Zitat von Martin im Beitrag #275In ihren Schlussanträgen kämpft die Generalanwältin erst mal mit einem altbekannten Problem: Den unterschiedlichen Übersetzungen.
Zitat Da somit Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/50 in den verschiedenen Sprachfassungen nicht zwingend die gleiche Bedeutung hat und Satz 2 verschiedene Auslegungen zulässt, sind insbesondere der Regelungszusammenhang und das Ziel der Regelung näher zu untersuchen.
Die EU-Kommission publiziert nicht nur lausige Richtlinien, die Übersetzer dürfen auch noch ein bisschen Gesetzgeber spielen. Über welche Version stimmt eigentlich das EP ab?
Stolz hat die Umweltministerin Schulze mit dem Prüfer Dr. Wilbring den TÜV-Bericht zur Positionierung von 70 NO2 Verkehrsmessstellen in Deutschland präsentiert. Das Thema Messstellen sei nun keines mehr.
Anders als noch in NRW Ende 2018 hat der TÜV auch prüfen sollen, ob die Messstellen Luftqualität repräsentativ zu einhundert Metern Straßenabschnitt messen. Das ist ein wichtiges Kriterium dafür, dass eine Messstelle nicht zu kleinräumige Verhältnisse misst. Dies ist in Ergänzung zu mehr oder weniger konkreten Vorgaben, wie freier Anströmungswinkel, Abstände zu Gebäuden, Straßen und Kreuzungen.
Die kritischen Messstellen stehen in Deutschland nun seit über 15 Jahren weitgehend unverändert. Dass sich die Bedingung mit den 100 m Straßenabschnitt vor zehn Jahren geändert hat hat die Behörden wenig gekümmert. Offensichtlich gab es nicht mal Kriterien dafür, wie das auszumessen war, außer beim unter Druck stehenden Stuttgarter Verkehrsministerium, dessen Kriterien der TÜV übrigens gleich als unzureichend verworfen hat.
Dafür durfte die prüfende Institution TÜV die Kriterien, nach denen sie unabhängig prüfen sollte, selbst festlegen. Dabei war der TÜV dann gleich so großzügig, dass die 70 Messstellen in Deutschland weitgehend ungestreift als richtig positioniert festgestellt werden konnten. Frau Schulze und der Stuttgarter Verkehrsminister Hermann waren zufrieden.
Repräsentativ für 100 m Straßenabschnitt sind laut TÜV, wenn der Rest der Straße innerhalb eines 30% Fensters in Bezug auf die Messstelle liegt. Umgekehrt heißt das, die Messstelle dürfe 40% über dem Niveau der Straße liegen, die, sollte die Straße selbst 35µg/m³ NO2 Konzentration aufweisen auch schon an der Stelle stehen darf, in der durch kleinräumige Verhältnisse 50µg/m³ Konzentration sind. Das ist genau das, was das Gesetz vermeiden wollte. Der TÜV begründet das damit, dass 100 m Straßenabschnitt naturgemäß nie ganz homogen sein können. Dass aber Stationen kleinräumig unzulässig extrem positioniert sein könnten hat er nicht diskutiert. Frau Schulze hat das abgesegnet.
Der TÜV hat auch nicht diskutiert, wie ungenau die sogenannten Sampler sein dürfen, mit denen Straßenabschnitte ausgemessen werden: 25%. Zusätzlich zu den schon angezweifelten 15% zulässiger Ungenauigkeit der Messstellen selbst ist es also denkbar, dass in einem Straßenabschnitt, der gerade so 40µg/m³ einhält, die Messstation an genau der Stelle steht, an der eine Konzentration von 80µg/m³ NO2 ist.
Das ist nicht mal so unwahrscheinlich bei Messstellen, die beengt in Straßenschluchten nahe an der Straße und Gebäuden stehen, da das Volumen der Messcontainer allein schon die Vermischung von Emissionen mit der Umgebungsluft behindert.. Im Stuttgarter Umfeld waren die Messstellen typischerweise die am höchsten messenden Punkte im Vergleich zu den Samplern entlang der Straße. In Reutlingen, wo die Messstelle von drei Seiten eingemauert ist kam der TÜV trotz großzügiger Toleranz ins Schleudern:
Zitat Die Station repräsentiert den oberen Bereich der Spannweite der in 2005/2006 gemessenen NO2-Konzentrationen. An den beiden ca. 60 m bzw. 90 m von der Station entfernten MP wurden zwischen 45% und 40% (2005) bzw. 30 bis 35% (2006) niedrigere Werte gemessen. Damit kann anhand der Messungen aus den Jahren 2005 und 2006 angenommen werden, dass die Station eine kleinräumig begrenzte Situation mit sehr hohen Immissionen abbildet. Eine mögliche Erklärung für diese Situation ist die neben der Station befindliche Ampelanlage.Es gibt somit einen Anhaltspunkt dafür, dass die Station im Sinne des Punktes 1b des Abschnitts B der Anlage 3 der 39. BImSchV nicht repräsentativ für einen mindestens 100 m langen Abschnitt ist. Abgesehen von der Ampelanlage liefern Luftbilder keinen Anhaltspunkt, der gegen die Repräsentativität der Station spricht (ähnliche Bebauungsstruktur, keine relevanten Einmündungen über einen Abschnitt von mehr als 100 m Länge).
Es ist nett vom TÜV, dass er, anstatt simpel ein Verdikt 'nicht repräsentativ' auszusprechen, nach möglichen Ursachen und Anhaltspunkten sucht und trotz klarer Datenlage nur annimmt, dass die Messstelle nicht repräsentativ sei. Aus dieser Mentalität spricht nicht die einem unabhängigen Prüfer zu unterstellende Neutralität. Und genau diese Einstellung durchzieht den gesamten Prüfbericht, nicht nur die Festlegung auf 30% Toleranz.
Durch die Erweiterung auf die Überprüfung der Repräsentanz auf 100 m Straßenabschnitt für Verkehrsmessstellen nach 39.BImSchV 3, Abschnitt B wird nämlich offensichtlich, dass die deutschen Behörden schon immer zusätzlich repräsentativ zu Baufluchtlinien nach Abschnitt C messen, ein Kriterium das für die in Abschnitt B beschriebenen Verkehrsmessstellen nicht gefordert ist und EU-weit auch nicht so interpretiert wird. Der Abstand der Probenahmestellen muss also einige Meter Abstand von Hindernissen, wie Gebäuden haben, und eben nicht mindestens 0,5 m.
Pikant ist nun zusätzlich, dass natürlich sowohl die Sampler, als auch die Messstellen solche Kriterien einhalten müssen, der TÜV die Positionen dieser Sampler aber nicht überprüfte, bzw. nicht überprüfen konnte, weil sie teils längst abmontiert waren (s. Reutlingen 2005/2006). Bei seinen Prüfungen war der TÜV selten vor Ort und hat nur nach Dokumentation oder Satellitenbildern beurteilt. Sonst wäre ihm in Reutlingen auch aufgefallen, dass der Hindernisabstand in der Dokumentation des Regierungspräsidiums nicht stimmen kann.
Der Prüfbericht entspricht keiner angemessenen Qualitätsanforderung. Die von mir in diesem Thread zum NRW Prüfbericht geäußerte Kritik bleibt bestehen.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Paul Achatz im Beitrag #224Ein Fingerzeig offenbart sich bei genauerem Hinsehen auf den Eintrag in der aktuellen UBA-Tabelle zu Stickstoffdioxid. Hinter beiden Richtwerten, also auch hinter dem angeblichen Langzeitrichtwert I, der laut UBA bei lebenslanger Exposition ungefährlich sein soll, steht „(60 Min-Wert)“. Heißt das, dass der Langzeitrichtwert tatsächlich ein Kurzzeitgrenzwert sein soll? Man weiß es nicht und vermutet, dass es bei der Festlegung dieses hochpolitischen Themas große Diskussionen gab. Denn alle anderen Stoffe haben diesen Zusatz nicht.
Tatsächlich deutet das ebenso vom UBA veröffentlichte Sitzungsprotokoll des AIR genau darauf hin. Beim Kurzzeitgrenzwert waren da im Mai 2018 noch 500 µg/m³ im Gespräch und einen Langzeitgrenzwert wollte der AIR gar nicht festlegen! Grund:
Zitat Für eine Ableitung von Langzeitrichtwerten für NO2 in der Innenraumluft liegen aus Sicht des AIR zurzeit keine hinreichend belastbaren epidemiologischen Ergebnisse für NO2 als Einzelsubstanz vor. Im Unterschied zu den Kurzzeitstudien ließ sich aus den Langzeitstudien angesichts der erheblichen Unsicherheiten bzgl. der Expositionsabschätzung und bzgl. der Einflüsse diverser Confounder keine LO(A)EC ermitteln. Aufgrund der Datenlücken kam der AIR überein, von der Festsetzung von Langzeitrichtwerten für Stickstoffdioxid in der Innenraumluft abzusehen.
