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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 195 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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ex-blond Offline




Beiträge: 155

22.09.2011 23:30
#101 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Gorgosal
Warum dann also den Mörder auch noch umbringen?

Erstens weil er ein Mörder ist. Zweitens könnte es mir eigentlich egal sein, denn ich glaube an ein göttliches Gericht, das den Mörder sowieso erwaret. Seine Restlebenszeit in lebenslänglicher Haft oder als Freier in einer diesbzgl. moralisch pervertierten Gesellschaft halte ich für eine Gnadenfrist vor dem Treffen mit Gott, und das wird schmerzhaft. Ich denke aber dass es auch nach dem Tod die Möglichkeit der Reue gibt (dieser sicher schrecklich schmerzhafte Prozess wird mittelalterlich als Fegefeuer bezeichnet, ein gutes Bild finde ich)
Aber, ich bin trotzdem für die Todesstrafe ... ich verweise auf meine Antwort Nr. 92 2.ter Absatz, die ich sehr ernst meine.

(Edit - Nachtrag für Mitleser: ich glaube dass Gott die Liebe ist und gut, kein rachelüsterner grausamer Gott. Aber gerade deshalb glaube ich, ist die Begegnung desto schmerzhafter, je böser der Mensch ist. Jener Jesuit sagte auch mal auf die Frage, ob er glaube, dass es eine Hölle gebe: "Ja, aber sie ist leer.")

http://antialleinerziehende.wordpress.com/

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

23.09.2011 00:21
#102 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Sehr verehrter Rayson,

ich hatte mich schon gefreut, mich auf die Exegese eines englischen Textes
einlassen zu müssen.
Aber wie ich jetzt gesehen habe, ist derselbe Text unter dem Titel "Von den Nazis zu Saddam - Warum in
Deutschland die Todesstrafe abgeschafft wurde" auch am 18.10.2005 im Berliner Tagesspiegel erschienen.
Wie die Washington Post keine ganz unbekannte Zeitung...

Nun also inhaltlich:

Ihr Einwand:

Zitat
Nicht? Meines Erachtens behauptet er genau das.
Auch der Schlussabsatz lässt keine andere Deutung zu.


Der Text sagt, ja ausdrücklich, dass

Zitat
Die SPD zwar historisch immer gegen die Todesstrafe gewesen [war], machte sie aber angesichts des politischen
Klimas nicht zu einem Wahlkampfthema.


Der Schlußsatz:

Zitat
Als US-Truppen im Dezember 2003 Saddam Hussein verhafteten, erklärte Gerhard Schröder: „Ich bin gegen die
Todesstrafe, und das trifft auf jeden zu – auch auf Diktatoren wie Saddam Hussein, die ihr Volk auf grausamste
Weise quälten.“ Damit stellte sich der Kanzler in die Nachkriegstradition seines Landes. Mehr vielleicht, als
ihm bewusst war.


soll ja nur sagen, dass deutsche Politiker ab und an die Neigung haben, sich in anrüchige Traditionen zu
stellen, von denen sie oft nicht einmal eine Ahnung haben, das diese existieren. Soll vorkommen...

Dann Ihr Einwand:

Zitat
Es ist eben falsch, dass *die* Initiative von rechter Seite ausging.


Dazu der Artikel:

Zitat
Erste Fassungen, die dem 65-köpfigen Parlamentarischen Rat zugänglich gemacht wurden, beinhalteten die
Beibehaltung der Todesstrafe. Erst am 6. Dezember, bei einem Treffen einer Unterkommission, überraschte ein
einziger Delegierter, Hans-Christoph Seebohm, alle anderen, als er sich für die Abschaffung der Todesstrafe
aussprach.


Also doch die (= erste) Initiative.

Dann Ihr Einwand:

Zitat
Weil sie [die SPD] es nicht nötig hatte.


Die SPD hätte es nicht nötig gehabt, Wahlen zu gewinnen?

Dann Ihr Einwand:

Zitat
Man kann Carlo Schmid unterstellen, dass er gegen die Todesstrafe war, weil er Nazi-Kriegsverbrecher verschonen
wollte. Man kann das tun, wenn man sich als ahnungsloser Ideologe profilieren will, der von Carlo Schmid
entweder noch nie etwas gehört hat oder sich die Welt nach seinem Gusto zurechtbiegen will.



Man kann Herrn Schmid auch für einen so großen Humanisten halten, dass er sich ausgerechnet für verurteilte Nazi-
Verbrecher hat einsetzen müssen - da haben sie Recht. (Und nein, ich bin kein Carlo Schmid-Experte.)

Dann Ihr Einwand:

Zitat
Richtig. Aber wenn man bei seiner Beweisführung alle historischen Fakten außer Acht lässt, die diese sofort
erschüttern würde, dann ist das Geschichtsklitterung.


Richtig, aber wenn ein Artikel in einer renommierten Zeitungen erscheint, der sich auf einen Historiker
(Richard J. Evans) beruft, welcher sich anscheinend einen ordentlichen Ruf als Experte für Deutsche Geschichte
erarbeitet hat; wenn zudem die von Ihnen angeführte Studie "Debatten um die Todesstrafe in Der Bundesrepublik
Deutschland Von 1949 bis 1990" in den öffentlich einsehbaren Seiten (Seite 14ff) das im Artikel genannte zu
bestätigen scheint, dann ist es meiner Meinung nach eine steile Behauptung von "Geschichtsklitterung" zu
sprechen.

