Was man im Hinterkopf haben sollte, wenn man ihre Position zum Thema beurteilen will, ist ihre langjährige Mitgliedschaft im Beirat der Humanistischen Union - seit 1998. Und gerade der Verein hat zu just dem Zeitpunkt "interessante" Debatte über Pädophilie geführt - wie sogar wikipedia zu entnehmen ist. Da gibt es zum Beispiel eine Erklärung des Vereins aus dem Jahr 2000, in der von einer "kreuzzugähnlichen Kampagne gegen Pädophile" die Rede ist, zusammen mit allerlei anderem Unsinn.
Zitat von meyer im Beitrag #251Noch einmal zurück zu Frau Frommel.
Was man im Hinterkopf haben sollte, wenn man ihre Position zum Thema beurteilen will, ist ihre langjährige Mitgliedschaft im Beirat der Humanistischen Union - seit 1998. Und gerade der Verein hat zu just dem Zeitpunkt "interessante" Debatte über Pädophilie geführt - wie sogar wikipedia zu entnehmen ist. Da gibt es zum Beispiel eine Erklärung des Vereins aus dem Jahr 2000, in der von einer "kreuzzugähnlichen Kampagne gegen Pädophile" die Rede ist, zusammen mit allerlei anderem Unsinn.
Ich finde den Artikel ziemlich schwach auf der Brust, zumindest auf der einen Seite, die zentralen Argumente bezüglich des Rechtsstaates, das skandalöse Verhalten der Staatsanwaltschaft, das Rumtrampeln auf Grundrechten, all das wird gerade mal am Rande erwähnt und im Prinzip geht es selbst dem Kontra-Mann eher darum um Gnade zu bitten für etwas, das nicht strafbar ist. Das ist sicher kein ausgeglichener Artikel sondern ein Artikel, der sehr gut auf der aktuellen Mediensuppe schwimmt. Echte Kontra-Stellungnahmen, allerdings ohne Pro-Part, finden man beispielsweise hier: http://www.heise.de/tp/blogs/5/155891 oder hier: http://www.lawblog.de/index.php/archives...-keine-beweise/ Aber ich erlaube mir an dieser Stelle meinen Ketchup zum Senf zu geben:
Zitat Ja, Edathy ist bis heute juristisch unschuldig, was aber nicht heißt, dass man nach allem was bekannt und von ihm auch nicht abgestritten wurde, nicht einen begründeten Verdacht haben kann.
Verdacht worauf ? Darauf etwas legales getan zu haben, dass man als schmuddelig definiert ? Das ist kein juristisches Konzept. Verdacht pädophil zu sein ? Auch kein juristisches Konzept. Verdacht darauf Kinderpornographie zu besitzen oder besessen zu haben ? Nun, den Verdacht kann man haben, aber ob er wirklich begründet ist, das ist eine sehr entscheidende Frage und bis jetzt sieht es da sehr finster aus. Im Moment verdächtigt man ihn etwas legales und anrüchiges getan zu haben, und dieser Verdacht war eigentlich von Anfang an kein Verdacht sondern belegt. Geht nur eigentlich niemanden was an. Das andere dessen man ihn verdächtigt scheint sich gerade nicht zu erhärten und nicht wenige Juristen sind der Meinung, das schon der Anfangsverdacht auf tönernden Füssen stand. Aus diesem Anfangsverdacht dagegen ein so schwerwiegendes Mittel wie eine Hausdurchsuchung zu rechtfertigen, damit dürften und sollten die meisten Juristen ein Problem haben.
Zitat Das sind ungeschriebene Gesetze die jeder kennt.
Der Rechtstaat kennt keine ungeschriebenen Gesetze. Das ist eine zentrale Eigenschaft des Rechtsstaates und nur um die geht es. Nach den (geschriebenen !) Gesetzen des Rechtsstaates konnte und musste Edathy damit rechnen, dass seine Grundrechte respektiert werden und das nicht Dinge, die zu seinem Privatleben gehören, an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Und es geht um sein Privatleben, so lange er keine Gesetze bricht. Pädophilie ist schlicht zunächst einmal Privatsache, so lange die einschlägigen Gesetze resketiert werden. Und kein ungeschriebenes Gesetz kann rechtfertigen die geschriebenen zu brechen.