Deshalb setzte der AIR am Ende nur zwei Richtwerte fest, einen Kurzzeitrichtwert RW II (Gefahrenwert) von 250 µg/m³, der sich an Asthmatikern orientiert, und einen RW I (60 Min) von 80 µg/m³, dem man aber aus o.g. Gründen das Langzeitkriterium nicht zugestehen will. Von einem Verweis auf die WHO oder deren 40 µg/m³ ist aber nichts zu lesen. Hätte man die 80 µg/m³ aber als Wochenwert der Richtwertkategorie II definiert, wäre es offensichtlich eine Erhöhung des alten 60er Richtwerts gewesen. Das galt es wohl politisch zu vermeiden. Also ist der heutige Kompromiss eigentlich das genaue Gegenteil dessen, was die ARD berichtet hat. Der Grenzwert wurde nicht auf den Straßenwert gesenkt, sondern effektiv erhöht. Getauft hat man die Chose dann vermutlich aus politischen Gründen anders. Interessant ist auch die Begründung der Wissenschaftler, dass die Lage der epidemiologischen Studien keinen Aufschluss über Langzeitwirkungen zulasse. Es ist dasselbe Urteil, das schon 2017 für den deutschen Bundestag verkündet wurde und das beim Studium der wissenschaftlichen Literatur selbst interessierten Laien ins Auge springt.
In Ergänzung zu Paul Achatz' Beitrag vom letzten März, basierend auf dem Protokoll 7. Sitzung des AIR vom Dez. 2018 hier das im Mai veröffentlichte Protokoll der 8. Sitzung, mit einer Ergänzung:
Zitat Aus Sicht des AIR liegen für eine Ableitung von Langzeitrichtwerten gemäß Basisschema für NO2 in der Innenraumluft als Einzelsubstanz zurzeit keine hinreichend geeigneten humanen oder tierexperimentellen Studien vor. Daher sieht der AIR derzeit von der Festsetzung eines Langzeitrichtwertes für Stickstoffdioxid in der Innenraumluft ab. Falls erforderlich, sollte hilfsweise der Leitwert der WHO für die Innenraumluft von 0,04 mg NO2/m³ als Bewertungsmaßstab herangezogen werden. Hierbei ist NO2 nicht als Einzelsubstanz sondern als Indikator für verbrennungsbezogene Immissionen aus Gasherden und -heizungen anzusehen.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Im Grunde wurde der 20 Jahre alte Innenraumrichtwert II von 60µg/m³ durch einen neuen von 250µg/m³ ersetzt. Einen Richtwert I gab es nie, denn er hätte in der Systematik des AIR bei unrealistischen 6µg/m³ liegen müssen. Dieser ist nun 80µg/m³. In beiden Fällen nun als Kurzzeitrichtwert über eine Stunde, ein Novum in der Reihe von 50 Schadstoffen.
Noch im letzten Jahr gab es Stimmen aus dem UBA, dass der Innenraumrichtwert heruntergesetzt werde. Professoren, die am Straßengrenzwert von 40µg/m³ der EU mitgearbeitet hatten, haben Prof. Köhler Ahnungslosigkeit vorgeworfen, weil er ja keine Gremienerfahrung habe, usw..
Nun bleibt dem AIR nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass es keine hinreichend geeigneten humanen oder tierexperimentellen Studien gebe, aus denen ein Langzeitgrenzwert abgeleitet werden könne, man im Zweifel auf den 20 Jahre alte WHO-Richtwert von 40µg/m³ zurückgreifen solle, der aber nicht für Stickstoffdioxid alleine stehe, sondern stellvertretend für andere Schadstoffe. Der Stand meiner Ausführungen in diesem Thread seit Langem.
Eine Bankrotterklärung des UBA par Excellence. Man kann die Einführung von Kurzzeitrichtwerten nur als politischen Rettungsanker interpretieren.
Erstaunlicherweise schlägt daraus weder eine Partei, noch ein Kläger vor Gericht Kapital.
In Erweiterung zum vorigen Beitrag: Das Bundesministerium für Umwelt (BMU) hat eine Chronologie zu Diesel und Luftreinhaltung veröffentlicht, darunter am 23.1.2019 (also nach der 8. Sitzung des AIR) eine Stellungnahme zu Äußerungen einiger Lungenärzte. Dort heißt es:
Zitat Die Definition dieser Grenzwerte fußt auf einer soliden wissenschaftlichen Basis.
Es ist wissenschaftlich unumstritten, dass Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide zu unterschiedlichen Reaktion im Körper führen können und die Lebenszeit verkürzen. Sie können Krankheiten befördern.
Der Jahresmittelwert für NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) ist aus Sicht der WHO am besten dafür geeignet, die Gesundheit aller Menschen zu schützen, auch empfindlicher Bevölkerungsgruppen und zwar bei einer dauerhaften Belastung mit Stickoxiden, wie sie in Städten vorkommen kann. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt der Jahresmittelgrenzwert bei 30 µg/m3.
Die deutsche Gesellschaft für Pneumologie gibt an, dass es keinen belastbaren Schwellenwert gäbe, bei dem sich Erkrankungen vollständig ausschließen ließen und somit auch bei niedrigeren Werten unter dem Grenzwert gesundheitliche Belastungen möglich sind. Daher sei es wichtig zur Vorsorge niedrige Jahresmittelwerte zu wählen, um wirklich alle Menschen vor gesundheitlichen Belastungen zu schützen.
Der Grenzwert von NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) ist ein Jahresmittelwert. Das heißt, es ist durchaus verträglich für den Menschen auch höhere Stickoxid-Belastungen einzuatmen – allerdings für kurze Zeiten und nicht für alle Menschen dauerhaft. Das garantiert der niedrige Jahresmittelwert.
Bei konkreteren Aussagen zu gesundheitlichen Folgen wird NO2 nicht alleine referenziert, sondern in Kombination mit Feinstaub - in letzter Zeit häufiger zu beobachten. 'aus Sicht der WHO' kenne ich nur Aussagen, dass die Leitlinie mangels wissenschaftlicher Evidenz nicht erhöht wurde.
Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie dürften im Übrigen auch beim AIR mitgewirkt haben. Im Protokoll ist von 'keinem belastbaren Schwellenwert' keine Rede mehr - es gibt einfach keine belastbaren wissenschaftlichen Fakten für niedrige Grenzwerte. Die Aussagen sind im Stil von 'gehen Sie nicht zur Arbeit, es ist nicht auszuschließen, dass Sie ansonsten einen Unfall erleiden. Bleiben Sie zur Vorsorge zuhause'. Wobei es dazu wenigsten statistische Daten gibt.
Was der niedrige WHO-Wert genau garantieren soll ist nicht ersichtlich.
Zitat ...dass es keinen belastbaren Schwellenwert gäbe, bei dem sich Erkrankungen vollständig ausschließen ließen
Dieser "kein Schwellenwert"-Trick ist satanisch. Nicht nur, daß er jegliche Maßnahmen rechtfertigt; da er aufgrund des natürlichen Eintrags des "Gifts" gar nicht eingehalten werden kann, ist das von vornherein Schindluder. Wir haben das gleiche Muster bei dem Bohei um Radioaktivität gesehen, bei dem die natürliche Strahlungsexposition schlicht ausgeblendet wurde. Dahinter steckt natürlich ein anderes Ziel, das mit einem solchen Endlos-Hebel angegangen werde3n soll. OT-Ton heute im DLF: "...wobei man natürlich auch den Individualverkehr drastisch reduzieren müßte..."
Das Ziel ist die weitgehende Deindustrialisierung und Zerstörung der individuellen Freiheit. CO2, Stickoxide, die Drohung mit dem Klima: das sind alles nur Werkzeuge, dieses grüne Utopia zu implementieren. Genau DESHALB ist man prinzipiell an wirksamen Lösungsansätzen für diese imaginären Bedrohungen vollkommen uninteressiert. Erweist sich eins davon als illusionär (wie etwa das Waldsterben, das Ozonloch, Ressourcenerschöpfung) wird es umstandslos durch den nächsten Dämon ersetzt.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #281Dieser "kein Schwellenwert"-Trick ist satanisch. Nicht nur, daß er jegliche Maßnahmen rechtfertigt; da er aufgrund des natürlichen Eintrags des "Gifts" gar nicht eingehalten werden kann, ist das von vornherein Schindluder. Wir haben das gleiche Muster bei dem Bohei um Radioaktivität gesehen, bei dem die natürliche Strahlungsexposition schlicht ausgeblendet wurde. Dahinter steckt natürlich ein anderes Ziel, das mit einem solchen Endlos-Hebel angegangen werde3n soll. OT-Ton heute im DLF: "...wobei man natürlich auch den Individualverkehr drastisch reduzieren müßte..."