Hochachtungsvoll

KSHA ( gelöscht )
Beiträge:

23.09.2011 01:02
#103 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Nicht ganz OT:

Wollte mich als ziemlich umfassend gebildeter Wissenschaftler (Philosophie, Gottologie, Ökonomie, Spitzen-Jurist mit Befähigung zum Richteramt) an Zettels Blog ja auch mal ein wenig beteiligen, primär um zu juristischen, ethischen und ökonomischen Fragen Stellung zu nehmen.

Nachdem ich jedoch gesehen habe, wie hier unter Berufung auf Form(ulierungs)fragen sogar extrem gescheite Kommentatoren wie (in diesem Strang) Friedrich kuzerhand nur wegen eines Wortes gesperrt werden, wendet sich der neue Gast mit Grausen.

Ersuche "WAMBA" aka Zettel, mit diesem meinen sicher ebenfalls "ungehörigen" Posting gleich entsprechend zu verfahren und mein Konto oder wie man es nennt zu löschen.

SERVUS.

Wamba Offline



Beiträge: 295

23.09.2011 01:18
#104 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von
Ersuche "WAMBA" aka Zettel, mit diesem meinen sicher ebenfalls "ungehörigen" Posting gleich entsprechend zu verfahren und mein Konto oder wie man es nennt zu löschen.

Done.

lukas Offline



Beiträge: 261

23.09.2011 01:41
#105 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Zettel
Exakt. Der Gouverneur entscheidet, und nicht Verbände, Protestierer oder gar das Ausland.

Und hier hätte es ihm gut angestanden, sich anders zu entscheiden. Wer darauf besteht, verachtet doch damit nicht den Rechtsstaat.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

23.09.2011 02:32
#106 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Am_Rande
Der Schlusssatz...soll ja nur sagen, dass deutsche Politiker ab und an die Neigung haben, sich in anrüchige Traditionen zu
stellen, von denen sie oft nicht einmal eine Ahnung haben, das diese existieren. Soll vorkommen...



Wollen wir wirklich auf diesem Niveau weiter diskutieren? Dieser Schlusssatz lebt von dem, was vorher unterstellt wurde, nämlich dass die Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland aus anrüchigen Motiven heraus erfolgte.

Zitat von Am_Rande
Also doch die (= erste) Initiative.



Die Beweisführung, dass es sich um die erste Initiative gehandelt habe, ist alles andere als schlüssig. Der Text zum GG war damals lange nicht fertig, und man konnte und musste mit Zusätzen und Änderungen rechnen. Gerade die Frage der Todesstrafe war zwischen SPD und Union umstritten, und wer die Abschaffung im GG verankert sehen wollte, hatte allen Grund, vorsichtig zu agieren und sein Pulver nicht zu früh zu verschießen, vor allem angesichts einer Bevölkerung, die gegenteiliger Meinung war. Man kann natürlich negieren, dass die SPD und andere schon immer für eine Abschaffung der Todesstrafe eingetreten waren, und zwar auch gerade wegen der Exzesse der Nazi-Zeit. Mir fällt nur gerade kein vernünftiger Grund ein, warum.

Zitat von Am_Rande
Die SPD hätte es nicht nötig gehabt, Wahlen zu gewinnen?



Die SPD hatte es nicht nötig, ihre ureigene Position ausgerechnet hinter einem DPler zu verstecken.

Zitat von Am_Rande
Man kann Herrn Schmid auch für einen so großen Humanisten halten, dass er sich ausgerechnet für verurteilte Nazi-
Verbrecher hat einsetzen müssen - da haben sie Recht. (Und nein, ich bin kein Carlo Schmid-Experte.)



Um diese Zeit dürfte kaum eine andere Person von Todesurteilen bedroht gewesen sein. Für einen Gegner der Todesstrafe hätte es eine Ehrensache sein müssen, sich gegen Todesurteile zu wenden, egal von wem und gegen sie wen sie ergingen. Erst etwas anderes wäre der Beleg, dass man nur aus taktischen Gründen dieses Ziel verfolgt hätte. Deine Formulierung scheint mir allerdings vorauszusetzen, dass du Carlo Schmid dieses Engagement nicht abnimmst und ihm allein ein Eintreten für Nazis unterstellst. Ich kann die Geisteshaltung, die für so eine Einstellung erforderlich wäre, leider nicht nachvollziehen.

Zitat von Am_Rande
Richtig, aber wenn ein Artikel in einer renommierten Zeitungen erscheint, der sich auf einen Historiker
(Richard J. Evans) beruft, welcher sich anscheinend einen ordentlichen Ruf als Experte für Deutsche Geschichte
erarbeitet hat; wenn zudem die von Ihnen angeführte Studie "Debatten um die Todesstrafe in Der Bundesrepublik
Deutschland Von 1949 bis 1990" in den öffentlich einsehbaren Seiten (Seite 14ff) das im Artikel genannte zu
bestätigen scheint, dann ist es meiner Meinung nach eine steile Behauptung von "Geschichtsklitterung" zu
sprechen.



