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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 177 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

25.09.2014 16:42
#101 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Lieber Fluminist.

Danke für ihre vielen Erläuterungen.

Um am Ende ihrer Antwort anzufangen:

Zitat von Fluminist im Beitrag #99
Ja, das sind so ziemlich alle Möglichkeiten. Welche der Einzelne wählt, muß er selbst entscheiden. Da bin ich für vollkommene Freiheit, wie wir sie in Deutschland ja haben: Sie können wählen, wen Sie wollen, Sie können nichtwählen, Sie können ungültig wählen, Sie können Ihre eigene Partei gründen, das alles ist Ihr gutes Recht, was auch immer ein Papiertiger darüber denkt.
Dann sind wir uns einig. Viel mehr wollte ich nicht sagen. Die freie Entscheidung ist mein Recht und (das wäre mein Zusatz) wenn ich die freie Entscheidung treffe nicht zu wählen, sehe ich keine Logik, nach der man mich zwangsläufig als dumm, faul, unlogisch, unmoralisch oder was auch immer sonst bezeichnen müßte. Solche Sichtweisen standen nach meiner Wahrnehmung hier zur Debatte.

Zitat von Fluminist im Beitrag #99
Wie alle wirklich wichtigen Fragen kann man auch diese nur durch Empirie beantworten. Bei den Landtagswahlen in Sachsen war die Wahlbeteiligung (knapp) unter 50%. Wir werden ja sehen, ob dort jetzt die offensichtlich erforderlichen politischen Alternativen aufschießen wie die Schwammerl oder nicht.
Mit solch digitaler Empirie werden Sie keine sinnvollen Ergebnisse erhalten. Ich betrachte es anders herum. Die in den letzten Jahren stetig sinkende Wahlbeteiligung hat einen Grund. Das entstehen der AfD hat einen Grund. Diese Gründe sind zumindest ähnlich, wenn nicht sehr ähnlich. Die Frage ist, in wie weit der gemeinsame Grund die steigende Zahl der Nichtwähler und das entstehen der AfD in eine Korrelation oder Kausalität setzt. Faktisch ist diese Frage wohl nicht zu beantworten und muß offen bleiben. Damit bleibt für mich die Frage offen, wie ich den Trade off zwischen Nichtwählen und „Wählen der falschen Partei“ bewerten soll.
Wähle ich nicht, schaffe ich „Brachland“, von dem ich nicht wirklich weiß was es wert ist, zum Preis, dass ich „Nuancen aufgebe in der Mitbestimmung“.
Wähle ich, nehme ich „Nuancen in der Mitbestimmung“ wahr, zum Preis dass ich Positionen festige, die ich nicht möchte.

Diese Güterabwägung gilt es zu treffen.

Für mich persönlich gilt, ich werde das versuchen nach bestem Wissen und Gewissen bei jeder Wahl abzuwägen und dann zu entscheiden. Und die Nichtwahl ist dabei eine wesentliche Option.

Um in einem extremen, sehr fiktiven Beispiel zu veranschaulichen was ich damit meine: Es stehen Linke, Grüne, CDU und SPD, und NPD zu Wahl.
Wenn alles auf eine große Koalition hinausläuft, sehe ich keinen Grund Programmen zuzustimmen, welche ich nicht teile. Weil ich diese Zustimmung nicht suggerieren möchte.

Wenn (was Gott behüte nicht geschehen mag) eine Mehrheit der NPD drohen würde, dann würde ich sicher, als geringstes Übel der fünfe, die CDU wählen. Zum einen, weil die „Nuance in der Mitbestimmung“, ob wir eine Koalition aus demokratisch, rechtsstaatlich gesinnten Parteien bekommen oder nicht, für mich keine Nuance mehr ist, sondern wesentlich. Zum anderen würde meine Wahl dann auch höchstwahrscheinlich richtig wahrgenommen: Gegen Extremismus, für Rechtsstaatlichkeit.

Zitat von Fluminist im Beitrag #99
Es wird mir hierbei auch klar, worin sich unsere Argumentation unterscheidet: Sie gehen davon aus, was Sie sich beim Wählen oder Nichtwählen dazu denken, während ich vom praktischen Ergebnis ausgehe. Wenn wir diese Prämisse den Aussagen zusetzen, dann stimme ich Ihnen ohne weiteres zu.

Lieber Fluminist,
Erinnern Sie sich noch an diesen Beitrag von Ihnen?
Ich habe damals u.a. „gegen“ Erling Plaethe argumentiert, warum ich Wählen für sinnvoller halte als nichtwählen. Weil es mir wichtig ist vor mir selbst, das richtige zu tun. Sie haben das damals verstanden. Ich habe für mich, indem ich über die Argumente Erling Plaethes in der Folge nachgedacht habe, begriffen, dass so wie die Dinge in unserem Land derzeit liegen, Nichtwählen zu dieser Wahl gehört die ich zu treffen habe und sie eine Option ist, welche mir wichtig ist. Daher verwehre ich mich gegen Angriffe auf die Nichtwähler. Sei es, ob man Sie als dumm, moralisch verderbt oder faul bezeichnet oder sie andersweitig negativ attributiert. Sie treffen Ihre Wahl wie jeder der aktiv wählt auch. Und sie denken sich dabei etwas oder nichts. -- wie jeder der aktiv wählt auch.


Daher finde ich diesen Satz wunderschön:
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #100
Meine Stimme hat niemand bekommen, da können Sie noch so viel rechnen. Ich weiß das besser als Sie weil es meine ist!

Es ist völlig unerheblich und sagen Sie von mir aus, es ist nur die Befriedigung meines eigenen Narzismus:
Ich sehe, dass die falsch allokierten Gelder in Energiewende und Klimaschutz, dass Mindestlohn, Werteschleifung, Kulturrelativismus, Vernachlässigung der äußeren und inneren Sicherheit, Gentechnikfaschismus und einiges mehr diesem Land riesige Problem bereiten werden in der Zukunft. Und nicht nur diesem Land. Es wird Hunger, mitunter Tod bedeuten der verhindert hätte werden können und irgendwann, werden die Menschen diese Zusammenhänge begreifen. (Selbst wenn die Welt nicht so ist, sehe ich sie derzeit so.)

Ich kann dann für mich persönlich sagen: Meine Stimme haben diese Parteien damals nie bekommen.

Das ist dann natürlich für niemanden etwas Wert, außer für mich ganz persönlich.

Herzlich


n_s_n

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

25.09.2014 17:55
#102 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #101
Zitat von Fluminist im Beitrag #99
Es wird mir hierbei auch klar, worin sich unsere Argumentation unterscheidet: Sie gehen davon aus, was Sie sich beim Wählen oder Nichtwählen dazu denken, während ich vom praktischen Ergebnis ausgehe. Wenn wir diese Prämisse den Aussagen zusetzen, dann stimme ich Ihnen ohne weiteres zu.

Lieber Fluminist,
Erinnern Sie sich noch an diesen Beitrag von Ihnen?
Ich habe damals u.a. „gegen“ Erling Plaethe argumentiert, warum ich Wählen für sinnvoller halte als nichtwählen. Weil es mir wichtig ist vor mir selbst, das richtige zu tun.

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht, vielen Dank für die Erinnerung. Ja, von der subjektiven Seite her sind wir uns ja vollkommen einig. Man tut, was man tun muß, um sich selbst treu zu bleiben, das ist für mich der oberste ethische Grundsatz (das sehen gewiß viele wieder anders...). Aber zu diesem Prinzip gehört auch, daß man sich nicht von Leuten, die einen deswegen pauschal für faul, dumm, renitent, unmoralisch o. ä. abstempeln wollen, ins Bockshorn jagen läßt.
Von dieser Seite her gibt es nichts zu diskutieren; nur eine Frage hätte ich an Sie: wenn Sie schreiben
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #101
Zum anderen würde meine Wahl dann auch höchstwahrscheinlich richtig wahrgenommen: Gegen Extremismus, für Rechtsstaatlichkeit.