Das ALARP (as low as reasonably practicable) - Prinzip kommt ja von der anfangs noch schwer einschätzbaren Radioaktivität.
Mittlerweile ist das aber schizophren, da das Bundesamt für Strahlenschutz bei Patienten im Prinzip nach ALARP vorgeht (grundsätzlich müsste bei jeder Exposition eine medizinische Risiko/Nutzen-Analyse gemacht werden), beim Arbeitsschutz gibt es dann aber Grenzwerte für die jährliche Belastung. Man kann beim Personal so schlecht gesundheitliches Risiko gegen den Nutzen des Arbeitsplatzes abwägen. Ich habe mich vor 7 Jahren mit einem Juristen bei der Kommission darüber auseinandergesetzt, sein durch Jurastudium geprägtes Gehirn hat die Kurve nicht gekriegt. Folge: Eine nicht umsetzbare Norm.
ALARP wäre ja noch akzeptabel, da man immerhin die Vernunft als Maßstab anlegt. Bei der LNT-Marschrichtung ist Vernunft ausgeschlossen. Sie hat die Kernenergie auf dem Gewissen und nimmt gerade die Industrie aufs Korn. Dem Wahnsinn werden damit alle Schranken geöffnet, obwohl mittlerweile gerade in der Strahlungsmedizin genügend Erkenntnisse gewonnen wurden, um die LNT Hypothese zu beerdigen. Aber was zählt heutzutage schon Empirie?
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #281 OT-Ton heute im DLF: "...wobei man natürlich auch den Individualverkehr drastisch reduzieren müßte..."
Der DLF erweist sich zur Zeit als Propagandainstrument einer Ökoreligion sondergleichen. Ich hatte schon kürzlich aus einer Diskussion eines Niko Paech vs. Matthias Politycki auf einen anderen Sender umgeschaltet. Offensichtlich hat der DLF Herrn Paech weiter die Bühne geboten. Der Duktus des Herrn könnte direkt der Scientology Church entspringen, der Blockwart des dritten Reichs winkt auch schon. Sind denn alle übergeschnappt? Was läuft da?
Den Mann zur Abschreckung einmal reden lassen ist gut. Einen GEZ-finanzierten Sender zum Propagandainstrument machen geht zu weit.
Letzte Woche wurde in Stuttgart ein interessantes Experiment (unfreiwillig?) gestartet. Es wurde ein neuer Teil der Busspur eingerichtet für den X1, den ebenso legendären wie nutzlosen und quasi immer leeren Expressbus zwischen Bad Cannstatt und Stuttgart. Dieser neue Teil der Busspur führt genau entlang an der bundesweit bekannten Messstation Neckartor.
Durch die Busspur fährt der "normale" Verkehr nun also ein paar Meter weiter entfernt vom Entnahmerüssel der Messstation vorbei. Ich bin gespannt, ob das messtechnisch einen Unterschied macht.
Sollte es einen Unterschied geben, dann wissen wir, wie die Politik reagieren wird: entweder die Messstation wird versetzt, oder, was noch wahrscheinlicher ist:
Es wird ein "Korrekturfaktor" eingeführt, um die Schadstoffmenge so hoch angeben zu können, wie die linken Politiker es für richtig halten.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von hubersn im Beitrag #285Letzte Woche wurde in Stuttgart ein interessantes Experiment (unfreiwillig?) gestartet. Es wurde ein neuer Teil der Busspur eingerichtet für den X1, den ebenso legendären wie nutzlosen und quasi immer leeren Expressbus zwischen Bad Cannstatt und Stuttgart. Dieser neue Teil der Busspur führt genau entlang an der bundesweit bekannten Messstation Neckartor.
Durch die Busspur fährt der "normale" Verkehr nun also ein paar Meter weiter entfernt vom Entnahmerüssel der Messstation vorbei. Ich bin gespannt, ob das messtechnisch einen Unterschied macht.
Die Erwartung ist u.a., dass sich das Verkehrsaufkommen reduziert. Möglicherweise wird auch Schwerlastverkehr ausgesperrt, weil die Breite der Fahrspuren nicht mehr ausreichend ist. Der Abstand der Messstation zum Verkehr ist sicher ein Nebeneffekt, der Abstand war aber im Vergleich zur Hohenheimer Straße (dort 1 m) nicht ganz so kritisch. Ich sehe die beengten Verhältnisse zu den Gebäuden daneben und dahinter kritischer.
Man wird jedenfalls zuallererst sehen, ob die Berechnungen der Gutachter aufgehen.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #286Sollte es einen Unterschied geben, dann wissen wir, wie die Politik reagieren wird: entweder die Messstation wird versetzt, oder, was noch wahrscheinlicher ist:
Es wird ein "Korrekturfaktor" eingeführt, um die Schadstoffmenge so hoch angeben zu können, wie die linken Politiker es für richtig halten.
Mein Eindruck ist schon, dass Kretschmann das Problem vom Hals haben möchte. Er hat seinen verbissenen Verkehrsminister ja schon ein bisschen entmachtet. Stuttgart hat sich aber in diese Situation hineinmanövriert, Kläger DUH treibt Stuttgart vor sich her.
Zitat von Martin im Beitrag #287 Die Erwartung ist u.a., dass sich das Verkehrsaufkommen reduziert.
Bestimmt wird diese Erwartung nicht erfüllt. Nur die Stauhäufigkeit wird zunehmen (und damit die Schadstoffe). Der Expressbus ist ja kein sinnvolles Angebot an Pendler, weil an allen Haltestellen an der Strecke kein Parkraum zur Verfügung steht. Und wer vor Bad Cannstatt schon in Straßenbahn/Stadtbahn/S-Bahn sitzt, wird nicht ernsthaft in den Bus umsteigen - und würde schon gar kein Verkehrsaufkommen reduzieren. Die verkehrenden Busse sind ja zunächst mal zusätzlicher Verkehr.
Der Expressbus ist mit Schildbürgerstreich noch freundlich umschrieben. Da wollte ich schon ewig einen Blog-Beitrag dazu schreiben. Man war ja schon sehr überrascht, dass das Angebot nicht so gut angenommen wird. Echt eine wahnsinnige Überraschung, aber höchstens für die, die nicht auf drei zählen können.
Zitat Möglicherweise wird auch Schwerlastverkehr ausgesperrt, weil die Breite der Fahrspuren nicht mehr ausreichend ist.
Extrem unwahrscheinlich. Die beiden verbliebenen Fahrspuren sind mehr als breit genug, und wenn ein echter überbreiter Transport kommt, wird der die Busspur als "Verfügungsmasse" sicher mitnehmen.
Zitat Der Abstand der Messstation zum Verkehr ist sicher ein Nebeneffekt, der Abstand war aber im Vergleich zur Hohenheimer Straße (dort 1 m) nicht ganz so kritisch. Ich sehe die beengten Verhältnisse zu den Gebäuden daneben und dahinter kritischer.
Die Nische, in der die Messstation steht, ist natürlich per se ein Problem. Aber der Abstand zur Straße war bisher genau eine Gehwegbreite. Viel näher geht nicht.
Zitat Man wird jedenfalls zuallererst sehen, ob die Berechnungen der Gutachter aufgehen.
Zitat von Martin im Beitrag #288hat sich aber in diese Situation hineinmanövriert, Kläger DUH treibt Stuttgart vor sich her.
Vielleicht hätte es geholfen, sich vor Gericht anständig zu verteidigen - mit anständigen Gutachtern, mit Pochen auf die Verhältnismäßigkeit, mit alternativen Messstandorten. Stattdessen waren die Maßnahmen über die Jahre - bis auf die Mann+Hummel-Feinstaubfilter, und da musste man ja zum Jagen getragen werden - reine Alibimaßnahmen, teuer und absehbar nutzlos. Man denke nur an die legendäre dynamische Beschilderung zur Optimierung der Grünphasenausnutzung, an die nicht weniger legendäre Mooswand, an die einspurige Busspur mit einem halben Jahr Umbau mit Stauchaos oder das allgemeine Tempolimit, wo man jetzt mit 50 auch in der Nacht herumschleichen darf statt wie früher zügig und sparsam mit 80 dahinzugleiten.
Aber Stuttgart hat Grün gewählt und bekommt was es verdient. Vom Dieselfahrverbot sind ja viele Stuttgarter betroffen. Geliefert wie bestellt. Das sehe ich entspannt.
Ich hatte mich bisher wenig auf das Stuttgarter Neckartor fokussiert, da dieses, was die von der 39. BImSchV vorgegebenen Abstände von der Straße und von den Gebäuden deutlich weniger extrem positioniert ist als die Hohenheimer Straße, Ludwigsburg, Heilbronn u.a.. Dass die Positionierung in der Nische zwischen hohen Wänden strömungstechnisch ungünstig ist ist davon unbenommen.
