzlich alle Unternhemen Glühbirnen ohne Glühdraht produzieren möchten, dürfen sie das ebenfalls tun. Der Konsument steht nun vor der schwierigen Frage, ob er diese Glühbirnen kauft und im Dunkeln sitzt oder sie nicht kauft und im Dunkeln sitzt, bzw. wie er sich verhalten sollte, möchte er in Zukunft nicht mehr im Dunkeln sitzen. Gleich was er tut, es sollte ihm überlassen bleiben.
Auf kurz oder lang, wird ein Unternehmen entstehen, welches wieder Glühbirnen mit Glühdraht produziert und es wird sich dumm und dämlich damit verdienen. Was bis dahin besser ist zu tun, entzieht sich für mich einer kategorischen Beurteilung -- Es sei denn man ist Glühbirnenproduzent oder hat das Zeug dazu es zu werden. Dann sollte man schleunigst die Produktion umstellen/aufnehmen.
Will damit sagen: Natürlich ist es nicht Aufgabe einer Partei, die in der Waehlerschaft vorhandenen politischen Positionen abzubilden. Aber solange es freie und geheime Wahlen gibt, werden die Parteien "on the long run" genau das tun. So funktionieren freie Märkte und eine parlamentarische Demokratie mit freien und geheimen Wahlen, ist ein freier "Interessenmarkt".
Vielen scheint das aber nicht mehr bewußt zu sein heutzutage. Sie halten die parlamentarische Demokratie viel mehr für eine Erziehungsanstalt, in der der Zeitgeist die Parteien erzieht und diese dann den Bürger.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #95Auf kurz oder lang, wird ein Unternehmen entstehen, welches wieder Glühbirnen mit Glühdraht produziert und es wird sich dumm und dämlich damit verdienen. Was bis dahin besser ist zu tun, entzieht sich für mich einer kategorischen Beurteilung -- Es sei denn man ist Glühbirnenproduzent oder hat das Zeug dazu es zu werden. Dann sollte man schleunigst die Produktion umstellen/aufnehmen.
22.09.14: Um die AfD zu verstehen, muss man die Aktion mit den Glühbirnen verstehen. Sie ist genial. Die Idee kam von Lucke persönlich. Sie lautete: Glühbirnen verkaufen. Und zwar die alten, stromfressenden. Die AfD bot also Glühbirnen im Internet an: zehn 100-Watt-Birnen für 9,99 Euro. Daneben stand: „Hierbei handelt es sich um die gute alte Glühbirne.“ Energieeffizienzklasse E, also sehr, sehr schlecht und von der Europäischen Union seit 2009 verboten. Nur Lagerbestände dürfen noch abverkauft werden. Das tut seit Anfang des Jahres die AfD.
Als sehr sporadischer FAZ Leser und jemandem der Maischberger vor Jahren schon entsagt hat, kannte ich diese Aktion nicht. Ich weiß auch nicht, warum mir die Glühbirne in den Sinn kam. Sie schien mir am griffigsten und war nicht als Anspielung gemeint. Verdammter Zufall. Aber hätte ich stattdessen unbedruckte Bücher, Autos ohne Räder oder Fernseher ohne Bild herangezogen, oder Kühlschränke, welche das Essen warm halten (was mein erster Gedanke war), Sie lieber Ulrich, hätten ohnehin etwas dazu ausgegraben.
Edit: Das schöne ist ja nun, dass nicht der Autor der FAZ und Augstein über die Nachfrage für die AfD befinden, sondern der Markt. Da können die beiden genannten ansonsten von der AfD halten, was sie mögen und sie für so rückständig und lächerlich halten, wie sie wollen und das gleiche auch über deren Wähler denken.
\"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.\" - Montesquieu
Zitat von R.A. im Beitrag #92Und wenn keine ihrer Wahl im Angebot ist, dann muessen sie halt selber kandidieren. Nichtwaehlen bedeutet in diesem Kontext nur, dass man die eigenen politischen Vorstellungen aus dem Spiel nimmt.