Zitat Und er wusste auch, dass diese nicht freiwillig entstanden sind. Es gibt keine Freiwilligkeit in diesem Alter zwischen 9-14.
Das ist in seiner Absolutheit absurd. Damit könnte niemand, egal wer, seine oder andere Kinder je fotographieren, zeichnen, ja nicht einmal ansehen und sich das Aussehen einprägen. Kinder sind wie ihre Eltern nicht zustimmungsfähig zu pornographischen Aufnahmen, sehr wohl aber zu Nacktbildern und sehr viele Bilder, beispielsweise solche die in der Öffentlichkeit aufgenommen werden, erfordern nicht einmal diese. Gesetze sind keinesfalls so absolut, wie Sie hier darstellen. Aus gutem Grund.
Zitat Nichts spricht dagegen, dass ihm nicht bewusst war, dass er Bilder von benutzten Kindern kauft.
Beweislastumkehr auch noch ? Ob etwas dafür spricht oder dagegen ist schlicht irrelevant, so lange es keine Beweiskraft hat.
Zitat Er hätte diese Bilder und Filme nicht erwerben müssen.
Niemand muss etwas legales tun. Derjenige, der von Polizisten in einer Verkehrskontrolle illegal verhaftet wird, hätte auch nicht Auto oder gar zu fahren müssen. Kachelmann hätte auch seine Frau nicht betrügen müssen. Niemand muss. Alleine die Frage ist, ob jemand darf. Wir leben in einem freien Land mit Gesetzen, die unsere Freiheit einschränken. Zu meinen, man müssen sich fernen noch an ungeschriebene Gesetze halten, weil der Staat sonst zu allen gebotenen Zwangsmaßnahmen greift, die ihm gerade einfallen, ist eine absurde Pervertierung des Prinzipes Rechtsstaat. Ich kann mich erinnern das auf der Schule (vor langer, langer Zeit) die Schläger übrigens haargenau so argumentiert haben: Er hätte mich ja nicht provozieren müssen. Stimmt. Hätte er nicht. Hat er aber. Das erlaubt es dennoch nicht jemanden niederzuprügeln.
Zitat Er werde seine sexuellen Vorlieben als das betrachten, was sie sind: gesellschaftlich geächtet.
Haben Sie sich schon einmal überlegt, dass das für sehr viele sexuelle Vorlieben gilt ? Und früher noch für sehr viel mehr ? Hätten die ja auch nicht machen müssen.
Zitat Und gleichzeitig wollte er das Risiko minimieren. Mit unterschiedlichen Mitteln, bis hin zur Konspiration.
Und diese Behauptung, stammend von der Staatsanwaltschaft Hannover, ist schon nahezu infam. Denn nichts, aber auch gar nichts, von dem was Edathy getan hat verdient diese Bewertung. Der Mann hat die Bestellung von einem ihm offen zur Verfügung stehenden Rechner (!) getätigt, unter seinem Namen (!!), mit seiner Kreditkarte (!!!). Das ist genau das Gegenteil von konspirativ. Das einzige was die Staatswanwaltschaft ihm antüten will, um diesen absurden Vorwurf zu rechtfertigen ist die Tatsache, dass er ein spezielles Kreditkartenkonto für diese Bestellungen verwendet hat. Das ist aber aus so vielen Gründen naheliegend, dass man eher etwas merkwürdiges darin sehen müsste, wenn er es anders gemacht hätte. Ausländische Versender von Bilder, noch dazu von schmuddeligen, gehören nicht gerade zu den seriösesten Geschäftspartnern die man haben kann. Und mit nicht wirklich seriösen Geschäftspartnern macht man nur sehr vorsichtig Geschäfte. Ich habe auch eine eigene Kreditkarte für Bestellungen aus dem Ausland. Weil ich es mir nicht leisten will, dass plötzlich mal 5000 Euro fehlen, denen ich dann in China oder Brasilien nachrennen darf. Deswegen ist es immernoch meine Karte (oder bin ich jetzt auch konspirativ und muss mich demnächst auf eine Durchsuchung freuen ?). Genauso wie Edathy ganz klar die Karte auf seinem Namen hatte. Das ist exakt das Gegenteil von konspirativ. Das einzige worum es hier geht, ist, dass die Staatsanwaltschaft inzwischen Muffensausen hat, weil sie nix in der Hand hat und auch nix in der Hand hatte. Dann muss man ja irgendwas von Konspiration erfinden, es wird schon keiner nachfragen.... Hat ja auch funktioniert.