Erstens: Die von mir angeführte Studie bestätigt den Artikel in der "Post" eben nicht. Mir ist schleierhaft, wie man zu einem gegenläufigen Urteil kommen kann. Zweitens: Es ist völlig egal, in welcher Zeitung ein Artikel erscheint, der sich auf einen noch so anerkannten Historiker beruft: Wenn er wichtige historische Aspekte komplett verschweigt, weil sie ihm nicht in den Kram passen, handelt es sich Geschichtsklitterung. Das war mein Argument. Du bist nicht darauf eingegangen, sondern versuchst nur ein Argument aus der Autorität. Du wirst deine Gründe für sowas haben. Diejenigen, die mir da nur in den Sinn kommen, missfallen mir allerdings erheblich, und der Verlauf dieser Diskussion lässt mich leider auch nicht darauf hoffen, dass ich da falsch liege.

Ich kenne genug Websites, die aufsuchen kann, wenn ich mal ein Defizit an antideutschen Positionen verspüren sollte. Das brauche ich nicht auch noch hier. Deshalb klinke ich mich an dieser Stelle aus dieser Diskussion aus.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

WasIstLiberal? ( gelöscht )
Beiträge:

23.09.2011 06:38
#107 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von ex-blond

Zitat von WasIstLiberal
Nun ja ich bin strikt auch gegen Abtreibung


Für Sie ist das Leben der höchste Wert an sich.

Ein von mir sehr geschätzter jesuitischer Professor der Philosophie hat einmal gesagt, allerdings nicht im Zusammenhang mit der Todesstrafe:

"Es gibt etwas Schlimmeres als den Tod."




Dem habe und will ich nicht widersprchen. Die Einschränkung kommt ja von Ihnen nämlich "allerdings nicht im Zusammenhang mit der Todesstrafe". Nun denn wir schreiben hier doch soweit ich das sehe kann eben darüber und was kann ein Staat dann Schlimmeres machen außer töten und foltern? Es geht um die Unumkehrbarkeit einer Tat durch eine Institution. Soweit ich das hier sehen kann handelt es sich um eine etablierte und bürokratisierte Möglichkeit einen Menschen wissentlich, absichtlich und leider unwideruflich zu töten und zwar nach dem Verfahren "Versuch und Irrtum". Sie akzeptieren den Irrtum, daß ist Ihr Recht, ich akzeptiere diesen Irrtum in diesem Zusammenhang nicht, das ist mein Recht.

Hochachtungsvoll

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

23.09.2011 08:06
#108 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von ex-blond
Ich denke mittlerweile, dass die Abschaffung der Todesstrafe (Todesstrafe für Mörder) in der Folge barbarischer ist als die Nicht-Abschaffung, weil die Abschaffung zwangsläufig das Recht des Täters vor die Rechte der Opfer (zu dem auch u.B. die Familie der ermordeten Person gehören) stellt. Letztendlich ist es die Familie des Opfers, die (durch Steuern) gezwungen wird, das Leben des Täters im Gefängnis zu finanzieren. Und die dulden muss, dass der Täter nach Entlassung aus der "lebenslänglichen" Gefängnisstrafe wieder ihr neuer Nachbar werden darf. Etc. Das ist für mich eine moderne Form der Barbarei: pervertierte Werte. (…)



Ich bin für eine vorläufige und unbefristete Aussetzung der Todesstrafe. Wenn die Todesstrafe ausgesetzt wird, sollten die Gefängnistrakte mit den Todeszellen in Gefängnistrakte zur buchstäblich lebenslangen Haft umgewandelt werden. Dort sollten die Verbrecher eingesperrt werden, die nominell zum Tode verurteilt wurden. Diese Zellen würden die Verurteilten nur verlassen, wenn es Beweise für ihre Unschuld gäbe oder wenn sie gestorben sind.

Der Staat und damit der Steuerzahler sind in der Pflicht, für den Unterhalt der Gefängnisse aufzukommen, damit die Strafen verbüßt werden, damit die Gesellschaft vor den verurteilten Straftätern geschützt ist und damit eine gewisse Generalprävention aufrechterhalten wird. Natürlich sind Verbrechensopfer und Verwandte von Verbrechensopfern unter den Steuerzahlern. Aber es sprechen höhere Ziele dafür, dass Steuergeld für diesen Zweck ausgegeben wird. Ein selektives Steuernzahlen im Sinne von akzeptierten und nicht akzeptierten Verwendungszwecken ist nun mal unmöglich.

Eine moderne Form der Barbarei ist es, wenn der Staat einen Gefangenen exekutiert. Diese Form der Barbarei ist überwindbar. Deshalb sollte die Todesstrafe auf unbestimmte Zeit ausgesetzt und durch die wahrhaftig lebenslange Haftstrafe ersetzt werden.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.081

23.09.2011 08:53
#109 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von ex-blond

Zitat von Gorgosal
in westlichen Demokratien trifft auf jeden Fall Nr. 2267 zu


Dann müssen sie davon ausgehen, dass die Todesstrafe keinen abschreckenden Effekt hat.



Erstens muss ich das nicht, denn eine etwaige abschreckende Wirkung wird in Nr. 2266 gar nicht als Begründung der Todesstrafe angeführt.

Und zweitens ist exakt diese abschreckende Wirkung denkbar umstritten. Zumindest wüsste ich von keinen Studien, die die Mordrate mit der Einführung oder Aussetzung der Todesstrafe in Verbindung bringen, sobald man andere Variablen mit einbezieht. Kennen Sie solche?

Wundert mich auch nicht: denn wo die lebenslängliche Freiheitsstrafe nicht als Abschreckung ausreicht, da handelt es sich um einen Täter, der entweder so kurzsichtig denkt oder sein Verbrechen für so unaufklärbar hält, dass die Drohung der Todesstrafe kaum eine zusätzliche Abschreckung bietet.