- von wessen Wahrnehmung reden Sie da? Denn wie Sie persönlich gewählt haben, weiß ja (wenn nicht das Wahlgeheimnis verletzt wird) außer Ihnen niemand! Um die Wahrnehmung irgendwelcher anderer brauchen Sie sich hier also nicht zu kümmern. Und was Ihre persönliche Einschätzung Ihres Wahlverhaltens anbelangt, genügt doch der Satz (der auch mir schon oft über politische Ärgernisse hinweggeholfen hat, und den man eingerahmt über diese ganze Diskussion hängen sollte)
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #101
Ich kann dann für mich persönlich sagen: Meine Stimme haben diese Parteien damals nie bekommen.

Eine andere Frage aber war, wie man die wachsende Zahl von Nichtwählern als Phänomen in der Demokratie als ganzes beurteilen soll, mit Rietzschels Artikel als Aufhänger. Das hat nun mit der Befindlichkeit und Auffassung des Einzelnen nichts mehr zu tun, sondern ist ein die Gesellschaft insgesamt betreffender Effekt und eine ganz andere Baustelle.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #101
Zitat von Fluminist im Beitrag #99
Wie alle wirklich wichtigen Fragen kann man auch diese nur durch Empirie beantworten. Bei den Landtagswahlen in Sachsen war die Wahlbeteiligung (knapp) unter 50%. Wir werden ja sehen, ob dort jetzt die offensichtlich erforderlichen politischen Alternativen aufschießen wie die Schwammerl oder nicht.
Mit solch digitaler Empirie werden Sie keine sinnvollen Ergebnisse erhalten.

Ob sinnvoll oder nicht, sie scheint mir ein geeigneter Test für die Vermutung zu sein, daß sich Wahlalternativen bei Bedarf wie von der unsichtbaren Hand gesät einstellen. - Ich persönlich halte übrigens wenig von massierten Parteineugründungen; mir erscheint ein inklusiverer Ansatz, bei dem sich einige wenige traditionelle Parteien im Sinne eines breiteren Angebots weiterentwickeln, viel besser zu sein als eine ellenlange Liste kleiner, auf Einzelaspekte eingeengter Parteien; auch deshalb favorisiere ich ja immer das Mehrheitswahlrecht. Das Verhältniswahlrecht macht da einfach nicht genug Evolutionsdruck. Denn wenn es darum geht, nur in jedem Stimmkreis den Stimmenanteil zu maximieren, dann ist es ein praktikables Konzept, die gleichen (als populär erkannten) Themen zu besetzen wie der Konkurrent und nur im Detail andere Lösungen anzubieten; mit der Folge, daß sich die Parteien immer ähnlicher werden. Wenn es aber darum geht, die einfache Mehrheit im Stimmkreis zu gewinnen oder alles zu verlieren, dann ist es besser, sich klar inhaltlich von der Konkurrenz abzugrenzen und keine potentiellen Stimmanteile zu verschenken; das fördert klare Gegensätze.

Vor allem besteht bei Mehrheitswahlrecht immer die Gefahr des Landslide. Klar, 10% AfD bringen diese schon ins Licht der Aufmerksamkeit, aber eine tatsächliche Einwirkung auf die Regierungsbildung liegt da noch in weiter Ferne (Schmuddelkinder werden eben nicht einmal Zünglein an der Waage). Aber die britischen Konservativen sehen bei UKIP schon Gefahr im Verzug, denn diese braucht ja keinen besonders hohen Stimmanteil, sondern nur in einer größeren Zahl von Stimmkreisen die einfache Mehrheit, um die Verhältnisse im Parlament ordentlich durcheinanderzuwirbeln.



Who is General Failure and why is he Reading my Disk?

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

26.09.2014 10:27
#103 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Lieber Fluminist,

es ist immer wieder ein Augenöffner für mich, wie schnell man Mißverständnisse produzieren kann, gleich wie sehr man sich bemüht diese auch zu vermeiden.

Meine Argumentation, dass die eigene Stimme auch einen persönlichen Wert hat, war als ein weiteres Argument gedacht, warum ich das Nichtwählen als eine wichtige Option betrachte. Sie sollte die vorherige Argumentation, warum nichtwählen sinnvoll sein kann, nicht ersetzen.
Lassen sie mich in diesem Sinne versuchen, auf Ihre Fragen zu antworten:


Zitat von Fluminist im Beitrag #102
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #101
Zum anderen würde meine Wahl dann auch höchstwahrscheinlich richtig wahrgenommen: Gegen Extremismus, für Rechtsstaatlichkeit.
- von wessen Wahrnehmung reden Sie da? […] Um die Wahrnehmung irgendwelcher anderer brauchen Sie sich hier also nicht zu kümmern.
Das in diesem Beispiel von mir verwandte Argument war nicht im Sinne meiner persönlichen Wertung meiner eigenen Stimme zu sehen, sondern vor dem Hintergrund, dass Stimmen welche Parteien erhalten von diesen auf eine bestimmte Art interpretiert werden. Es steht also im Zusammenhang mit der mir wichtigen Frage, welche Effekte hat es, wenn ich eine Partei wähle deren Programm ich nicht teile, nur um das geringere Übel zu wählen. Im Normalfall werten die Parteien das wohl als Zustimmung zu ihrem Programm, daher werden Stimmen für diese Parteien (ganz allgemein, nicht persönlich zugeordnet), die aus dem Grund gegeben wurden das geringere Übel zu wählen, als Zustimmung zum Programm gewertet, also nicht als das was sie sind und festigen damit die Position der Partei, die ich grundsätzlich falsch finde. In meinem (sehr überzogenen) Beispiel bestünde zumindest die Hoffnung, dass Stimmen für (in meinem Fall und Beispiel) die CDU als geringeres Übel, als das wahrgenommen werden was sind: Eine Stimme gegen Extremismus und für Rechtsstaatlichkeit und nicht per se als Zustimmung zu ihrem Programm. Möglicherweise eine naive Annahme, aber es besteht zumindest die Möglichkeit, dass dem so ist. Und diese Möglichkeit würde ich persönlich in die von mir angesprochene „Güterabwägung“ mit einbeziehen. Das war der Punkt, um den es mir ging.


Zitat von Fluminist im Beitrag #102
Aber zu diesem Prinzip gehört auch, daß man sich nicht von Leuten, die einen deswegen pauschal für faul, dumm, renitent, unmoralisch o. ä. abstempeln wollen, ins Bockshorn jagen läßt.
Das ist richtig. Aber darum, wie gesagt, geht es mir vom Grundsatz nicht. Es geht mir grundsätzlich um die Verteidigung des Nichtwählens als rechtmäßige, gleichwertige Option zum Wählen. Wenn man die Medien verfolgt sieht man, dass die Position des Nichtwählers stark beschossen wird, mit zum Teil im höchsten Maße antiliberalen Begründungen und mitunter mit einem Hauch totalitärer Sichtweise (Gleichsetzung mit einer Straftat, der Ausgangspunkt für Erlings Beitrag). Auch hier in der Diskussion wurde mitunter abfällig über die Nichtwähler geurteilt. Nach meiner Wahrnehmung ist der Begriff des Nichtwählers in unserer Gesellschaft negativ konnotiert. Jemanden der sein durch die Verfassung garantiertes Grundrecht wahrnimmt, handelt eigenverantwortlich, nach eigener Entscheidung. Das sollte jedem liberal gesinnten Menschen wichtig sein und richtig erscheinen. Einen Nichtwähler moralisch zu verunglimpfen, ihn pauschal als dumm, faul oder sonst wie zu bezeichnen, ist in meinen Augen eine illiberale Haltung. Darauf möchte hinweisen, dagegen schreibe ich an.
Ein Nichtwähler trifft eine Entscheidung. Eine freie, eigenverantwortliche Entscheidung, deren Folgen er tragen muß und die natürlich falsch sein kann. Er handelt damit als das eigenverantwortliche Individuum, welches dem Liberalismus so wichtig ist. – Wie man damit umgeht, wenn man sich persönlich angegriffen fühlt, muß jeder mit sich selbst ausmachen. Hier geht es mir aber nicht um den persönlichen Angriff, sondern darum, dass eine illiberale Haltung zum Ausdruck kommt, wenn man den Nichtwähler pauschal abwertet. Keiner außer dem Nichtwähler weiß, warum er nicht gewählt hat und daher sollte man es auch bei ihm belassen, warum er es nicht tat. Der Liberalismus hat gute Gründe, wie ich finde, warum er die freie Entscheidung beim Individuum beläßt und es nicht anderen überläßt, die Motive für seine Entscheidung zu finden, oder seine Entscheidung für ihn zu treffen.

