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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 303 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Leibniz Offline




Beiträge: 383

17.02.2011 14:37
#101 RE: Zimmerleute Antworten

Zitat von R.A.
[...] ich bin Historiker und Mathematiker - das sind beides Geisteswissenschaften.

Mathematik als Geisteswissenschaft zu bezeichnen ist eine etwas hilflose Klassifizierung aus dem letzten Jahrhundert. Siehe auch Wikipedia: Formalwissenschaft.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.02.2011 15:02
#102 RE: Zimmerleute Antworten

Zitat von Leibniz
... eine etwas hilflose Klassifizierung aus dem letzten Jahrhundert.


Ich wüßte ja nicht, was sich in den letzten 10 Jahren an der Klassifizierung geändert haben sollte.

Zitat
Siehe auch Wikipedia: Formalwissenschaft.


Das ist ein neuerer Vorschlag, der sich eigentlich nicht durchgesetzt hat. Letztlich geht es hier auch weniger um die Mathematik als darum, die neue Informatik einzuordnen. Ein Versuch, der sich m. E. inzwischen auch wieder überholt hat - der theoretische Teil der Informatik hat immer noch starke Bezüge zum Mutterfach Mathematik, aber ansonsten ist das moderne Informatikstudium weitgehend eine Ingenieurwissenschaft.
Es spricht natürlich nichts dagegen, die Mathematik auch als Formalwissenschaft zu bezeichnen, aber deswegen bleibt sie doch auch Geisteswissenschaft, das schließt sich ja gegenseitig nicht aus.

Konsul Offline



Beiträge: 31

17.02.2011 15:12
#103 Mangelnde Guttenberg-Sorgfalt in einem anderen Fall Antworten

Ich möchte kurz auf eine vielleicht schon vergessene Guttenberg-Episode hinweisen: Zu seiner Zeit als Wirtschaftsminister beauftragte das Wirtschaftsministerium eine Anwaltskanzlei mit dem Verfassen eines Gesetzestextes, was im August 2009 einige Irritationen auslöste, da die Ministerkollegen den Gesetzentwurf mit dem Logo der Anwaltskanzlei aus dem Wirtschaftsministerium erhielten. (http://www.faz.net/s/Rub4D6E624294714001...n~Scontent.html)

fedchan Offline



Beiträge: 129

17.02.2011 15:18
#104 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Hallo und Guten Tag.

Ich scheine dieser Tage der einzige Zimmerleut vom Fach zu sein, daher ein paar Anmerkungen ohne besonderen Zusammenhang zur laufenden Diskussion . Zunächst zur Verortung: Ich bin zur Zeit Doktorand in der letzten Phase meiner Diss; die letzten Jahre war ich als wissMit 'erster Offizier' meines Doktorvaters, daher eingesetzt zur Unterstützung desselben in Forschung und Lehre, aber auch eigenverantwortlich lehrend unterwegs.

Zunächst ist die Juristerei kein homogenes Feld; eine Grobdifferenzierung ergibt sich zwischen Zivilrechtlern, Öffentlich-Rechtlern und den Strafrechtlern, daneben gibt es die Orchideenfächer, namentlich Rechtsphilosophie, -soziologie und -geschichte. Die einzigen, die empirisch arbeiten, sind dabei die -soziologen; abgesehen davon ist die Juristerei eine kompilatorische Wissenschaft. Typisch ist dabei, dass man geradezu neurotisch ängstlich bemüht ist, so ziemlich jede Aussage durch Fußnoten zu belegen; der Bochumer Röhl hat das recht treffend so beschrieben, dass Juristen gern Kopernikus zitieren, wenn sie behaupten, dass sich die Erde um die Sonne drehe. Genervt von der ganzen Fußnoterei ist bspw. Haft aus dem Saarland, der (allen ernstes) Studenten empfiehlt, Fußnoten, so weit es geht, wegzulassen. Würde ich meinen Studenten so nicht empfehlen. Grund für diese wohl extreme Neigung zur Absicherung ist, dass so ziemlich alles schon mal von jemandem gesagt wurde; es passiert so gut wie nie, dass man selbst, wenn man über ein Problem nachdenkt, auf ein Argument kommt, das nicht irgendwo schon mal abgedruckt wurde. Wenn passiert das in Feldern, die vom Mainstream noch nicht so beackert wurden, aber auch da neigt man dazu, nervös zu werden, wenn man für etwas keinen Beleg hat. Ich habe schon so manche Stunde mit zunehmendem Frust nach einer Fundstelle gesucht, in der jemand etwas sagt, was eigentlich offensichtlich ist und sich aus der Natur der Sache ergibt, aber eben mal in einer Veröffentlichung gesagt worden sein muss, damit ein kleiner Mittelbauer es auch behaupten kann. Das darf auch gern 50 Jahre her sein; Hauptsache, man hat eine Fußnote.