Zitat von ex-blond
Angenommen, es gäbe ein neues Gesetz: Morde, die an Montagen, Mittwochen und Freitagen passieren werden mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe geahndet, während Morde, die am Rest der Wochentage (Di, Do, Sa, So) passieren mit der Todesstrafe bestraft werden.
Glauben Sie, die Mordrate würde sich statistisch merkbar verschieben auf Montage, Mittwoche und Freitage oder würde das keinerlei Auswirkung haben?


Letzteres. Siehe oben. Aber wie gesagt: die USA mit 50 Bundesstaaten mit jeweils unterschiedlichen Strafsystemen sollten genügend Daten für zumindest vorsichtige Studien liefern. Kennen Sie welche?

Zitat von ex-blond
(Anmerkung nur nebenbei: Es gibt auch nicht-katholische Christen - in den USA sind die Katholiken mit 24% die Minderheit unter den Christen)


Weiß ich, daran arbeiten wir noch Das Problem ist, dass mir außer der (römisch-)katholischen Kirche keine Konfession bekannt ist, die ihre Grundüberzeugungen verbindlich in einem Katechismus darlegt. Jede der tausenden protestantischen Konfessionen sieht so etwas anders, und manche davon sind derartige Wundertüten, dass fast jede Meinung erlaubt sein kann.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.081

23.09.2011 08:57
#110 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von ex-blond

Zitat von Gorgosal
Und recht hat er. Und das motiviert dann das hier.


Worauf nehmen Sie Bezug? Verstehe ich jetzt gerade nicht (vielleicht schon etwas spät für mich), der Link führt zu Ihrem vorigen Beitrag.



Tut mir leid, ich war gestern abend leider auch zu müde für ein vernünftiges Posting...

Ganz einfach: gerade weil es aus christlicher Sicht schlimmeres gibt als den Tod, sollten wir sehr vorsichtig sein damit, jemanden vom Leben zum Tod zu befördern. Auch wenn es ein Mörder ist. Denn auch der Mörder hat seine Zeit auf der Erde, die er nutzen soll.

--
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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.081

23.09.2011 09:18
#111 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von ex-blond

Zitat von Gorgasal
Warum dann also den Mörder auch noch umbringen?

Erstens weil er ein Mörder ist.



Schon. Aber nicht umbringen sollten wir ihn, weil er ein Mensch ist.

Zitat von ex-blond
Zweitens könnte es mir eigentlich egal sein, denn ich glaube an ein göttliches Gericht, das den Mörder sowieso erwaret.


Exakt. Und dann gibt es eben noch (wenige) Beispiele für tätige Reue von Mördern. Ein Beispiel - und aus meiner Sicht ein gutes Argument gegen die Todesstrafe, zumindest für Christen, - wäre Alessandro Serenelli. Ich persönlich bin glücklich, dass er nicht in den ersten drei Jahren nach der Tat die Todesstrafe erlitt. Und wenn bei ihm die Reue drei Jahre gedauert hat, dann kann sie bei anderen 25 Jahre dauern.

Zitat von ex-blond
Ich denke aber dass es auch nach dem Tod die Möglichkeit der Reue gibt (dieser sicher schrecklich schmerzhafte Prozess wird mittelalterlich als Fegefeuer bezeichnet, ein gutes Bild finde ich)


Wenn Sie mir den Abstecher erlauben: aus katholischer Sicht ist meines Wissens die Reue nur vor dem Tod möglich. Und darüber, ob das "Fegefeuer" schmerzhaft ist oder nicht, gibt es zumindest keine Aussage, und das erscheint mir sinnvoll. Purgatorium hat auch eher Konnotationen von Reinigung oder Läuterung.

Zitat von ex-blond
Aber, ich bin trotzdem für die Todesstrafe ... ich verweise auf meine Antwort Nr. 92 2.ter Absatz, die ich sehr ernst meine.


Wenn ich Sie dort richtig verstehe, dann wären Sie auch gegen die Todesstrafe, wenn es ein "echtes" Lebenslänglich gäbe. Ich denke, da sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Und in Westeuropa wird sicher eher ein "echtes" Lebenslänglich (Sicherungsverwahrung!) eingeführt als die Todesstrafe.

Zitat von ex-blond
(Edit - Nachtrag für Mitleser: ich glaube dass Gott die Liebe ist und gut, kein rachelüsterner grausamer Gott. Aber gerade deshalb glaube ich, ist die Begegnung desto schmerzhafter, je böser der Mensch ist.


Und natürlich steht es jedem Menschen frei, sich gegen Gott und seine Liebe zu entscheiden.

Zitat von Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1033
Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man „Hölle".



Zitat von ex-blond
Jener Jesuit sagte auch mal auf die Frage, ob er glaube, dass es eine Hölle gebe: "Ja, aber sie ist leer.")


Meine Hoffnung ist, dass die Hölle leer ist. Aber in Anbetracht diverser Bibelstellen fürchte ich, dass dieser Glaube verfehlt ist und ziemlich in die Irre führen kann. Oder auch:

Zitat von Fr Longenecker
Padre Pio was asked what he thought about modern people who didn't believe in hell.

"They'll believe in hell when they get there." he replied.

...

I'm reminded of one of the great judgement carvings which is on the South portal at Chartres. It is one of those scenes with Christ enthroned in glory, St Michael weighing the souls in judgement and the demons taking some below and angels lifting others up above.