Zitat 22. Apr. Melde mich mit den NO2 Werten der neuen Station #Neckartor in #Stuttgart. Bei schönstem Wetter und #Diesel #Fahrverbot wieder Höchstwerte abends ... Kann das @RegierungBW erklären? Oder @Kachelmann ?
Das Land:
Zitat Bei Sonnenschein (und NO2) entsteht Ozon. Gleichzeitig wird das NO2 zu NO reduziert. Das Gleichgewicht zwischen NO und NO2 verschiebt sich zugunsten von NO. Abends bzw. ohne Sonneneinstrahlung verschiebt sich das Gleichgewicht dann zurück – hohe NO2-Konzentrationen entstehen.
und Jörg Kachelmann:
Zitat Ja, aber Sie haben am Karsamstag nicht viel Vorläufer-NO. Wie gesagt, wären die stündlichen Feinstaub-Werte nicht geheim, wüsste man auch als externer Wissenschaftler vieles besser und einfacher.
Kachelmann hat recht. Für die Erklärung der NO2-Spitzen in den Nacht durch die sogenannte NO/NO2-Schaukel der LUBW fehlt im Winter und Frühjahr vor allem das Ozon und das UV-Licht. Es sind aber nicht nur die Spitzen, die auffallen. In den Wintermonaten sinkt das NO2 am Neckartor tagelang nicht mal unter den Langzeitgrenzwert, selbst ohne Verkehr in der Nacht.
Es gibt viele statistische Luftdaten zu Stuttgart, ich habe bisher aber keine Echtzeitdaten ausgewertet gesehen. Solche gibt es umfangreich im Halbstundenzyklus vom Dach des in Stuttgart Mitte gelegenen Schwabenzentrums, darunter meteorologische Daten und umfangreiche Luftdaten inklusive NO. Jetzt habe ich mir diese Daten mal in 'Echtzeit' auf Excel angeschaut und eine dicke Überraschung gefunden.
Das kleinklimatische Phänomen ist eigentlich bekannt, Stadtplaner kennen es zu genüge, und die Stadt beschreibt es auf ihrer Homepage so:
Zitat Da die Windrichtung eine der wenigen meteorologischen Größen ist, die gewöhnlich keinem Tagesgang unterliegt, deutet der Sachverhalt unterschiedlicher Windrosen für die Tag- bzw. Nachtstunden auf ein tagesperiodisches lokales Windsystem. Die wesentlich häufigeren Südwestwinde in der Nacht (38 % gegenüber 19 % am Tag) sind auf den sich im Nesenbachtal ausbildenden nächtlichen Bergwind zurückzuführen, wobei die nachts auf den Freiflächen im Filderraum und Glemstal produzierte Kaltluft als "Nesenbächer" durch das Nesenbachtal abfließt. Tagsüber versiegt der Kaltluftfluß, und mit der Erwärmung des Tales kommt es häufig infolge des Talwindes zu einer Umkehr der Windrichtung. Die abgebildeten Windrosen geben die Verhältnisse wieder, die sich durch die Überlagerung des lokalen Kaltluftflusses mit den regional "aufgeprägten" Windverhältnissen ergeben. Man muß davon ausgehen, daß der Einfluß des nächtlichen Bergwindes über den Meßpunkt Schwabenzentrum hinaus bis zum Neckartal zu verfolgen ist.
Schaut man sich die Winddaten vom Schwabenzentrum bei ruhiger Großwetterlage an, dann setzt jeden Abend schlagartig ein Südweststrom ein, endet am frühen Morgen wieder genauso und macht einem nördlichen Wind Platz. Eine periodische Rechteckfunktion.
Und nun das Besondere: Absolut synchron steigt das gemessene NO2 sowohl in Stuttgart Mitte, als auch am Neckartor mit einer Spitze und flacht bis zum Morgen ab. Was bisher nirgendwo in Stuttgarter Luftreinhalteplänen erwähnt ist, und so auch bei Urteilen zu Fahrverboten keine Rolle spielen konnte, ist die Beobachtung, dass der Kaltluftstrom durch das Nesenbachtal nicht Frischluft, sondern einen Schwall von NO2 (und je nach Jahreszeit auch NO) durch das Stuttgarter Tal über die B14 zum Neckar spült. Die Messstation des Neckartors steht im 'Bachbett' dieses NO2-Stroms.
Im Winter dauert der Strom, bedingt durch die längere Nacht, länger. So kann es passieren, dass in Kombination mit der morgendlichen Verkehrsspitze die NO2-Werte nicht mehr absinken können (siehe angehängte pdf-Datei, der 16./17.2. war Wochenende ohne morgendliche Verkehrsspitzen)). Es würde mich aufgrund meiner Auswertungen nicht wundern, wenn auf das Konto dieses Phänomens 20 µg/m³ NO2 vom Jahresmittelwert gingen. Es erklärt auch die Überhöhung im Winter.
Was die Quelle des NO2 ist, darüber kann man spekulieren. Am ehesten kommt die A8 und das Vaihinger Autobahnkreuz in den Sinn, möglicherweise auch der Flughafen, als würde der Abfluss deren Abgase tagsüber zurückgehalten und das Nachts ins Stuttgarter Tal gespült. Im Juli ist das fast pures NO2, offensichtlich wird das NO zuvor durch Ozon abgebaut (ein schneller Prozess innerhalb einer Minute).
Nach einer stichprobenartiger Auswertung habe ich keine Zweifel an dem Sachverhalt. Es fällt mir schwer zu glauben, dass die Stuttgarter Umweltbehörde ihn nicht kennen. Bevor das Phänomen aber quantitativ nicht verstanden ist sind die Stuttgarter Luftreinhaltepläne Makulatur, einschließlich der Urteile.
Es muss ja irgendwann mal aufgefallen sein, dass die extrem hohen Stuttgarter Messwerte kaum nur mit dem Verkehrsaufkommen zu erklären sind, ein solches Verkehrsaufkommen gibt es auch in anderen Städten. Zudem dürfte der Fahrzeugbestand im reichen Stuttgart einer der modernsten sein.
Nächtliche Spitzen gibt es auch in anderen Städten, mit Tallage (Reutlingen) und teils auch ohne (Ludwigsburg). Als ehemaliger Segler frage ich mich, ob nicht eine typische Thermik NO2 aus der Umgebung in die Stadt ziehen kann. Die Stadt ist ein großer Wärmespeicher, die Luft steigt nach oben, kältere Luft strömt aus dem Umland nach. Im Umland führen oft die Autobahnen vorbei. Bei ruhiger Großwetterlage kann man zumindest am Mittelmeer nach solcher Thermik seine Uhr stellen und Segel setzen.
Zitat In Reutlingen, wo die Messstelle von drei Seiten eingemauert ist kam der TÜV trotz großzügiger Toleranz ins Schleudern:
Zitat Die Station repräsentiert den oberen Bereich der Spannweite der in 2005/2006 gemessenen NO2-Konzentrationen. An den beiden ca. 60 m bzw. 90 m von der Station entfernten MP wurden zwischen 45% und 40% (2005) bzw. 30 bis 35% (2006) niedrigere Werte gemessen. Damit kann anhand der Messungen aus den Jahren 2005 und 2006 angenommen werden, dass die Station eine kleinräumig begrenzte Situation mit sehr hohen Immissionen abbildet. Eine mögliche Erklärung für diese Situation ist die neben der Station befindliche Ampelanlage.Es gibt somit einen Anhaltspunkt dafür, dass die Station im Sinne des Punktes 1b des Abschnitts B der Anlage 3 der 39. BImSchV nicht repräsentativ für einen mindestens 100 m langen Abschnitt ist. Abgesehen von der Ampelanlage liefern Luftbilder keinen Anhaltspunkt, der gegen die Repräsentativität der Station spricht (ähnliche Bebauungsstruktur, keine relevanten Einmündungen über einen Abschnitt von mehr als 100 m Länge).
Es ist nett vom TÜV, dass er, anstatt simpel ein Verdikt 'nicht repräsentativ' auszusprechen, nach möglichen Ursachen und Anhaltspunkten sucht und trotz klarer Datenlage nur annimmt, dass die Messstelle nicht repräsentativ sei. Aus dieser Mentalität spricht nicht die einem unabhängigen Prüfer zu unterstellende Neutralität. Und genau diese Einstellung durchzieht den gesamten Prüfbericht, nicht nur die Festlegung auf 30% Toleranz.
Inzwischen hat sich der emeritierte Prof. Dr.-Ing. J. Schwager der Sache angenommen und seine Erkenntnisse nicht nur in dem lokalen Reutlinger General-Anzeiger berichtet, sondern auch auf Focus-online.