Die drei großen Rechtsgebiete weisen natürlich auch einen gewissen Dünkel, eine gewisse Rivalität auf. Zivilrechtler, die sehr rechtsdogmatisch argumentieren, werfen den ö-Rechtlern gern vor, deren Disziplin sei eine Art "Laberfach". Gestern sprach ich mit einem Zivilisten über den Fall Guttenberg, und er machte sich darüber lustig, dass man offentlich eine Diss dafür kriege, die FAZ als Quelle zu benutzen. Speziell die Verfassungsrechtler schwebten in höheren Sphären, heißt es. Plagiate dürften daher, so meine Vermutung, im Zivilrecht schwieriger sein: Meist haben die Ordinarien einen gewissen Überblick über die einschlägige Literatur; mein Chef hat wiederholt Plagiate in studentischen Arbeiten entdeckt, einfach weil ihm Formulierungen bekannt vorkamen.

Das Zitieren in Fußnoten selbst läuft im Allgemeinen recht spartanisch: Autor, Publikationstitel, Seite bzw. Randnummer; nähere bibliographische Angaben (vollst. Titel, Erscheinungsort [total anachronistisch] und -jahr) finden sich im Literaturverzeichnis. Bei bekannten Zeitschriften reicht auch die Abkürzung derselben mit Angabe des Jahrgangs, Webseiten (mag mein Chef gar nicht) müssen mit URL und Datum des Abrufs genannt werden; Gerichtsentscheidungen tauchen im Lit.-Verzeichnis überhaupt nicht auf. Meiner Erfahrung nach 'geht es so eben', wenn Formulierungen wörtlich übernommen werden, aber die Fußnote auf die Quelle verweist; nicht hübsch, natürlich, weil man eigentlich mit Gänsefüßchen arbeiten sollte, aber speziell bei allgemeinen Lehrsätzen oder Definitionen, die zum Teil aus der Rechtsprechung stammen, wird sowas durchaus schon mal toleriert. Bei studentischen Arbeiten ist man teilweise ja schon dankbar, wenn die Arbeiten an Texte in deutscher Sprache erinnern (man sieht da Dinge... ojemine).

Bei all dem mag sich die Frage stellen: Was ist eigentlich die wissenschaftliche Eigenleistung bei Diss und Habil? Also zunächst freut man sich, wenn es mal wieder einen netten Überblick über einen Diskussionsstand gibt. Dann ist auch (gerade für eine Diss) sehr hilfreich, wenn jemand namentlich in einer Habil so ziemlich jeden Aspekt eines Themas nennt, der relevant ist. Jemand, der sich wirklich in eine Materie eingearbeitet hat, kann vielleicht sogar ein neues Argument anführen, ansonsten ist eine eigene Stellungnahme immer gut zum Zitieren als "a.A.". Ein Kollege bearbeitet gerade eine Gesetzesnovelle, und wenn jemand vor ihm etwas zu dem Thema veröffentlicht, na, dann wird diese neue Diss eben in seiner Diss mit verwurstet - kein Ding.

In dem Lichte ist mir ehrlich gesagt auch ein bisschen rätselhaft, wie Plagiate überhaupt zustandekommen - meiner Wahrnehmung nach geht es gerade darum, zu zeigen, dass man die wissenschaftliche Diskussion kennt bzw. einigermaßen überblickt. Ideal scheint mir, wenn man möglichst wenig selbst als kreativer Kopf sichtbar wird (gefährlich), und sich möglichst wenig aus der Deckung wagt, indem man Dinge behauptet, die man nicht durch Äußerungen namentlich von Autoritäten belegen kann. Es gibt Leute, die dürfen Sachen 'einfach so' behaupten, aber das sind auch die Götter der Kunst.