Vielleicht interessant in diesem Zusammenhang: In den Knapp 30 Jahren meiner wahlberechtigten Zeit, habe ich bisher an jeder einzelnen Wahl, zu der ich berechtigt war, teilgenommen und bei jeder gültig gewählt und habe dabei höchstwahrscheinlich auch falsche Entscheidungen getroffen. Zu meinen Jugendsünden gehört sogar, dass ich einmal „grün“ gewählt habe. Es geht mir also hier mitnichten darum zu verteidigen, was ich getan habe und damit was ich einmal tun könnte. Es geht mir darum eine Wert zu verteidigen, den ich als wesentlich erachte, indem ich Argumente anführe.


Zitat von Fluminist im Beitrag #102
Eine andere Frage aber war, wie man die wachsende Zahl von Nichtwählern als Phänomen in der Demokratie als ganzes beurteilen soll, mit Rietzschels Artikel als Aufhänger. Das hat nun mit der Befindlichkeit und Auffassung des Einzelnen nichts mehr zu tun, sondern ist ein die Gesellschaft insgesamt betreffender Effekt und eine ganz andere Baustelle.
In dem von mir eben beschriebenen Zusammenhang kommen wir möglicherweise auch hier zusammen. Für mich geht es Rietschel in seiner Polemik darum, die Arroganz der „herrschenden Altparteien“ anzugreifen. Er „sieht die Nichtwähler dabei positiv“. Für mich war es damit einfach nur ein „Argument“, wie meine hier dargelegten auch, nicht so leichtfertig mit Beschimpfungen und Verurteilungen des Nichtwählers umzugehen. Das ist alles.
All diese Argumente sind unterschiedlich, eröffnen sehr unterschiedliche Perspektiven auf die Nichtwahl und wie ich finde, sollte jeder dieser Perspektiven einem freien Individuum ohne Vorbehalte erhalten bleiben.


Zitat von Fluminist im Beitrag #102
Ob sinnvoll oder nicht, sie scheint mir ein geeigneter Test für die Vermutung zu sein, daß sich Wahlalternativen bei Bedarf wie von der unsichtbaren Hand gesät einstellen.
Zwischen Parteineugründungen und der wachsenden Zahl der Nichtwähler gibt es eine Korrelation, die irgendwo zwischen -1 und 1 liegen wird. Also irgendwo zwischen „von Geisterhand verschwinden“ bis hin zu „von Geisterhand entstehen“. Und das ganze wird (ziemlich wahrscheinlich) mit einer recht großen zeitlichen Trägheit geschehen. Eine vernünftige Korrelationsannahmen zwischen den beteiligten Variablen erscheint mir da ungeheuer schwer, bis unmöglich. Dazu kommt, dass in diesem Beispiel auch ziemlich schwer werden wird, eine Kausalität, in welche Richtung auch immer, nachzuweisen.
Das ist alles was ich sagen möchte: Man wird sicher nicht abschließend klären können, welchen Einfluß der Nichtwähler hat. Dazu müßte man in die Köpfe aller Parteimitglieder schauen, ihre Entscheidungen nachvollziehen können und verstehen wie diese Entscheidungen in der Folge zu einem Ergebnis führen. Man darf natürlich Ansichten dazu haben.


Zitat von Fluminist im Beitrag #102
Ich persönlich halte übrigens wenig von massierten Parteineugründungen; mir erscheint ein inklusiverer Ansatz, bei dem sich einige wenige traditionelle Parteien im Sinne eines breiteren Angebots weiterentwickeln, viel besser zu sein als eine ellenlange Liste kleiner, auf Einzelaspekte eingeengter Parteien; auch deshalb favorisiere ich ja immer das Mehrheitswahlrecht. Das Verhältniswahlrecht macht da einfach nicht genug Evolutionsdruck.
Zustimmung. Möglicherweise braucht es in unserem System, ohne den notwendigen Evolutionsdruck, eben ab und an eine Neugründung und wie im Falle der FDP passieren könnte, einen Abschied, damit der Anpassungsdruck von außen entsteht.

Herzlich


n_s_n

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

R.A. Offline



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26.09.2014 10:30
#104 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #94
Soll man bewillkommnen, wenn Wähler Parteien wählen, deren Positionen Sie grundsätzlich nicht teilen und deren Ziele sie für schädlich erachten, nur um „das kleinere Übel“ zu wählen? Sollen Wähler aktiv Positionen stärken, die sie eigentlich verhindern wollen, nur um für sie nicht ganz so wichtige Nuancen der Ausgestaltung des "Irrsinns" aktiv mit zu beeinflussen? Wieder keine einfache Frage, wie ich finde.

Philosophisch gesehen mag das eine schwierige Frage sein.

Die praktische Erfahrung zeigt aber, daß nur die "Wahl des kleineren Übels" funktioniert. Weil man nur so Veränderungsprozesse in Gang setzt.
Selbst wenn z. B. beim Thema A alle Parteien grundsätzlich dafür sind - dann wird es immer noch Nuancen geben. Die eine Partei ist absolut dafür und will es noch ausbauen, die andere Partei ist mit dem Status Quo zufrieden, die dritte ist zwar dafür, will aber Korrekturen anbringen.
In so einer Situation muß man erst einmal feststellen, daß man eben mit der eigenen Anti-A-Position weit weg ist vom allgemeinen Stimmungsbild und daher nicht erwarten kann, mit einer Wahlentscheidung alles korrigieren zu können. Anti-A durchzusetzen ist dann ein langer Prozeß über viele Wahlen hinweg.

Und das heißt dann, daß man erst einmal die Partei stärkt, die am A-kritischsten ist. Denn wenn das Wahlergebnis zeigt, daß die Super-A-Partei verliert, aber die nur skeptischen A-Befürworter gewinnen - dann verändert sich die Lage. Dann werden die A-Skeptiker innerhalb aller Parteien gestärkt (alle Parteien haben ja auch intern ein unterschiedliches Meinungsbild zu solchen Themen). Und dann wird es bei der nächsten Wahl vielleicht noch nicht die komplette Anti-A-Position geben, aber vielleicht schon eine schwächere und eine stärkere Skepsis-Position. Das kann dann zum nächsten Schritt führen. Mittelfristig ist so eine Umkehr im allgemeinen Meinungsbild möglich.

Und das ist nicht nur blasse Theorie, man sieht z. B. derzeit bei der "Energiewende", wie das praktisch läuft.
Im Prinzip waren zu einem gewissen Zeitpunkt alle Parteien dafür, mit allen Konsequenzen. Aber unterschiedlicher Begeisterung für die schnelle Durchsetzung.
Inzwischen ist das Meinungsbild deutlich gebröckelt. Es ist schon fast allgemeiner Konsens (außerhalb der Grünen), daß man an der "Energiewende" viel anders machen muß. Was schon die erste wesentliche Zwischenstufe ist um festzustellen, daß die "Energiewende" gar keine gute Idee war. Nach meinem Eindruck sind wir mitten drin im Prozeß, der in wenigen Jahren dazu führen wird, daß die Mehrheit gegen die "Energiewende" erreicht ist.

Der Nichtwähler klinkt sich komplett aus diesem Prozeß aus. Er verweigert der Skeptiker-Position die Stimme, weil er lieber die komplette Ablehnung wählen möchte (die aber noch nicht im Angebot ist). Und das führt dann zu einem Wahlsieg der absoluten Befürworter. Mit dem entsprechenden psychologischem Effekt in der Öffentlichkeit.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.09.2014 10:32
#105 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #96
Die Idee kam von Lucke persönlich.