I was visiting there and the old Englishman who used to give tours said, "Notice that both the damned and the saved have expressions of surprise on their faces.

The damned are surprised to be going to hell because they were proud and self righteous (and didn't think they were headed for hell) or scornful and unbelieving (and didn't believe such a place existed) The saved are surprised because they were humble and didn't think they would make it into heaven.

--
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WasIstLiberal? ( gelöscht )
Beiträge:

23.09.2011 09:35
#112 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Gorgasal



Zitat von Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1033
Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man „Hölle".






Damit dürfte es klar sein für NichtChristen und Atheisten dürfte es schwierig werden nicht in die Hölle zu kommen. Somit hat Gorgosal wohl recht und der Jesuit unrecht. Die Hölle existiert und betrachtet man heute so die diversen Glaubensrichtungen dürften alleine von den heute 7 000 000 000 Menschen gut 2/3 dort landen. Da es in anderen Glaubensrichtungen wahrscheinlich ebensolche Höllen gibt, kann man wohl schwierig der Hölle überhaupt entkommen. Ich tendiere auch eher aus anderen Gründen dazu die Hölle als "wahrscheinlicher" anzusehen, den was wir Menschen uns selbst schon in der Geschichte antaten, kann man m.E. nur die "Hölle auf Erden" nennen. Aber offenbar gibt es auch genügend Himmel, den wir Menschen haben uns auch schon sehr viel Gutes getan. Soweit mir bekannt nennt man dieses "Gute" Liebe.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.081

23.09.2011 10:11
#113 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von WasIstLiberal?

Zitat von Gorgasal

Zitat von Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1033
Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man „Hölle".



Damit dürfte es klar sein für NichtChristen und Atheisten dürfte es schwierig werden nicht in die Hölle zu kommen.



Das ist zumindest seit dem Zweiten Vaticanum nicht mehr Lehre der katholischen Kirche.

Zitat
In several important texts, Vatican II took up the question of the salvation of non-Christians. Although they were related to the Church in various ways, they were not incorporated in her. God's universal salvific will, it taught, means that he gives non-Christians, including even atheists, sufficient help to be saved. Whoever sincerely seeks God and, with his grace, follows the dictates of conscience is on the path to salvation. The Holy Spirit, in a manner known only to God, makes it possible for each and every person to be associated with the Paschal mystery. “God, in ways known to himself, can lead those inculpably ignorant of the gospel to that faith without which it is impossible to please him.” The council did not indicate whether it is necessary for salvation to come to explicit Christian faith before death, but the texts give the impression that implicit faith may suffice.

--
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Frank Zafka Offline



Beiträge: 8

23.09.2011 13:28
#114 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Noch zwei Argumente gegen die Todesstrafe:
a) Jeder kann fälschlicherweise zum Tode verurteilt werden. Sind wir bereit, dass Risiko auf uns zu nehmen, aufgrund eines Irrtums zu sterben? Meine Risikoaversion ist dafür zu hoch. Lieber bleibe ich lebenslänglich im Gefängnis mit der Möglichkeit auf eine Revision (wobei man fairerweise sagen muss, dass im Falle Davis bereits alle Mittel ausgenutzt wurden, wenn ich das richtig verstehe).

b) Das Prinzip von der vollen Verantwortlichkeit für unser Handeln ist mindestens mängelbehaftet. Menschen, die zu Mördern werden, hatten möglicherweise viel Pech bei der Genlotterie und ihrer Erziehung. Daher sollte man auch von Rechtssprechung absehen, die sich zu sehr auf "Schuld" stützt und mehr darauf achten, dass Verurteilungen vor allem dazu dienen, weitere Verbrechen zu verhindern. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist dieser Podcast (englischsprachig) eine spannende Diskussion zu diesem Themenkomplex.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.09.2011 13:45
#115 Schuld und Prävention Antworten

Zitat von Frank Zafka
Daher sollte man auch von Rechtssprechung absehen, die sich zu sehr auf "Schuld" stützt und mehr darauf achten, dass Verurteilungen vor allem dazu dienen, weitere Verbrechen zu verhindern.

Ich sehe das, lieber Frank Zafka, nicht als Gegensatz.

Warum begeht nicht jeder von uns ständig Verbrechen? Primär ja nicht aus Angst vor Strafe. Sondern wir wollen uns nicht schuldig machen. Es ist das Gewissen, das es uns verbietet, zu stehlen und zu morden.

Wer an die Stelle der Bestrafung nach Schwere der Schuld eine Maßnahmen-Justiz setzen will, der erliegt aus meiner Sicht zwei fundamentalen Irrtümern:

Erstens übersieht er, daß ohne die Instanz des Gewissens (des Überich in Freuds Terminologie) kein Rechtsbewußtsein existieren kann, und ohne Rechtsbewußtsein kein gesetzestreues Verhalten. Die Vorstellung, man könne durch das Aufgeben oder das Hintenanstellen des Schuldbegriffs die Zahl der Verbrechen senken, ist schlicht falsch.

Zweitens bedeutet eine von der Schuld abgekoppelte Maßnahmen-Justiz aber auch Willkür. Sie ist eine Mißachtung der Menschenwürde. Wenn der Täter nicht mehr nach der Schwere seiner Schuld bestraft wird, sondern in Abhängigkeit davon, wie man am besten weitere Verbrechen verhindern zu können meint, dann entsteht krasse Ungerechtigkeit.