Die juristische Ausbildung, energist hat es schon gesagt, ist zweigeteilt. Das fünfjährige Studium endet mit einem ersten Staatsexamen, nach einem zweijährigen Referendariat mit diversen Stationen kommt das zweite, das einem die Befähigung zum Richteramt, und damit auch die Befugnis, als Rechtsanwalt aufzutreten, einbringt. Detail: Das erste Examen ist eigentlich gar kein richtiger 'Abschluss', weshalb die Unis jedem ein Diplom ausstellen, der das erste Examen nachweisen kann. Putzig ist dabei, dass Anwälte damit Werbung machen, sie seien "Rechtsanwalt und Diplom-Jurist". Es wurde im kleinen Zimmer angedeutet, es sei ungewöhnlich, schon nach dem ersten Examen zu promovieren; das ist es ganz und gar nicht. Auch und namentlich deshalb, weil man durch die Lehrverpflichtung unglaublich viel über Dinge lernt, die später 'Kernmaterie' auch im Referendariat sind - ich saß während der Vorbereitung von Lehrveranstaltungen so manches Mal mit kaltem Grausen vor dem Rechner, als ich mit Entsetzen feststellte, dass ich etwas, ohne es zu bemerken, noch nicht richtig verstanden hatte. Nach dem 2. Examen an die Uni zurückzugehen, kann einen hingegen ein bisschen aus der Praxis herausreißen; außerdem ist die Lehre dann ein bisschen witzlos.

Causa Guttenberg? Juristen wird antrainiert, mit Normverstößen mit professioneller Coolness umzugehen, daher bin ich zu Empörung oder so unfähig. Mal gucken, was die Uni Bayreuth sagt. War das eine s.c.l.-Diss? Naja, meine Diss wird das nicht sein, aber ich promoviere ja auch nicht im Verfassungsrecht .

Gruß, fedchan

Leibniz Offline




Beiträge: 383

17.02.2011 15:32
#105 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von fedchan
Ideal scheint mir, wenn man möglichst wenig selbst als kreativer Kopf sichtbar wird (gefährlich), und sich möglichst wenig aus der Deckung wagt, indem man Dinge behauptet, die man nicht durch Äußerungen namentlich von Autoritäten belegen kann. Es gibt Leute, die dürfen Sachen 'einfach so' behaupten, aber das sind auch die Götter der Kunst.

Das mag ja zutreffen, aber ist das dann "wissenschaftliche" Diskussion oder "theologische" Diskussion?

fedchan Offline



Beiträge: 129

17.02.2011 15:39
#106 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat

Zitat
fedchan Ideal scheint mir, wenn man möglichst wenig selbst als kreativer Kopf sichtbar wird (gefährlich), und sich möglichst wenig aus der Deckung wagt, indem man Dinge behauptet, die man nicht durch Äußerungen namentlich von Autoritäten belegen kann. Es gibt Leute, die dürfen Sachen 'einfach so' behaupten, aber das sind auch die Götter der Kunst.


Leibniz Das mag ja zutreffen, aber ist das dann "wissenschaftliche" Diskussion oder "theologische" Diskussion?




Dass bestimmte Namen mehr Gewicht haben, dürfte es in vielen Wissenschaften geben. Als Beispiel fällt mir spontan die sog. "eminenzbasierte Medizin" (in Abgrenzung zur evidenzbasierten) ein. Natürlich sind auch die Argumente von Großen einer Diskussion zugänglich, aber es ist eben doch ein Unterschied, ob ein großer Name etwas meint, oder nur ein kleiner Doctorandus.

Gruß, fedchan.

Marriex Offline



Beiträge: 185

17.02.2011 15:39
#107 RE: Zimmerleute Antworten

Zwei.

john j Offline




Beiträge: 591

17.02.2011 15:40
#108 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

"Bei über 400 Seiten, fünf oder wie viele abgeschriebene Absätze, scheinen mir auch keine weiteren Konsequenzen zu rechtfertigen. Die Frage ist halt, kommt da noch mehr raus"

Ja das ist halt die Frage und so wie es aussieht kommt da noch mehr raus. Was zu erwarten war.

"Was zumindest als sicher gelten kann, die würden weiter in den Mülltonnen wühlen und es wäre eine Frage der Zeit, dass sie mit der nächsten Geschichte kommen."

Es ist mir nicht klar warum sie Guttenberg's Dissertation staendig als "Muelltonne" bezeichnen. Ein gewisser fauliger Geruch geht ja nun durchaus von dieser Arbeit aus aber "Muelltonne" geht dann doch zu weit. Zumal es eine "sehr gut" benotete "Muelltonne" waere.