Kam sie natürlich nicht.
Es gab schon vor Lucke diverse Aktionen, in denen unter den verschiedensten Vorwänden (Heatball, Lagerräumung, Leuchten mit Sonderaufgaben ...) Glühbirnen verkauft wurden.
Man findet sie ja auch heute noch in vielen Baumärkten ...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.09.2014 10:43
#106 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #100
Lieber Fluminist, wer nicht wählt gibt auch keine Stimme ab. Er behält sie.

Nicht wirklich.
Denn wenn man seine Stimme nicht bis Wahlabend 18:00 abgegeben hat, wird sie ungültig. "Ich habe hier noch mein Wahlrecht von der Bundestagswahl 2009" ist etwa so sinnvoll wie "Ich habe hier noch einen Gutschein für den Intershop".

Zitat
Wenn ich nicht wähle war ich nicht zugegen, so als wäre ich gar nicht in diesem Universum!


Und exakt so viel Relevanz hast Du dann für die weitere Entwicklung.
Allerdings: Du bist eben immer noch in diesem Universum präsent. Und mußt dann mit dem leben, was andere Wähler Dir aufdrücken.

Zitat
Wenn das zweite und dritte und vierte und fünfte Mal hintereinander eine große Koalition herauskommt, dann werden auch Sie in Erwägung ziehen, nicht zur Wahl zu gehen.


Ich würde eher das Gegenteil vermuten: Wenn die GroKo nicht einen deutlich besseren Job macht als bisher üblich, wird die zunehmende Unzufriedenheit zu höheren Wahlbeteiligungen führen.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

26.09.2014 11:11
#107 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #104
Die praktische Erfahrung zeigt aber, daß nur die "Wahl des kleineren Übels" funktioniert. Weil man nur so Veränderungsprozesse in Gang setzt. […]
Lieber R.A. ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen und sie ist nicht von der Hand zu weisen. Sie enthält allerdings eine Annahme, die so nicht nachgewiesen bzw. nur eine Annahme ist, nämlich dass die Änderung der Haltung der Parteien zur Energiewende daher kommt, dass Parteien stärker gewählt wurden, welche die Energiewende „weniger wollten“. Abgesehen davon, dass mir persönlich nicht ganz klar ist, welche Partei das gewesen sein sollte, selbst bei der CDU gaben Ideologen wie Röttgen den Ton an: Die Möglichkeit, dass der Druck auf die Parteien und die Notwendigkeit zur Anpassung bei der Energiewende nicht über „diffrenzierte Parteienwahl“ entstand, sondern über die Macht des Faktischen, um nicht zu sagen die Macht des Geldes, scheint mir ebenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein. Die Macht des Geldes kann Ihre ganz eigene Dynamik entwickeln, bei der es mitunter sogar Sozialisten schwer fällt, sich ihr zu entziehen.

Auch mag ich ein Gegenbeispiel bringen:
Bei der letzten Wahl dürfte im Anbetracht des zu erwartenden FDP Absturzes für manch einen die Überlegung gewesen zu sein die CDU zu wählen, um in der zu erwarteten großen Koalition wenigstens die Seite der „Nicht Sozen“ zu stärken. Hat man dies getan, ist das laut Wahlergebnis auch beeindruckend gelungen,….. nur um eine völlig sozialdemokratisierte Regierung zu erhalten und (ich nenne es bewußt) sozialistischen Unsinn, wie Mindestlohn, Rentenwahsinn und eine Kindergerechte mit Flachbildschirmen ausgerüstete Bundeswehr bekommen, deren Hubschrauber aber nicht mehr fliegen.

Ich persönlich habe, betrachte ich das, eher die Vermutung, dass es Veränderungen diesbezüglich erst geben wird, wenn die Macht des Faktischen zuschlägt, weil diese Ausdifferenzierung der Positionen, wie Sie sie beschreiben, bei den Altparteien nicht mehr wirklich sinnvoll funktioniert. Dies ist bitte nicht als Verunglimpfung der Politik zu verstehen oder der Menschen, die in ihr arbeiten, aber die Strukturen, die wir aktuell haben, erscheinen mir ein Problem. Auch und gerade, weil ich vermute dass es eben nicht mehr so funktioniert, wie Sie es beschrieben haben und wie es meines Ermessens funktionieren sollte. Und mir stellt sich die schwierige und gar nicht klare Frage, wie man darauf sinnvoll reagiert als Wähler.

Warum die Situation ist wie sie ist mag viele Gründe haben, von denen einer sein könnte, dass der Wille zur Macht von Frau Merkel stärker ist als alles andere und das Faktum, dass sie in der ehemaligen DDR sozialisiert wurde, erscheint mir persönlich, in ihrem speziellen Falle, kein unerhebliches zu sein.

Herzlich


n_s_n

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 353

26.09.2014 11:28
#108 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #105
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #96
Die Idee kam von Lucke persönlich.

Kam sie natürlich nicht.
Es gab schon vor Lucke diverse Aktionen, in denen unter den verschiedensten Vorwänden (Heatball, Lagerräumung, Leuchten mit Sonderaufgaben ...) Glühbirnen verkauft wurden.
Man findet sie ja auch heute noch in vielen Baumärkten ...

Ich denke, es ist gemeint, solch eine Aktion als AfD zu starten und damit die Gefühle der Wähler anzusprechen. Ob diese Idee der AfD-Aktion von Lücke persönlich kam, kann ich nicht beurteilen.

Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.09.2014 12:01
#109 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #107
Lieber R.A. ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen und sie ist nicht von der Hand zu weisen. Sie enthält allerdings eine Annahme, die so nicht nachgewiesen bzw. nur eine Annahme ist, nämlich dass die Änderung der Haltung der Parteien zur Energiewende daher kommt, dass Parteien stärker gewählt wurden, welche die Energiewende „weniger wollten“.

Guter Punkt, mein Beispiel war schlecht gewählt.
Es gibt politische Entwicklungen, die lassen sich recht gut mit Wahlergebnissen korrelieren. Z.B. der (inzwischen wieder gestoppte) Trend zur Deregulierung.

Aber das Bröckeln bei der "Energiewende" ist zwar ein gutes Beispiel, wie als 100%-Konsens geltende Positionen innerhalb weniger Jahre erodieren können - aber Sie haben völlig recht, dabei haben faktische Probleme die Hauptrolle gespielt, nicht Wahlergebnisse. Allerdings hat der Streit um neue Windräder durchaus bei Kommunalwahlen schon eine Rolle gespielt.
Die Wirkung von Wahlen hat man eher umgekehrt gesehen: Die Fukushima-Wahl in BaWü hat den "Energiewende"-Lobbies für ein gewisse Zeit ungeahnten Auftrieb gegeben.

Zitat
Bei der letzten Wahl dürfte im Anbetracht des zu erwartenden FDP Absturzes für manch einen die Überlegung gewesen zu sein die CDU zu wählen ...


Das kann ich nicht wirklich als Gegenbeispiel akzeptieren. Denn da wurde eben nicht "das kleinste Übel" gewählt, sondern aus taktischen Gründen das größere Übel.
Und das Signal der Wahl war entsprechend: Liberalismus ist tot, der Linkstrend der CDU dagegen wurde belohnt.

Da war es nur konsequent, daß die Union ihren "Erfolgskurs" fortgesetzt hat - und nicht etwa die vom Wähler abgestraften liberalen Positionen berücksichtigt hat.


Im übrigen ist Ihr Hinweis auf Geld (und andere Einflußfaktoren) natürlich sehr wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, daß bei aller Bedeutung des Wählens Wahlergebnisse eben nur ein Faktor sind, die mit anderen Faktoren überlagern. Und der Einfluß des einzelnen Wählers ist ziemlich klein.
Viel mehr Einfluß als einzelne Wähler haben daher immer Pressure-Groups die den Politikern glaubhaft machen können, sie würden Wähler bewegen.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

26.09.2014 12:06
#110 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Lieber R.A.,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Sie haben mich zum Nachdenken gebracht.

