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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.10.2013 08:49
#101 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #100
Ich fürchte, es ist mir nicht gegeben, hier einen mehr als marginalen Unterschied zu erkennen. Meine Schuld .

In beiden Fällen (die landwirschaftliche Enteignungswelle in der DDR ab 1949 wurde ja nicht nur an Regimekritikern vorgenommen!?) wird Enteignung No. 2 mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen Enteignung No. 1 in der Vergangenheit begründet und gerechtfertigt. Und in beiden Fallen hat der Staat nicht im Traum daran gedacht hat, die annektierten Ländereien und Besitztümer den vormals enteigneten Eigentümern zurück zu geben. Es wurde behalten oder für teuer Geld an neue Eigentümer verkauft.

Herzliche Grüße,
Andreas


Der Bezug auf die Enteignung von Land in der DDR war in den ursprünglichen Kommentar nicht erkennbar. Es gab in der DDR mehrere Phasen der Enteignung und Zwangskollektivierung.

Der Vorwand für die ersten Enteignungen in der DDR war vor allem die generelle »Schuld« der Grundeigentümer am NS-Regime und an den beiden Weltkriegen. In der Folge wurden auch Grundeigentümer enteignet, die sich am Widerstand gegen Adolf Hitler beteiligt hatten bzw. die nie mit dem NS-Regime verbunden waren. Allein schon deshalb kann die Enteignung nicht rechtmäßig gewesen sein. Sie hätte nur NS-Verbrecher betreffen dürfen.

Grundsätzlich sehe ich das in der DDR enteignete und zwangskollektivierte Eigentum als Privateigentum und somit die Enteignung als Unrecht. Das Anfang des 19. Jahrhunderts enteignete Kircheneigentum sehe ich aber aus den oben genannten Gründen eher als Kollektiveigentum und nicht als Privateigentum.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.10.2013 09:20
#102 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #101
Grundsätzlich sehe ich das in der DDR enteignete und zwangskollektivierte Eigentum als Privateigentum und somit die Enteignung als Unrecht. Das Anfang des 19. Jahrhunderts enteignete Kircheneigentum sehe ich aber aus den oben genannten Gründen eher als Kollektiveigentum und nicht als Privateigentum.




Und Verträge sind auch nicht mehr einzuhalten? Es darf ja jeder was 'sehen', auch Historie in seinem Sinne hininterpretieren, aber gelegentlich habe ich den Eindruck, dass manche Diskussion mit Gewalt am Laufen gehalten wird. Irgendwo sollte ja die Realität ein bisschen als solche akzeptiert werden. Man kann ja mal zuwarten, bis historisch gewachsene Ansprüche einkassiert und der deutschen Muslimbruderschaft zur Verfügung gestellt werden. Bis dahin gelten nun mal die bestehenden Verträge.

Gruß, Martin



Gruß, Martin

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.10.2013 10:10
#103 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #102
Und Verträge sind auch nicht mehr einzuhalten? Es darf ja jeder was 'sehen', auch Historie in seinem Sinne hininterpretieren, aber gelegentlich habe ich den Eindruck, dass manche Diskussion mit Gewalt am Laufen gehalten wird. Irgendwo sollte ja die Realität ein bisschen als solche akzeptiert werden. Man kann ja mal zuwarten, bis historisch gewachsene Ansprüche einkassiert und der deutschen Muslimbruderschaft zur Verfügung gestellt werden. Bis dahin gelten nun mal die bestehenden Verträge.


Die Verträge können im beiderseitigen Einvernehmen geändert werden. Mein Vorschlag war: Der Staat gibt den Kirchen genügend Kapital, damit sie die Gehälter der Geistlichen selbst erwirtschaften können. Auch das Einziehen der Kirchensteuer sollten die Kirchen selbst übernehmen. Staat und Kirche sind noch viel zu eng miteinander verbunden.


Frondienste zugunsten der bischöflichen Vermögen, Zwangsabgaben zugunsten der Katholischen Kirche und zwangsweise Einziehung der Vermögen von Andersdenkenden durch die Katholische Kirche sind im Übrigen keine »Interpretationen«, sondern Tatsachen …

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 10:55
#104 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #97
Wie ist denn das Vermögen der Kirche in den Jahrhunderten bis zur Enteignung so stark gewachsen? Zweifellos auch auf der Grundlage von Zwangsabgaben, durch Frondienste, durch das Einziehen von Vermögenswerten in der Zeit der Inquisition und durch militärische Konflikte.

"Auch" ist richtig. Aber der größere Teil des Kirchenvermögens wurde aus freiwilligen Schenkungen gebildet, und aus eigener Arbeitsleistung (der Mönche).

Zwangsabgaben und Frondienste müßte man genauer auseinandernehmen. In der Regel waren das entweder Steuerähnliche Leistungen für definierte quasi-staatliche Dienste - die Kleriker haben ja teilweise hoheitliche Aufgaben übernommen. Andere Dienste waren übliche Gegenleistung z. B. für Landüberlassung, also eine Art Miete.
Inquisition und militärische Konflikte spielen eine Nebenrolle, letztere haben meist eher kirchliches Vermögen vernichtet.

Zitat
Bei den ersten drei Punkten sollte klar sein, dass das Volk ganz entscheidend am Wachstum des Vermögens beteiligt war.


Aber nicht unbedingt in dem Sinne, daß es Anspruch auf Rückerstattung hätte (der Vergleich zur Rolle des Kapitalisten wurde ja schon gebracht).
Es ist ja auch nicht so, daß man heute Nachkommen des niederen Adels enteignen würde, weil ihre Vorfahren irgendwann einmal von Frondiensten profitiert haben.