"Die würden was Neues finden"

Oder was Altes. So wie die CDU als sie J Fischer mit 30 Jahre alten Geschichten in einen Untersuchungsausschuss luden. 'Warf er den Stein: a) in die Luft; b) auf den Boden; c) direkt in Richtung Polizisten oder d) irgendwie in Richting Polizisten?'

"Steinz" zu "Stein" korrigiert

Stefanie Offline



Beiträge: 606

17.02.2011 15:46
#109 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

"Oder was Altes. So wie die CDU als sie J Fischer mit 30 Jahre alten Geschichten in einen Untersuchungsausschuss luden. 'Warf er den Stein: a) in die Luft; b) auf den Boden; c) direkt in Richtung Polizisten oder d) irgendwie in Richting Polizisten?"

Fand ich ebenfalls albern. Jedem ist seine Vorgeschichte bekannt und die Fragestunde war reine Show.

C. Offline




Beiträge: 2.639

17.02.2011 15:53
#110 RE: Zimmerleute Antworten

Zitat von Stefanie
Also nicht, dass ich der Auffassung wäre, dass man nicht überprüfen muss, inwieweit er tatsächlich abgeschrieben hat, da ja ein Anfangsverdacht besteht, aber ich finde es irgendwie abstoßend, dass sich da jetzt eine Community bildet, die versucht alles zusammen zu tragen.



Es ist ein schönes Beispiel von Schwarmintelligenz, kreatives (Nach)Forschen im einem zufälligen Team, dass sich der Plagiatsforschung an einem bestimmten Beispiel widmet. Aus meiner Sicht eine sinnvolle Nutzung des Internets mit Zukunftspotential, dass sich nicht nur auf die Plagiatsforschung im Allgemeinen und auf ein bestimmtes Beispiel im Speziellen beschränken sollte. Ein schönes Anwendungsbeispiel wäre den Gedankengang von stefanolix aufzugreifen und in ähnlicher Weise zu bearbeiten.

Zitat von stefanolix
Etwas OT: Ich befasse mich momentan (allerdings wirklich nebenberuflich!) mit dem Begriff des Extremismus und mit den Einwänden linker Wissenschaftler gegen diesen Begriff. Es scheint mir da eine Art Zitierkartell zu geben und es werden zum Teil sehr leicht durchschaubare Argumente vorgebracht. Wenn sich andere Bewohner dieses Diskussionsforums schon mit diesem Thema befasst haben und eventuell Links oder Hintergrundinformationen zur Verfügung stehen, wäre ich für eine private Nachricht an stefanolix(at)gmx(dot)net dankbar. Mir geht es z.B. um die Rolle der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung

.

Auch steht eine Erwiderung auf die in interessierten Kreisen bejubelte "Widerlegung" von Sarrazins Thesen durch die heymat an.

Die Werkzeuge (google knol, google docs, wikio etc.) sind vorhanden, werden allerdings wenig genutzt, aber ich sehe hier eine sinnvolle Entwicklung des Internets und auch der wikipedia, die erhebliche Mängel bei bestimmten politisch interessanten Themenkreisen aufweist.


Zitat von Stefanie
Denn das klingt mir nicht nach, Aufklärung im Dienste der Wissenschaft.



Die Zuordnung von Primärquellen in einer Dissertation ist wissenschaftlich und das Nachholen von bisher Versäumten. Hierbei spielt die Intention keine Rolle und soweit ich ersehen kann, beteiligen sich dabei nicht nur Gegner Guttenbergs.

Ich möchte trotzdem noch etwas zur Verwirrung beitragen, zumal meine Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist. Guttenberg hat Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verletzt, in einer Art und Weise, die nicht unbewusst erfolgen konnte. Abstrus ist dabei lediglich, dass er die Anschuldigung "abstrus" nennt. Ich bin keine Professorin der Rechswissenschaft, ich kann nicht den wissenschaftlichen Wert seiner Dissertation beurteilen, die nach der Einschätzung seines honorigen Doktorvaters sehr hoch ist, nach Einschätung von Andreas Fischer-Lescano gering.
Inwieweit die Unterlassung der Quellenangaben bei teilweiser wörtlicher Widergabe sich auf das Gesamtwerk auswirkt, liegt völlig außerhalb meines Beurteilungsvermögens, zummal ich bisher nur Auszüge gelesen habe.