Der Reutlinger General-Anzeiger (GEA) hat daraufhin bei TÜV und dem Bundesumweltministerium angefragt. Der TÜV hat eine Antwort verweigert. Der GEA zur Antwort des BMU:
Zitat Das Bundesumweltministerium verweist darauf, dass die LUBW die Probenahmestelle »vor Ort überprüft« habe und der TÜV sich darauf berufe. Für das Bundesumweltministerium besteht daher kein Anlass, an der Richtigkeit und Objektivität der Dokumentation zu zweifeln. »Die Begutachtung durch den TÜV erfolgte auftragsgemäß schwerpunktmäßig auf Grundlage einer ›Prüfung nach Aktenlage‹. Für den Standort Reutlingen Lederstraße wurde keine ergänzende Vor-Ort-Besichtigung als erforderlich angesehen.«
Prof. Schwagers Kommentar dazu im GEA:
Zitat Offensichtlich spielt es keine Rolle, wenn in offiziellen Dokumenten anstelle des Abstands von 1,8 Meter der Wert 3,2 Meter steht. Wenn da an den Maßen von Deichen oder Brücken, die der TÜV prüft, auch so geschehen wird, dann leben wir gefährlich.
Zitat Offenbar gebe es eine "Kette des Vertrauens" zwischen den Landeseinrichtungen, die Messstationen betreiben, dem TÜV und dem Auftraggeber. "Eine wirkliche Überwachung findet nicht statt" bekräftigt Schwager seine Kritik. "Die Leidtragenden" seien jene 1,3 Millionen Besitzer von Diesel-Pkw, denen Fahrverbote drohen
Man muss sich die Umstände betrachten: Der Verkehrsminister Hermann hatte sich lange gegen eine Überprüfung ausgesprochen. Und, was bisher öffentlich nicht erwähnt wurde ist, dass der TÜV in seiner Bericht davon ausgegangen war, dass die Messstation 2006 an der heutigen Stelle stand. Dabei ist die Messstation den Reutlingern als 'Wandermessstelle' bekannt. Sie wurde bereits zweimal neu positioniert, bis sie nun in einer Nische besonders ungünstig steht. Hat sich der TÜV bei seiner "Prüfung nach Aktenlage" zusätzlich täuschen lassen?
Im Übrigen hat der TÜV in ganz Deutschland nicht überprüft, ob die Passivsammler selbst, mit denen die Repräsentativität der Messstationen überprüft werden sollte, konform positioniert waren/sind.
Nachdem ich nach langer Zeit endlich Auskunft von der EU-Kommission erhalten habe, hier die Zusammenfassung des Falls:
Ausgangspunkt:
Die Chromilumineszenz-Messgeräte für NO2, auf deren Messergebnisse Fahrverbotsgerichtsurteile beruhen, sollten ausreichend genau sein, die Luftreinhalterichtlinie fordert eine sogenannte Messunsicherheit von nicht mehr als 15% bei den Grenzwerten, also auch bei den ‚kritischen‘ 40 µg/m³ Jahresgrenzwert für NO2.
Erstes Misstrauen, dass die heute eingesetzten Messgeräte diese Anforderung einhalten, kam hoch, weil die Zulassung der Messgeräte nur für den Stunden-Grenzwert von 200 µg/m³ erfolgt, und nur Messprotokolle und Zertifikate bei diesem Grenzwert öffentlich gemacht sind. So will es die 2006 erstmals veröffentlichte und 2012 revidierte Europanorm 14211. Die Zulassungsprüfungen wurden in Deutschland in der Regel durch den TÜV Rheinland durchgeführt.
Die EN 14211:2012 Anhang G sieht auch die Beurteilung der Messunsicherheit bei 40 µg/m³ unter Feldbedingungen vor, allerdings durchzuführen von den Labors der Landesbehörden. Deren Prüfprotokolle waren bisher nicht öffentlich verfügbar, was nicht gerade der Transparenzidee der Öffentlichkeitsrichtlinie entspricht, aber auch eine unfaire Situation gegen die Bürger ist, die Einspruch gegen Luftreinhaltepläne einlegen wollen. Die LUBW in Karlsruhe hat bisher auch Versuche von Landtagsabgeordneten abgewehrt, Einsicht zu bekommen.
Es gibt verschiedene Hinweise, dass die Messunsicherheit bei 40 µg/m³ allein nach der EN 14211:2012 schwerlich einzuhalten ist. Die LUBW hat bisher nichts getan, um Misstrauen auszuräumen. Momentan ist sie aber nach dem Informationsfreiheitsgesetz aufgefordert, entsprechende Daten zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.
Allein das ist eine notwendige, aber bei weitem nicht hinreichende Information. Die EN 14211 wurde durch das TC264/WG 12 bei CEN unter dem Mandat der EU-Kommission erstellt. Convenor ist der Brite Brian Stacey, u.a. Mitglied der Aquila Arbeitsgruppe, die die letzte Änderung der Luftreinhalterichtlinie vorgeschlagen hatte.
Die Aquila-Arbeitsgruppe wurde und wird wissenschaftlich unterstützt durch das Wissenschaftszentrum der EU in Ispra, Italien. Durch dieses Zentrum wurde in den Anfangszeiten der Luftqualitätsmessungen eine Studie zur Leistungsfähigkeit der Chromilumineszenz-Messgeräte durchgeführt (s. Anhang). Die damalige Schlussfolgerung:
Zitat From these findings, it is then possible to conclude that the highest uncertainty for NO2 is expected to be associated with monitoring stations sited near traffic emissions. The relative expanded uncertainty of the NO2 hourly average could be rather high with a maximum higher than 50% for NO2 concentrations of 40 µg/ m³. In fact, a 15% expanded uncertainty is only guaranteed for NO2 concentrations higher than 60 ppb. Nevertheless, for the hourly limit value of the European directive, 200 µg/ m³, the data quality objective (expanded uncertainty lower than 15%) is ensured. On the contrary, for the limit value of the annual average, 40 µg/ m³, the data quality objective is not met in the unlikely case of an annual NO average over 50 ppb.
Nun ist der jährliche Durchschnitt von NO am Stuttgarter Neckartor deutlich über 50 ppb, eine Messung mit Chemilumineszenz-Messgeräten nach dieser Studie also untauglich.
Die Zulassungsprüfungen decken die Problematik nicht ab
Um Zweifel auszuräumen wäre es einfach, eine Zulassungsprüfung für solche Messgeräte unter Anwesenheit verschieden hoher NO-Konzentrationen durchzuführen. Eine solche Prüfung findet aber nicht statt.
Die EN 14211 erwähnt unter Abschnitt 6.1 ‚Allgemeines‘ :
Zitat Die folgenden Faktoren können infolge der Ab- oder Zunahme der Stickstoffdioxid-Konzentration zur Messunsicherheit beitragen, wenn die Probennahme als integraler Bestandteil der Messung betrachtet wird: ….- Bildung von Stickstoffdioxid durch Reaktion von Stickstoffmonoxid mit Ozon in der Probennahme-einrichtung und im Messgerät.
Und
Zitat Diese Faktoren sind als relevant erkannt, können wegen des Fehlens geeigneter Bewertungsverfahren zurzeit aber nicht quantifiziert werden. Demzufolge werden ihre Beiträge bei der nach dieser Norm durchgeführten Unsicherheitsbewertung nicht berücksichtigt. Ihr Einfluss wird durch Mindestanforderungen (siehe 6.3), geeignete Qualitätssicherungs- und -kontrollmaßnahmen (siehe 9.4 bis 9.6) sowie Wartungsarbeiten (siehe 9.7) minimiert.
Womit wir wieder beim LUBW-Labor wären.
Die Antwort der Kommission
Die Labore der Länder werden immer auf die EN 14211 verweisen und für die Eignung der EN keine Verantwortung übernehmen. Deshalb habe ich sowohl Brian Stacey, als auch die EU-Kommission direkt angeschrieben, und diese mit möglichen Grenzen der NO2-Messung konfrontiert. Brian Stacey hat nie geantwortet. Das Directorate-General for the Environment Unit C.3 Clean Air hat nach über drei Monaten mit einer etwas verärgerten Erinnerung nun ein Mäuschen geboren:
Zitat Thank you for your question on the monitoring of nitrogen dioxide concentrations under the Ambient Air Quality Directive (2008/50/EC). First of all, allow us to apologise for the delay in our reply, and thank you for your patience. We have consulted the Joint Research Centre and the European network of National Air Quality Reference Laboratories on the matter, who have pointed out the following elements: The publication of 2003 you refer to is based on results of an analyser type which is not being used in networks anymore. The measurement instruments currently used to monitor nitrogen dioxide (NO2) are regularly being tested a.o. in quality assurance programmes organised by the Joint Research Centre. When it comes to quality assurance of air quality measurements in the Member States, this is supported by National Reference Laboratories. NO/NO2 instruments are regularly being tested also in national quality assurance programmes. During these tests uncertainty requirements according to the provisions of the Ambient Air Quality Directive are met when measuring varying concentrations of nitrogen oxide (NO) and nitrogen dioxide (NO2). CEN ensures the regular review and relevant updates of European Standards.