Wobei ich Dir grundsätzlich zustimme, daß die Säkularisationen angemessen und richtig waren. Aber dann eher mit der damaligen Begründung, daß die Stiftungen (als eben Hauptquelle des kirchlichen Reichtums) meist einen karitativen oder gemeinnützigen Hintergrund gehabt hätten und daß die Kirche diesen nur noch unzulänglich erfüllen würde.
Die enteigneten Fürsten haben ja auch meist recht korrekt das ehemalige Kirchenvermögen benutzt, um Bildungs- und Sozialeinrichtungen zu etablieren.

Und dann haben wir noch einen anderen Teil des säkularisierten Kirchenbesitzes, und das war das Lehnsgut der Kirchenfürsten in ihrer Eigenschaft als Vasallen des Kaisers. Dieser Teil war im Prinzip immer nur staatliche Leihgabe, die Säkularisation war hier gar nicht Enteignung, sondern nur Rückforderung.

Llarian Offline



Beiträge: 7.121

15.10.2013 10:58
#105 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #95
Ich rede von echten Subventionen, beispielsweise der Übernahme von Gehältern zahlreicher Geistlicher, Zuschüssen zu Kirchenbauten (ja, zu den religiösen, sakralen Dingern, nicht zu Sozialeinrichtungen oder Pflegeheimen) und zu ihrem Unterhalt. Das sind alles Zuschüsse für explizit und teilweise primär bis ausschließlich religiösen Nutzen, als Aspekten, die nur für Gläubige einen Wert haben (außer vielleicht im Einzelfall künstlerischem Wert, aber das ist nicht der Grund für die öffentliche Förderung)

Ich würde Ihnen zustimmen, allerdings wird das durch das von Florian weiter oben Ausgeführte doch nicht nur ein bischen relativiert. Unabhängig davon würde ich daraus die Lehre ziehen Staat und Kirche zu entflechten und nicht dem Staat einen Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zuzubilligen.

Zitat
Von den tatsächlich karitativen Einrichtungen trägt der Staat natürlich auch der Großteil bzw. die finanzieren sich zu 70-90% so wie gemeindliche Einrichtungen der selben Art - dafür beansprucht die Religionsgemeinschaften aber einen exklusiven Einfluss und eine autonome Verfügungs- und Entscheidungsbefugnis über die Einrichtungen, wie sie sonst kein privater Träger irgend einer Einrichtung hätte.


Was wohl nicht zuletzt der Grund dafür ist, dass die meisten kirchlichen Einrichtungen besser funktionieren als "rein private" (so es die überhaupt gibt) Träger. Ich glaube wir machen als Gesellschaft kein schlechtes Geschäft mit den kirchlichen Trägern, das ist aber meine persönliche Meinung. Ich kann die Forderung nachvollziehen das vollständig zu entflechten. Ich glaube nur das es in der Folge nicht besser werden wird.

Zitat
Selbst wenn die Einrichtung zu 100% privat getragen und finanziert wäre, ohne einen Cent öffentliche Zuschüsse, so würde der Staat ihnen immer noch, insbesondere mit arbeitsrechtlichen Vorschriften, mehr reinreden als der Kirche.


Also mal einfach in die Tüte gesprochen: So weit ist es mit dem Kirchenprivileg nicht her. Auch die Kirche kann Leute nicht ohne Gründe rausschmeissen oder eine Abfindung einsparen oder keine Krankenkasse bezahlen. Die Privilegien sind recht übersichtlich und nebenbei gesprochen in Ländern mit einem freien Arbeitsmarkt eher Selbstverständlichkeiten, die man nur in Deutschland "normalen" Arbeitgebern verweigert. Ich kann jedenfalls aus diesen "Privilegien" absolut nix herleiten.

Zitat
In der Familie, ja. Auch dort aber nicht mit beliebigen, eigenen Rechtsformen.


Ich meinte nichtmal eine Familie, sondern schlicht ihre eigenen vier Wände, sei es in Form einer WG oder auch wenn sie alleine wohnen. Niemand redet Ihnen rein. Und natürlich ist das nicht beliebig, sie können niemanden mit Gewalt maßregeln. Das kann die Kirche aber auch nicht. Die Unterschiede bestehen in der Größe, kaum in der Qualität.

Zitat
Und wenn ich selber an Unicef nichts gespendet habe, aber von einem entsprechenden Skandal höre, darf (**) ich da nicht andere warnen, es sich zumindest zu überlegen und sich vorher zu informieren, vielleicht auch herausstellen was aus meiner Sicht an der offizellen Erklärung oder Rechtfertigung (mich) nicht überzeugt?
[...]
(**) "dürfen" nicht unbedingt im juristischen, sondern auch im moralischen Sinne.