Aber die Regelverletzung kann ich bewerten, da ordnungsgemäßes Zitieren keine Unterschiede nach Fachgebiet kennt. Es geht um sauberes wissenschaftliches Arbeiten, wenn dabei keine Regeln eingehalten werden müssen, können wir "Wissenschaft" in die Tonne treten.
An dieser Stelle lehne ich mich weit zum Fenster heraus und behaupte elitär, dass Guttenberg keinen Dunst von Wissenschaft hat.

Andere Qualitäten möchte ich nicht in Frage stellen, vielleicht gehört zum politischen Erfolg der Regelverstoß. (Der Rechtswissenschaft möchte ich den gewollten Regelverstoß nicht unterstellen, auch wenn mich mein Gefühl gelegentlich dazu drängt, aber Gefühle sind nicht immer die besten Ratgeber.)

Die akademische Betrachtung würde eine akdemische bleiben, wenn es nicht um eine exponierte Gestalt der deutschen Politik handeln würde, die ihre derzeitige Laufbahn mit einem Doktortitel schmückt. Strahlt der Regelverstoß in der Wissenschaft auf seine Tätigkeit als Bundesverteidigungsmisnister und als "Lichtgestalt" der Regierungskoalition aus? Zumindest hat er eine Bedeutung bei der Charakterbewertung.

In seinem neuesten Essay schreibt Jakob Augstein in einem anderen Zusammenhang:

Zitat von Augstein
Gekonnte Verwaltung allein macht noch keine Zivilgesellschaft aus. Ohne ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit in der Politik gehen der Demokratie die Demokraten aus



Es ist an Guttenberg seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. "Abstrus" ist dabei "nicht hilfreich"*, da sollte er sich bedeutend mehr einfallen lassen. Natürlich gibt es viel schlimmere Finger in der Politik als ausgerechnet Guttenberg, aber diese stehen derzeit nicht derart exponiert im Zentrum des Interesses.

Während ich oben noch Augstein nickend zugestimmt habe, konterkariert er seine weisen Worte ein paar Sätze später mit folgendem Anwurf:

Zitat von Augstein
Die Tatsachenmenschen sind die Herrscher im Reich des Negativen. Sie erklären uns nur, was alles nicht möglich ist. Ihre Gesellschaft ist keine lebenswerte. Das meint Oskar Negt, wenn er sagt, es gebe Zeiten, in denen nur noch Utopien realistisch seien.



Zettels Raum mit dem angeschlossenen kleinem Zimmer zeichnet sich durch eine hohen Anteil an Tatsachenmenschen aus, die es als obszön empfinden, wenn Regelverstöße in der Wissenschaft Einzug halten und erklären, warum das nicht möglich sein darf.

Ich nehme allerdings zur Kenntnis, dass unsere Gesellschaft lebenswerter wäre, wenn über Verfehlungen und Unwahrheiten locker hinweggesehen würde. Glaubwürdigkeit entsteht durch präzise Aussagen, die überprüft werden können (Alberts 6. ehernes Logikgesetz) und nicht durch utopische Annahmen, auch wenn Augstein anderes suggeriert.

Nachtrag: *Quelle: Angela Merkel

http://www.iceagenow.com/

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

17.02.2011 16:20
#111 Bankrotterklärung Geisteswissenschaften Antworten

Zitat von Leibniz

Zitat von R.A.
[...] ich bin Historiker und Mathematiker - das sind beides Geisteswissenschaften.

Mathematik als Geisteswissenschaft zu bezeichnen ist eine etwas hilflose Klassifizierung aus dem letzten Jahrhundert. Siehe auch Wikipedia: Formalwissenschaft.





Für mich ist das Thema eigentlich peinlich für die Geisteswissenschaften: Da produziert jemand nebenberuflich 475 Seiten Text, 1200 Fussnoten um einen Dr. Titel zu bekommen. Den einzigen Titel, den man in Deutschland erlangen kann, der Adelstitel des Bildungsbürgertums. Und dann findet man ein paar Haare in der Suppe und ruft #Plagiat#: Vergessen sind die Dr. h.c. s der Politik, die das h.c. geflissentlich unter den Tisch fallen lassen, die Dr. MdBs mit weit dünneren Dissertationen oder windigen Themen. Einmal mehr der Eindruck, die Geisteswissenschaften sind hier der blose Titellieferant.

