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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Doeding Offline




Beiträge: 2.612

15.04.2016 18:22
#201 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #199
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #198
Paragraph 104a behandelt Voraussetzungen damit z.B. Paragraph 103 verfolgt werden kann. Da stehts drin.


Danke sehr.


Lieber dirk, das Thema war weiter oben im thread schon recht ausgiebig Gegenstand (was Sie sicher nicht wußten), aber die Antwort von Noricus #200 stellt das in Kürze nochmal dar. . Es geht letztlich, so wie ich es verstanden habe, um eine pol. Güterabwägung zwischen dem Interesse des betroffenen Staatsoberhauptes und den Interessen der Bundesrepublik. Den Medien war außerdem zu entnehmen, daß es auch darum geht, ausländische Oberhäupter nicht beliebig Klagen in Deutschland platzieren lassen zu können, um auf diese Weise Einfluß auf die Innenpolitik auszuüben.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.04.2016 18:54
#202 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Lieber Noricus, es klang als würdest Du das Gedicht im Volltext nicht kennen. Nur zur Sicherheit, hier ist es wie es gesendet wurde:
http://www.bild.de/video/clip/recep-tayy...=true.bild.html
Und das Skript zum Nachlesen:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boeh...-a-1086571.html

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.04.2016 19:05
#203 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #200
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #116
Zitat von Noricus im Beitrag #115
Ich möchte den folgenden Gedanken in die Runde werfe.

§ 104a StGB, der die Voraussetzungen der Strafverfolgung u.a. hinsichtlich § 103 StGB regelt, lautet (Hervorhebungen von mir):

Zitat
Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.


Die Strafbarkeit eines Angriffs gegen die Menschenwürde oder die Ehre des ausländischen Staatsoberhauptes kann doch nicht davon abhängen, dass es in dem betreffenden Land eine deutsche Botschaft gibt und auch dieses Land Schmähliches gegen Herrn Gauck ahndet (ich drücke mich bewusst plakativ aus), denn sonst wäre die Menschenwürde ja von diesen Bedingungen abhängig und somit antastbar.

Um die Menschenwürde und Ehre des ausländischen Staatsoberhauptes kann es in dieser Norm also nicht gehen. Dafür spricht auch ein systematisches Argument: § 103 StGB rangiert unter den Delikten gegen Allgemeinrechtsgüter und ist somit anders als § 185 StGB keine Straftat gegen ein Individualrechtsgut (Notiz für Rechtsvergleichende: Der besondere Teil des deutschen StGB beginnt mit Delikten gegen Allgemeinrechtsgüter, jener des österreichischen StGB mit Delikten gegen Individualrechtsgüter. Honni soit qui mal y pense.) Beim 103er geht es einzig und allein um den Schutz der diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik.

Dies spielt meines Erachtens für die Abwägung gegen B.s Kunst- und Meinungsfreiheit eine entscheidende Rolle. Vom 103er geschützt sind nicht E.s Individualrechtsgüter, sondern das freundliche Gesicht der Bundesrepublik Deutschland gegenüber diplomatisch verbundenen Staaten, die derlei Unbotmäßigkeiten ebenfalls bestrafen. Und wenn man dies B.s Metadiskurs gegenüberstellt, dessen Niveau man sicher beanstanden kann, der aber zweifelsfrei Kunst darstellt, dann würde ich, wenn ich entscheiden müsste, ich eher pro B. tendieren.

EDIT: Kaufe im ersten Satz ein n und gebe dafür im letzten Satz ein "ich" ab.


Lieber Noricus, ich zitiere aus dem von mir verlinkten Urteil um zu verdeutlichen, dass ich Deinen Gedanken, insbesondere dem, dass es nicht um die Würde der Person gehen kann, nicht nachvollziehen kann (im wörtlichen Sinne):

[...]

Auch die etwa fehlende Gegenseitigkeit, das Fehlen des Strafverlangens der ausländischen Regierung oder das Fehlen der zur Strafverfolgung erforderlichen Ermächtigung der Bundesregierung (vgl. § 104 a StGB) rechtfertigen nicht den Schluß, daß die durch § 103 StGB mittels des Ehrenschutzes seiner amtlichen Repräsentanten geschützte Würde des fremden Staates deswegen kein polizeiliches Schutzgut mehr wäre: Die genannten Voraussetzungen sind nur für die konkrete Strafbarkeit der Täter des § 103 StGB, nicht dagegen für die polizeiliche Schutzwürdigkeit der durch § 103 StGB geschützten Güter bedeutsam.

[...]


Lieber Erling,

Du zitierst eine Entscheidung des BVerwG, in der es darum geht, ob Polizisten ein Spruchband mit einer anstößigen Bemerkung, die ein Botschafter eines anderen Landes auf sich bezieht, kassieren dürfen. Dabei kommt das BVerwG zu dem Ergebnis, dass die Polizei das darf, wenn der objektive Tatbestand des § 103 StGB erfüllt ist. Ob im konkreten Fall auch tatsächlich Strafbarkeit nach § 103 StGB gegeben ist, insbesondere ob die Voraussetzungen des § 104a StGB erfüllt sind, braucht die Polizei nicht zu kümmern. Das polizeiliche Schutzgut, von dem die Rede ist, sind nicht Ehre und Menschenwürde des chilenischen Botschafters, sondern die öffentliche Sicherheit (siehe den Leitsatz).

§ 104a StGB setzt ein Strafverlangen der ausländischen Regierung voraus. Die Tatobjekte des § 103 StGB werden also in klassischer Völkerrechtsmanier durch ihre Regierung mediatisiert. § 103 StGB macht das, was bei Nichterfüllung seiner im Vergleich zu § 185 StGB hinzutretenden Tatbestandsmerkmale und/oder der in § 104a StGB genannten objektiven Bedingungen der Strafbarkeit nach § 185 StGB strafbar wäre, zu einem politischen Delikt, also zu etwas, das in früheren Zeiten ein casus belli zwischen Staaten gewesen wäre.

Anders formuliert: § 185 StGB schützt die Ehre und dadurch einen Aspekt der Menschenwürde des Beleidigten. § 103 StGB schützt die diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik, weshalb § 104a StGB die Strafbarkeit des 103ers an mehrere Bedingungen unverkennbar völkerrechtlicher Provenienz knüpft. Das Argument, § 103 StGB schütze die Ehre bestimmter Repräsentanten ausländischer Staaten, wobei aber dieser Ehrschutz von mehreren Bedingungen abhängig ist, die eindeutig einem politischen bzw. diplomatischen Kalkül und nicht der Sorge um Individualrechtsgüter wie Ehre oder Menschenwürde entspringen, ist nun für mich nicht nachvollziehbar.

Was das ästhetische Urteil über Böhmermanns Gedicht betrifft – wobei man ja mit solchen Urteilen vorsichtig sein sollte, wenn man das Werk nicht im Volltext kennt –, liegen wir vermutlich nicht allzu weit auseinander. Was mich besonders stört, ist dieser wohl aus dem Geiste des politischen Kabaretts entspringende präzeptorale Gestus (leider ist die deutsche Komik viel zu sehr von dieser Kunstgattung inspiriert, Böhmermanns Lehrmeister Schmidt bildete eine löbliche Ausnahme), der meines Erachtens auch hinter Böhmermanns Beitrag steht. Erdogan benötigt kein Privatissimum über die Grenzen der Kunstfreiheit. Diese sind ihm sehr wohl bewusst. Dass er sie offenbar gerne enger gezogen sähe, ist ein anderes Thema.


Ich habe die vielen Ausschnitte aus der Urteilsbegründung zitiert, weil das Gericht immer wieder auch auf die Würde der Personen der Botschaft abstellte. Ich werte das so, dass es eben nicht nur um den Staat geht.
Und im fettgedruckten Teil steht ja auch dass mittels Ehrenschutz der Repräsentanten erst der fremde Staat geschützt wird. Und nicht umgekehrt oder ohne Schutz der Repräsentanten.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.04.2016 20:21
#204 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #203

Ich habe die vielen Ausschnitte aus der Urteilsbegründung zitiert, weil das Gericht immer wieder auch auf die Würde der Personen der Botschaft abstellte. Ich werte das so, dass es eben nicht nur um den Staat geht.
Und im fettgedruckten Teil steht ja auch dass mittels Ehrenschutz der Repräsentanten erst der fremde Staat geschützt wird. Und nicht umgekehrt oder ohne Schutz der Repräsentanten.