Wie gesagt, natürlich düfen Sie. Sie werden sich nur irgendwann in sehr unangenehmer Gesellschaft wiederfinden, denn Moralin hat nicht die Eigenschaft vor einem bestimmten Geschäftsmodell halt zu machen. Sie dürfen mit der selben Argumentation auch vor der deutschen Bank (Stichwort Ackermann) warnen, die deutsche Presse ist da ja nicht allzu verhalten. Sie dürfen auch davor warnen, wenn ein Vorsitzender von Volkswagen ein Millionengehalt bekommt, statt die Autos billiger zu machen. Sie dürfen davor warnen, dass Bill Gates auf einem Milliardenvermögen sitzt, dessen Verteilung durch eine Stiftung keinerlei Kontrolle durch den Staat unterliegt. Sie dürfen all das tun. Aber all das hat einen sauren Geschmack.
Egal was Sie tun, wie Sie es tun, oder was Sie bewirken, es wird immer (!) jemanden geben, der Ihnen sagen wird, wie Sie mehr tun können, was Sie falsch machen und wie Sie überhaupt das ganze falsch angehen. Immer. Die ganze Welt ist voller Experten was Sie mit ihrem Geld tun sollten. Und immer haben diese Experten die Moral dabei. Der Unterschied zwischen Ihnen und mir auf der einen und einer Organisation wie der Kirche auf der anderen, besteht vor allem in dem Level. Wir sind zu uninteressant. Aber wenn Sie eine Milliarde haben oder auch zehn, dann haben Sie gleichzeitig 50 Schreiberlinge an der Backe, die Ihnen erzählen was Sie mit ihrem (!) Geld tun sollen. Und dabei ist es auch relativ wurst, ob die Organisation Spenden einsammelt oder nicht (was bei der Kirche nur am Rande der Fall ist). Entscheidend ist, dass es da um viel Geld geht. Glauben Sie ernsthaft, dass auch nur ein Viertel der Schreiberlinge, die sich da derzeit öffentlich kaum einkriegt, Mitglieder der katholischen Kirche sind ? Oder glauben, dass Sie Katholiken darüber informieren müssen, wie die Kirche ihr Geld ausgibt ? Ich kann verstehen, wenn Kirchenmitglieder sich aufregen, auch gerade die Oberen, die hier (eventuell) betuppt worden sind, aber die berühmte Kaste der selbsternannten "Kirchenkritiker" besteht in aller Regel aus Leuten, die spätestens dann ausgetreten sind, als sie das erste mal echte Kirchensteuer hätten bezahlen müssen. Ich kenne so viele Leute, die sich stundenlang über die Kirche mokieren können, aber nie einen Pfennig bezahlt haben. Und das finde ich schal.

Vielleicht etwas persönliches dazu: Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche (noch, kann sich bald ändern, hat aber andere Gründe). Und ich bin bewusster Kirchensteuerzahler. Der ganze spirituelle Mummenschanz interessiert mich seit nahezu 20 Jahren nicht mehr, da bin ich drüber und ich habe auch die letzten 20 Jahre weniger als zehnmal einen Tempel betreten. Und dennoch zahle ich ganz bewusst Kirchensteuer. Weil ich sehe was die Kirche damit bewirkt. Ich halte die Kirche für einen zentralen Kitt unserer Gesellschaft und ich sehe, dass unsere Gesellschaft da, wo die Kirche schwächer wird, auch schwächer wird. Ich finde es von zentraler, absolut zentraler Bedeutung, dass die Kirche Seelsorger unterhält, die für jeden da sind, wenn er nur verzweifelt genug ist, dorthin zu gehen. Ob die Kirche Geld verschwendet ? Ja, vermutlich. Das tut jede grosse Organisation. Aber die Kirche erfüllt ihren Auftrag. Und deswegen finanziere ich sie ganz bewusst, auch wenn ich selber keinen Bedarf für ihren Service habe. Mir ist die Wirkung wichtig, die die Kirche entfaltet, wie sie intern mit ihrem Geld umgeht interessiert mich nur am Rande. Würde die Kirche ihre Wirkung verfehlen, würde ich sie nicht finanzieren (das ist, wie oben angedeutet, mein Problem mit der evangelischen Kirche, die zunehmend Probleme in dieser Richtung hat). Ich finde, ich hätte ein Recht mich aufzuregen, denn ich zahle den Verein. Ich tus aber nicht. Umso absurder ist es, wenn sich Leute aufregen, die nichtmal zahlen. Mir geht dann immer durch den Kopf: "Macht Ihr erstmal was besseres. Dann können wir uns nochmal unterhalten."

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 11:06
#106 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #95
Sobald es aber in der Bereich privater Organisationen (und damit meine ich jetzt nicht die Familie, sondern Vereine, Unternehmen, etc.) geht, da bin ich plötzlich ganz streng an die mir vom weltlichen Recht vorgegebenen Rechtsformen gebunden ...

Eigentlich nicht!
Man kann weitgehend problemlos sowohl private als auch unternehmerische Tätigkeiten in eigenen Rechtsformen organisieren - das wäre dann jeweils eine GbR. Für die es kaum staatliche Vorgaben gibt.

Die Nutzung vom Staat definierter Rechtsformen wie "eingetragener Verein" oder "GmbH" ist nicht zwingend vorgeschrieben, sondern nur Option, um die damit verbundene Rechtsklarheit für Dritte oder staatliche Vergünstigungen zu nutzen.

Nur anekdotisch: Ich bin Vorsitzender einer privaten Gruppe, die nicht als Verein organisiert ist, sondern als "großherzoglich privilegierte Gesellschaft". Einige unserer internen Vorschriften entsprechen auch nicht dem Vereinsrecht.
Aber das Innenministerium ist als Rechtsnachfolger der Großherzogs für die Aufsicht zuständig und muß alle paar Jahre unsere Meldungen zu den Akten nehmen - was den jeweiligen Beamten meist in völlige Konfusion stürzt ;-)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 11:09
#107 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #105
Und dennoch zahle ich ganz bewusst Kirchensteuer. Weil ich sehe was die Kirche damit bewirkt. Ich halte die Kirche für einen zentralen Kitt unserer Gesellschaft und ich sehe, dass unsere Gesellschaft da, wo die Kirche schwächer wird, auch schwächer wird. Ich finde es von zentraler, absolut zentraler Bedeutung, dass die Kirche Seelsorger unterhält, die für jeden da sind, wenn er nur verzweifelt genug ist, dorthin zu gehen. Ob die Kirche Geld verschwendet ? Ja, vermutlich. Das tut jede grosse Organisation. Aber die Kirche erfüllt ihren Auftrag. Und deswegen finanziere ich sie ganz bewusst, auch wenn ich selber keinen Bedarf für ihren Service habe.