Ist es denn wirklich der Demokratie dienlich, wenn jeder Querkopf Abgeordneter wird? Wer kümmert sich dann um die Wirtschaft? Wer um das BSP? Klar kann ich, wenn ich keinen vernünftigen Honig zu kaufen bekomme, mir mein eigenes Bienenvolk halten. Aber vielleicht warte ich ja auch bis sich das Angebot bessert und nehme einstweilen Zucker bis es wieder guten Honig gibt. Der war ja schon mal erhältlich nur nicht lange haltbar.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #94Folgt nun aber daraus, dass der Nichtwähler überflüssig ist? Oder folgt daraus vielleicht, dass es zunächst einmal Brachland braucht, damit neue Nutzfläche entstehen kann? -- Schwer zu sagen, finde ich. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber weil ich es nicht weiß fällt es mir schwer, das Nichtwählen als überflüssig zu betrachten.
Wie alle wirklich wichtigen Fragen kann man auch diese nur durch Empirie beantworten. Bei den Landtagswahlen in Sachsen war die Wahlbeteiligung (knapp) unter 50%. Wir werden ja sehen, ob dort jetzt die offensichtlich erforderlichen politischen Alternativen aufschießen wie die Schwammerl oder nicht.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #94Soll man bewillkommnen, wenn Wähler Parteien wählen, deren Positionen Sie grundsätzlich nicht teilen und deren Ziele sie für schädlich erachten, nur um „das kleinere Übel“ zu wählen? Sollen Wähler aktiv Positionen stärken, die sie eigentlich verhindern wollen, nur um für sie nicht ganz so wichtige Nuancen der Ausgestaltung des "Irrsinns" aktiv mit zu beeinflussen? [...]
Zitat von Fluminist im Beitrag #88 Praktisch ist ein Nichtwähler ja ein Durchschnittswähler; seine nicht abgegebene Stimme zählt de facto so wie das Mittel der anderen Stimmen.
Lieber Fluminist, dem stimme ich zu, wenn Sie das Ergebnis der Wahl, rein arithmetisch betrachten. Der Nichtwähler ist aber kein Durchschnittswähler, betrachten Sie seine gemachte Aussage. Heute stimmt der Durchschnittswähler für Quoten, Mindestlohn, Eurozentralismus, Energiewende, Klimaschutz, mehr Umverteilung und anderes.
Das ist eben der fundamentale Widerspruch beim Nichtwählen. Der Nichtwähler will nicht die Parteien wählen, die der Durchschnittswähler wählt, weil er deren Positionen nicht teilt und ihre Ziele für schädlich erachtet, aber im Ergebnis (nämlich der Sitzverteilung im Parlament) hat er genau wie der Durchschnittswähler gewählt. Ob er also eine der großen Koalitionsparteien ankreuzt und sich dazu denkt "Blödmänner seid ihr mit euren Quoten, Mindestlohn etc., aber hier gebe ich immerhin eine Stimme gegen die Linken / die Extrempartei X ab, möge das Bürgertum es mir danken" (*), oder gar nicht wählt, macht keinen so großen Unterschied.
Es wird mir hierbei auch klar, worin sich unsere Argumentation unterscheidet: Sie gehen davon aus, was Sie sich beim Wählen oder Nichtwählen dazu denken, während ich vom praktischen Ergebnis ausgehe. Wenn wir diese Prämisse den Aussagen zusetzen, dann stimme ich Ihnen ohne weiteres zu.
Zitat von Fluminist im Beitrag #88 Ein bedachter Nichtwähler, der mit den zur Wahl stehenden Parteien unzufrieden ist, verhält sich also im Endeffekt (so leid es mir tut) wie jemand, der im Gasthaus dasselbe bestellt wie sein Nachbar und dann über das Essen schimpft.
Das würde ich anders sehen. Er steht auf und verläßt das Gasthaus, ohne etwas zu essen und ärgert sich, dass er hungrig bleibt und wenn genügend hungrige Leute auf der Straße stehen, kommt vielleicht irgendwann mal jemand auf die Idee ein neues Gasthaus zu betreiben und andere Speisen anzubieten.