Lieber Erling, ich erlaube mir nur noch den Hinweis, dass das BVerwG kein Fachgericht für Strafsachen ist, und würde im Übrigen - wie früher zwischen uns öfters geübt, wenn ich mich recht erinnere - ein agreement to disagree vorschlagen und die Diskussion wieder aufnehmen, wenn im Fall B. eine Entscheidung vorliegt.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.04.2016 20:28
#205 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #202
Lieber Noricus, es klang als würdest Du das Gedicht im Volltext nicht kennen. Nur zur Sicherheit, hier ist es wie es gesendet wurde:
http://www.bild.de/video/clip/recep-tayy...=true.bild.html
Und das Skript zum Nachlesen:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boeh...-a-1086571.html


Danke, lieber Erling. Ich bleibe bei meiner Meinung: Ein ästhetischer Fail, um es auf Neuhochdeutsch auszudrücken, und in sehr präzeptoralem Kontext präsentiert, aber wohl Kunst*. Der Metadiskurs kehrt für mich die Beleidigungseignung weg.

* Als irgendwie Liberaler bin ich sehr froh, dass auch Darbietungen Kunst sind, die meinem Geschmack nicht entsprechen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.04.2016 20:57
#206 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #204
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #203

Ich habe die vielen Ausschnitte aus der Urteilsbegründung zitiert, weil das Gericht immer wieder auch auf die Würde der Personen der Botschaft abstellte. Ich werte das so, dass es eben nicht nur um den Staat geht.
Und im fettgedruckten Teil steht ja auch dass mittels Ehrenschutz der Repräsentanten erst der fremde Staat geschützt wird. Und nicht umgekehrt oder ohne Schutz der Repräsentanten.



Lieber Erling, ich erlaube mir nur noch den Hinweis, dass das BVerwG kein Fachgericht für Strafsachen ist, und würde im Übrigen - wie früher zwischen uns öfters geübt, wenn ich mich recht erinnere - ein agreement to disagree vorschlagen und die Diskussion wieder aufnehmen, wenn im Fall B. eine Entscheidung vorliegt.

Ok. Ich habe halt, wegen der Seltenheit von Verurteilungen nach §103 nur dieses eine Urteil gefunden und fand es hilfreich hinsichtlich der Argumentation des Gerichts um Rückschlüsse treffen zu können wie es von einem Richter gesehen wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

15.04.2016 20:58
#207 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #205
Der Metadiskurs kehrt für mich die Beleidigungseignung weg.

Wirklich? Das Problem, das ich mit der Dialog-Diskussion, die das Gedicht einrahmt, sehe, ist, daß sie nicht dieses ironisiert, sondern den Disclaimer. Kurz gefaßt sagen sie ja "das Folgende darf man nicht sagen" (zwinker, zwinker) und sagen es dann. Der satirische Zusammenhang betrifft also nicht den Inhalt des Gedichts, sondern den Maulkorb.
Es ist die Unsagbarkeit des Gedichts, die Böhmermann ironisch verleugnet, indem er es doch aufsagt.
Gäbe es in Deutschland eine Zensur, die das Aufsagen dieses Gedichts verbietet, so hätte er diese satirisch angeprangert. Die gibt es aber nicht.
Aber der beleidigende Inhalt des Gedichts ist hiervon ganz unberührt, den stellt Böhmermann in der ganzen Metadiskussion nicht in Frage. Vielleicht macht er ihn sich nicht direkt zu eigen, aber er behandelt ihn als gewissermaßen selbstverständlich.

Na ja, jetzt muß sich ein Gericht mit diesem Problem herumschlagen.

Johanes Offline




Beiträge: 2.388

16.04.2016 15:11
#208 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Hallo,

der erste große Unterschied zwischen Böhmermann und Schmidt liegt doch woanders. Schmidt hat Latenight gemacht und diese Form der Unterhaltung in Deutschland (unter Federführung von Feuerstein...) eingeführt.
Desweiteren stimme ich zu, dass Schmidt im Kern unpolitisch war, man sollte aber nicht völlig ignorieren, dass er sehr wohl einige politische Aussagen gemacht hat. Siehe z. B. seine Reaktion auf die Frage, ob seine Sendung angesichts des Irak-Krieges überhaupt stattfindet. Da hat Schmidt darauf verwiesen, dass praktisch immer irgendwo auf der Welt Krieg ist. Auch seine Satire der Irak-Berichterstattung usw. war ja nicht völlig ohne politische Relevanz.
Ob er das auch in den Öffentlich-Rechtlichen gemacht hat, das weiß ich nicht (mehr), aber er hat zumindest im Zeitraum vor seiner ersten kreativen Pause sehr gut verstanden, dass er sich "politisch unkorrekte" Äußerungen erlauben konnte. Mit dieser "Narrenfreiheit" hat er zusammen mit Andrack ja bewusst gespielt. Nur ohne politische Agenda.
Böhmermann ist, soweit ich weiß, ein Satiriker mit Satiresendung.

Der zweite große Unterschied zwischen Schmidt und Böhmermann ist sicherlich die geänderte Zeit. Als Schmidt seine Sendung gestaltete, wurde das Internet grade zu einem Massenmedium. Auch war die politische Landschaft eine ganz andere, Schröders Umgang mit den Medien war eine völlig andere als die von Merkel. Die Zeit war geprägt von Debatten über Außenpolitik, Hartz-Reformen und Deutschland galt kurzfristig als der "Kranke Mann Europas", der die Maastricht-Kriterien nicht einhalten konnte.
Auch die Medienlandschaft unterschied sich deutlich von der heutigen. Das Konzept einer wöchentlichen Comedy-Sendung wurde damals mehrfach umgesetzt, Was guckst du?!, 7 Tage, 7 Köpfe (nebenbei: Hat nicht Oliver Welke hier sein Handwerk gelernt?) und ähnliches. Es gab auch diverse Samstag-Abend-Formate.
Heute dagegen leben wir in einer Zeit, in der solche Sendungen vergleichsweise selten geworden sind, die Anstalt wurde abgesetzt und Stefan Raab hörte auf.
Ferner haben damals die Promis einigen Stoff für Gags geliefert. Mag sein, dass ich einem falschen Eindruck aufgesessen bin, aber heute scheint sich das sehr verändert zu haben.

Gegen diese Medienlandschaft hat Schmidt sich abgehoben. Er hat dabei auch bewusst Insider-Witze über die Medien gemacht. Mir fällt da z. B. ein Gag ein darüber, wer nun wo Redaktionsleiter geworden war.



Mal konkret zur Sache. Ich habe den Artikel in Zettels Raum zum Anlass genommen, mal nach dem besagten Gedicht im Internet zu suchen und offenbar bin ich fündig geworden.
Dabei kommen mir Verbindungen zu gewissen Satire-Magazinen in den Sinn, in denen dann mit Fäkalhumor gearbeitet wird. Ausdrücklich ohne diesen Werken den künstlerischen oder satirischen Gehalt ganz absprechen zu wollen, muss ich schon feststellen, dass das nicht ganz das ist, was ich erwarte.
Auch muss ich zugeben, mir war gar nicht so bewusst, dass Böhmermann hier auf ein Trittbrett aufsteigt, dass von Extra3 losgetreten wurde. Dies sei mir aber verziehen, denn ich hätte auch nie für mich in Anspruch genommen, in der Sache umfassend informiert zu sein oder mir ein Urteil erlaubt. Zugegeben, die TAZ würde vielleicht auch nicht zu meiner ersten Lektüre gehören...

Eine andere Frage ist sicherlich die, ob es wirklich eine gute Idee ist, in einer außenpolitisch heiklen Situation weiter rumzuzündeln. Klar, liegt die Verantwortung für die unsouveräne Reaktion darauf immernoch bei der Politik...
Um noch mal zu meinen obigen Ausführungen Bezug zu nehmen, vielleicht hebt sich Böhmermann von der heutigen Medienlandschaft durch solche selbstreferenziellen Gags ab.