Zitat von R.A. im Beitrag #93
Zitat von Paul im Beitrag #91
Das Wahlsystem müste geändert werden. Ein Mehrheitswahlrecht würde zwar die Wahlvielfalt einschränken, aber immer zu einer Regierungsmehrheit ohne Koalition führen.

Das ist sachlich leider nicht richtig.
Es ist reiner Zufall, und haengt von konkreten politischen Rahmenbedingungen ab, wenn ein Mehrheitswahlrecht tatsaechlich den Vertretern einer Partei zur alleinigen Mehrheit verhilft.


Das ist richtig. Habe mich nicht konkret genug ausgedrückt.
Gemeint habe ich, dass der mit der relativen Mehrheit die Wahl gewonnen hat und alleine regieren kann. Das Mehrheitswahlsystem müsste entsprechend ausgestaltet werden. Wie zum Beispiel bei der Wahl eines Kandidaten. Der mit den meisten Stimmen ist gewählt, die andern sind "weg vom Fenster". So müsste das Wahlrecht ausgestaltet werden.

Zitat von R.A. im Beitrag #93
Zitat von Paul im Beitrag #91

Zitat:Das Ziel der Politiker ist nicht das Wohl des Volkes, sondern Macht.

Aber ueblicherweise will man die Macht, um damit etwas zu erreichen, was man gut fuer das Wohl des Volkes haelt.


Diesen Aspekt habe ich nicht bedacht. Unter dieser Bedingung stimme ich Ihnen zu. Aber gibt es Politiker mit dieser Motivation wirklich? Gut, ein paar kenne ich. Aber die Mehrheit

Zitat von R.A. im Beitrag #93
Zitat von Paul im Beitrag #91

Zitat:Deshalb ist es den Parteien auch, entgegen allen scheineheiligen Beteuerungen, völlig egal wie hoch die Wahlbeteiligung ist. Sie sind nur auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erpicht.

Richtig.
Mal angenommen, bei der naechsten BTW wuerde nur noch 1% zur Wahl gehen - aber davon wuerden 0,6% meine Partei waehlen. Und ich duerfte nun als Bundeskanzler diese Mehrheit nutzen. Dann waere die "Energiewende" sofort weg vom Fenster. Weil ich persoenlich das fuer gut halte fuer das Wohl des Volkes.


Ich hätte Sie auch gewählt. Dann hätten Sie schon 0,7% der Stimmen.

LG, Paul

___________________________
In dubio, pro reo.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

26.09.2014 12:28
#111 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #110
Zitat von R.A. im Beitrag #93
Aber ueblicherweise will man die Macht, um damit etwas zu erreichen, was man gut fuer das Wohl des Volkes haelt.


Diesen Aspekt habe ich nicht bedacht. Unter dieser Bedingung stimme ich Ihnen zu. Aber gibt es Politiker mit dieser Motivation wirklich?


Leider. Und mehr, als man glaubt. Das ist die gefährliche Sorte. Die wissen natürlich alle besser als das dumme Volk, was gut & gesund & nachhaltig & inklusiv & überhaupt ist. Sollten die ökonomischen Gesetze, die Naturgesetze oder der so kurzsichtige wie selbstsüchtige Plebs nicht so wollen, neigen sie dazu, zum Bulldozer zu mutieren, anstatt sich anständig durch Ruhm, Gespielinnen & Aufsichtsratsposten korrumpieren korrumpieren zu lassen.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

26.09.2014 12:41
#112 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #94
Ich erkenne nur nicht, warum dadurch klar sein soll, dass Nichtwählen gegenüber dem Wählen einer Partei welche einem zuwider ist, von Nachteil sein soll. Was gewinne ich dadurch, wenn ich mir auswähle wer mir vorschreibt, dass ich das zu tun habe was ich nicht will und ihn damit sogar in der Meinung bestärke, dass ich ja eigentlich will was er mir vorschreibt?

Die Beantwortung dieser Frage steht für mich nach wie vor im Raum.


Lieber Nachdenkliche, ich glaube nicht, dass ich Ihre Frage beantworten kann, weil ihre Frage sich so nicht stellt. Jedenfalls mir nicht.
Wenn jeder nur die Partei wählen würde mit der er vollständig übereinstimmt, so verstehe ich Ihre Annahme, dann würde wohl niemand zur Wahl gehen. Jdenfalls kenne ich keine Partei mit der ich vollkommen übereinstimme. So wird es wohl fast allen Wählern gehen, die sich mit dem Parteiprogrammen beschäftigen. Ich wähle eine Partei nach der größtmöglichen Übereinstimmung aus. Wobei die einzelnen Punkte von mir auch noch gewichtet werden. Nach der von Merkel verkündeten Kehrtwende - der Abschaltung der Atomkraftwerke - war für mich die Rote Linie überschritten. Jahrelang habe ich meine Wahl immer als Vernunftwahl bezeichnet. Aber nun war Schluss mit Lustig.
Wen wählen? Die FDP blieb übrig. Gott sei Dank bin ich mit der AfD jetzt aus dem Schneider.
Habe Ihnen jetzt mal einen kleinen Einblick in mein Wahlverhalten für die BTW gegeben. (Bei Komunalwahlen habe ich andere Kriterien.)
Aber als Nichtwähler meine Stimme der Mehrheit zu schenken, käme mir nicht in den Sinn.

Wem natürlich alle Parteien zuwider sind, das ganze System nicht passt oder auch wer zu faul, zu bequem, zu ...was weiß ich noch, ist, der soll sich bei den Nichtwählern einreihen. Aber es bitte nicht auch noch glorifizieren.

Nein, lieber Nachtenklicher, beantwortet habe ich Ihre Frage nicht. Habe Ihnen aber eine Antwort gegeben.

Zusammenfassung:
In unserem Parteienspektrum sind mir einige Parteien so zuwider, dass ich sie nie wählen würde. Es gibt aber andere Parteien die mir weniger zuwider sind. Davon wähle ich dann die Partei, die mir am wenigsten zuwider ist.

LG, Paul

PS: Am Rande bemerkt: Der Parteiencheck im Internet hat mich schockiert. Die meiste Übereinstimmung hatte ich bei der letzten BTW mit einer Partei, die ich nie wählen würde. Vielleicht lag das an den Fragen oder ich habe zwischendurch einen Fehler genacht? Will ich wenigstens hoffen.

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nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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26.09.2014 12:45
#113 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #110
Zitat von R.A. im Beitrag #93
Mal angenommen, bei der naechsten BTW wuerde nur noch 1% zur Wahl gehen - aber davon wuerden 0,6% meine Partei waehlen. Und ich duerfte nun als Bundeskanzler diese Mehrheit nutzen. Dann waere die "Energiewende" sofort weg vom Fenster. Weil ich persoenlich das fuer gut halte fuer das Wohl des Volkes.
Ich hätte Sie auch gewählt. Dann hätten Sie schon 0,7% der Stimmen.

Das ist ja etwas, wovon ich den geschätzten R.A. nicht schaffe zu überzeugen. Würde sich die FDP konsequent trauen, bzw. hätte sich getraut gegen die Energiewende Position zu beziehen (was eine liberale Position wäre, da gegen Planwirtschaft), wären Sie mit mir schon zu dritt. Und ich bin überzeugt, da gäbe es eine Menge die die FDP nur deswegen wählen würden / gewählt hätten und das Ausscheiden der FDP aus dem Bundesparlament wäre zu verhindern gewesen.


Das alles ist natürlich Spekulation, aber der Gründer dieses Blogs hat vor der letzten Bundestagswahl ähnlich spekuliert:

Zitat von "Zettels Raum" war eine Oase der Vernunft
Kurz danach erhielt ich eine Mail von ihm, die mich irritierte: "Ich denke über eine Initiative für die FDP nach. Etwas in der Art des Wahlkontors von Günter Grass für die SPD (...) Man muss der FDP in den Hintern treten. Als Partei gegen die 'Energiewende' käme sie vermutlich locker über die fünf Prozent."

und weiter

Zitat von "Zettels Raum" war eine Oase der Vernunft
Die sogenannte Energiewende ist ein Musterbeispiel für all das, was schiefgehen kann, wenn sich der Staat Lenkungsfunktionen anmaßt. Wenn es ein Thema für eine liberale Partei gibt, dann dieses hier.