Zitat Kein Grund für Mitleid. Sein Hochmut, sein fehlendes moralisches Management und seine fehlende persönliche Integrität haben ihn zu Fall gebracht. Niemand sonst.
Mitleid habe ich auch keins, es trifft nicht den Falschen. Genausowenig wie ich Mitleid mit einem Terroristen habe, der vom Auto überfahren wird. Mitleid habe ich dagegen mit dem Rechtsstaat. Denn dieser ist es, der hier zu Fall gebracht wird. Denn es war eben nicht Edathy mit einem falschen Risiko, es ergibt sich immer mehr ein Bild von Staatsanwälten deren Ideal eher einem Polizeistaat entspricht und die durch die Lande ziehen und die Grundrechte von Verdächtigen mit Füssen trampeln. Das tut mir wirklich leid, denn die hunderte Fälle, die keiner kennt, die auf einen Edathy kommen, die es vielleicht nicht verdienen, mit denen müsste man Mitleid haben.
Traurig finde ich, dass man heute den Rechtsstaat ausgerechnet am Beispiel von Pädophilen verteidigen muss, denn Spass macht das sicher nicht. Nur haben eben auch Pädophile ein Anrecht auf ihre Privatssphäre, auch wenn sie Politiker sind. Mag schwer fallen, aber Rechtsstaat ist eben auch schwer. Wer diese Schwere nicht auf sich nehmen will, kein Problem, aber dann soll er nicht darauf hoffen, dass ihn der Rechtsstaat eines Tages fair behandelt. Ich bin Vater. Und ich mag Pädophile immernoch nicht. Ich will sie nicht mal in der Nähe von Kindern sehen. Aber diese Kinder werden irgendwann auch groß sein. Und ich lebe auch in einem sozialen Umfeld mit Freunden, Verwandten und Kollegen. Und die Vorstellung, dass einer von denen in die Mühle eines Polizeistaates gerät, wo sie sich dann mit Beweislastumkehr und willkürlichen Durchsuchungen ausgesetzt sehen, ist mir so sympathtisch auch nicht. Ich lade jeden mal dazu ein, sich für einen Moment vorzustellen, dass es der eigene Bruder/Vater/Onkel/Sohn/Freund ist, der sich plötzlich einem solchen Verfahren gegenübersieht, auch wenn er nichts strafbares getan hat. Befürworter eines starken Staates hat man in aller Regel genau bis zu dem Punkt, wo das eigene Umfeld Opfer dieses Staates wird. Nur ist es dann ein bischen spät.
Man könnte es ja auch andersherum sehen. Soweit ich das mitbekommen habe, bestand ein Verdacht gegen E. schon länger. Warum wird erst gegen ihn ermittelt, nachdem die Angelegenheit NSU-Ausschuß erledigt ist? Liegt ein rechtsstaatliches Versagen nicht womöglich darin, daß man ihn gewähren läßt, damit nicht die Verschwörungstheorien ins Kraut schießen, hier solle ein verdienter "Nazi-Jäger" kaltgestellt werden?
Zitat Und es geht um sein Privatleben, so lange er keine Gesetze bricht.
Das muß ja erst festgestellt werden. Mit Verlaub, wenn ich im Ausland ganz legale Bestellungen (nehmen wir das mal zu seinen Gunsten an) bei einem Versandhändler tätige, der AUCH mit Hehlerware handelt, muß ich damit rechnen, daß mir womöglich ebenfalls unterstellt wird, solche gekauft zu haben.
Und wenn es einen Durchsuchungsbeschluß erst geben dürfte, wenn man wirklich GANZ sicher ist, daß der Betreffende auch wirklich Illegales getan hat, könnte man sich jede Durchsuchung sparen.