Hervorragend formuliert, genauso sehe (und mache) ich das auch.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

15.10.2013 11:26
#108 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Super Kommentar von Alexander Kissler beim Cicero:

Zitat von Kissler
Wie immer stellen sich mindestens zwei Fragen: Welche wichtigen Themen werden in den Hintergrund gespielt, damit die Provinzposse das Volk beschäftigt? Was bereitet sich vor, während diese hysterisch aufgeblasene „Borgia“-Story aufgetischt wird? Dräuen neue Rettungspakete, neue Abhörmaßnahmen, neue Waffenlieferungen? Und Zweitens: Mit wem hat es sich der jetzige Bischof so gründlich verscherzt? Bekanntlich wurde die zeitgleiche Sanierung des Bischöflichen Ordinariats im Bistum Rottenburg-Stuttgart, die stolze 39 Millionen Euro verschlang, kaum thematisiert.


Lesenswert und alles gesagt.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.10.2013 11:28
#109 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #107
Zitat von Llarian im Beitrag #105
Und dennoch zahle ich ganz bewusst Kirchensteuer. Weil ich sehe was die Kirche damit bewirkt. Ich halte die Kirche für einen zentralen Kitt unserer Gesellschaft und ich sehe, dass unsere Gesellschaft da, wo die Kirche schwächer wird, auch schwächer wird. Ich finde es von zentraler, absolut zentraler Bedeutung, dass die Kirche Seelsorger unterhält, die für jeden da sind, wenn er nur verzweifelt genug ist, dorthin zu gehen. Ob die Kirche Geld verschwendet ? Ja, vermutlich. Das tut jede grosse Organisation. Aber die Kirche erfüllt ihren Auftrag. Und deswegen finanziere ich sie ganz bewusst, auch wenn ich selber keinen Bedarf für ihren Service habe.

Hervorragend formuliert, genauso sehe (und mache) ich das auch.


Ich tue es (in der Evangelischen Kirche) auch, trotz aller Bedenken. Was mich aber nicht davon abhält, über bessere Formen der Trennung von Staat und Kirche nachzudenken.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 11:39
#110 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #108

Zitat von Kissler
Welche wichtigen Themen werden in den Hintergrund gespielt, damit die Provinzposse das Volk beschäftigt? Was bereitet sich vor, während diese hysterisch aufgeblasene „Borgia“-Story aufgetischt wird?


Von solchen Verschwörungstheorien halte ich überhaupt nichts.

Die Limburger Affäre ist vom Nachrichtenwert einfach optimal: Ein unsympathischer Bösewicht, interner Streit in einer wichtigen und angesehenen Institution, kriminelle Machenschaften, Bedienung von Neidreflexen, immer wieder neue Enthüllungen ...
Ich warte eigentlich täglich, daß noch irgendetwas mit Sex dazukommt - dann wäre der Skandal aus Mediensicht perfekt.

Es ist geradezu Pflicht von Journalisten, darüber ausführlich zu berichten - bei ihren Lesern gibt es dafür eine hohe Nachfrage.

Daß sie dabei auch noch ihre antiklerikalen Reflexe bedienen können, ist nur ein Sahnehäubchen. Bei einer so attraktiven Mischung würden sie auch ihre geliebten Grünen in die Pfanne hauen.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

15.10.2013 11:54
#111 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #110
Von solchen Verschwörungstheorien halte ich überhaupt nichts.

Eine Verschwörungstheorie wird von Kissler ja nun auch nicht gerade aufgebaut. Klar ist das Ding ein gefundenes Medienfressen mit allen Ingredenzien die du anführst, aber hier hat Kissler eben auch Recht:

Zitat von Kissler
Unverhältnismäßig aber ist die konzertierte Aktion der innerkirchlichen und der antikirchlichen Kritiker, dies- und jenseits der Medien. Die einen wollen das Laissez-faire des Vorgängers zurück, der den guten Onkel einer Rätekirche gab – mit hohen Austrittszahlen übrigens und implodiertem Priesternachwuchs. Die anderen sehen in der Kirche einen Faktor, der stört und deshalb nicht auffallen soll. Sie wünschen sich eine Blech- und Spucknapf-Kirche, die in Betonbunkern ihr Dasein fristet, gramgebeugt, kleinlaut, diesseitsfixiert.



Beste Grüße, Calimero

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 12:01
#112 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #111
Eine Verschwörungstheorie wird von Kissler ja nun auch nicht gerade aufgebaut.

Würde ich schon so lesen.
Er schreibt:

Zitat
Welche wichtigen Themen werden in den Hintergrund gespielt


und

Zitat
Dräuen neue Rettungspakete, neue Abhörmaßnahmen, neue Waffenlieferungen?



Damit will er sagen: Die Journalisten berichten deswegen so ausführlich über Limburg, um von den eigentlich wichtigen Themen abzulenken.
Das ist für mich falsch und eine Verschwörungstheorie.

In den weiteren Ausführungen kann ich wieder zustimmen. Die taktische Allianz der innerkirchlichen Kritiker mit den Antiklerikalen ist augenfällig.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

15.10.2013 12:07
#113 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #112
Würde ich schon so lesen.