Wird die FDP den Mut haben, sich dieses Themas anzunehmen, auch wenn es der dahinsiechenden Regierungskoalition den Rest geben dürfte? Ja, hat man dort überhaupt schon begriffen, dass es um die Wurscht geht?

Und hätte Zettel, wie weiland Grass, genug Mitstreiter gefunden, die mit geballter Meinungsmacht dafür sorgen, dass die FDP den Schritt nach vorne tut, den ihr offenbar nur ein Tritt in den Hintern vermitteln kann?

Ich bin dabei, habe ich ihm nach einigem Zögern geschrieben. Eine Antwort erhielt ich nicht mehr.

Ob der Evolutionsdruck entsteht, von dem Fluminist sprach, mag manchmal nur an einzelnen Menschen hängen, an singulären Ereignissen. Und wieder einmal merke ich, wie schmerzlich Zettels Verlust ist.

Herzlich


n_s_n

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nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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26.09.2014 12:56
#114 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #112
Wenn jeder nur die Partei wählen würde mit der er vollständig übereinstimmt
Ein Mißverständnis. Es geht nicht darum, ob es ein Problem ist eine Partei zu Wählen, mit der man nicht zu 100% überein stimmt. Das geht garnicht anders. Es geht darum, ob man Parteien wählen sollte, deren positionen man für falsch, bishin zu hochgradig gefährlich hält.


Zitat von Paul im Beitrag #112
PS: Am Rande bemerkt: Der Parteiencheck im Internet hat mich schockiert. Die meiste Übereinstimmung hatte ich bei der letzten BTW mit einer Partei, die ich nie wählen würde. Vielleicht lag das an den Fragen oder ich habe zwischendurch einen Fehler genacht? Will ich wenigstens hoffen.
Lieber Paul. Ich habe die gleiche Erfahrung gemacht. Bei mir waren es ca 60%. Für mich ist das ein Hinweis darauf, dass meine Positionen im demokratischen Spektrum der Parteien nicht mehr vertreten werden und man sie zangsläufig bei den Extremisten findet, die in Opposition gehen um der Oppositions willen. Und genau das ist es ja, was für mich "Faul im Staate Dänemark" ist und wo ich mich frage, wie man da am sinnvollsten wieder herauskommt.

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Paul Offline




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26.09.2014 14:49
#115 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #99
Die Lage wäre anders bei Mehrheitswahlrecht mit Quorum. Wenn bei 50% Wahlbeteiligung nur die Hälfte der Sitze im Landtag besetzt ist, dann fällt das wirklich auf, und das ungenutzte politische Potential stünde viel dringlicher vor aller Augen.


Lieber Fluminist,
das ist es.
Das ist die Modifizierung des Mehrheitswahlrechts, die mir nicht eingefallen ist.
Der nicht zu verachtende Nebeneffekt, der dabei entstehen würden: Wir würden eine Menge Geld sparen.
Das Nichtwählen bekäme dadurch einen Sinn.
Bei dieser Wahl würde auch immer eine regierungsfähige Mehrheit entstehen und die lästige Koalitionsbildung entfallen.

Diese Koalitionsbildung ist, so vermute ich, ein wesentlicher Grund für den Nichtwähler. Gegenwärtig wählt man etwas und weiß nie was man bekommt. Zumindest gilt das für alle Wähler von Parteien, die als Koalitionäre möglich sind.

LG, Paul

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R.A. Offline



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26.09.2014 14:55
#116 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #110
Gemeint habe ich, dass der mit der relativen Mehrheit die Wahl gewonnen hat und alleine regieren kann. Das Mehrheitswahlsystem müsste entsprechend ausgestaltet werden.

Rein technisch: Das wäre dann im wesentlichen eine Verhältniswahl, allerdings mit einer Korrektur derart, daß die stärkste Partei 50% + 1 der Mandate zugeteilt bekommt und die übrigen Parteien dann proportional den Rest.
Es gibt Länder, in denen das versucht wurde. Mit dem GG bzw. der bisherigen BVerfG-Rechtsprechung wäre das aber nicht vereinbar.

Mit einem solchen System hätte man in der Regel eine klare Regierungsmehrheit. Wenn man das für die erste Priorität hält.

Für die bisher hier diskutierten Probleme wäre ein solches Wahlrecht aber eher kontraproduktiv - die Wähler könnten dann nicht durch "Wahl des kleinsten Übels" ihrer Meinung differenziert Ausdruck verleihen. Sondern sie müßten extrem taktisch abstimmen: Die Wahl würde entscheidend davon geprägt, welcher Partei man den Platz 1 zutraut. Die Bedeutung von Meinungsumfragen würde erheblich wachsen, die von politischen Positionen deutlich schrumpfen.

Und man hätte noch ein Problem: Die Rolle der Abgeordneten wäre marginalisiert. Denn das System beruht ja darauf, daß die Kandidaten der stärksten Fraktion auch in blinder Gefolgschaft die Regierung stützen. Das ist schließlich die einzige Funktion der Abgeordneten, die normal gar nicht zum Zuge gekommen wären, sondern die die "Bonusplätze" zur Erringung der absoluten Mehrheit besetzen.

Bei einer komplexen Parteienlandschaft wie in Deutschland gäbe es auch häßliche Seiteneffekte. Es wäre z. B. recht wahrscheinlich, daß die "Linke" in einem Bundesland mit etwas über 20% die volle Regierungsgewalt bekäme. Auch wenn die übrigen 80% strikt dagegen sind und die demokratischen Parteien zu einer Zusammenarbeit bereit wären.

Zitat:Aber gibt es Politiker mit dieser Motivation wirklich? Gut, ein paar kenne ich. Aber die Mehrheit
Siehe die Antwort von Ulrich Elkmann: Es gibt fast zu viele dieser Sorte ;-)
Ich würde sagen: Fast alle Politiker haben diese Motivation (etwas außer ihrer Sicht Gutes für das Volk erreichen), mit einer unterschiedlich großen Beimischung an egoistischen Motiven.

Wer ausschließlich solche Motive hat, wird in der Regel politisch scheitern, weil er nicht kompromißfähig ist. Wer nur seinem eigenen Egoismus folgt, wird sehr häufig scheitern, weil das als Prinzipienlosigkeit wahrgenommen wird.
Angela Merkel ist da ein prominentes, aber sehr seltenes Ausnahmebeispiel.

Man darf ja nicht vergessen: Bevor ein Politiker Wähler überzeugt, muß er erst einmal die eigenen Parteifreunde überzeugen, ihn als Kandidat aufzustellen. Und das gelingt selten wenn diese nicht das Gefühl haben, daß er ihre Positionen aus Überzeugung vertritt. Man kann da in Einzelfragen etwas mogeln, aber das komplette Fehlen einer Grundüberzeugung wird in der Regel früh entdeckt und führt in die Sackgasse.

R.A. Offline



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26.09.2014 15:09
#117 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #113
Würde sich die FDP konsequent trauen, bzw. hätte sich getraut gegen die Energiewende Position zu beziehen (was eine liberale Position wäre, da gegen Planwirtschaft), wären Sie mit mir schon zu dritt.

Und damit nur noch fehlen nur noch 2 099 997 Stimmen für den Einzug ins Parlament.
Und lockere 20 Millionen Stimmen, um die Energiewende zu kippen ...

Man sollte sich nicht täuschen - nur weil wir hier uns so einig sind, hat das mit der Stimmung im Lande noch gar nichts zu tun. Vor zwei/drei Jahren hätte eine Partei contra Energiewende keinesfalls 5% geschafft. Zu stark war da noch allgemeine öffentliche Stimmung, zu wenig verbreitet die kritischen Informationen.

Inzwischen wären die 5% vielleicht zu schaffen.