Was lässt sich aus diesen Meldungen mitnehmen? Wahrscheinlich in erster Linie ein gutes Argument, wenn die Diskussion wieder mal auf das Thema Öffentlich Rechtliche Medien kommt.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.04.2016 13:12
#209 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #207
Zitat von Noricus im Beitrag #205
Der Metadiskurs kehrt für mich die Beleidigungseignung weg.

Wirklich? Das Problem, daß ich mit der Dialog-Diskussion, die das Gedicht einrahmt, sehe, ist, daß sie nicht dieses ironisiert, sondern den Disclaimer. Kurz gefaßt sagen sie ja "das Folgende darf man nicht sagen" (zwinker, zwinker) und sagen es dann. Der satirische Zusammenhang betrifft also nicht den Inhalt des Gedichts, sondern den Maulkorb.
Es ist die Unsagbarkeit des Gedichts, die Böhmermann ironisch verleugnet, indem er es doch aufsagt.
Gäbe es in Deutschland eine Zensur, die das Aufsagen dieses Gedichts verbietet, so hätte er diese satirisch angeprangert. Die gibt es aber nicht.
Aber der beleidigende Inhalt des Gedichts ist hiervon ganz unberührt, den stellt Böhmermann in der ganzen Metadiskussion nicht in Frage. Vielleicht macht er ihn sich nicht direkt zu eigen, aber er behandelt ihn als gewissermaßen selbstverständlich.

Na ja, jetzt muß sich ein Gericht mit diesem Problem herumschlagen.


Lieber Fluminist, Sie berühren hier einen wichtigen Punkt.

Der Kontext, in den Böhmermann seinen Beitrag einbettet, ist die Einbestellung des deutschen Botschafters nach der ohne jeden Zweifel eine zulässige Grundrechtsausübung bildenden Extra-3-Satire. Böhmermann stellt nun die Extra-3-Satire dem von ihm verfassten Gedicht gegenüber, um auf sehr plakative, man kann auch sagen: drastische Weise darzustellen, was vom Schutzbereich des Art. 5 GG erfasst ist und was nicht. Das von Böhmermann vorgetragene Gedicht wird dadurch zur uneigentlichen Rede, zu einer Exemplifizierung dessen, was unerlaubt ist.

Es liegt hier also kein vorgeschützter Disclaimer vor - nach der Art, wenn A zu B sagt: "Ich will dich nicht beleidigen, aber du bist ein ..." oder "Ich weiß, man darf das nicht sagen, aber du bist ein ..." -, der die Objektebene nicht verlässt und der selbstverständlich gemäß dem alten Grundsatz protestatio facto contraria non valet die folgende Beleidigung nicht neutralisiert. Vielmehr lautet der Subtext in Böhmermanns Beitrag: "Wenn die Kollegen von Extra 3 das gemacht hätten, was jetzt folgt, wäre es ein Grund gewesen, sich zu echauffieren; das harmlose Erdowie-Erdowo-Erdowann-Lied ist in Deutschland dagegen ohne jeden Zweifel erlaubt." Es ist diese Einbettung in den Metadiskurs, seine Beispiel-Eigenschaft, die dem Gedicht die Beleidigungseignung nimmt.

Auch philologische Gründe sprechen für diese Interpretation: Der Titel des Gedichts lautet Schmähkritik. Eine Anspielung auf Erdogan kommt im Titel nicht vor. Thema des Gedichts ist also aufzuzeigen, was unter einer Schmähkritik zu verstehen ist. Der Text ist ein Staccato von primitivsten, zusammenhanglosen Injurien. Durch dieses Mit-der-Gießkanne-Beleidigen wird deutlich, dass das Vorgetragene nicht so gemeint ist, wie es der bloße Wortlaut vermuten ließe. Wer wirklich beleidigen will, sucht sich einige wunde Punkte heraus. Böhmermann greift in seinem Gedicht hingegen tief und wahllos in die Kiste der in rechtsextremen Kreisen verbreiteten Klischees über Orientalen. Ein besonderer Bezug zu Erdogan besteht dabei nicht. Diese Aneinanderreihung plumper, niveauloser Beleidigungen, die mit Erdogan als Person nichts zu tun haben, sondern der rechtsextremen Imagination über "den" Orientalen bzw. "den" Türken entspringen, macht deutlich, dass es hier nicht um Zuschreibungen von Eigenschaften zur Person Erdogan, sondern um eine Veranschaulichung dessen geht, was unter einer Schmähkritik zu verstehen ist.

Böhmermanns Beitrag entspricht zwar ganz und gar nicht meinen ästhetischen Präferenzen. Auch ist Böhmermann kein Stachel im Fleisch des Merkel-Ära-Konsensualismus, sondern eher einer von dessen Exponenten. Ich habe somit keinen Grund, Böhmermann Wohlwollen entgegenzubringen. Aber was Böhmermann da zum Besten gegeben hat, ist - diese Überzeugung stellt sich bei mir immer mehr ein - von der Kunstfreiheit gedeckt. Um diese geht es mir, wenn ich Böhmermanns Beitrag verteidige.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

17.04.2016 13:59
#210 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat
Aber was Böhmermann da zum Besten gegeben hat, ist - diese Überzeugung stellt sich bei mir immer mehr ein - von der Kunstfreiheit gedeckt. Um diese geht es mir, wenn ich Böhmermanns Beitrag verteidige.


Das ist für auch mich der springende Punkt. Kunst- und nicht Meinungs- bzw. Pressefreiheit ist hier die entscheidende Frage.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

17.04.2016 14:57
#211 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #210
Das ist für auch mich der springende Punkt. Kunst- und nicht Meinungs- bzw. Pressefreiheit ist hier die entscheidende Frage.

Stimmt, ein Freispruch nach Art. 5 Abs. 3 GG wäre ein schönes Ergebnis und auch ein klares Signal nach außen; außerdem, wenn Böhmermanns Anwalt etwas taugt, nicht unwahrscheinlich.

An Kunst, muß ich zugeben, hatte ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht gedacht, aber glücklicherweise spielt die Qualität keine Rolle ("alles, was einen Rahmen hat, ist ein Bild"):

Zitat von Wikipædia
Das Bundesverfassungsgericht sah im Mephisto-Urteil von 1971 als kennzeichnendes Merkmal der Kunst, dass durch freie schöpferische Gestaltung bestimmte Eindrücke, Erfahrungen, und Erlebnisse des Künstlers zum Ausdruck gebracht werden. Diese Definition wird als materieller Kunstbegriff bezeichnet. In späteren Entscheidungen betrachtete das Gericht diese Formel als nicht ausreichend und entwickelte weitere Merkmale von Kunst. So zeichnen sich Kunstwerke zum einen durch ihren Werktyp aus. Nach dem sogenannten formalen Kunstbegriff liegt Kunst vor, wenn ein Werk vorliegt, das einer kunsttypischen Gattung zugerechnet werden kann, beispielsweise Bildern oder Schriften.


"Bestimmte Eindrücke" liegen wohl vor, und "Gedicht" ist eine kunsttypische Gattung. Und sollte das nicht greifen, gilt noch:

Zitat von Wikipædia
Nach dem offenen Kunstbegriff handelt es sich bei einem Werk schließlich um Kunst, wenn es von Betrachtern auf verschiedene Weise interpretiert werden kann.


An letzterem kann nach den weitreichenden Spekulationen im vorliegenden Fall nun gar kein Zweifel mehr bestehen.

Eigentlich ein klarer Fall also, der auch überhaupt nichts mit der Bundesregierung zu tun hat; höchstens insofern, daß deren Entscheidung für eine Anklage Deutschland die Gelegenheit bietet, klar und schriftlich zu dokumentieren, wie sehr es seine Künstler schätzt. Jedenfalls die, die auf der richtigen Pfeife blasen.

Und folglich hat uns Böhmermann in seinem Sketch genasführt, als er sagte, das folgende Gedicht dürfe er nicht aufsagen: denn er darf ja im Rahmen seiner Kunstfreiheit, auch wenn wir als einzelne Normalbürger, ohne künstlerische Akkreditierung und Einrahmung, es nicht dürfen. Es gibt natürlich gewisse Einschränkungen der Kunstfreiheit durch das Persönlichkeitsrecht, aber diese

Zitat von Wikipædia
müssen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts restriktiv ausgelegt werden, um die Ausdrucksform der politischen Satire nicht zu beschneiden.