Okay, das lese ich nun wieder nur als stilistisches Mittel, nicht als ernstgemeinte Fragen. Es steht ja auch kein Versuch von Antworten darauf im Text.

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Reisender ( gelöscht )
Beiträge:

15.10.2013 12:17
#114 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #105

Ich halte die Kirche für einen zentralen Kitt unserer Gesellschaft und ich sehe, dass unsere Gesellschaft da, wo die Kirche schwächer wird, auch schwächer wird.

Ich finde es von zentraler, absolut zentraler Bedeutung, dass die Kirche Seelsorger unterhält, die für jeden da sind, wenn er nur verzweifelt genug ist, dorthin zu gehen.

Aber die Kirche erfüllt ihren Auftrag. ...Mir ist die Wirkung wichtig, die die Kirche entfaltet,



Ich weiß, vermutlich ot, aber trotz dem: Welchen Auftrag (außer Seelsorge für einen beschränkten Kreis Interessierter) und welche Wirkung hat die (Katholische) Kirche, dass sie zum Kitt für unsere Gesellschaft wird?

Die Frage ist ernst gemeint, ohne Ironie etc.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

15.10.2013 12:44
#115 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #106
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #95
Sobald es aber in der Bereich privater Organisationen (und damit meine ich jetzt nicht die Familie, sondern Vereine, Unternehmen, etc.) geht, da bin ich plötzlich ganz streng an die mir vom weltlichen Recht vorgegebenen Rechtsformen gebunden ...

Eigentlich nicht!
Man kann weitgehend problemlos sowohl private als auch unternehmerische Tätigkeiten in eigenen Rechtsformen organisieren - das wäre dann jeweils eine GbR. Für die es kaum staatliche Vorgaben gibt.

Die Nutzung vom Staat definierter Rechtsformen wie "eingetragener Verein" oder "GmbH" ist nicht zwingend vorgeschrieben, sondern nur Option, um die damit verbundene Rechtsklarheit für Dritte oder staatliche Vergünstigungen zu nutzen.

Nur anekdotisch: Ich bin Vorsitzender einer privaten Gruppe, die nicht als Verein organisiert ist, sondern als "großherzoglich privilegierte Gesellschaft". Einige unserer internen Vorschriften entsprechen auch nicht dem Vereinsrecht.
Aber das Innenministerium ist als Rechtsnachfolger der Großherzogs für die Aufsicht zuständig und muß alle paar Jahre unsere Meldungen zu den Akten nehmen - was den jeweiligen Beamten meist in völlige Konfusion stürzt ;-)



Das nennt sich altrechtlicher Verein und gilt nur für historische Relikte ;-) Die haben Bestandsschutz. Habe ich auch nichts gegen.

Natürlich könnten sie darunter auch die Kirchen fallen lassen...

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Florian Offline



Beiträge: 3.180

15.10.2013 13:24
#116 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #114

Ich weiß, vermutlich ot, aber trotz dem: Welchen Auftrag (außer Seelsorge für einen beschränkten Kreis Interessierter) und welche Wirkung hat die (Katholische) Kirche, dass sie zum Kitt für unsere Gesellschaft wird?

Die Frage ist ernst gemeint, ohne Ironie etc.


Hier einmal ein Beispiel einer Kirchenzeitung:

http://pfarreien-weilheim.de/wp-content/...VERBO-05-13.pdf

Die Zeitung erscheint monatlich.
Was sie hier sehen sind also die Aktivitäten nur im Monat Mai 2013 in einer mittel-kleinen ländlichen Gemeinde in Bayern.
(in einer Stadt mit 20.000 Einwohnern und rund 10.000 Katholiken)

Dort finden wir:

1. Ein Artikel zum Thema "Heimat", in dem etliche Gemeindemitglieder sehr ausführlich zu Wort kommen.
Im Bild übrigens ein Maibaum, dessen Aufstellen jedes Jahr ein gesellschaftliches Großereignis (mit intensiver Kircheneinbindung) ist.
2. Berichte über die Erstkommunion. Auf den Bildern sehen sie übrigens auch jede Menge Ministranten. Also ehrenamtlich in der Kirche tätige Jugendliche. Insgesamt gibt es in dieser relativ kleinen Gemeinde über 100 Minstranten.
3. Bericht über die Firmung.
4. Bericht über eine Partnergemeinde in Kenia.
5. Bericht über den Orgelsommer (sehr hochkarätig mit tausenden Besuchern)
6. Berichte über mehrere Wallfahrten (auch mit Fotos. Sind erkennbar gut besucht mit sehr breitem Altersaufbau und auch vielen Jugendlichen).
7. Ein Kalender mit Gottesdiensten, Rosenkränzen, Taufen, etc. In diesem einen Monat lese 204 (!!) Einträge. Viele sind sicher nicht besonders toll besucht. Aber Sie können getrost davon ausgehen, dass sie nur stattfinden, weil auch eine Nachfrage da ist.
8. Bericht über die Fronleichnamsprozession (immer ein gesellschaftliches Großereignis).
9. Termine von katholischen Untergruppen wie der Kolping-Familie, der katholische Frauenbund, Frauenkreis, Seniorenkreis etc. (gesamt 36 Termine im Monat Mai). Darunter rein weltliches wie ein Senioren-Spielenachmittag aber z.B. auch ein "Trauer-Café" oder ein "Treffen der verwaisten Eltern").
10. Weitere Termine, z.B. ein geistliches Konzert, eine gemeinsame Fahrt zu einer Prieserweihe, verschiedene Seniorenfahrten & sonstige Riesen. ein Ministrantenwochenende, eine "Karwochenfahrt", ein Gospel-Workshop, usw. usw.
11. "Nightfever": Eine richtig gut gemachte Veranstaltung in der Kirche von 20 bis 24 Uhr. Keine eigentliche Messe, eher eine Art stilvolle Andacht. Mit 1.300 (!) Besuchern.
12. ungefähr 30 Kontaktadressen von der "Albanienhilfe" bis zum Hospizverein