Wohl nicht justiziabel ist E.s seltsames Verhalten. Ich schicke das ausdrücklich voraus. Aber wer wirklich unschuldig ist, würde sich aus dem Ausland empört melden: "Ich halte mich zur Zeit in Dänemark/Venezuela/Rußland/Tansania auf und befinde mich im Urlaub/zur Kur/auf Verwandtenbesuch/auf einer Safari und werde unverzüglich nach meiner Rückkehr sowohl Beschwerde einlegen wie auch durch meinen Anwalt zur Klärung des Sachverhaltes beitragen."
Wie gesagt, man muß sich nicht selbst belasten. Aber wäre ich unterwegs und würde hören, daß meine Wohnung durchsucht wurde, würde ich stante pede voller Empörung zurückeilen. Dieses seltsame Verhalten rechtfertigt im nachhinein keine Durchsuchung, aber eine ordentlich staatsanwaltlich angeordnete doch wohl schon?
Zitat von alteseuropa im Beitrag #254Man könnte es ja auch andersherum sehen. Soweit ich das mitbekommen habe, bestand ein Verdacht gegen E. schon länger. Warum wird erst gegen ihn ermittelt, nachdem die Angelegenheit NSU-Ausschuß erledigt ist? Liegt ein rechtsstaatliches Versagen nicht womöglich darin, daß man ihn gewähren läßt, damit nicht die Verschwörungstheorien ins Kraut schießen, hier solle ein verdienter "Nazi-Jäger" kaltgestellt werden?
Eine interessante Frage. Allerdings soll man nichts mit Verschwörungen erklären was auch mit Dummheit erklärbar ist, manchmal brauchen Ermittlungen Monate, das kommt auch so vor, gerade in Deutschland. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage wieviele andere Durchsuchungen es im selben Zusammenhang (es gibt ja mehr als einen Verdächtigen) gegeben hat und wann die stattfanden.
Zitat Mit Verlaub, wenn ich im Ausland ganz legale Bestellungen (nehmen wir das mal zu seinen Gunsten an) bei einem Versandhändler tätige, der AUCH mit Hehlerware handelt, muß ich damit rechnen, daß mir womöglich ebenfalls unterstellt wird, solche gekauft zu haben.
Die Unterstellung wäre als solche vermutlich strafbar, so lange es nichts anderes gibt, was das belegt. Aber ich stimme Ihnen zu, man kann den Verdacht haben. Das ist es aber auch. Übrigens wird über ebay jede Menge Hehlerware gehandelt. Sind wir jetzt alle verdächtig ?
Zitat Und wenn es einen Durchsuchungsbeschluß erst geben dürfte, wenn man wirklich GANZ sicher ist, daß der Betreffende auch wirklich Illegales getan hat, könnte man sich jede Durchsuchung sparen.
Eigentlich nicht. Die Frage ist wie sicher man ist und ob ein hinreichender (!) Verdacht da ist, der etwas solches vermuten lässt. Ein Anfangsverdacht reicht dafür aus gutem Grund gerade nicht. Eine Durchsuchung dient der Beweissicherung um Verdunkelung zu verhindern, sie ist kein polizeiliches Mittel um "mal zu schauen ob man was findet" (genau aus diesem Grunde gibt es den zunehmend ausgehöhlten Richtervorbehalt). Man muss sich schon über zwei Dinge bewusst sein: 1. Es ist ein massiver Eingriff in unsere Grundrechte, sprich die Verfassung (egal ob man sie jetzt Verfassung oder Grundgesetz nennt). Da muss schon ein recht massiver Grund vorliegen. 2. Eine Durchsuchung hat durchaus heftige Folgen, sie kann in aller Regel nicht geheim gehalten werden und kann soziale, berufliche als auch traumatische Folgen für den Verdächtigen haben. Ganz plakativ gesprochen: Nicht wenige von uns sind, wenn an unserem Arbeitsplatz durchsucht wird, unseren Arbeitsplatz los. Und wenn mit einem solchen Verdacht durchsucht wird, auch nicht wenige ihre Wohnung und Partner. Das sind Dinge die man nicht ignorieren kann. Und dafür reicht eben nicht ein "Wir schauen mal ob wir was finden." Ich persönlich fühle mich in meiner Wohnung recht sicher. Ich werde mich nicht mehr sicher fühlen, wenn die Polizei der Meinung ist mal auf einfachen Verdacht hin vorbeizuschauen und meine Privatssphäre zu verletzten. Wir reden doch nicht von einer Ausweiskontrolle.