Also hat sich Lucke sogar weiter aus dem Fenster gelehnt als Böhmermann, denn der Komödiant darf über einen Politiker sagen, was er will, der Politiker über einen Komödianten aber nicht.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

17.04.2016 14:59
#212 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #209
Zitat von Fluminist im Beitrag #207
Zitat von Noricus im Beitrag #205
Der Metadiskurs kehrt für mich die Beleidigungseignung weg.

Wirklich? Das Problem, daß ich mit der Dialog-Diskussion, die das Gedicht einrahmt, sehe, ist, daß sie nicht dieses ironisiert, sondern den Disclaimer. Kurz gefaßt sagen sie ja "das Folgende darf man nicht sagen" (zwinker, zwinker) und sagen es dann. Der satirische Zusammenhang betrifft also nicht den Inhalt des Gedichts, sondern den Maulkorb.
Es ist die Unsagbarkeit des Gedichts, die Böhmermann ironisch verleugnet, indem er es doch aufsagt.
Gäbe es in Deutschland eine Zensur, die das Aufsagen dieses Gedichts verbietet, so hätte er diese satirisch angeprangert. Die gibt es aber nicht.
Aber der beleidigende Inhalt des Gedichts ist hiervon ganz unberührt, den stellt Böhmermann in der ganzen Metadiskussion nicht in Frage. Vielleicht macht er ihn sich nicht direkt zu eigen, aber er behandelt ihn als gewissermaßen selbstverständlich.

Na ja, jetzt muß sich ein Gericht mit diesem Problem herumschlagen.


Lieber Fluminist, Sie berühren hier einen wichtigen Punkt.

Der Kontext, in den Böhmermann seinen Beitrag einbettet, ist die Einbestellung des deutschen Botschafters nach der ohne jeden Zweifel eine zulässige Grundrechtsausübung bildenden Extra-3-Satire. Böhmermann stellt nun die Extra-3-Satire dem von ihm verfassten Gedicht gegenüber, um auf sehr plakative, man kann auch sagen: drastische Weise darzustellen, was vom Schutzbereich des Art. 5 GG erfasst ist und was nicht. Das von Böhmermann vorgetragene Gedicht wird dadurch zur uneigentlichen Rede, zu einer Exemplifizierung dessen, was unerlaubt ist.

Es liegt hier also kein vorgeschützter Disclaimer vor - nach der Art, wenn A zu B sagt: "Ich will dich nicht beleidigen, aber du bist ein ..." oder "Ich weiß, man darf das nicht sagen, aber du bist ein ..." -, der die Objektebene nicht verlässt und der selbstverständlich gemäß dem alten Grundsatz protestatio facto contraria non valet die folgende Beleidigung nicht neutralisiert. Vielmehr lautet der Subtext in Böhmermanns Beitrag: "Wenn die Kollegen von Extra 3 das gemacht hätten, was jetzt folgt, wäre es ein Grund gewesen, sich zu echauffieren; das harmlose Erdowie-Erdowo-Erdowann-Lied ist in Deutschland dagegen ohne jeden Zweifel erlaubt." Es ist diese Einbettung in den Metadiskurs, seine Beispiel-Eigenschaft, die dem Gedicht die Beleidigungseignung nimmt.

Auch philologische Gründe sprechen für diese Interpretation: Der Titel des Gedichts lautet Schmähkritik. Eine Anspielung auf Erdogan kommt im Titel nicht vor. Thema des Gedichts ist also aufzuzeigen, was unter einer Schmähkritik zu verstehen ist. Der Text ist ein Staccato von primitivsten, zusammenhanglosen Injurien. Durch dieses Mit-der-Gießkanne-Beleidigen wird deutlich, dass das Vorgetragene nicht so gemeint ist, wie es der bloße Wortlaut vermuten ließe. Wer wirklich beleidigen will, sucht sich einige wunde Punkte heraus. Böhmermann greift in seinem Gedicht hingegen tief und wahllos in die Kiste der in rechtsextremen Kreisen verbreiteten Klischees über Orientalen. Ein besonderer Bezug zu Erdogan besteht dabei nicht. Diese Aneinanderreihung plumper, niveauloser Beleidigungen, die mit Erdogan als Person nichts zu tun haben, sondern der rechtsextremen Imagination über "den" Orientalen bzw. "den" Türken entspringen, macht deutlich, dass es hier nicht um Zuschreibungen von Eigenschaften zur Person Erdogan, sondern um eine Veranschaulichung dessen geht, was unter einer Schmähkritik zu verstehen ist.

Böhmermanns Beitrag entspricht zwar ganz und gar nicht meinen ästhetischen Präferenzen. Auch ist Böhmermann kein Stachel im Fleisch des Merkel-Ära-Konsensualismus, sondern eher einer von dessen Exponenten. Ich habe somit keinen Grund, Böhmermann Wohlwollen entgegenzubringen. Aber was Böhmermann da zum Besten gegeben hat, ist - diese Überzeugung stellt sich bei mir immer mehr ein - von der Kunstfreiheit gedeckt. Um diese geht es mir, wenn ich Böhmermanns Beitrag verteidige.


Dann nehmen wir mal das Skript auseinander ohne Sätze aus ihrem Zusammenhang zu reißen:

Zum Punkt, dass es überhaupt Satire war, was da gesendet wurde und nicht Bildungsfernsehen a la "Sendung für die Maus" - Erwachsenenversion. Ein Format, dass übrigens im ÖR weite Verbreitung findet. Ich zitiere:

Zitat
Jan Böhmermann: Willkommen in Deutschlands Quatschsendung Nummer eins! Wir sinds. Wir haben mit Satire nichts am Hut.


Richtig kann ich da nur sagen. Hat er nicht und er sagt es auch. Er macht Quatsch und das ist lt. Duden:
(salopp abwertend) (Ungeduld oder Ärger hervorrufende) als dumm, ungereimt angesehene Äußerung[en]
(salopp abwertend) als falsch, unüberlegt, unklug angesehene Handlung, Verhaltensweise; Torheit
(salopp) harmloser Unfug; Alberei, Jux
(salopp abwertend) etwas, was als wertlos, überflüssig, läppisch, lästig angesehen wird

Warum ihm also etwas unterschieben, dass er ablehnt zu tun? (Vorsicht Paternalismusgefahr)

Mit Beginn der Erläuterung des Kontextes wendet sich Böhmermann erst direkt an die Türken und dann direkt an Erdogan selbst. Ab da erklärt Böhmermann Erdogan etwas und nicht mehr den Zuschauern. Die sitzen da und hören zu wie Böhmermann eine belehrende Adresse an Erdogan richtet. Sein Sidekick Kabelka wirft ab und zu was ein, aber mit ihm spricht er nicht. Er spricht zu Erdogan.
Dann erklärt ihm den Unterschied zwischen Kunstfreiheit und Diffamierung. Als er damit fertig ist, fragt er:

Zitat
Böhmermann: Haben Sie das verstanden, Herr Erdogan?


Und sein Kabelka sagt:

Zitat
Kabelka: Das kann bestraft werden.

Böhmermann: Das kann bestraft werden? Und dann können auch Sachen gelöscht werden - aber erst hinterher, nicht vorher?

Kabelka: Erst hinterher.


Böhmermann ist sich offen bewusst dass, wenn er tut was er kurz danach tut, bestraft werden kann. Aber das ist ihm egal. Ihn interessiert nur ob es erstmal gesendet werden muss, bevor es gelöscht werden kann.
Lieber Noricus, wenn das nicht als Vorsatz gewertet wird, sollte mich das schon sehr wundern.

Als nächstes unterstellt er Erdogan, das alles nicht zu verstehen, weil es angeblich kompliziert ist und kündigt ein Schmähgedicht an als Beispiel:

Zitat
Böhmermann: Das ist vielleicht ein bisschen kompliziert - vielleicht erklären wir es an einem praktischen Beispiel mal ganz kurz. Ich hab ein Gedicht, das heißt "Schmähkritik". Können wir vielleicht dazu eine türkisch angehauchte Version von einem Nena-Song haben? Und können wir vielleicht ganz kurz nur die türkische Flagge im Hintergrund bei mir? Sehr gut.