Ich finde es schade. Die Promotion ist Massenware, der Doktortitel aber nach wie vor DAS Glaubwürdigkeitsetikett in Deutschland, viele MdBs haben (irgend-)einen Titel. Fraglich, ob die Dr. MdBs wirklich der Wissenschaft gedient haben und einen harten Forschungs-Doktortitel mit wissenschaftlichem Mehrwert errungen haben. Und wenn man wem nicht mit Flugmeilen kommen kann, dann sucht man eben ein Haar im Doktortitel.

Traurig. Alles zusammen.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

17.02.2011 16:24
#112 RE: Zimmerleute Antworten

Zitat 'C.': "Strahlt der Regelverstoß in der Wissenschaft auf seine Tätigkeit als Bundesverteidigungsmisnister und als "Lichtgestalt" der Regierungskoalition aus?"

Rhetorischer lässt sich eine Frage kaum noch stellen.
Der karrierefördernde Teil der Dissertation ist gerade noch mal soviel wert wie der Pappehut bei der Promotionsfete.
Der wissenschaftliche Teil der Arbeit wird laut Zettel eh nur von Trüffelschweinen genossen.

Und der politische Teil? Was wird Merkel machen? Lässt sie zu, dass dieser weitere Verlust an Vertrauen in Politik und Politiker auch auf sie und die CDU zurückfällt? Das wird sicher dann passieren, wenn sie versuchen sollte, die Sache auszusitzen. Diese causa ist nicht mehr zu retten. Schlicht weil zu viele zu viel Hoffnung in G gesetzt haben, weil die Ent-täuschung zu groß ist.

Zitat 'C.': "Ich nehme allerdings zur Kenntnis, dass unsere Gesellschaft lebenswerter wäre, wenn über Verfehlungen und Unwahrheiten locker hinweggesehen würde."

Das entzieht sich jeder Pauschalisierung. Das kann nur in einer Einzelfallbetrachtung und -bewertung erfolgen.

notquite Offline



Beiträge: 506

17.02.2011 16:27
#113 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Der gute Herr Denkler mal wieder. Sucht nach "akademischen Schönfärbern" und finde reeeeeeeeeeeein zufällig nur 4 Fälle, die alle Mitglieder der CDU oder FDP sind. Was haben wir da gelacht ...

Er wirft den "regulären" Doktores vor, dass sie sich Themen ausgesucht haben, in denen sie sich schon vor der Dissertation auskannten - Themen zudem, die ihrer Parteikarriere nicht gerade geschadet haben. Der Klassiker ist ja Kohl, der meines Wissens die Arbeit an der Promotion zur Basisarbeit und zum Füllen seines Telefonbuchs genutzt hat. Nebenbei scheint er sehr schlecht informiert zu sein, sonst hätte er es sich wohl nicht entgehen lassen, die vom Spiegel immer wieder gerne genannte Promotionsnote des Dr. Helmuth K. zu nennen.

Das ist do dumm, dass man wirklich schon lachen muss ... Gab es da nicht mal einen prominenten Politiker der Grünen, der über die Gründungsgeschichte seiner Partei promoviert hat? Einen prominenten Rechtspolitiker der SPD, der über ein parlamentarisches Gremium promoviert hat, dessen Mitglied er war? Die Liste lässt sich sicher beliebig fortsetzen. Aber wo kein CDU/FDP, da kein Vergehen. So ein Typ wie Denkler hat wirklich unser Mitleid verdient.

http://www.sueddeutsche.de/politik/dokto...erber-1.1061445

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.02.2011 16:57
#114 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von notquite
Er wirft den "regulären" Doktores vor, dass sie sich Themen ausgesucht haben, in denen sie sich schon vor der Dissertation auskannten


Das Neue Süddeutschland würde wohl eher Themen empfehlen, in denen sich die Betreffenden auch nach der Dissertation nicht auskennen

Ansonsten ist das wirklich ein erbärmliches Stück Kampagnenjournalismus. Alleine schon die Einleitung des Westerwelle-Abschnitts:
"Bislang besteht kein Zweifel, dass Außenminister Guido Westerwelle seinen Doktortitel rechtmäßig erworben hat."
Betonung auf "bislang". Nach dem Motto: Den kriegen wir auch noch.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

17.02.2011 17:06
#115 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von notquite
So ein Typ wie Denkler hat wirklich unser Mitleid verdient.

Ich finde diese Bezeichnung ".. ein Typ wie .." sehr unschön.