Vielleicht ein kleiner Gedanke am Rande: Wenn die Polizei, respektive Staatsanwaltschaft, für die Folgen von ergebnislosen Durchsuchungen haften würden, dann würden wir vermutlich sehr viel weniger davon sehen. Ich meine jedenfalls, wenn einer dem anderen die Existenz kaputt macht, er dafür wenigstens zahlen sollte.
Zitat Aber wer wirklich unschuldig ist, würde sich aus dem Ausland empört melden: "Ich halte mich zur Zeit in Dänemark/Venezuela/Rußland/Tansania auf und befinde mich im Urlaub/zur Kur/auf Verwandtenbesuch/auf einer Safari und werde unverzüglich nach meiner Rückkehr sowohl Beschwerde einlegen wie auch durch meinen Anwalt zur Klärung des Sachverhaltes beitragen."
Ist das nicht gerade genau das, was er tut ? Der Ort, wo er sich aufhält geht uns wohl kaum was an, aber sein Anwalt tut zur Zeit genau das. Inklusive Beschwerde.
Zitat Aber wäre ich unterwegs und würde hören, daß meine Wohnung durchsucht wurde, würde ich stante pede voller Empörung zurückeilen.
Das können Sie tun, aber nützen tut Ihnen das auch nix. Im Gegenteil, ich würde behaupten es ist nicht wirklich blöd erst mal zu warten bis der Qualm sich verzieht. Wer sagt denn, das ein Staatsanwalt, bzw. Richter, der keinen Respekt vor der Wohnung eines Bürgers hat, mehr Respekt vor dessen Freiheit hat ? Es gibt die schöne staatsanwaltliche Redensweise: Untersuchungshaft schafft Rechtskraft. Und Kachelmann hat vier Monate dort gesessen, obwohl die Beweisdecke mehr als dünn war.
Zitat Dieses seltsame Verhalten rechtfertigt im nachhinein keine Durchsuchung, aber eine ordentlich staatsanwaltlich ausgestellte doch wohl schon?
Den Satz verstehe ich nicht. Ich sehe auch die Relevanz für den Rechtsstaat nicht: Das Verhalten Edathys nach der Durchsuchung ist für die Bedingungen davor kaum von Relevanz.
Zitat Den Satz verstehe ich nicht. Ich sehe auch die Relevanz für den Rechtsstaat nicht: Das Verhalten Edathys nach der Durchsuchung ist für die Bedingungen davor kaum von Relevanz.
Ich habe doch auch gemeint, daß sein Verhalten nach der Durchsuchung keine Rechtfertigung ist, fragte aber, ob eine ordentlich ausgestellte Durchsuchungsanordnung (keine Ahnung, wie so ein Ding aussieht, man kennt das ja nur aus Krimis), die auf begründetem Verdacht besteht, rechtsstaatlich denn nicht in Ordnung ist? Immerhin gab es ja den Anfangsverdacht, beruhend auf den Bestellungen bei einem Versand, der wohl ganz offensichtlich nicht mit Neckermann zu vergleichen ist.
Nachtrag: Wenn ich in der Kundenkartei eines Heroinhändlers bin, gerate ich vielleicht auch in Verdacht, obwohl ich nur Gänseblümchensamen bestellt habe?
Zitat von alteseuropa im Beitrag #256Zitat:Wenn ich in der Kundenkartei eines Heroinhändlers bin, gerate ich vielleicht auch in Verdacht, obwohl ich nur Gänseblümchensamen bestellt habe?
Wenn die Kundenkartei so ordentlich geführt wird wie bei dem kanadischen Foto- und Filmhändler: nein
Zitat von Llarian im Beitrag #253Der Rechtstaat kennt keine ungeschriebenen Gesetze.
Sind Sie da vollkommen sicher? Wenn selbst das Bundesverfassungsgericht dann und wann die Zulässigkeit der Bezugnahme auf ungeschriebene Prozessgrundsätze in die Urteile aufnimmt, scheint es doch welche zu geben.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #256 Ich habe doch auch gemeint, daß sein Verhalten nach der Durchsuchung keine Rechtfertigung ist, fragte aber, ob eine ordentlich ausgestellte Durchsuchungsanordnung (keine Ahnung, wie so ein Ding aussieht, man kennt das ja nur aus Krimis), die auf begründetem Verdacht besteht, rechtsstaatlich denn nicht in Ordnung ist?