ABER: Im Falle FDP lag es nicht daran, daß sich die Partei "nicht getraut" hätte. Schließlich hat sich die FDP auch diverse andere unpopuläre Forderungen getraut.
Sondern es lag daran, daß auch innerhalb der FDP eine solide Mehrheit davon überzeugt war, daß eine "alternative" Energiezukunft möglich und sinnvoll ist. Zweifel gab es beim Tempo der Umsetzbarkeit oder Details - aber ansonsten informieren sich leider auch FDP-Mitglieder überwiegend aus den üblichen Medien.

Auch hier hat es inzwischen einen Sinneswandel gegeben, m. E. müßte die FDP-interne Mehrheit inzwischen eher "Energiewende"-kritisch sein. Was aber mangels Parlamentspräsenz nur begrenzt interessiert.

Zitat
Und hätte Zettel, wie weiland Grass, genug Mitstreiter gefunden, die mit geballter Meinungsmacht dafür sorgen, dass die FDP den Schritt nach vorne tut, den ihr offenbar nur ein Tritt in den Hintern vermitteln kann?


Hätte er nicht.
Bei allem Respekt vor Zettel, aber da fehlte ihm die politische Erfahrung. Und die journalistische Reichweite.

Wenn es um die "Energiewende" geht, war im wesentlichen die "Achse des Guten" führend für den öffentlichen Meinungsumschwung. Aber da schreiben eine ganze Menge gut vernetzter und prominenter Profi-Journalisten - das kommt ZR nicht annähernd mit.
Aber selbst die (in FDP-Kreisen viel gelesene) Achse hatte bis zur Bundestagswahl noch nicht genügend Schwungkraft, um einer konsequenten Anti-Energiewende-Partei in den Bundestag zu helfen.

Paul Offline




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26.09.2014 15:27
#118 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #100
Wenn das zweite und dritte und vierte und fünfte Mal hintereinander eine große Koalition herauskommt, dann werden auch Sie in Erwägung ziehen, nicht zur Wahl zu gehen.
Da bin ich mir ziemlich sicher.


Lieber Erling Plaethe,
was Fluminist dann macht, weiß ich nicht.
Ich werde dann eine Initiative gründen mit dem Ziel das Wahlsystem zu ändern.
Meine Hoffnung setze ich dann darauf, dass ich von den Nichtwählern - also auch von Ihnen - und von den frustrierten Wählern - Fluminist et al - unterstützt werde. Wäre doch gelacht, wenn ich keine Mehrheit finden würde? Oder?

Noch eine These zu dem von Ihnen behaupteten Fakt, dass Sie Ihre Stimme behalten haben:

Der Nichtwähler gibt seine Stimme automatisch der Mehrheit.

LG, Paul

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Fluminist Offline




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26.09.2014 15:30
#119 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #117
Aber selbst die (in FDP-Kreisen viel gelesene) Achse hatte bis zur Bundestagswahl noch nicht genügend Schwungkraft, um einer konsequenten Anti-Energiewende-Partei in den Bundestag zu helfen.

Ääääh - und welche Partei soll das denn bitteschön gewesen sein? Ich habe vor der Bundestagswahl die Parteiprogramme durchgesehen und die einzige Partei, die sich in ihrem Programm gegen die Energiewende gerichtet hat, war die PdV. Daß diese den Einzug in den Bundestag nicht geschafft hat, lag gewiß nicht daran, daß die Wähler alle so scharf auf die Energiewende waren, sondern eher daran, daß nur die wenigsten mit den sonstigen, recht radikalen Forderungen der Partei etwas anfangen konnten oder überhaupt von ihrer Existenz wußten.

Als die Sache mit der Energiewende post-Fukushima (der Vorlauf war ja noch von Rot-Grün) aufkam, war mein erster Gedanke als (jedenfalls damals noch) FDP-Sympathisant: das wäre jetzt ein Thema, an dem sich die FDP profilieren und eine klare eigene Linie präsentieren könnte; denn nach meinem damaligen Verständnis der FDP war die Ablehnung eines solchen irrwitzigen, offensichtlich gegen die Bedürfnisse der Industrie und die Prinzipien der Marktwirtschaft gerichteten Unterfangens de rigueur. Dumm nur, daß sie damals in der Regierung war und daher durchaus etwas zu verlieren hatte, wenn sie gegen den Merkel-Kurs ansteuerte (nichts freilich, was sie nun nicht ohnehin verloren hätte, und mehr als das). Deshalb gibt mir Ihre Aussage
Zitat von R.A. im Beitrag #117
Sondern es lag daran, daß auch innerhalb der FDP eine solide Mehrheit davon überzeugt war, daß eine "alternative" Energiezukunft möglich und sinnvoll ist.

noch im Nachhinein schwer zu denken. Wenn das wirklich so war, dann war die FDP, so leid es mir tut, das sagen zu müssen, schon damals überflüssig.



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R.A. Offline



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26.09.2014 15:47
#120 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #119
Ääääh - und welche Partei soll das denn bitteschön gewesen sein?

Mißverständnis!
Ich habe vom fiktiven Szenario gesprochen, daß die FDP (z. B. wegen einer Intervention Zettels) sich als Energiewende-Gegner präsentiert hätte.
Das hätte m. E. trotzdem nicht gereicht, um 2013 in den Bundestag zu kommen. Wahrscheinlich wäre das Ergebnis sogar noch schlechter geworden.

Zitat
Dumm nur, daß sie damals in der Regierung war und daher durchaus etwas zu verlieren hatte, wenn sie gegen den Merkel-Kurs ansteuerte ...


Das Problem war doch: Es ging überhaupt nicht darum, daß die FDP-Führung Angst gehabt hätte, etwas zu verlieren. Sondern sie hielt das inhaltlich für richtig!
Wie ich schon sagte: Auch in der FDP waren die meisten Mitglieder (und erst recht die Führungskräfte) durchaus davon überzeugt, daß die Zukunft der "alternativen" Energie gehören würde. Skepsis gab es höchstens bei Details der Umsetzung.

Zitat
Wenn das wirklich so war, dann war die FDP, so leid es mir tut, das sagen zu müssen, schon damals überflüssig.


Ich glaube nicht daß man jemand als überflüssig bezeichnen sollte, weil er aufgrund seiner Informationen eine Meinung vertritt, die man selber für falsch hält.
Entscheidend ist vielmehr ob man bereit ist, einen solchen Irrtum auch zu korrigieren, wenn man überzeugende Gegeninformationen erhält. "Überflüssig" sind nur die Unbelehrbaren.

Fluminist Offline




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26.09.2014 16:01
#121 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #120
Ich habe vom fiktiven Szenario gesprochen, daß die FDP (z. B. wegen einer Intervention Zettels) sich als Energiewende-Gegner präsentiert hätte.
Das hätte m. E. trotzdem nicht gereicht, um 2013 in den Bundestag zu kommen. Wahrscheinlich wäre das Ergebnis sogar noch schlechter geworden.

Das ist natürlich eine ebenso schwierige wie müßige Frage. Ich persönlich hätte gedacht, daß es der FDP eher genützt hätte. Wenn auch vielleicht nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung ausgesprochen energiewendeskeptisch war (für 5% hätte es aber möglicherweise schon reichen können), ein entschiedenes Eintreten für ein den FDP-Kernkompetenzen entsprechendes Thema auch gegen die taktische Opportunität hätte sie etwas vom Vorwurf der prinzipienlosen Postensucht reinwaschen können.

Zitat von R.A. im Beitrag #120
Das Problem war doch: Es ging überhaupt nicht darum, daß die FDP-Führung Angst gehabt hätte, etwas zu verlieren. Sondern sie hielt das inhaltlich für richtig!
Wie ich schon sagte: Auch in der FDP waren die meisten Mitglieder (und erst recht die Führungskräfte) durchaus davon überzeugt, daß die Zukunft der "alternativen" Energie gehören würde. Skepsis gab es höchstens bei Details der Umsetzung.

Zitat
Wenn das wirklich so war, dann war die FDP, so leid es mir tut, das sagen zu müssen, schon damals überflüssig.