Also, das Gedicht. Das, was jetzt kommt, das darf man nicht machen?

Kabelka: Darf man NICHT machen.

Böhmermann: Wenn das öffentlich aufgeführt wird, das würde in Deutschland verboten.

Kabelka: Bin der Auffassung: das nicht.

Böhmermann: Okay. Das Gedicht heißt "Schmähkritik".



Böhmermann stellt nun keine Frage mehr an Kabelka ob dieses Gedicht verboten werden würde, er stellt es fest. Böhmermann ist überzeugt, dieses Gedicht ist verboten. Was man damit übersetzen kann, dass ihm klar ist, er macht sich jetzt strafbar.
Kabelka bestätigt ihn.

Dann liest er vor:

Zitat
Sackdoof, feige und verklemmt,
ist Erdogan, der Präsident....


Von Beginn an ist dieses Schmähgedicht direkt an Präsident Erdogan gerichtet. Nicht an die Privatperson, nein an den Präsidenten der Türkei. An niemanden sonst. Kein Hauch irgendeiner rechtsextremen Imagination.
Dann macht er zweimal ne Pause, vergewissert sich bei Kabelka, dass man sowas nicht machen darf und bei der dritten Pause sagt Kabelka noch "nicht Präsident sagen".
Das zeugt von detaillierter Kenntnis der Rechtslage und dem Rechtsverstoß den Böhmermann ganz bewusst begeht. Ich zitiere weiter:

Zitat
Böhmermann: Dankeschön. Also, das ist jetzt 'ne Geschichte, was könnte da jetzt passieren?

Kabelka: Unter Umständen nimmt man es aus der Mediathek! Das kann jetzt rausgeschnitten werden.

Böhmermann: Also, wenn die Türkei oder ihr Präsident da was dagegen hätte, müsste er sich erst mal 'nen Anwalt suchen.

Kabelka: Ja, genau.



Bitte beachten! Es ist immer noch vom Präsidenten Erdogan die Rede, ergo vom §103!
So, Präsident Erdogan hat was dagegen und nahm sich einen Anwalt. Und nun gibt es das Verfahren das Böhmermann erwartet hat.
Es ist eben keine Veranschaulichung dessen was allgemein unter einer Schmähkritik zu verstehen ist, sonders das was unter einer persönlichen Schmähkritik an den Präsidenten Erdogan zu verstehen ist. Dafür ist es ein gelungenes Beispiel. Welches öffentlich zu machen in Deutschland verboten, das heißt gemäß §103 strafbar ist.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Semni Offline



Beiträge: 35

17.04.2016 17:30
#213 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Lieber Erling Plaethe,

bezüglich Ihrer Aussage

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212

Dann nehmen wir mal das Skript auseinander ohne Sätze aus ihrem Zusammenhang zu reißen:


stellt sich mir die Frage,
ob nicht doch etwas verlorgen geht, wenn Sie wie folgt zusammenfassen

Zitat
Ab da erklärt Böhmermann Erdogan etwas und nicht mehr den Zuschauern. Die sitzen da und hören zu wie Böhmermann eine belehrende Adresse an Erdogan richtet. Sein Sidekick Kabelka wirft ab und zu was ein, aber mit ihm spricht er nicht. Er spricht zu Erdogan.
Dann erklärt ihm den Unterschied zwischen Kunstfreiheit und Diffamierung. Als er damit fertig ist, fragt er:

Zitat
Böhmermann: Haben Sie das verstanden, Herr Erdogan?




was sich mir wörtlich ausgeschrieben so darstellt:

Zitat
Böhmermann: Vielleicht müssen wir Ihnen was kurz erklären. Was die Kollegen von Extra3 gemacht haben, also auf inhaltlich humorvolle Weise mit dem umgegangen sind, was Sie da quasi politisch unten tun, Herr Erdogan. Das ist in Deutschland, in Europa, gedeckt von der Kunstfreiheit, von der Pressefreiheit, von der Meinungsfreiheit -

Kabelka unterbricht: Artikel 5.

Böhmermann: W-was?

Kabelka: Artikel 5.

Böhmermann: Artikel 5 unseres Grundgesetzes, unserer tollen Verfassung, das darf man hier. Das ist - da können Sie nicht einfach sagen, die Bundesregierung soll die Satire zurückziehen oder das muss irgendwie jetzt gelöscht werden aus dem Internet. Das ist in Deutschland - da ist sowas erlaubt. Und ich finde es ganz toll, wie in dieser Woche die Zivilgesellschaft aufgestanden ist, von Beatrix von Storch, die noch vor zwei Wochen, glaube ich, mich noch erschießen lassen wollte - wegen dieses komischen, wegen dieses komischen äh Songs, den wir hier gemacht haben und jetzt ist sie auf einmal ganz vorne dabei, wenn es um Pressefreiheit und um Kunstfreiheit geht. Alle Leute waren auf einmal auf einer Linie: Das muss zugelassen werden. Je suis Extra3.
H-Herr Erdogan, es gibt aber - es gibt natürlich auch Fälle, wo man auch in Deutschland, in Mitteleuropa, Sachen macht, die nicht erlaubt sind. Also es gibt Kunstfreiheit, das ist Satire, Kunst und Spaß, das ist erlaubt und auf der anderen Seite ... ich glaube es heißt, wie heißt es?

Kabelka: Schmähkritik.

Böhmermann: Schmähkritik! Ein juristischer Ausdruck, also was ist Schmähkritik?

Kabelka: Wenn du Leute diffamierst, wenn du einfach nur so unten rum argumentierst, wenn du die beschimpfst und wirklich nur bei privaten Sachen, die die irgendwie ausmachen, herabsetzt.

Böhmermann: Herabsetzt? Also das ist Schmähkritik. Also das ist in Deutschland auch nicht erlaubt? Haben Sie das verstanden, Herr Erdogan?



Usw. Zumal er anschließend noch sagt:

Zitat
Ist vielleicht ein bisschen kompliziert, vielleicht erklären wir das anhand eines praktischen Beispiels. Also ich habe ein Gedicht mitgebracht. Es heißt Schmähkritik.



Herzlich,
Semni

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.04.2016 17:33
#214 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Dann nehmen wir mal das Skript auseinander ohne Sätze aus ihrem Zusammenhang zu reißen:


Wenn das nur möglich wäre. Man entstellt den Sinn dieses Beitrags, wenn man einzelne Sätze herausgreift.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Warum ihm also etwas unterschieben, dass er ablehnt zu tun? (Vorsicht Paternalismusgefahr)


Und wenn das Teil der Satire ist, lieber Erling? Böhmermann macht in der Folge des von Dir isoliert zitierten Eingangs-Statements deutlich, dass das Extra-3-Lied von Art. 5 GG gedeckte Satire ist, die sich von Schmähkritik unterscheidet. Er nimmt die Rolle dessen ein, der (um es auf Neuhochdeutsch zu formulieren) Satire nicht kann, sondern nur Quatsch wie z.B. Schmähkritik. Dieses "Wir haben mit Satire nichts am Hut" ist Teil des Spiels. Satire, die sagen muss: "Hallo, jetzt kommt Satire", gesteht damit wohl einen gewissen qualitativen Mangel zu. Denn Satire wirkt nur ohne Gebrauchsanweisung.

Und außerdem: Auch Quatsch kann Kunst sein.

Ist man im Übrigen nicht auch paternalistisch, wenn man dem A, der zu B sagt: "Ich will dich ja nicht beleidigen, aber du bist ein ...", eine Beleidigung unterstellt?

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Mit Beginn der Erläuterung des Kontextes wendet sich Böhmermann erst direkt an die Türken und dann direkt an Erdogan selbst. Ab da erklärt Böhmermann Erdogan etwas und nicht mehr den Zuschauern. Die sitzen da und hören zu wie Böhmermann eine belehrende Adresse an Erdogan richtet. Sein Sidekick Kabelka wirft ab und zu was ein, aber mit ihm spricht er nicht. Er spricht zu Erdogan.