Zitat von notquite
Sucht nach "akademischen Schönfärbern" und finde [..] zufällig nur 4 Fälle, die alle Mitglieder der CDU oder FDP sind. Gab es da nicht mal einen prominenten Politiker der Grünen, [..] einen prominenten Rechtspolitiker der SPD [..] Die Liste lässt sich sicher beliebig fortsetzen. Aber wo kein CDU/FDP, da kein Vergehen.

Wie so oft ist dieses gegenseitige Aufrechnen witzlos. Überlegenswerter erscheint mir die Bemerkung der Professorin Weber-Wulff (zitiert nach bernerzeitung.ch):

Zitat
"Die Leute wollen gerne ihre Titel haben. Das hat in der Politik und in der Wirtschaft aber nichts zu suchen, sondern ist nur für die Wissenschaft wichtig - als erste eigenständige wissenschaftliche Arbeit. Wir müssen davon wegkommen, dass der Doktor gesellschaftlich relevant ist."

notquite Offline



Beiträge: 506

17.02.2011 17:25
#116 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Ich kann die Formulierung "... ein Typ wie ..." gerne durch "ein parteiischer Hetzer" ersetzen. Das ist ja ohnehin präziser.

Was die Fälle Vollmer und Wiefelspütz angeht: Es ging mir da überhaupt nicht ums Aufrechnen. Das sollte eigentlich nur zeigen, wie schlecht informiert oder bewusst blind Denkler auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist. Vollmer/Wiefelspütz/Schröder/Westerwelle/Kohl: Das Phänomen ist eins zu eins identisch. Dass er nur die eine Hälfte erwähnt, kann daher nur mangelhafte Recherchefähigkeit oder höchst selektive Aufbereitung sein. Mit gutem Journalismus hat beides nichts zu tun.

Leibniz Offline




Beiträge: 383

17.02.2011 17:35
#117 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von notquite
Dass er nur die eine Hälfte erwähnt, kann daher nur mangelhafte Recherchefähigkeit oder höchst selektive Aufbereitung sein. Mit gutem Journalismus hat beides nichts zu tun.

Sicher. Nur wer um alles in der Welt hat das je behauptet?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.02.2011 17:49
#118 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von Leibniz
Überlegenswerter erscheint mir die Bemerkung der Professorin Weber-Wulff

Zitat
"Die Leute wollen gerne ihre Titel haben.



Richtig.
Und das ist auch völlig legitim.
WENN man irgendwelche Titel vergibt, DANN ist es doch auch sinnvoll, daß die Leute den Titel auch haben wollen.
Man kann ja gerne darüber diskutieren, ob Titel überhaupt sinnvoll sind - aber das wäre eine ganz andere Diskussion.

Zitat
Das hat in der Politik und in der Wirtschaft aber nichts zu suchen, sondern ist nur für die Wissenschaft wichtig


Das sehe ich nicht.
Es ist eher umgekehrt: Gerade in der Wissenschaft ist der Titel relativ nebensächlich, weil die Qualität eines Forschers an vielen anderen Faktoren ständig gemessen werden kann. Was man schon daran gut sehen kann, daß Akademiker untereinander ihre Titel fast nie verwenden - die sind de facto nur relevant zur Status-Abgrenzung gegenüber dem Fußvolk.
Außerhalb der Wissenschaft ist es dagegen eher mal interessant zu sehen, daß jemand ein gutes Stück mehr wissenschaftliche Vorbildung und Leistung als im Schnitt üblich.

Wohlgemerkt: Dies aller unter der Prämisse, daß man Titel überhaupt für sinnvoll hält. Daß die nämlich nur begrenzte Aussagekraft haben, sollte man nicht vergessen.

Zitat
... als erste eigenständige wissenschaftliche Arbeit.


Das sollte normalerweise schon die Diplomarbeit sein. Und ansonsten hat die erste Arbeit für die wissenschaftliche Laufbahn auch nicht viel mehr Gewicht als die späteren. Die Promotion ist halt nach Abitur, Bachelor, Master/Diplom usw. ein weiterer Prüfungsabschnitt. Und wenn es wirklich nur um die Wissenschaft geht, ist sie nicht viel wichtiger als die anderen - erst mit der Habilitation ist man wirklich im Olymp angekommen.

Zitat
Wir müssen davon wegkommen, dass der Doktor gesellschaftlich relevant ist


Und warum müssen wir das?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.02.2011 17:51
#119 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von Leibniz

Zitat von notquite
Mit gutem Journalismus hat beides nichts zu tun.

Sicher. Nur wer um alles in der Welt hat das je behauptet?