Ich glaube nicht daß man jemand als überflüssig bezeichnen sollte, weil er aufgrund seiner Informationen eine Meinung vertritt, die man selber für falsch hält.
Entscheidend ist vielmehr ob man bereit ist, einen solchen Irrtum auch zu korrigieren, wenn man überzeugende Gegeninformationen erhält. "Überflüssig" sind nur die Unbelehrbaren.


OK, hier sprach die Bestürzung über die Information, daß das Mitspielen bei der Energiewende kein Opportunismus, sondern Überzeugung war. Vorher hatte ich die Worte "FDP" und "überflüssig" auch noch nie im selben Zusammenhang verwendet. Aber eine Bundes-FDP, deren politische Überzeugungen alle in der einen oder anderen Form bei CDU, SPD oder Grünen zu finden sind, verliert ihren USP und ist, unabhängig davon, ob man diese Überzeugungen teilt oder nicht, überflüssig. So sah und sieht es ja nun auch der Wähler.
Nachtrag: Die FDP kann aus der Überflüssigkeit wieder herauskommen, indem sie ein Thema findet, daß ihrer Grundrichtung entspricht, das die Wähler interessiert und bei dem sie Kompetenz glaubhaft machen kann. Bei den Themen Euro und Energiewende ist dieser Zug nun abgefahren. Ob so schnell eine weitere passende Gelegenheit kommen wird, muß sich zeigen. Aber je länger die FDP unter den "Sonstigen" verbleibt, desto geringer werden die Chancen für ein Comeback.



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Erling Plaethe Offline




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26.09.2014 16:07
#122 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #106
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #100
Lieber Fluminist, wer nicht wählt gibt auch keine Stimme ab. Er behält sie.

Nicht wirklich.
Denn wenn man seine Stimme nicht bis Wahlabend 18:00 abgegeben hat, wird sie ungültig. "Ich habe hier noch mein Wahlrecht von der Bundestagswahl 2009" ist etwa so sinnvoll wie "Ich habe hier noch einen Gutschein für den Intershop".

Jetzt fühl ich mich aber schon ziemlich missverstanden. An welcher Stelle habe ich denn gesagt, dass ich finde, meine Stimme für eine Wahl später, nach Beendigung derselben, nachreichen zu können?
Auf so etwas muss man erst mal kommen!
Ein Politiker der meine Stimme haben will, sollte nicht so tun, als wäre es eine Gefälligkeit dass mir gnädigerweise das Recht eingeräumt wird, überhaupt eine Stimme abgeben zu dürfen. Und so eine Art Majestätsbeleidigung wenn ich diese Gnade frech ausschlage.
Weshalb die nicht abgegebene Stimme als ungültig zählt.
Denn wäre es so, gäbe es nicht die Unterscheidung zwischen ungültigen Stimmen und denen die nicht gewählt haben.
Zitat von R.A. im Beitrag #106
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #100
Wenn ich nicht wähle war ich nicht zugegen, so als wäre ich gar nicht in diesem Universum!

Und exakt so viel Relevanz hast Du dann für die weitere Entwicklung.
Allerdings: Du bist eben immer noch in diesem Universum präsent. Und mußt dann mit dem leben, was andere Wähler Dir aufdrücken.

Damit habe ich kein Problem. Das muss ich auch wenn ich wähle, den meine Relevanz für den Wahlausgang ist vor allem von der Wahlbeteiligung abhängig. Als Wähler der auf seine Relevanz schaut, könnte die Wahlbeteiligung gar nicht niedrig genug sein.
Zitat von R.A. im Beitrag #106
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #100
Wenn das zweite und dritte und vierte und fünfte Mal hintereinander eine große Koalition herauskommt, dann werden auch Sie in Erwägung ziehen, nicht zur Wahl zu gehen.

Ich würde eher das Gegenteil vermuten: Wenn die GroKo nicht einen deutlich besseren Job macht als bisher üblich, wird die zunehmende Unzufriedenheit zu höheren Wahlbeteiligungen führen.


Das hängt stark von dem Bild ab das man sich über Nichtwähler und ihre Motive so macht. Aber auch von den Motiven der Wähler und welches Bild man von denen hat.
Wer immer wieder wählen geht und keine der großen sozialdemokratischen Parteien bevorzugt, wird nach der fünften GroKo feststellen, dass er gar keine Opposition mehr kennt, dass die parlamentarische Demokratie nur noch auf dem Papier existiert und das auch die deutsche Gewaltenverschränkung einer GroKo-Gewalt gewichen ist.
Wer dann noch wählt und seine Stimme für relevant hält, hat sich nur wenig Gedanken über die unterschiedlichen Formen politischen Widerstands gegen sozialistische Tendenzen gemacht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Paul Offline




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26.09.2014 16:34
#123 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #103

Ein Nichtwähler trifft eine Entscheidung. Eine freie, eigenverantwortliche Entscheidung, deren Folgen er tragen muß und die natürlich falsch sein kann.


Lieber Nachdenker,
vor angelsächsischen Gerichten würde es jetzt wohl heißen:
"Einspruch Euer Ehren, Einspruch."

Der Nichtwähler entscheidet eben nicht, sondern er lässt andere entscheiden.

Mal ein Beispiel:
20 Wählern stehen 2 Kandidaten zur Wahl.
10 stimmen für A und 9 für B. Einer hat sich enthalten. (Stimmenthaltung* trifft den Sachverhalt auch besser als Nichtwähler.)
Der Nichtwähler hat für die Wahl des Kandidaten A gesorgt. Zum Zeitpunkt der Stimmabgabe wusste er nicht welchem Kandidaten er zum Sieg verhilft.
Dieses Beispiel im Kleinen zeigt mit deutlicher Schärfe was der Nichtwähler auch im Großen bewirkt. Nur im Großen wird es unschärfer. Je größer, desto mehr. Die Wirkung ist aber die Gleiche.

LG, Paul

*Nebenbei, lieber Erling Plaethe, kann man das dem man sich enthält, behalten?

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Paul Offline




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26.09.2014 17:00
#124 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #111
Zitat von Paul im Beitrag #110
Zitat von R.A. im Beitrag #93
Aber ueblicherweise will man die Macht, um damit etwas zu erreichen, was man gut fuer das Wohl des Volkes haelt.


Diesen Aspekt habe ich nicht bedacht. Unter dieser Bedingung stimme ich Ihnen zu. Aber gibt es Politiker mit dieser Motivation wirklich?


Leider. Und mehr, als man glaubt. Das ist die gefährliche Sorte. Die wissen natürlich alle besser als das dumme Volk, was gut & gesund & nachhaltig & inklusiv & überhaupt ist. Sollten die ökonomischen Gesetze, die Naturgesetze oder der so kurzsichtige wie selbstsüchtige Plebs nicht so wollen, neigen sie dazu, zum Bulldozer zu mutieren, anstatt sich anständig durch Ruhm, Gespielinnen & Aufsichtsratsposten korrumpieren korrumpieren zu lassen.


Da kann man mal sehen, lieber Ulrich Elkmann,
jedes Ding hat zwei Seiten.
Als ich R.A. zugestimmt habe, habe ich eine gewisse Uneigennützigkeit des Politikers unterstellt, die dann sein Verhalten geadelt hätte.
Aber sicherlich überwiegt Ihre Beurteilung der Politiker.
Da treffen wir uns dann wieder mit unseren Ansichten.

LG,Paul

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Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.09.2014 17:07
#125 RE: Manipulierte Schuldgefühle Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #118

Der Nichtwähler gibt seine Stimme automatisch der Mehrheit.
LG, Paul

Nein, lieber Paul, tut er nicht. Wenn Sie wissen wollen, wem ein Nichtwähler seine Stimme gibt, dann fragen Sie einen.
Denken Sie nicht, dass es etwas respektlos ist, besser wissen zu wollen wem ein Wähler seine Stimme gibt als er selbst. Er, der Besitzer der Stimme.
Ich will hier nicht zu weit ausholen, aber mir scheint es auch in diesem Zusammenhang um das Selbsteigentum zu gehen. Man sollte nicht so tun, als könne man einem Bürger seine Stimme enteignen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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