Anscheinend würden also NO/NO2-Messgeräte regelmäßig getestet, auch bei unterschiedlichen NO und NO2-Konzentrationen. Das ist keine qualifizierte Auskunft. Qualifiziert wäre es, wenn es dazu eine Referenz auf eine entsprechende wissenschaftliche Studie oder entsprechende Messprotokolle gäbe. Die EU-Kommission kann offensichtlich nichts vorweisen. Wiederholt erweist sich die EU-Kommission als Schwamm.
Ergänzend zum vorigen Beitrag: Warum kann ein hoher NO-Anteil in der Luft ein Problem für die Messgenauigkeit sein?
Tatsächlich gemessen wird bei der Chromilumineszenz-Messtechnik die Lichtmenge die emittiert wird, wenn NO (Stickstoffmonoxid) mit Ozon chemisch reagiert. Um also NO2 in der Luft zu messen muss NO2 zuerst durch Bestrahlung mit UV-Licht in NO umgewandelt werden.
In der Luft ist aber neben dem NO2 auch NO. Um das in der Luft vorhandene NO von dem aus dem NO2 gewandelten NO zu unterscheiden gibt es zwei Messungen, einmal aus der Luft direkt, sodass nur der NO-Anteil der Luft gemessen wird, und einmal nachdem alles NO2 der Luft erst in NO gewandelt wurde. Der NO2-Anteil errechnet sich dann aus der Differenz der beiden Messungen.
Die beiden Messvorgänge geschehen entweder in zwei getrennten Messkammern oder in einer Messkammer, in die im schnellen Wechsel die beiden Messproben zugeführt werden. Jede Messmethode hat inhärente Ungenauigkeiten, auch weil die Messabfolgen sehr schnell sein müssen (im Sekundenbereich), in denen die jeweiligen Umwandlungen möglichst vollständig ablaufen sollten. Der Messbereich muss so ausgelegt sein und kalibriert sein, dass die Summe aus in der Luft vorhandenem NO plus dem aus dem NO2 gewandelten NO abgedeckt werden kann. Der Messbereich wird an vier Punkten mit Prüfgasen kalibriert, die selbst auch schon eine Toleranz haben dürfen.
Darüber, plus Temperatur-, Feuchte-, Luftdruckabhängigkeit u.a. (Empfindlichkeit zu Photooxidantien) wird die Messungenauigkeit bestimmt. Je höher nun der NO-Anteil und je geringer der NO2-Anteil in der Luft, desto mehr tragen Messungenauigkeiten der NO-Messung zu der Messungenauigkeit des kleinen NO2-Anteils bei.
Die LUBW hat für Stuttgart in einer Studie für 2015/2016 Daten zusammengetragen. Auf Seite 53 sieht man, dass am Neckartor besonders in Wintermonaten NO (zeitlich stark gemittelt) bis 350 µg/m³ (d.i. 280 ppb) sein kann, mit ganzjährigen Mittelwerten bei 126/129 µg/m³ (ca. 100 ppb). Das NO2/NOx-Verhältnis ist in den Wintermonaten bis ca. 40% (S. 54). Dies alles natürlich unter der Annahme, dass die Messergebnisse vor allem für NO2 genau und nicht durch die hohen NO-Anteile verfälscht sind: Die im vorigen Beitrag erwähnte Ispra-Studie geht davon aus, dass NO2-Werte von 40 µg/m³ bei einem jährlichen Mittel von NO über 50 ppb nicht mehr genau gemessen werden können. Am Neckartor sind das 100 ppb.
Wie im vorigen Beitrag ausgeführt behaupten die Experten gegenüber der EU-Kommission, dieses Problem im Griff zu haben. Sie liefern aber keine Fakten. Das Einfachste wäre gewesen, eine Querempfindlichkeit gegen NO in die Europanorm 14211 aufzunehmen.
Aus aktuellem Anlass (direkter Austausch mit dem Führungspersonal des Stuttgarter Verkehrsministeriums) hier eine Zusammenfassung der Situation aus Sicht des Risikomanagements in Gesundheitsfragen. Einige der Punkte wurden in diesem Faden schon an verschiedenen Stellen erwähnt.
Gruß Martin
Stuttgart und die nicht nachgewiesene Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten
Gefahren und Risiken
Wenn Herr Resch von der Deutschen Umwelthilfe davon redet, dass Stickstoffdioxid eine Gefahr sei, dann darf man ihm gerne entgegnen, dass auch er selbst eine Gefahr ist. ‚Gefahr‘ ist keine Bewertung, sondern lediglich eine potentielle Schadensquelle. Die Exposition zu Stickstoffdioxid könnte zu einer gesundheitlichen Schädigung führen, und Herr Resch könnte Verursacher eines Unfalls sein.
Wie wahrscheinlich ist es aber, dass ein bestimmter Schaden entsteht? Je nach Lebensumständen sind wir verschiedenen Mengen Stickstoffdioxid ausgesetzt und können dagegen unterschiedlich empfindlich sein. Herr Resch könnte schlicht unachtsam sein. Trägt man alle zu einem konkreten Schaden führenden Faktoren zusammen, kann man die Wahrscheinlichkeit bestimmen mit der ein solcher entsteht. ‚Risiko‘ ist die Kombination von Schadenshöhe und seiner Eintrittswahrscheinlichkeit.
Risikomanagement
Risikomanagement heißt nicht alle Risiken zu beseitigen oder zu minimieren. Das widerspräche der Lebenswirklichkeit. Man kann Gefahren der Elektrizität vermeiden, indem man auf elektrische Geräte verzichtet. Man kann dagegen kaum physische Gefahren beseitigen, unsere ganze Umwelt ist nun mal physisch. Man kann Risiken zu minimieren versuchen, es muss aber praktikabel und vernünftig sein. Bezeichnet man heute ein Produkt als sicher ist das synonym einem ‚vertretbaren Risiko‘.
In unserer regulierten Welt sind die bekannten Risiken meist durch Sicherheitsnormen adressiert, die Grenzwerte und Prüfverfahren vorgeben. Risikomanagement kann sich dann weitgehend auf die Einhaltung solcher Normen beschränken. Unbekannte Risiken potentieller Gefahren werden durch spezifisches Risikomanagement kontrolliert. Werkzeuge dafür sind wissenschaftliche Studien, Beobachtung, Reduzierung soweit möglich und Risiko/Nutzen-Abwägungen.
Risikomanagement muss aber umfassend sein. So müssen auch Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken daraufhin geprüft werden, ob sie selbst neue Risiken erzeugen. Das gilt auch für Luftreinhaltepläne zum Zweck der Reduzierung der Stockstoffdioxidwerte an der Straße.
Stickstoffdioxid und das Risiko
Ist die Überschreitung des Jahresgrenzwerts von 40 µg/m³ an Verkehrsmessstellen ein nicht vertretbares Risiko? Die 39. BImSchV sagt dazu nichts. Der Grenzwert wurde lediglich mit dem Ziel festgelegt, „schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern“. Bei Überschreitung des Grenzwerts muss ein Luftreinhalteplan erstellt werden, um diesen möglichst schnell einzuhalten. Die zwischenzeitliche Regelung einen Luftreinhalteplan erst ab 60 µg/m³ zu fordern spricht aber gegen ein unvertretbares Risiko bei 40 µg/m³.
Dagegen spricht auch, dass durch Stop & Go-Verkehr höchstbelastete Bereiche um verkehrsreiche Kreuzungen von Messungen gänzlich ausgenommen sind, unabhängig davon, ob dort Wohnungen sind.
Offensichtlich ist also eine Überschreitung des Jahresgrenzwerts von Stickstoffdioxid kein unvertretbares Risiko. ‚Unverzügliche Maßnahmen‘ sind erst bei Überschreiten der Alarmschwelle von 400 µg/m³ angesagt.
Auch im Gespräch mit hohen Verwaltungsbeamten des Stuttgarter Verkehrsministeriums zeigt sich, dass bei Entscheidungen über Umfang und Verlauf von als stark belasteten Bereichen in Ballungsräumen die tatsächliche Risikobewertung keine Rolle spielt. Verwiesen wird stattdessen auf das Schutzziel der Bevölkerung und auf das Vorsorgeprinzip, das anscheinend keine Risiko-Nutzen-Bewertung kenne.