Kein NS-Täter hätte dann beispielsweise seine Untaten beim Holocaust büßen müssen; denn es war und ist so gut wie ausgeschlossen, daß diese Eichmanns weitere Verbrechen begangen hätten.

Gewiß spielt auch die Generalprävention, auch die Individualprävention bei der Verhängung einer Strafe eine Rolle. Aber im Kern muß die Strafe immer eine Sühne für die Schuld sein, die jemand auf sich geladen hat. Wenn man das aufgibt, dann gibt man den Gedanken der Gerechtigkeit auf.

Herzlich, Zettel

PS: Ich glaube, ich habe es versäumt, sie im kleinen Zimmer zu begrüßen. Herzlich willkommen also! (Manchmal kommen so viele neue Mitglieder hinzu, daß ich schon einmal den Überblick verliere).

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

23.09.2011 14:15
#116 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Sehr geehrter Rayson

Zitat
Deshalb klinke ich mich an dieser Stelle aus dieser Diskussion aus.



Einverstanden.

Sie haben Ihre Sicht der Dinge. Ich die meine.

Hochachtungsvoll

Urlauber ( gelöscht )
Beiträge:

23.09.2011 20:03
#117 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von stefanolix
Ich bin für eine vorläufige und unbefristete Aussetzung der Todesstrafe. Wenn die Todesstrafe ausgesetzt wird, sollten die Gefängnistrakte mit den Todeszellen in Gefängnistrakte zur buchstäblich lebenslangen Haft umgewandelt werden. Dort sollten die Verbrecher eingesperrt werden, die nominell zum Tode verurteilt wurden. Diese Zellen würden die Verurteilten nur verlassen, wenn es Beweise für ihre Unschuld gäbe oder wenn sie gestorben sind.

Sehe ich grundsätzlich auch so.
Die Gefahr von Fehlurteilen ist zu groß. Die für meine Begriffe deutlichste Begründung gegen die Todesstrafe gab George Ryan

Zitat von stefanolix
Der Staat und damit der Steuerzahler sind in der Pflicht, für den Unterhalt der Gefängnisse aufzukommen, damit die Strafen verbüßt werden, damit die Gesellschaft vor den verurteilten Straftätern geschützt ist und damit eine gewisse Generalprävention aufrechterhalten wird. Natürlich sind Verbrechensopfer und Verwandte von Verbrechensopfern unter den Steuerzahlern. Aber es sprechen höhere Ziele dafür, dass Steuergeld für diesen Zweck ausgegeben wird.

Es sprechen auch buchhalterische Gründe dafür. Wegen der Dauer des Verfahrens und der vielen Rechtszüge ist die Todesstrafe teurer als lebenslange Haft.
Wie hoch genau, lässt sich schwer feststellen. Jeder sagt dazu was anderes. Wen es interessiert, mal mit den Suchworten [Todesstrafe USA Gegner Kosten] googeln.

ex-blond Offline




Beiträge: 155

23.09.2011 21:44
#118 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von WasIstLiberal?
Die Einschränkung kommt ja von Ihnen nämlich "allerdings nicht im Zusammenhang mit der Todesstrafe".

Das haben Sie falsch verstanden, "allerdings nicht im Zusammenhang mit der Todesstrafe" sollte nicht als Einschränkung meinerseits gelten, im Sinne dass der Satz Geltung habe, jedoch nicht im Zusammenhang mit der Todesstrafe. Mein Satz "Ein von mir sehr geschätzter jesuitischer Professor der Philosophie hat einmal gesagt, allerdings nicht im Zusammenhang mit der Todesstrafe: ..." sollte bedeuten, dass der Professor, als er diesen Satz aussprach, gerade nicht dabei war, über die Todesstrafe zu diskutieren sondern über ein anderes Thema.

Zitat von WasIstLiberal
und zwar nach dem Verfahren "Versuch und Irrtum".

Das ist polemisch und nicht richtig.

Ich habe mich mit dem Troy Davis Fall nicht befasst, aber mal ein paar Stunden über die "West Memphis Three" nachgelesen, die ja jetzt wieder auf freiem Fuß sind, und wenn Sie mich fragen, waren die drei doch die Mörder der drei Buben. Wenn diese drei freikommen konnten, wie streng ist dann der Maßstab für die Beweislage, wenn ein Todesurteil nicht aufgehoben wird? Trotzdem bin ich jederzeit der Meinung, wenn die Beweislage nicht ganz klar ist, darf kein Todesurteil ausgesprochen werden. Ich denke, Irrtümer können hier fast sicher ausgeschlossen werden - freilich, nur fast sicher.

Zitat von WasIstLiberal
das ist mein Recht.

Natürlich :-)

http://antialleinerziehende.wordpress.com/

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

23.09.2011 21:58
#119 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von WasIstLiberal?
Nun denn wir schreiben hier doch soweit ich das sehe kann eben darüber und was kann ein Staat dann Schlimmeres machen außer töten und foltern? Es geht um die Unumkehrbarkeit einer Tat durch eine Institution.