Diese Angebote existieren, weil sie angenommen werden.
Es sind also eine riesige Zahl an Möglichkeiten, wie Menschen zusammen kommen können. Teils im engeren Sinn seelsorgerisch. Aber zu einem ganz großen Teil auch allgemein-gesellschaftlich.
Wobei der Übergang ohnehin fließend ist.
Eine Erstkommunion ist ein Ereignis, bei dem sich die ganze Großfamilie trifft. Multipliziert mit den rund 100 Kommunionkindern sind das also schon einmal 100 große Familienfeiern.

Und um das noch einmal ins Verhältnis zu rücken: das ist das Angebot für 10.000 Katholiken allein in einem Monat.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.10.2013 13:57
#117 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #103
Frondienste zugunsten der bischöflichen Vermögen, Zwangsabgaben zugunsten der Katholischen Kirche und zwangsweise Einziehung der Vermögen von Andersdenkenden durch die Katholische Kirche sind im Übrigen keine »Interpretationen«, sondern Tatsachen …




Nur, lieber stefanolix,

wenn man dies in einen Zusammenhang mit dem kirchlichen Vermögen stellt, dann sollte man auch die Zeit der Frondienste in sich bewerten. Oder würden Sie Ihre Arbeit im Verbund mit den Steuern, die Sie an den Staat entrichten auch als Frondienst bezeichnen? Möglicherweise hat die Kirche zu dieser Zeit den Menschen im Verhältnis mehr geboten, als dies unser heutiger Staat für uns tut (Meine Abgaben an den Staat liegen sicher bei 50%). Ich glaube nicht, dass meine Nachkommen in xter Generation daraus noch Ansprüche an den Staat ableiten können.

Gruß, Martin

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.10.2013 16:40
#118 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #117
Nur, lieber stefanolix,

wenn man dies in einen Zusammenhang mit dem kirchlichen Vermögen stellt, dann sollte man auch die Zeit der Frondienste in sich bewerten. Oder würden Sie Ihre Arbeit im Verbund mit den Steuern, die Sie an den Staat entrichten auch als Frondienst bezeichnen? Möglicherweise hat die Kirche zu dieser Zeit den Menschen im Verhältnis mehr geboten, als dies unser heutiger Staat für uns tut (Meine Abgaben an den Staat liegen sicher bei 50%). Ich glaube nicht, dass meine Nachkommen in xter Generation daraus noch Ansprüche an den Staat ableiten können.

Gruß, Martin


Was genau meinen Sie mit »die Kirche hat den Menschen damals möglicherweise mehr geboten als uns heute der Staat bietet«? Was hat sie ihnen denn konkret geboten?

Wenn Sie die Frondienste mit den heutigen Steuern vergleichen, also mit Abgaben an die Gemeinschaft gleichsetzen - dann gehören die Güter, die aus den Frondiensten entstanden sind, doch erst recht der Gemeinschaft und nicht einem absolutistisch darüber verfügenden Bischof.

Wie kommen Sie denn auf die Idee, dass jemand aus gezahlten Steuern seiner Vorfahren Einzelansprüche ableiten könnte? Aber der Nachfahre fährt doch auf den Straßen, die vom Geld seines Vorfahren gebaut wurden. Seine Gegenwart baut auch in anderer Hinsicht auf den Steuern und Abgaben der Vergangenheit auf.

Genau diese vernünftige Weitergabe von Vermögen (in Form von Infrastruktur, Kultur, Bildung etc.) ist mit dem Protz des Herrn Tebartz-van Elst unterbrochen: Er maßt sich einen Innenausbau seiner Wohnräume für weit über eine halbe Million Euro an. Das nutzt außer ihm überhaupt niemandem. Der Nachfolger hat vielleicht einen ganz anderen Geschmack und lässt die Hälfte der Einbauten wieder herausreißen. Dieser Absolutismus, diese Selbstherrlichkeit, diese Maßlosigkeit, diese Arroganz – haben mit Christentum nichts zu tun.

Die Bischöfe der Katholischen Kirche, die im Freistaat Sachsen residieren, haben der Presse Einblick in ihre Wohnungen gewährt. Es sind bescheidene, integre Männer und so sehen auch ihre Wohnungen aus. Da ist alles handwerklich gediegen, aber nirgendwo sind Protz oder Prunk zu sehen. Um die Häuser, in denen sie wohnen, gibt es auch keine hohen Mauern. Nur mal als Gedankenanstoß für alle, die meinen, einem Bischof stünde das zu …

Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.10.2013 17:46
#119 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #118

Was genau meinen Sie mit »die Kirche hat den Menschen damals möglicherweise mehr geboten als uns heute der Staat bietet«? Was hat sie ihnen denn konkret geboten?


Fangen wir mal an mit Glauben und Seelenheil. Das ist vielleicht für jemanden aus der Neuzeit schwer nachzuvollziehen, war aber für die Menschen im Mittelalter vielleicht sehr wertvoll. Abgaben und Opfer gehören zu den Religionen nun mal. Ließ sich Aga Khan nicht jedes Jahr in Gold aufwiegen? In jedem Fall dürften nur wenige behaupten, dass ihnen unser Staat Seelenheil bietet.