Das Vorsorgeprinzip
Es wäre aber gut, wenn sich Verwaltungsbeamte und Verwaltungsrichter mit dem Vorsorgeprinzip genauer befassten. Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist eine Berufung auf das Vorsorgeprinzip dann möglich, wenn ein Phänomen, Produkt oder Verfahren potentielle Gefahren birgt, die durch eine objektive wissenschaftliche Bewertung ermittelt wurden, wenn sich das Risiko nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen lässt. Ein Rückgriff darauf erfolgt im Rahmen eines Risikomanagements.
Darüber hinaus gilt im Falle einer Berufung auf das Vorsorgeprinzip der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d.h. die getroffenen Maßnahmen müssen im Verhältnis zum angestrengten Schutzniveau stehen.
Das Vorsorgeprinzip und das Stickstoffdioxid in der Luft
Dass Maßnahmen zum schnellstmöglichen Erreichen des Jahresgrenzwerts von Stickstoffdioxid an der Straße in ihrer Verhältnismäßigkeit noch mit dem Vorsorgeprinzip begründet werden, ist allerdings verwunderlich. In die Erforschung der Wirkung von Stickstoffdioxid sind weltweit über 30 Jahre viel wissenschaftliche Arbeit und Geld geflossen. Nimmt man die Daten der Europäischen Umweltagentur EEA von 2019, Stellungnahmen deutscher Lungenfachärzte von 2019 und die 20 Jahre alte Leitlinie der WHO, dann bewegt sich der Grad wissenschaftlicher Unsicherheit zwischen einem halben Tag verlorener Lebenserwartung und keinem signifikanten Zusammenhang zur Lebenserwartung bei der in Deutschland vorhandenen Exposition der Bevölkerung zu Stickstoffdioxid in der Umgebungsluft. Die Lebenserwartung in Stuttgart ist im deutschlandweiten Vergleich sogar überdurchschnittlich. Der Grad wissenschaftlicher Unsicherheit ist so gering, dass die Anwendung eines Vorsorgeprinzips zweifelhaft ist.
Der Stuttgarter Luftreinhalteplan – ein Menschenversuch
Ganz anders steht es um die Folgen eines großflächigen Fahrverbots für bald über 300.000 Diesel-Pkw im Rahmen eines gerichtlich erwirkten Luftreinhalteplans. Dieses wird definitiv nachteilige gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung haben, und es ist untragbar, dass sowohl das Regierungspräsidium Stuttgart als auch das Stuttgarter Verwaltungsgericht keinerlei Versuch unternommen haben, mögliche negative Folgen zu ermitteln, verfügbare wissenschaftliche Daten auch in Hinsicht auf die Verhältnismäßigkeit und ggf. den Grad der wissenschaftlichen Unsicherheit zu bewerten. Dies müsste einer modellhaft errechneten durchschnittlichen Lebenszeitverkürzung von einem halben Tag gegenübergestellt werden.
Ginge es beim Fahrverbot nur um einzelne Straßenzüge wären die Folgen vermutlich vernachlässigbar, und die Menschen könnten weitgehend wie gewohnt mobil bleiben.
Stuttgart aber erzwingt für diejenigen, die aus finanziellen oder anderen Gründen keine Alternative haben entweder die sofortige Umstellung ihrer Mobilität oder den gänzlichen Verzicht darauf. Treffen dürfte es in erster Linie ältere Menschen und junge Familien.
Die Stuttgarter Verwaltung kann nicht die Fakten wegzaubern, die die individuelle Mobilität geschaffen hat, mit entsprechender Zersiedelung, zentralisierten Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern in einer Stadt, die nun nicht mehr einfach individuell befahren werden kann. Die Menschen sollen zu Fuß gehen, Fahrrad fahren und den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen, egal wie ihr gesundheitlicher Zustand, das Wetter oder sonstige persönliche Begleitumstände sind.
Dass dies nachteilige gesundheitliche Folgen haben kann, müsste auch Verwaltungsbeamten und Richtern ohne viel Phantasie klar sein. Die folgende Liste bisher nicht im Luftreinhalteplan bewerteten Risiken ist nur beispielhaft, die umfangreiche Identifikation von zusätzlichen Gefahren eines Fahrverbots in einem großen Ballungsgebiet und die Bewertung der Risiken sind die Aufgabe der Stuttgarter Verwaltung.
- Lt. einer der vom ADAC veröffentlichten Statistik war 2014 das Getötetenrisiko bezogen auf die Wegstrecke für Fußgänger (auch auf dem Weg zum ÖVPN!) das Achtfache, und für Fahrradfahrer das Fünffache des Pkw-Fahrers. Seit der Einführung von Pedelecs ist das Risiko für Fahrradfahrer sogar gestiegen, besonders für ältere Verkehrsteilnehmer. Ähnliches gilt für das Verletztenrisiko, bei dem Langzeitfolgen unbekannt sind.
- Eine Studie der University of Nottingham kam auf ein etwa sechsfaches Ansteckungsrisiko im ÖPNV im Vergleich zur Nichtnutzung dessen. Dabei sind keine Folgeinfektionen berücksichtigt, wenn beispielsweise ein Pfleger ins Altenheim zur Arbeit geht. In der Grippesaison 2017 gab es immerhin ca. 1.000 nachgewiesene Todesfälle und ca. 300.000 gemeldete Erkrankungen in Deutschland. Dass aber solche Risiken als signifikant betrachtet werden findet man in Notfallplänen für den Fall von Pandemien (Bsp. S. 58 „Meiden von Menschengruppen (Kantinen, öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte…)“. Eine umfassende Betrachtung gibt es beim Robert-Koch-Institut.
Andere, weniger sichtbare Folgen von Einschränkungen der Mobilität:
- Einsamkeit gilt als Faktor geringerer Lebenserwartung. Nimmt man älteren Leuten die individuelle Mobilität verzichten viele auf die Pflege von Kontakten.
- Wie Prof. Hetzel vom Krankenhaus vom Roten Kreuz Bad Cannstatt ausführte gab es Fälle, dass Patienten wegen des Stuttgarter Feinstaubalarms nicht in die Stadt zur Behandlung kamen. Ähnliche Verhaltensänderungen muss man erwarten, wenn die Alternative zum eigenen Auto der ÖPNV sein soll. Vermutlich hat die Stuttgarter Verwaltung keine Vorstellung, wie viele Menschen – auch mit Hilfe von Verwandten und Bekannten – Arztbesuche und Pflegen bisher individuell organisiert haben, und die nun möglicherweise lieber darauf verzichten, als den ÖPNV zu nutzen.
- Usw.
Ohne eine vollständige Analyse der Folgen eines derart großflächigen und abrupten Fahrverbots kann die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen nicht bewertet werden, ist der Stuttgarter Luftreinhalteplan ein unkontrollierter blinder Menschenversuch.
Edit: Korrektur, Prof. Hetzel ist nicht vom Robert-Bosch-Krankenhaus
Und es wird spannend: Ludwigsburg bekommt jetzt - so entnahm ich es der lokalen Presse heute - nach erfolgreicher Klage der DUH vermutlich auch ein Fahrverbot. Damit bist Du doch direkt betroffen, oder, Martin? Freue mich schon auf Deine Klage :-)
Zitat von hubersn im Beitrag #296Und es wird spannend: Ludwigsburg bekommt jetzt - so entnahm ich es der lokalen Presse heute - nach erfolgreicher Klage der DUH vermutlich auch ein Fahrverbot. Damit bist Du doch direkt betroffen, oder, Martin? Freue mich schon auf Deine Klage :-)
Mal schauen, mein neuer X3 d temp dürfte nicht betroffen sein - übrigens ein phantastischer Motor. 265 PS und 6,x l Verbrauch - die Ingenieure haben ganze Arbeit geleistet. Was kann da zum 6d final noch besser werden?
Ich war bei der Verhandlung beim Verwaltungsgericht in Mannheim und hatte den Eindruck, dass das Land gar kein besseres Urteil wollte. Das Land kam ohne Anwalt, den Profis Reusch und Klinger saßen sachkundige aber rhetorisch ungeschickte Fachfrauen gegenüber. Deren Chef saß von den Medien unerkannt im Publikum und hat sich rausgehalten. Ich kannte ihn zufällig, weil ich in Begleitung eines MdL vor wenigen Wochen die Gelegenheit hatte, mit dem Ministerialdirektor Dr. Lahl und seinen Bereichsleitern einige Stunden Sachfragen und Kritikpunkte zu diskutieren. Ich habe inzwischen auch über das Informationsfreiheitsgesetz die von mir geforderten Messprotokolle vom LUBW erhalten.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg war schnell gefallen, der Luftreinhalteplan Ludwigsburg muss überarbeitet werden. Die Details stehen noch aus.