Genau, denn der Subtext ist ja gerade der: "Nachdem ich Ihnen, Herr Erdogan, gerade erklärt habe, was von Art. 5 GG geschützte Kunst ist, zeige ich Ihnen jetzt, was Schmähkritik ist." Es geht um eine Belehrung nicht der Zuschauer, sondern Erdogans.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Böhmermann ist sich offen bewusst dass, wenn er tut was er kurz danach tut, bestraft werden kann. Aber das ist ihm egal. Ihn interessiert nur ob es erstmal gesendet werden muss, bevor es gelöscht werden kann.
Lieber Noricus, wenn das nicht als Vorsatz gewertet wird, sollte mich das schon sehr wundern.


Böhmermann stellt klar, dass Schmähkritik bestraft werden kann und dass es in Deutschland keine Vorzensur gibt. Ich wiederhole mich: Böhmermanns Gedicht ist ein als solches intendiertes Beispiel für Schmähkritik, was Böhmermann genau so auch ankündigt. Es ist eine Veranschaulichung dessen, was Schmähkritik ist. Schmähkritik bezieht sich notwendig auf eine bestimmte Person und auf konkrete Formulierungen in einem bestimmten Kontext. Es geht in Böhmermanns Beitrag, den man nicht isoliert betrachten darf, sondern dabei das Vorangehende und Folgende berücksichtigen muss, um die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die plakative Darstellung des Gegensatzes zwischen der als bekannt vorausgesetzen Extra-3-Satire und dem Beispielschmähgedicht. Um eine Diffamierung Erdogans geht es gerade nicht, was auch dadurch unterstrichen wird, dass Böhmermann so auffallend wahllos in die unterste Schublade greift.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Böhmermann stellt nun keine Frage mehr an Kabelka ob dieses Gedicht verboten werden würde, er stellt es fest. Böhmermann ist überzeugt, dieses Gedicht ist verboten. Was man damit übersetzen kann, dass ihm klar ist, er macht sich jetzt strafbar.
Kabelka bestätigt ihn.


Dann frage ich mich aber, was Kabelkas "Bin der Auffassung: das nicht" bedeuten soll.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Kein Hauch irgendeiner rechtsextremen Imagination.


Was die ersten beiden Verse betrifft, lieber Erling, gebe ich Dir Recht. Der Rest bedient aber fast durchgängig derartige Klischees.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Dann macht er zweimal ne Pause, vergewissert sich bei Kabelka, dass man sowas nicht machen darf und bei der dritten Pause sagt Kabelka noch "nicht Präsident sagen".
Das zeugt von detaillierter Kenntnis der Rechtslage


Ganz und gar nicht. Beim Tatobjekt "Staatspräsident" ist der Bezug auf dessen Stellung für die Anwendbarkeit des § 103 StGB unbeachtlich. Das ergibt sich eindeutig aus einem Gegenschluss zur 2. und 3. Alternative des § 103 Abs. 1 StGB:

Zitat von § 103 Abs. 1 StGB
Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt [...] [Hervorhebung von mir]



Der Bezug auf die amtliche Stellung ist nur beim Mitglied der ausländischen Regierung und dem beglaubigten Leiter einer diplomatischen Vertretung, nicht beim Staatsoberhaupt Tatbestandsmerkmal. Der 103er wäre auch erfüllt, wenn Böhmermann nicht Präsident gesagt hätte.

Und wenn Böhmermann und Kabelka so gut über die Rechtslage informiert gewesen wären, wäre ihnen jedenfalls bewusst gewesen, dass bei Nichterfüllung der §§ 103, 104a StGB der § 185 StGB droht.

EDIT: Mein Satz "Schmähkritik bezieht sich notwendig auf eine bestimmte Person und auf konkrete Formulierungen in einem bestimmten Kontext." ist schlecht formuliert. Besser: Schmähkritik bezieht sich notwendig auf eine bestimmte Person. Um beurteilen zu können, ob Schmähkritik vorliegt, muss man auf die konkret verwendeten Formulierungen und den Kontext Bedacht nehmen.

EDIT 2: Hervorhebung im §-Zitat hinzugefügt.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

17.04.2016 18:55
#215 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Dann nehmen wir mal das Skript auseinander ohne Sätze aus ihrem Zusammenhang zu reißen:


Wenn das nur möglich wäre. Man entstellt den Sinn dieses Beitrags, wenn man einzelne Sätze herausgreift.

Na wenn es nicht geht, dann gehts halt nicht. Aber ich denke es geht.

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Warum ihm also etwas unterschieben, dass er ablehnt zu tun? (Vorsicht Paternalismusgefahr)


Und wenn das Teil der Satire ist, lieber Erling? Böhmermann macht in der Folge des von Dir isoliert zitierten Eingangs-Statements deutlich, dass das Extra-3-Lied von Art. 5 GG gedeckte Satire ist, die sich von Schmähkritik unterscheidet. Er nimmt die Rolle dessen ein, der (um es auf Neuhochdeutsch zu formulieren) Satire nicht kann, sondern nur Quatsch wie z.B. Schmähkritik. Dieses "Wir haben mit Satire nichts am Hut" ist Teil des Spiels. Satire, die sagen muss: "Hallo, jetzt kommt Satire", gesteht damit wohl einen gewissen qualitativen Mangel zu. Denn Satire wirkt nur ohne Gebrauchsanweisung.

Und außerdem: Auch Quatsch kann Kunst sein.

Ist man im Übrigen nicht auch paternalistisch, wenn man dem A, der zu B sagt: "Ich will dich ja nicht beleidigen, aber du bist ein ...", eine Beleidigung unterstellt?

Ich bin wirklich gespannt wie weit der Satirebegriff gedehnt wird. Wenn es Satire ist, weil jemand sagt: Das ist keine Satire, dann ist Satire alles und nichts.
Mit dem letzten Satz hast Du natürlich einen guten Punkt getroffen. Das müsste man dann wohl hinterfragen weil der Satz ja inkonsistent sein könnte (hängt davon ab was für die Punkte steht).

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Mit Beginn der Erläuterung des Kontextes wendet sich Böhmermann erst direkt an die Türken und dann direkt an Erdogan selbst. Ab da erklärt Böhmermann Erdogan etwas und nicht mehr den Zuschauern. Die sitzen da und hören zu wie Böhmermann eine belehrende Adresse an Erdogan richtet. Sein Sidekick Kabelka wirft ab und zu was ein, aber mit ihm spricht er nicht. Er spricht zu Erdogan.


Genau, denn der Subtext ist ja gerade der: "Nachdem ich Ihnen, Herr Erdogan, gerade erklärt habe, was von Art. 5 GG geschützte Kunst ist, zeige ich Ihnen jetzt, was Schmähkritik ist." Es geht um eine Belehrung nicht der Zuschauer, sondern Erdogans.

Das ist nur die Antwort auf Deine Behauptung es gäbe keinen Bezug zu Erdogan. Die finde ich am unzutreffendsten.

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Böhmermann ist sich offen bewusst dass, wenn er tut was er kurz danach tut, bestraft werden kann. Aber das ist ihm egal. Ihn interessiert nur ob es erstmal gesendet werden muss, bevor es gelöscht werden kann.
Lieber Noricus, wenn das nicht als Vorsatz gewertet wird, sollte mich das schon sehr wundern.


Böhmermann stellt klar, dass Schmähkritik bestraft werden kann und dass es in Deutschland keine Vorzensur gibt. Ich wiederhole mich: Böhmermanns Gedicht ist ein als solches intendiertes Beispiel für Schmähkritik, was Böhmermann genau so auch ankündigt. Es ist eine Veranschaulichung dessen, was Schmähkritik ist. Schmähkritik bezieht sich notwendig auf eine bestimmte Person und auf konkrete Formulierungen in einem bestimmten Kontext. Es geht in Böhmermanns Beitrag, den man nicht isoliert betrachten darf, sondern dabei das Vorangehende und Folgende berücksichtigen muss, um die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die plakative Darstellung des Gegensatzes zwischen der als bekannt vorausgesetzen Extra-3-Satire und dem Beispielschmähgedicht. Um eine Diffamierung Erdogans geht es gerade nicht, was auch dadurch unterstrichen wird, dass Böhmermann so auffallend wahllos in die unterste Schublade greift.