Nach landläufiger Meinung gehört die SZ zu den "Leitmedien" in Deutschland und garantiert guten Journalismus (oft in einem Gegensatz zu den schmuddeligen Online-Diensten gesehen ...).

Da ist es schon angebracht immer wieder Beispiele zu bringen, daß es sich inzwischen längst um ein Propagandablatt mäßiger Qualität handelt.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

17.02.2011 18:06
#120 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von notquite
Der gute Herr Denkler mal wieder. Sucht nach "akademischen Schönfärbern"

http://www.sueddeutsche.de/politik/dokto...erber-1.1061445



Es gehört bei CDU-CSU-FDP Berufspolitikern zum guten Ton, einen Dr. zu haben und bei Rot-grünen Berufspolitikern muss es die Castorblockade, das Lehramt und 14 Semester Uni incl gerade-so Latinum sein. Jedem Milleau seine Erkennungsmerkmale, die der Berufspolitiker irgendwie erfüllen muss.

john j Offline




Beiträge: 591

17.02.2011 18:31
#121 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Bester Dagny,

und offenbar gehoert es zum 'Erkennungsmerkmal' des naturwissenschaftlichen Doktoranden (ihrer eigenen Erklaerung nach) Worte wie 'Milieu' konsequent falsch zu schreiben.

Werden ihnen ihre staendigen Pauschalisierungen nicht langsam selber peinlich? Don't answer that...

meyer Offline



Beiträge: 29

17.02.2011 19:24
#122 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Ich habe mir ein paar der kopierten Stellen angeguckt, bei faz.net gibt es eine schöne Zusammenstellung. Und ich hatte beim durchklicken einen akuten Fall von Fremdschämen. Ich bin gespannt, was die zuständigen Stellen an seiner Universität sagen, aber für mich ist etwas unklar, wie er das sinnvoll erklären will. Die Einleitung (!!!) seiner Arbeit mit einem solch dreisten Plagiat zu beginnen, das ist schon bemerkenswert.

Ich halte eine solche Abschreiberei einfach für zutiefst unkollegial und respektlos gegenüber denjenigen, bei denen abgepinnt wurde. Mir ist das ein paar Mal passiert, dass Leute aus gedruckten Texten von mir abgeschrieben haben ohne jede Quellennennung (in einem besonders dreisten Fall wurden sogar falsch gesetzte Kommata aus meinem Text übernommen) - und in jedem Fall habe ich danach den beruflichen Kontakt zu diesen Menschen auf das absolut notwendige Minimum reduziert.

So eine Form von Abschreiberei ist Ausdruck von Charakterlosigkeit, für mich hat sich der Mann disqualifiziert. Ein Rücktritt ist meiner Meinung nach notwendig.

Seine Vorliebe für die scheußliche Band AC/DC hätte uns vor Jahren schon misstrauisch machen müssen.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

17.02.2011 19:38
#123 RE: Zimmerleute Antworten

Dann möchte ich mich wenigstens outen als studierter Germanist (durch Forschungs- und Lehrtätigkeit mit Schwerpunkt auf Sprachgeschichte des Deutschen und Literatur des Mittelalters) und Historiker (mit Schwerpunkten in Mittelalter und Früher Neuzeit) und mit einer Dissertation aus dem Überschneidungsbereich von lateinischer und deutscher mittelalterlicher Literatur, Theologie und ein wenig Kunstgeschichte. Damit kann ich ein wenig die manchmal geschmähten Geisteswissenschaften vertreten.
Gruß aus z.Zt. Tel Aviv!

C. Offline




Beiträge: 2.639

17.02.2011 19:45
#124 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von meyer

Seine Vorliebe für die scheußliche Band AC/DC hätte uns vor Jahren schon misstrauisch machen müssen.



Vermutlich hat er sich von Dirty Deeds Done Cheap inspirieren lassen:

Zitat von AC/DC
If you're havin' trouble with your high school head
He's givin' you the blues
You wanna graduate but not in 'is bed
Here's what you gotta do -

http://www.iceagenow.com/

Leibniz Offline




Beiträge: 383

17.02.2011 19:57
#125 RE: Zettels Meckerecke: Guttenbergs Diss Antworten

Zitat von meyer
Seine Vorliebe für die scheußliche Band AC/DC hätte uns vor Jahren schon misstrauisch machen müssen.


Und auch sein Großvater hat ihn gewarnt: Karl Theodors Warnung

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