Es war eine merkwürdige Verhandlung am 26.11. 2019 vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Immerhin haben die Vertreter der Stadt Ludwigsburg ihre Anliegen gut vorgetragen, der Ludwigsburger Anwalt Dr. Rauscher war sehr streitbar in der Sache, der Baubürgermeister Ilk hat die geplanten Maßnahmen der Stadt überzeugend aufgezeigt.
Dass aber das Land und die Stadt am gleichen Strang ziehen sollten, war zeitweise schwer erkennbar. War das Land an einem Erfolg überhaupt interessiert? Da setzt sich der Leiter des Referats 43 für Lärmschutz und Luftreinhaltung, Dr. Udo Weese ins Publikum, sagt kein Wort und lässt seine Fachfrauen ohne anwaltliche Unterstützung gegenüber den Routiniers der DUH, Herrn Resch und Herrn Klinger, auflaufen.
Da verteilt das Land das Ergebnis einer wohl mit heißer Nadel gestrickten und farblich kodierten Computersimulation, nach der es in Ludwigsburg andere Orte mit deutlich höherer Stickstoffbelastung geben müsste. Es half wenig, wenn der für die Simulation Verantwortliche sagte, dass sie zu grob ist, um außerhalb der Messstelle Friedrichstraße 9 aussagekräftig zu sein. Die Simulation war auf Basis des ‚Handbook Emmission Factors for Road Transport‘ (HBEFA) errechnet, das in den letzten Jahren mehrere Revisionen erfahren hat. Aber das Land war spontan nicht in der Lage, die angewandte Revision zu benennen.
So konnte die DUH genüsslich argumentieren, es gäbe wohl viel höher belastete Stellen in Ludwigsburg, beispielsweise die Keplerstraße. Das aber wäre aber kein Wunder, denn diese kurze Straße ist eine auch von den Stadtbussen und Lkw stark frequentierte Kreuzung. An dieser darf von Gesetzes wegen gar nicht gemessen werden. Die Vertreter des Landes waren aber nicht in der Lage, darauf hinzuweisen. Anders als oft gedacht sind gerade solche durch stop-and-go höher belastete Bereiche aus der Bewertung ausgeklammert. Man wollte ursprünglich Daten repräsentativ für die Gesamtbevölkerung haben, und diese nicht durch Messwerte an extrem belasteten Orten verzerren.
Wie ortskundig und auch sattelfest in der Verordnung sind denn die Vertreter des Landes, wenn es um die Interessen der Dieselfahrer geht? Oder geht es um das, was Herr Resch von der DUH in anschließenden Interviews gesagt hat? Er will individuelle Mobilität verbannen, ein Ziel, das nicht viel anders klingt als das, was der Abteilungsleiter im Verkehrsministerium für Mobilitätsfragen, Christof Erdmenger, landauf landab verkündet. Erdmenger wird dem DUH-Netzwerk zugerechnet. Kann es sein, dass das Land in Wahrheit der DUH in die Hände spielen wollte? Zwar wird kolportiert, dass sich Land und DUH nicht ganz grün seien, vielleicht ist das aber nur Fassade.
Der Ludwigsburger Anwalt Dr. Rauscher hat richtig darauf hingewiesen, dass Messungen repräsentativ für einen mindestens 100 Meter langen Straßenabschnitt sein müssen, und dass die in den letzten Monaten stattgefundenen Profilmessungen über einen 130 Meter Straßenabschnitt zeigen, dass an der Friedrichstraße der Messwert tatsächlich unter der Grenze von 40 µg/m³ NO2 liegt. Den Richter hat das nicht weiter interessiert, entscheidend sei die punktuelle Messung der Messstation. Ist das ernsthaft die Rechtsprechung, wenn es um massive Eingriffe in die Mobilität geht? Man könnte ja die Messstelle jetzt so lange hin- und herschieben, bis sie repräsentativ ist. Der Effekt ist aber der gleiche, als würde man die Messergebnisse der Profilmessungen schlicht einrechnen.
Die Messstation in der Friedrichstraße hat ja nun mal eine Geschichte: Nach Probemessungen in der Stadt von 2004 bis 2006 wurde sie nach der damaligen Verordnung verkehrsnah aufgestellt. Die Repräsentativität für einen mindestens 100 Meter langen Straßenabschnitt gab es bis 2010 aber noch nicht. Dafür aber hätte die NO2-Messstelle nie in lediglich einem Meter Abstand vom Gebäude positioniert werden dürfen, dies war nur für Messungen von Feinstaub vorgesehen. Nachdem die Verordnung 2010 geändert worden war, hat das Land bis in die jüngste Vergangenheit nie die Position nachgeprüft. Erst mit der massiven Kritik seit 2018 wurden Profilmessungen eingerichtet, die tatsächlich darauf hinweisen, dass die Messstelle zu hoch misst. Jetzt aber läuft die Zeit davon, denn es gibt eben noch keine vollständige Messreihe über ein Jahr. So stand jetzt das Land etwas nackt vor einem Richter, der sich damit einfach von einer DUH instrumentieren lassen konnte.
Dies alles hat wenig mit tatsächlichen Gesundheitsrisiken der Bevölkerung zu tun. Als in diesem Jahr der Richtwert I (unkritische lebenslange Exposition) für Innenräume auf 80 µg/m³ für Stickstoffdioxid festgelegt werden sollte, konnte sich der Arbeitskreis für Innenraumrichtwerte nicht entscheiden – es gäbe nämlich keine wissenschaftliche Grundlage zu Langzeitexpositionen, trotz über 30 Jahren umfangreicher Forschung. Das Umweltbundesamt verweist ersatzweise auf die 20 Jahre alte Empfehlung der WHO, die zum Grenzwert auf der Straße geführt hat, und weist gleichzeitig darauf hin, dass dieser von Wohnungen mit Gasherden stamme. Es ergänzt, dass der Grenzwert von 40 µg/m³ nichts mit der Einzelsubstanz Stickstoffdioxid zu tun hat. Befragt in einer Anfrage der FDP im Bundestag, ob das Bundesministerium für Umwelt wenigstens in seinen eigenen Innenräumen entsprechende Luftqualitätsmessungen durchführe hat dieses dies verneint. Nach dem Motto ‚keine Messung, keine Überschreitung, keine Konsequenz‘? Sonst müsste nach Anzünden eines Adventskranzes vielleicht das Büro geräumt werden.
Betroffene Diesel-Fahrer müssen sich ziemlich verschaukelt vorkommen.
Gruß Martin
PS: In der Verhandlung kam ein ganz interessanter Aspekt zur Sprache: Vor der Messstelle Friedrichstraße sollen Gasleitungen verlegt werden, die Straße würde zur Baustelle. Es ist unklar, ob dann eine neue Messstelle eingerichtet werden kann, oder ob dann die Baustellenemissionen gemessen werden sollen.
Zitat von Martin im Beitrag #298An dieser darf von Gesetzes wegen gar nicht gemessen werden. Die Vertreter des Landes waren aber nicht in der Lage, darauf hinzuweisen.
Curia novit iuria. Über die Rechtslage muß man ein Gericht gewöhnlich sowieso nicht belehren.
Zitat von Martin im Beitrag #298Sonst müsste nach Anzünden eines Adventskranzes vielleicht das Büro geräumt werden.
Zitat von Martin im Beitrag #298An dieser darf von Gesetzes wegen gar nicht gemessen werden. Die Vertreter des Landes waren aber nicht in der Lage, darauf hinzuweisen.
Curia novit iuria. Über die Rechtslage muß man ein Gericht gewöhnlich sowieso nicht belehren.
Der Ludwigsburger Anwalt Dr. Felix Rauscher hat die Rechtslage mehrfach vorgetragen, bis zur wörtlichen Zitierung. Ob das dann eine Belehrung des Gerichts war, oder nur Argument, ließ sich daraus nicht eindeutig entnehmen. ie kundig der Richter war, kann ich nicht beurteilen. Er hat mehrfach erwähnt, dass er sich aus der Presse informiert habe, er hat aber nicht erwähnt, dass er die Rechtslage kennt .
Zitat
Zitat von Martin im Beitrag #298Sonst müsste nach Anzünden eines Adventskranzes vielleicht das Büro geräumt werden.
Nein, Hofreiter ging es hier um Stickstoffdioxid. Er hat nur den falschen Schluss gezogen
Zitat Wir können doch nicht Diesel-Fahrverbote in den Städten fordern und gleichzeitig dabei zusehen, wie sich die Menschen in ihren eigenen Wohnungen damit vergiften!
Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte hat wenige Monate später ja festgestellt, dass es selbst bei 80 µg/m³ keine wissenschaftlichen Daten gebe bezüglich den Risiken einer Langzeitexposition. Es gibt also keinen Beleg dafür, dass sich die Menschen in den eigenen Wohnungen vergiften. Damit gibt es noch weniger Belege, dass sie das bei Werten darunter tun.
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