Zitat
Wenn Sie die Frondienste mit den heutigen Steuern vergleichen, also mit Abgaben an die Gemeinschaft gleichsetzen - dann gehören die Güter, die aus den Frondiensten entstanden sind, doch erst recht der Gemeinschaft und nicht einem absolutistisch darüber verfügenden Bischof.



Ich denke, die Sache mit der Kirchensteuer (die dem Frondienst wohl am nächsten kommt) müssen wir nicht nochmals ausgraben, sie steht der Kirche zur Verfügung.

Und auch wenn Sie Ihre Steuern an den Staat entrichten, dann geht dieses nicht notwendigerweise an die Gemeinschaft, sondern an den Hofstaat der Regierung, die man gerade gewählt hat. Da lässt sich dann der Bogen zur neuen grünen Religionsgemeinschaft schlagen. Was glauben Sie, wo diese die staatlichen Gelder überall hingeleitet hat?

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 17:58
#120 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #115
Das nennt sich altrechtlicher Verein und gilt nur für historische Relikte ;-)

Klar. Wobei der Bestandsschutz eigentlich nur heißt, daß wir beim Innenministerium registriert sind - ein überflüssiges Relikt, wir machen das auch nur noch zum Spaß.

Es steht aber völlig frei, ähnliche Vereinigungen neu zu gründen. Die müssen sich m. W. nicht am Vereinsgesetz orientieren und können sich fast nach Belieben interne Regeln geben. Nur wenn man eingetragener Verein werden möchte (oder gar gemeinnützig), muß man das Vereinsrecht beachten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 18:12
#121 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #118
Wenn Sie die Frondienste mit den heutigen Steuern vergleichen, also mit Abgaben an die Gemeinschaft gleichsetzen - dann gehören die Güter, die aus den Frondiensten entstanden sind, doch erst recht der Gemeinschaft und nicht einem absolutistisch darüber verfügenden Bischof.

Da liegt ein Mißverständnis über die Frondienste vor.

Da gibt es einerseits Dienste für den Grundherrn. Die sind eigentlich ein Äquivalent zur modernen Pacht: Mit den Diensten zahlt der Bauer dafür, daß er den Landbesitz des Herrn für eigene Zwecke bewirtschaften darf.

Und dann gibt es Dienste z. B. für einen Gerichtsherrn (das ist z. B. die Funktion, die der typische Ritter für die umliegenden Dörfer ausübt). Das kann durchaus ein anderer Dienstherr sein als der Grundherr.
Diese Dienste sind ein Äquivalent zu Steuern, mit denen der Ritter seine Dienste als Richter und Polizeibehörde incl. der Stellung des nötigen Personals finanziert. Die Gemeinschaft bekommt also eine Gegenleistung - der Fronherr darf das Entgelt selbstverständlich seinem Privatvermögen zuschlagen.

Zitat
Die Bischöfe der Katholischen Kirche, die im Freistaat Sachsen residieren, haben der Presse Einblick in ihre Wohnungen gewährt. Es sind bescheidene, integre Männer und so sehen auch ihre Wohnungen aus.


Ich würde mal sagen: Die Bischöfe, die bescheiden wohnen - die gewähren auch gerne der Presse Einblick in ihre Wohnungen. Und in der katholischen Diaspora Sachsen wird das vielleicht auch normal sein.

In den tradierten reichen Bistümern gut katholischer Gebiete im Westen könnte das etwas anders sein. Ich wäre nicht überrascht, wenn die neuen Gemächer des Bischofs von Limburg recht bescheiden sind gegen die Privaträume mancher seiner Kollegen, die in schönen alten Stadtschlössern residieren.
Genaues weiß ich aber nicht, mein Erkenntnisstand ist etwas veraltet.

Llarian Offline



Beiträge: 7.121

15.10.2013 18:14
#122 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #114
Ich weiß, vermutlich ot, aber trotz dem: Welchen Auftrag (außer Seelsorge für einen beschränkten Kreis Interessierter) und welche Wirkung hat die (Katholische) Kirche, dass sie zum Kitt für unsere Gesellschaft wird?

Die Frage ist ernst gemeint, ohne Ironie etc.

Dann soll sie ebenso ernst und ohne Ironie beantwortet werden.