Von allen Argumenten gegen die Todesstafe finde ich das immer wieder das schwächste. Es impliziert sowohl, dass Freiheisstrafen umkehrbar wären (wozu schon einiges gesagt wurde) und was noch schlimmer ist, es impliziert das Freiheitsstrafen, so sie denn Justizirrtümer sind, umgekehrt würden. Und das ist natürlich Unsinn. Die Wahrscheinlichkeit nach einem Zeitraum von zehn Jahren (was ungefähr dem entspricht wie lange ein Todeskandidat in den USA auf die Hinrichtung wartet) als Justizirrtum frei gelassen zu werden, ist extrem niedrig. Wer unschuldig verurteilt wird, der wird sowohl mit der Todesstrafe wie auch mit einer Gefängnisstrafe (in den USA für Mord in aller Regel wenigstens 25 Jahre) in einer Form bestraft, die sich nie wieder umkehren liesse. Aber, was wichtiger ist, auch nicht umgekehrt wird.
Ich neige sogar dazu mich dahin zu versteigen, zu behaupten, dass Todesurteile wenigstens eine Potenz genauer untersucht werden als Urteile auf lebenslange Haft. Wenn sich jemand tatsächlich als unschuldig erweist, dann ist die Chance das das entdeckt wird, bei einer Gefängnisstrafe deutlich niedriger. Erst recht nach mehr als 10 Jahren, da ist die Wahrscheinlichkeit nahe null.

Man muss sich wohl eins klar machen: Wenn wir einen Rechtsstaat wollen, dann müssen wir auch mit dem Justizirrtum leben. Und zwar als unumkehrbares Faktum. Wir können alles tun diesen zu minimieren, aber der Anspruch, dass es nie zu einem nicht wiedergutzumachenden Unrecht kommen darf, bleibt, unabhängig von der Strafenhöhe, eine völlig unrealistische Forderung.

Zitat
Sie akzeptieren den Irrtum, daß ist Ihr Recht, ich akzeptiere diesen Irrtum in diesem Zusammenhang nicht, das ist mein Recht.


Ihr Recht sicher, nur worauf läuft diese Nichtakzeptanz am Ende hinaus ?

ex-blond Offline




Beiträge: 155

23.09.2011 22:30
#120 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von stefanolix
Wenn die Todesstrafe ausgesetzt wird, sollten die Gefängnistrakte mit den Todeszellen in Gefängnistrakte zur buchstäblich lebenslangen Haft umgewandelt werden

Sehr gute Idee, das war auch lange meine Haltung zu diesem Thema. Jedoch scheint es mir, (ich hatte es oben im Beitrag #92 2. Absatz schon geschrieben), dass die Gesellschaft nicht bei einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe bleibt, sondern dass mit der Abschaffung der Todesstrafe langsam das Weltbild und Menschenbild verfällt (und damit auch 'Lebenslang' abgeschafft wird). (Oder ist es umgekehrt, Henne-Ei-Problem?) Langsam scheint sich der Schwerpunkt immer mehr in Richtung Therapie und Resozialisation zu bewegen. Die Opfer geraten in den Hintergrund - sind sogar bedauernswert, irgendwie vielleicht sogar moralisch verdächtig, wenn sie nicht 'vergeben' können, weil: ist 'Vergebung' nicht ein ultimativ christlicher Wert? Bedeutet unser christliches Erbe nicht, dass wir auf Biegen und Brechen vergeben müssen? Auch, wenn wir gar nicht selbst betroffen sind? Sind nicht eigentlich die Opfer eine Zumutung für die Gesellschaft, die dem sozialtherapeutischen Frieden stören aus rein emotional motivierten primitiven Racheinstinkten? Und sind Opfer, die nicht vergeben, nicht weiter weg von Liebe und Warmherzigkeit als wir, die Gesellschaft, die, nicht gestört durch lästige Schmerzgefühle, das Wesen des Menschen und des Mörders besser beurteilen können als die Mutter der beiden ermordeten Kinder? So dass wir, aus unserer überlegenen Urteilskraft heraus, über die Gefühle der Opfer hinweg z.B. dem Kindsmörder aus Krailling eine zweite Chance geben werden? Muss nicht die Mutter, die offenbar bedauerlicherweise vor Schmerz und Trauer blind für die Gutheit einer 'zweiten Chance' ist, das Opfer für den sozialtherapeutsichen Frieden der Gesellschaft erbringen, in absehbarer Zeit den Mörder ihrer Kinder wieder in Freiheit leben zu wissen, denn das ist der Preis dafür, dass wir uns rühmen, das Leben über alles zu schützen?
Ich habe letztens einen Zeitungsartikel einer Mutter gelesen, deren Tochter von einem jungen Mann erstochen wurde, der als Tod verkleidet abends in das Zimmer ihrer schlafenden Tochter schlich, als sie nicht da war. Dieser Junge Mann hat damals eine Jugendstrafe bekommen und wird in Kürze wieder frei gelassen - vermutlich, so stand es im Artikel, wird er wieder in derselben Ortschaft wohnen wie die Mutter. Sie schrieb zwar, dass sie dem Mörder vergeben habe, ich vermute aber, mit 'vergeben' meint sie, dass sie sich innerlich soweit von der schrecklichen Tat distanziert hat, dass sie psychisch überleben kann.
Wenn Gott gut ist, wird er (zumindest auf Erden) von Müttern nicht verlangen, dem Mörder ihrer Kinder zu vergeben.

Irgendwo habe ich mal den Satz, der aus dem Talmud stammt, aufgeschnappt: "He who is compassionate to the cruel will ultimately be cruel to the compassionate" - den habe ich nie verstanden, aber ich meine, dass ich anfange, ihn zu verstehen.