Das ist nicht wahllos. Er nimmt die härtesten Beleidigungen zur Hand die ich mir denken kann. Tabus. Wer anderen der K.-fickerei oder Tierfickerei bezichtigt kann auch bei uns in Deutschland als Konsequenz schwerste und bleibende körperliche Schäden davontragen. Nur ein Vollidiot oder jemand der maximalen Streit sucht geht einen anderen dermaßen an. Böhmermann hätte sein Gedicht sogar aufsagen können ohne Erdogan persönlich dieser ganzen Tätigkeiten zu bezichtigen. Und, nur um zu verdeutlichen was Schmähkritik bedeutet, also die Erklärung hätte er keinesfalls notwendigerweise eine Person direkt ansprechen müssen, schon gar nicht Erdogan. Er hätte eine Kunstfigur aus einem Film nehmen können, eine historische...
Hat er aber nicht, weil er ihn einfach persönlich gemeint hat. So wie er es sagte.

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Böhmermann stellt nun keine Frage mehr an Kabelka ob dieses Gedicht verboten werden würde, er stellt es fest. Böhmermann ist überzeugt, dieses Gedicht ist verboten. Was man damit übersetzen kann, dass ihm klar ist, er macht sich jetzt strafbar.
Kabelka bestätigt ihn.


Dann frage ich mich aber, was Kabelkas "Bin der Auffassung: das nicht" bedeuten soll.

Habe ich auch erst überlegt, aber dann wurde mir klar: "das nicht" bekräftigt seine vorherige Aussage "darf man nicht machen"

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Kein Hauch irgendeiner rechtsextremen Imagination.


Was die ersten beiden Verse betrifft, lieber Erling, gebe ich Dir Recht. Der Rest bedient aber fast durchgängig derartige Klischees.

Diese Klischees gab es schon lange, lange bevor der Begriff "Rechtsextremismus" überhaupt existierte.

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212
Dann macht er zweimal ne Pause, vergewissert sich bei Kabelka, dass man sowas nicht machen darf und bei der dritten Pause sagt Kabelka noch "nicht Präsident sagen".
Das zeugt von detaillierter Kenntnis der Rechtslage


Ganz und gar nicht. Beim Tatobjekt "Staatspräsident" ist der Bezug auf dessen Stellung für die Anwendbarkeit des § 103 StGB unbeachtlich. Das ergibt sich eindeutig aus einem Gegenschluss zur 2. und 3. Alternative des § 103 Abs. 1 StGB:

Zitat von § 103 Abs. 1 StGB
Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt [...] [Hervorhebung von mir]


Der Bezug auf die amtliche Stellung ist nur beim Mitglied der ausländischen Regierung und dem beglaubigten Leiter einer diplomatischen Vertretung, nicht beim Staatsoberhaupt Tatbestandsmerkmal. Der 103er wäre auch erfüllt, wenn Böhmermann nicht Präsident gesagt hätte.

Und wenn Böhmermann und Kabelka so gut über die Rechtslage informiert gewesen wären, wäre ihnen jedenfalls bewusst gewesen, dass bei Nichterfüllung der §§ 103, 104a StGB der § 185 StGB droht.


Ha! Na das war ja Teil der möglichen Strategie. Würde er verurteilt werden, würde die Kanzlerin völlig dämlich dastehen, denn sie hätte dann die wahrscheinliche Verurteilung nach §103 verhindert (nachher sind immer alle schlauer). Die eine höhere Strafe vorsieht. Der Schaden für Böhmermann hält sich sowieso in Grenzen. Der zahlt doch nichts aus eigener Tasche.
Dein Argument zu dem vorherigen Punkt überzeugt mich, aber was denkst Du warum sagt er dann "nicht Präsident sagen?

edith: falsche Zeitform im letzten Absatz korrigiert.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

17.04.2016 18:58
#216 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Lieber Semni,

da gebe ich ihnen recht, wie auch schon Noricus. Es ist in der Tat in diesem Fall schwierig etwas herauszugreifen und mein Zitat war zu kurz.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

18.04.2016 09:56
#217 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #214
Böhmermann stellt klar, dass Schmähkritik bestraft werden kann und dass es in Deutschland keine Vorzensur gibt. Ich wiederhole mich: Böhmermanns Gedicht ist ein als solches intendiertes Beispiel für Schmähkritik, was Böhmermann genau so auch ankündigt. Es ist eine Veranschaulichung dessen, was Schmähkritik ist. Schmähkritik bezieht sich notwendig auf eine bestimmte Person und auf konkrete Formulierungen in einem bestimmten Kontext. Es geht in Böhmermanns Beitrag, den man nicht isoliert betrachten darf, sondern dabei das Vorangehende und Folgende berücksichtigen muss, um die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die plakative Darstellung des Gegensatzes zwischen der als bekannt vorausgesetzen Extra-3-Satire und dem Beispielschmähgedicht. Um eine Diffamierung Erdogans geht es gerade nicht, was auch dadurch unterstrichen wird, dass Böhmermann so auffallend wahllos in die unterste Schublade greift.

So ganz überzeugt mich das Argument nicht, und zwar nicht in puncto Diffamierung, sondern Beleidigung. Eine Beleidigung wird durch den Griff in die unterste Schublade nicht abgeschwächt, im Gegenteil lebt Beleidigung von Metapher und Übertreibung. Sonst wäre es ja auch nie eine Beleidigung, wenn man jemanden als "Drecksau" bezeichnet, bei dem es sich augenscheinlich um einen gewaschenen Hominiden handelt.

Und das mit der Belehrung und Veranschaulichung ist auch eher eine Ausrede. Die Sendung hieß ja nicht "Die Staatsanwaltschaft informiert", sondern hatte den Charakter einer Witzsendung. Wenn nun ein Possenreißer sagt "das folgende darf man nicht", dann spricht er damit eine ironische Empfehlung aus und deutet an, daß etwas formal Illegales durchaus moralisch gerechtfertigt sein könnte; sonst wäre es ja kein Witz. Ginge es nur um die Belehrung des (in- und ausländischen) Publikums, dann wäre auch eine indirekte Rede ausreichend: etwa "... aber Erdoğan als Zoophilen mindern Gemächts bezeichnen, das darf man nicht". Der semantische Zusammenhang der Sendung macht aber klar, daß hier à la Infotainment die juristische Sachinformation nun auch mit einer Publikumsbelustigung komplementiert werden soll: also wird das Gedicht in voller Länge dargeboten, damit die Zuschauer auch noch mal auf Kosten Erdoğans so richtig lachen können.

Die Verunglimpfung ist schon da und wird durch die Einrahmung nicht geheilt. Ohne Appell an die Kunstfreiheit kriegen Sie Böhmermann nicht vom Haken; mit aber voraussichtlich schon.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.04.2016 10:59
#218 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat
Die Sendung hieß ja nicht "Die Staatsanwaltschaft informiert", sondern hatte den Charakter einer Witzsendung. Wenn nun ein Possenreißer sagt "das folgende darf man nicht", dann spricht er damit eine ironische Empfehlung aus und deutet an, daß etwas formal Illegales durchaus moralisch gerechtfertigt sein könnte; sonst wäre es ja kein Witz. Ginge es nur um die Belehrung des (in- und ausländischen) Publikums, dann wäre auch eine indirekte Rede ausreichend: etwa "... aber Erdoğan als Zoophilen mindern Gemächts bezeichnen, das darf man nicht". Der semantische Zusammenhang der Sendung macht aber klar, daß hier à la Infotainment die juristische Sachinformation nun auch mit einer Publikumsbelustigung komplementiert werden soll: also wird das Gedicht in voller Länge dargeboten, damit die Zuschauer auch noch mal auf Kosten Erdoğans so richtig lachen können.

Die Verunglimpfung ist schon da und wird durch die Einrahmung nicht geheilt. Ohne Appell an die Kunstfreiheit kriegen Sie Böhmermann nicht vom Haken; mit aber voraussichtlich schon.