Würde nicht schlecht funktionieren, aber so läuft die Sache in unserem Wahlsystem eben nicht. Selbst wenn er das Gasthaus verläßt, wird er als Gast mitgezählt, der das und das, was er bestellt hat, aufgegessen hat. Er steht nicht deutlich sichtbar auf der Straße herum. Nur irgendwo am Rande wird eine Statistik veröffentlicht, wieviele Gäste beim Essen gemurrt oder die Nahrungsaufnahme verweigert haben, und dann kann, wer sonst nichts besseres zu tun hat, über die Gründe hierfür spekulieren und versuchshalber ein anderes Gasthaus eröffnen.
Die Lage wäre anders bei Mehrheitswahlrecht mit Quorum. Wenn bei 50% Wahlbeteiligung nur die Hälfte der Sitze im Landtag besetzt ist, dann fällt das wirklich auf, und das ungenutzte politische Potential stünde viel dringlicher vor aller Augen.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #94Es wurde aber überhaupt nicht darauf eingegangen, was dadurch passiert wenn ich eine Partei wähle und damit Positionen festige, die ich nicht will.
Hat dies keine Auswirkungen, die zu meinen Interessen kontraproduktiv sein könnten? Hat die nur das Nichtwählen?
Natürlich hat das negative Auswirkungen. Der Punkt der Diskussion ist ja nur, daß man durch den zunächst einleuchtend scheinenden Weg des Nichtwählens die negativen Auswirkungen leider am Ende doch nicht vermeiden kann. Sie haben freilich in dem Punkt recht, daß eine zu hohe Wahlbeteiligung dann bei passender Gelegenheit gern als besondere demokratische Legitimation für das Regierungsprogramm herangezogen wird. Da aber in der Politik Rhetorik regiert und nicht Logik, gilt der Umkehrschluß leider nicht: hat man das Argument mit der hohen Wahlbeteiligung nicht, dann findet man sich eben einen anderen Grund, warum das entsprechende Vorhaben besonders wichtig, alternativlos und im Sinne aller ist.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #94Um auf ihr Beispiel mit dem Restaurant zurückzukommen: Was würden Sie vorschlagen? Dass ich ein anderes Essen als mein Tischnachbar bestelle, welches mir ebenfalls nicht schmeckt? Dass ich nach Hause gehe und selbst koche? – Wenn ich kochen könnte, würde ich das tun. Wenn ich es nicht kann, muß ich essen was mir nicht bekommt, oder hungrig bleiben in der Hoffnung dass irgendwann jemand der kochen kann, auf die Idee kommt, dass dieses Potential der Hungrigen für ihn eine neu Geschäftsbasis sein könnte.
Ja, das sind so ziemlich alle Möglichkeiten. Welche der Einzelne wählt, muß er selbst entscheiden. Da bin ich für vollkommene Freiheit, wie wir sie in Deutschland ja haben: Sie können wählen, wen Sie wollen, Sie können nichtwählen, Sie können ungültig wählen, Sie können Ihre eigene Partei gründen, das alles ist Ihr gutes Recht, was auch immer ein Papiertiger darüber denkt.
(*) NACHTRAG: Sie können es ja auch so sehen: wenn Sie einer Partei Ihre Stimme geben, haben Sie damit die n-1 anderen Parteien nicht gewählt. Wenn Sie nicht wählen, dann haben Sie all den Parteien, die im Durchschnitt größere Stimmanteile haben, einen entsprechenden Teil Ihrer Stimme gegeben.
Who is General Failure and why is he Reading my Disk?
Lieber Fluminist, wer nicht wählt gibt auch keine Stimme ab. Er behält sie. Es ist seine. Die Prozente der Parteien werden aus den gültigen abgegebenen Stimmen ermittelt. Wenn ich nicht wähle war ich nicht zugegen, so als wäre ich gar nicht in diesem Universum! Wenn das zweite und dritte und vierte und fünfte Mal hintereinander eine große Koalition herauskommt, dann werden auch Sie in Erwägung ziehen, nicht zur Wahl zu gehen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Irgendwie wollen Sie nicht wahrhaben dass ein Wähler entscheidet, ob er seine Stimme abgibt oder behält. Oder wegwirft, wenn er ungültig wählt. Meine Stimme hat niemand bekommen, da können Sie noch so viel rechnen. Ich weiß das besser als Sie weil es meine ist!
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