Deshalb: Ihr Lösungsvorschlag ist hervorragend, aber er hat unerwünschte Nebenwirkungen.

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ex-blond Offline




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23.09.2011 22:51
#121 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Gorgosal
Erstens muss ich das nicht, denn eine etwaige abschreckende Wirkung wird in Nr. 2266 gar nicht als Begründung der Todesstrafe angeführt

Man könnte aber Nr. 2267 so interpretieren :-)

Zudem wird die Todesstrafe in Nr. 2266 nicht generell ausgeschlossen:

Zitat von Kath. Katechismus
ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen

Wie erklären Sie sich das? Ganz grundsätzlich, meine ich? Wie kann das sein, dass die katholische Kirche selbst die Todesstrafe nicht grundsätzlich ausschließt und nicht humanere Maßnahmen, wie z.B. die von stefanolix vorgeschlagene lebenslängliche Freiheitsstrafe grundsätzlich und ultimativ vorschreibt?

Zitat von Gorgosal
zweitens ist exakt diese abschreckende Wirkung denkbar umstritten

Stimmt. Ich bin wie Sie der Meinung, dass viele Morde aus dem Affekt oder aus verworrenen, komplizierten, dramatischen Konstellationen geschehen, auch die Psyche muss hier in Betracht gezogen werden. Aber keineswegs alle. Es gibt Menschen, die morden aus kaltblütiger Berechnung oder aus Abenteuerlust, davon bin ich überzeugt.
Ich kenne keine Daten aus den Vereinigten Staaten. Das Gedankenexperiment mit den Wochentage (Beitrag #99 2. Absatz) würde meiner Meinung nach garantiert zu einer statistisch messbaren, vielleicht sogar deutlich messbaren Verschiebung führen :-) Da haben wir offenbar eine andere Vorstellung davon, wie böse der Mensch sein kann (oder sogar dass er böse sein kann?). Daraus, dass sie sagen, es würde (beim Wochentags-Experiment) keine statistsich messbare Veränderung geben, schließe ich, dass ein kalt rechnender Mörder in Ihrem Weltbild nicht vorkommt?

[edit: Schreibfehler korrigiert]

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ex-blond Offline




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23.09.2011 23:24
#122 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Gorgosal
aus katholischer Sicht ist meines Wissens die Reue nur vor dem Tod möglich.

Über das Fegefeuer sagt Wikipedia:

Zitat von Wikipedia
Im Fegefeuer besteht die Qual darin, dass der Verstorbene zwar schon die vollkommene Gegenwart und Liebe Gottes spürt, sich aber aufgrund seiner Sünden dieser Liebe nicht würdig fühlt. Genau das macht den großen Schmerz aus. Der Mensch wird so von seinen letzten Sündenfolgen aus der zeitlichen Existenz durch seine Reue geläutert.



Danke für das großartige Zitat von Fr Longenecker bzgl des "great judgement carvings". Eine faszinierende Beobachtung (die überraschten Gesichter).

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ex-blond Offline




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24.09.2011 00:02
#123 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Hier ein kleiner Beweis, wie unser Menschenbild heutzutage aussieht:

Zitat von FAZ
Aber Olaf H. scheint auch nach vielen Prozesstagen nicht zu sich selbst finden zu wollen. Vergebens wendet sich Richter Luczak am Freitag noch einmal an ihn. Die Aussageentwicklung sei bisher nicht schlüssig, moniert der Richter. Wenn das Motiv offenbleibe, könne später keine Therapie beginnen, weil ja unklar sei, ob es etwas zum Therapieren gebe. „Dann bleibt auch offen, ob sie noch gefährlich sind oder nicht.“

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24.09.2011 07:09
#124 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Urlauber

Die Gefahr von Fehlurteilen ist zu groß. Die für meine Begriffe deutlichste Begründung gegen die Todesstrafe gab George Ryan



Das finde ich war eine sehr gute Entscheidung. Ich finde die dort genannten "Irrtumszahlen" einfach ungeheuerlich. Ich schrieb ja systematisch töten.... ich kann mir wirklich nur wenige Sache vorstellen die ähnlich abscheulich sind, ich finde dazu gehört "systematische" Folter....

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24.09.2011 07:22
#125 RE: Der Fall Troy Davis Antworten

Zitat von Llarian

Und zwar als unumkehrbares Faktum. Wir können alles tun diesen zu minimieren, aber der Anspruch, dass es nie zu einem nicht wiedergutzumachenden Unrecht kommen darf, bleibt, unabhängig von der Strafenhöhe, eine völlig unrealistische Forderung.



Ich kenne keinen Menschen der den Tod rückgängig machen kann. Wollen Sie also sagen es ist ein "zu aktzeptierender" Fehler wenn einem hier "mal" ein solches ja wie soll man es nennen? "Malheur" passiert? Ich will Ihnen bei dem nicht wiedergutzumachenden Unrecht gar nicht widersprechen. Nur wird hier "falsch" entschieden, wird eben ein nicht wiedergutzumachendes Unrecht begangen. Nein, ich stimme nicht mit Ihnen überein, die Todesstrafe ist jenseits allen Rechts und es gibt nichts was den Namen "Recht" weniger verdient. Wie kann man das als "schwach" bezeichnen? Wie kann es sein, daß eine "gerechte" Strafe sich als nicht wiedergutzumachendes Unrecht herausstellen kann? Welche Forderung ist dann realistischer. Lasst es uns trotzdem machen oder eher "lassen wir es besser"?

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