Der Auftrag der Kirchen, so der genau zu bestimmen ist, ist mannigfaltig, von der eben angesprochenen Seelsorge über die Verbreitung des Evangeliums bis zu ganz verschiedenen sozialen Aufgaben. All diese bilden einen wichtigen Teil unseres gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Die einzelnen Aufgaben allesamt aufzudröseln würde den Rahmen eines solchen Forums bei weitem sprengen, deshalb möchte ich mich auf einige Exemplarische beschränken. Nehmen wir die Verbreitung des Evangeliums. Man kann wohl mit einiger Beruhigung davon ausgehen, dass die Verbreitung des Evangeliums eine Aufgabe ist, die nahezu geschlossen der Kirche zufällt (Freichristen, Jehovas Zeugen und andere Abspaltungen mal aussen vor). Der Staat verbreitet die "frohe Botschaft" nicht und das ist auch nicht Staates Aufgabe. Aber die Botschaft entfaltet ihre Wirkung: Die christliche Idee der Nächstenliebe ist ein zentraler Kitt für unseren gesamten gesellschaftlichen Zusammenhalt. Man vergleiche ruhig mal christlich geprägte Länder mit Ländern anderer Prägung, da sind fundamentale Unterschied im kompletten Verständnis von Mitleid und Miteinander. Man muss nicht unbedingt selber daran glauben, dass vor 2000 Jahren Gottes Sohn die Erde besucht hat, aber der Glaube daran und die dazugehörigen Wunder hat Generation über Generation zu besseren Menschen gemacht. Ob man an Jesus im spirituellen Sinne glaubt oder nicht ist für die Frage welche Vorbildwirkung das Ideal auf Kinder und Jugendliche hat eigentlich nebensächlich.
Ebenso würde ich die Wirkung kirchlicher Feste nicht unterschätzen wollen. Natürlich machen sich viele über Weihnachten als Fest des Konsums lustig. Hat ja auch seine Berechtigung. Und dennoch gibt es einen Tag im Jahr, der von den Kirchen hochgehalten wird, an dem wir doch abends mit der Familie zusammensitzen und mal darüber nachdenken was uns zu besseren Menschen machen könnte.
Die Seelsorge würde ich auch nicht auf einen so kleinen Kreis Interessierter reduzieren wollen. Die meisten werden in ihrem Leben nur sehr selten einen Seelsorger brauchen, vielleicht einmal in zwanzig Jahren. Aber das macht ihn deswegen nicht unwichtiger. Die Feuerwehr brauche ich auch äusserst selten, aber ich halte ihre Funktion für absolut wichtig.

Und wenn einem all das nicht reicht, dann schadet es nicht sich mal das Leben in einer Gemeinde anzuschauen. Der Zusammenhalt und der Umgang der dort gepflegt wird, das ist etwas, das ich für vorbildlich für unsere gesamte Gesellschaft sehen würde. Ich schrieb schon, dass ich evangelisch bin. Und trotzdem habe ich mehr Zeit in katholischen Gemeinden verbracht, weil ein Teil meiner Familie katholisch ist und ich ausserdem die KJG immer ein bischen cooler fand als den CVJM (was sicher Geschmackssache ist). Aber das war nie ein Problem. Ich bin mit der Kirche groß geworden und ich glaube, dass ich dadurch ein besserer Mensch geworden bin, als ich es ohne diese Prägung wäre. Deswegen muss ich das Spirituelle nicht mitnehmen. Aber ich kann eine Wirkung gut finden, ohne daran zu glauben. Platt gesprochen: Jesus hat recht, unabhängig von der Frage ob er ein Mensch oder Gottes Sohn war. Und die Botschaft von Jesus zu verbreiten ist nun einmal Sache der Kirche.

Das nur mal als kleine Antwort. Vielleicht schaffe ich es, wenn ich die Zeit finde, mal eine größere Antwort dazu zu schreiben und diese als Artikel zu veröffentlichen. Bis dahin hoffe ich, dass dies an dieser Stelle genügt.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

15.10.2013 18:24
#123 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #120

Es steht aber völlig frei, ähnliche Vereinigungen neu zu gründen. Die müssen sich m. W. nicht am Vereinsgesetz orientieren und können sich fast nach Belieben interne Regeln geben.


Das stimmt sicher im reinen Innenverhältnis.

Aber sicher nicht im Außenverhältnis.

Und wenn man die internen Regeln auch nur im Innenverhältnis juristisch durchsetzen will, sollte man schon auch gewisse allgemein-gesetzliche Grundsätze beachten. Zum Beispiel das BGB oder, noch allgemeiner, die guten Sitten.

Ein extremes Beispiel:
Nehmen wir an, sie gründen die "hessische Freimaurer-Loge".
Darin wird vereinbart, dass der Präsident ein Vetorecht hat, wenn eines der Mitglieder sich verheiraten will.
Bei Zuwiderhandlung ist eine Strafe von 100.000 Euro an die Gemeinschaftskasse zu zahlen.

Im reinen Innenverhältnis kann man dies ggf. durchsetzen. Also indem sich die Mitglieder aufgrund ihres selbstgewählten Codex entsprechend verhalten und innerhalb der Gemeinschaft stigmatisiert sind, wenn sie es nicht tun.
Aber sollte sich ein Mitglied nun verheiraten ohne um Zustimmung zu bitten, dann wird man die 100.000 Euro schwerlich vor einem Zivilgericht einklagen können.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.10.2013 18:30
#124 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #123
Und wenn man die internen Regeln auch nur im Innenverhältnis juristisch durchsetzen will, sollte man schon auch gewisse allgemein-gesetzliche Grundsätze beachten. Zum Beispiel das BGB oder, noch allgemeiner, die guten Sitten.

Schon richtig. Deswegen habe ich ja "fast nach Belieben" geschrieben.

Aber der Knackpunkt ist: Die internen Regeln müssen nicht dem Vereinsrecht entsprechen. Und können trotzdem - so sie nicht übergeordnetes Recht brechen - vor normalen Gerichten durchgesetzt werden.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.10.2013 18:31
#125 RE: Ein öffentliches Bauprojekt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #121
Da liegt ein Mißverständnis über die Frondienste vor.

Da gibt es einerseits Dienste für den Grundherrn. Die sind eigentlich ein Äquivalent zur modernen Pacht: Mit den Diensten zahlt der Bauer dafür, daß er den Landbesitz des Herrn für eigene Zwecke bewirtschaften darf.


Wobei auch Klöster, Fürstbistümer oder Domkapitel 'Grundherren' sein konnten. Die letzteren unterstanden teils nicht der weltlichen Herrschaft, sondern haben diese Funktion selbst wahrgenommen.

Gruß, Martin

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