Das ist ja die Doppelbödigkeit der ganzen Geschichte. Strenggenommen dürfte sich Böhmermann nicht darüber beschweren, dass er jetzt juristische Probleme bekommt (Bei der Löschung durch das ZDF hat er es hingenommen, ich denke, so weit ging der Plan.). Er hat es ja angekündigt und Erdogan sogar im Scherz dazu aufgefordert ("Nehmen Sie sich einen Anwalt...").

Aber irgendwie schmollt er jetzt doch, weil alles so kommt, wie er es vorausgesagt hat:

Zitat
Daher verlasse ich jetzt erstmal das Land, lasse mir beim Twerk&Travel durch Nordkorea die Sache mit der Presse- und Kunstfreiheit nochmal genau erklären, bevor ich noch ein paar Tage mit meinem Segway auf dem Jakobsweg pilgere, um mich selbst zu finden.

http://www.merkur.de/politik/boehmermann...zr-6316853.html

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

18.04.2016 11:13
#219 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Lieber Noricus, lieber Petz,

ich bin immer noch gespannt darauf eine schlüssige Begründung zu lesen, warum Böhmermanns Sidekick sagt: "nicht 'Präsident' sagen."

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

18.04.2016 11:33
#220 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #219
Lieber Noricus, lieber Petz,

ich bin immer noch gespannt darauf eine schlüssige Begründung zu lesen, warum Böhmermanns Sidekick sagt: "nicht 'Präsident' sagen."


Vielleicht spielt da eine Assoziation mit dem besonderen Schutz des Bundespräsidenten §90 StGB eine Rolle (wobei dort natürlich die Betitelung "Präsident" auch unerheblich ist).
Es würde mich übrigens interessieren, ob die Bundesregierung bei ihrem neuen Vorstoß einer Abschaffung des §103 auch an die Streichung (oder Verkürzung auf den Nötigungsfall) dieses §90 gedacht hat, der ja der eigentliche Paragraph laesae majestatis für Deutschland ist, aus dem der andere nur analog abgeleitet wurde?

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.04.2016 11:49
#221 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #219
Lieber Noricus, lieber Petz,
ich bin immer noch gespannt darauf eine schlüssige Begründung zu lesen, warum Böhmermanns Sidekick sagt: "nicht 'Präsident' sagen."

Ich weiß es nicht, ich finde das alles nicht sehr logisch aufgebaut. Kabelka sagt vorher auch schon in der Eigendefinition der Schmähkritik:

Zitat
Wenn du Leute diffamierst. Wenn du einfach nur so untenrum argumentierst, ne? Wenn du die beschimpfst und wirklich nur bei privaten Sachen, die die ausmachen, herabsetzt.


Und dann kommen doch persönliche Angriffe und politische Statements (Minderheiten unterdrücken etc.) gemischt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

18.04.2016 12:10
#222 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #221
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #219
Lieber Noricus, lieber Petz,
ich bin immer noch gespannt darauf eine schlüssige Begründung zu lesen, warum Böhmermanns Sidekick sagt: "nicht 'Präsident' sagen."

Ich weiß es nicht, ich finde das alles nicht sehr logisch aufgebaut. Kabelka sagt vorher auch schon in der Eigendefinition der Schmähkritik:

Zitat
Wenn du Leute diffamierst. Wenn du einfach nur so untenrum argumentierst, ne? Wenn du die beschimpfst und wirklich nur bei privaten Sachen, die die ausmachen, herabsetzt.

Und dann kommen doch persönliche Angriffe und politische Statements (Minderheiten unterdrücken etc.) gemischt.

Gruß Petz


Logisch vielleicht nicht aber schlüssig. Nicht das das Publikum noch denkt, Erdogan liefere nicht selbst den Grund für die Schmähung die ja auch zur Kritik mutiert.
Nimm's doch als Doppelbegriff: Die "Schmäh" fürs Persönliche und "-Kritik" fürs Politische. Dann passt's.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

18.04.2016 12:12
#223 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #220
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #219
Lieber Noricus, lieber Petz,

ich bin immer noch gespannt darauf eine schlüssige Begründung zu lesen, warum Böhmermanns Sidekick sagt: "nicht 'Präsident' sagen."


Vielleicht spielt da eine Assoziation mit dem besonderen Schutz des Bundespräsidenten §90 StGB eine Rolle (wobei dort natürlich die Betitelung "Präsident" auch unerheblich ist).
Es würde mich übrigens interessieren, ob die Bundesregierung bei ihrem neuen Vorstoß einer Abschaffung des §103 auch an die Streichung (oder Verkürzung auf den Nötigungsfall) dieses §90 gedacht hat, der ja der eigentliche Paragraph laesae majestatis für Deutschland ist, aus dem der andere nur analog abgeleitet wurde?

Ja klar und damit der klare Verweis auf Paragraf 103. Aber das bestreiten ja beide.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Emulgator Offline



Beiträge: 2.827

18.04.2016 14:40
#224 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #217
Die Verunglimpfung ist schon da und wird durch die Einrahmung nicht geheilt. Ohne Appell an die Kunstfreiheit kriegen Sie Böhmermann nicht vom Haken; mit aber voraussichtlich schon.
Dann ist es eben beleidigende Kunst. Bei uns sind diese Freiheiten eben nicht so absolut, sonst gäbe es diese StGB-§ nicht.

Ich schlage folgendes Gedankenexperiment vor: Analog zur Aussage an Erdoğan, daß nicht das Extra-3-Filmchen eine Beleidigung sei, sondern die folgende Schmähkritik (wobei ich die politische Kritik unterhalb der Gürtellinie gar nicht sehe), könnte man sich eine andere Situation denken. Angenommen Böhmermann sagt anläßlich einer hypothetisch aktuellen Diskussion einem Abtreibungsgegner, daß Abtreibung nicht Mord sei, sondern folgendes. Daraufhin erschießt er einen Studiumitarbeiter vor laufender Kamera, der tatsächlich stirbt.

Wir sind uns sicher einig, daß Böhmermann dann tatsächlich in den Knast käme. Es würde nichts nutzen, die Erschießung eines Menschen als Kunst hinzustellen, um so unter Berufung auf die Kunstfreiheit einen Freispruch zu erwirken, man habe damit ja nur die Diskussion um die Sachfrage beleben wollen.

Kann man bei dem Schmähgedicht jetzt anders argumentieren, ohne den Regelungsbestand der StGB-§ anzurühren (etwa indem man die kriminelle Handlung durch ihren beabsichtigten Zweck entschuldigt)? Letzteres darf das Gericht nicht, und auch das BVerfG wird es nicht tun, denn die Möglichkeit, Beleidigung insgesamt für verfassungswidrig zu erklären, hat es schon einmal nicht ergriffen. Ich glaube, es gibt keine Möglichkeit, daß Böhmermann nicht verurteilt wird.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.04.2016 16:39
#225 RE: Zitat des Tages: Böhmermanns Spiel Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #220
Es würde mich übrigens interessieren, ob die Bundesregierung bei ihrem neuen Vorstoß einer Abschaffung des §103 auch an die Streichung (oder Verkürzung auf den Nötigungsfall) dieses §90 gedacht hat, der ja der eigentliche Paragraph laesae majestatis für Deutschland ist, aus dem der andere nur analog abgeleitet wurde?

Das würde ich bezweifeln.
Erstens hat ja nicht die Bundesregierung diese Absicht erklärt, sondern nur die Kanzlerin. Und die hat m. E. wie üblich nicht weiter gedacht als dahin, sich ein aktuelles Thema irgendwie vom Tisch zu schaffen. Völlig ohne zu bedenken, welche Folgewirkungen das haben könnte.
Denn natürlich müßte man nicht nur die Nachbarparagraphen des 103 bedenken, sondern auch den 90 und natürlich das Wiener Abkommen. Und am Ende käme m. E. dann auch keine komplette Abschaffung raus, sondern eine Änderung.

Da aber Merkel die ganze Sache für 2018 angekündigt hat bleibt ohnehin offen, ob da noch je etwas passieren wird. Ob sie da überhaupt noch Kanzlerin sein wird, ob die aktuelle Koalition noch existiert - und ob sich überhaupt noch jemand an diese Affäre erinnert, nachdem zwei Jahre lang andere Säue durchs Dorf getrieben wurde ...

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