Das kommt drauf an, was Sie unter Rechtsstaat verstehen. Wenn Sie darunter verstehen, dass diese spezielle Durchsuchung keine Folgen für Staatsanwalt oder Richter haben wird, dann dann hätten Sie recht: Es wird keine Folgen haben. Ob das das ist, was einen Rechtsstaat im Sinne der Wortes ausmachen sollte, dann haben Sie Unrecht. Das ist ja genau der Punkt: Der deutsche Staat entfernt sich mehr und mehr von dem Ideal des Rechtsstaates, Grundrechte werden ignoriert, bagatellisiert und ihre Beschädigung hat keine Konsequenzen. Auf dem Papier und dem Geist des GG ist Deutschland ein Rechstaat, der beispielsweise den USA (als Stereotyp) in nichts nachsteht. In der Realität dagegen wird in den USA (um bei dem Stereotyp zu bleiben) der Rechtsstaat gelebt, mit allen negativen Konsequenzen die das hat, in Deutschland hats da zunehmende Defizite. Denn tatsächlich existierte hier nicht mehr als ein vager Anfangsverdacht. Und der wurde dennoch herangezogen zur Begrüdnung eines ziemlich extremen Rechtsmittels.
Zitat Immerhin gab es ja den Anfangsverdacht, beruhend auf den Bestellungen bei einem Versand, der wohl ganz offensichtlich nicht mit Neckermann zu vergleichen ist.
Ja. Aber nochmal: Ein Anfangsverdacht darf keinen massiven Eingriff in ein Grundrecht nach sich ziehen, das Stichwort ist Verhältnismäßigkeit und die ist hier doch recht grob verletzt.
Zitat Nachtrag: Wenn ich in der Kundenkartei eines Heroinhändlers bin, gerate ich vielleicht auch in Verdacht, obwohl ich nur Gänseblümchensamen bestellt habe?
Das mag wohl sein. Aber wie würden Sie es finden, wenn die Polizei bei Ihnen die Tür eintritt, weil Sie mal eine Pfeife in einem holländischen Laden gekauft haben, der auch Cannabis anbietet ?
Zitat Zitat Aber wer wirklich unschuldig ist, würde sich aus dem Ausland empört melden: "Ich halte mich zur Zeit in Dänemark/Venezuela/Rußland/Tansania auf und befinde mich im Urlaub/zur Kur/auf Verwandtenbesuch/auf einer Safari und werde unverzüglich nach meiner Rückkehr sowohl Beschwerde einlegen wie auch durch meinen Anwalt zur Klärung des Sachverhaltes beitragen."
Ist das nicht gerade genau das, was er tut ? Der Ort, wo er sich aufhält geht uns wohl kaum was an, aber sein Anwalt tut zur Zeit genau das. Inklusive Beschwerde.
Eben nicht. Ja, ja, ich weiß, das seltsame Verhalten darf nicht gegen ihn verwendet werden. Aber ein wirklich Ahnungsloser würde sich eher so melden: "Wegen der schon von mir bekanntgegebenen gesundheitlichen Probleme halte ich mich zur Kur in Dänemark/Italien/Thailand auf und habe ziemlich entsetzt aus der Presse erfahren, daß gegen mich aus unerfindlichen Gründen ermittelt wird. Mein Anwalt ... etc." Oder es meldet sich überhaupt nur der Anwalt: "Mein Mandant ist schwer krank und befindet sich zur Behandlung im Ausland. Er hat aus der Presse erfahren und mich beauftragt, ..."
Im Falle E. ist doch wohl erheblich mehr Verdacht auf eine mögliche Straftat gegeben gewesen als bei C. Gurlitt, dem man einfach die Wohnung ausgeräumt hat. (Dies nur zur Verdeutlichung, daß u. U. durchaus Zweifel wegen staatlichen Handelns gegeben sind. Da pflichte ich Ihnen ja bei.)
Lieber Llarian, so sehr es mir "gegen den Strich" geht, was die Gesetze unseres Rechtsstaates angeht muß ich Ihnen Recht geben. Hausdurchsuchungen sollten nur bei "Gefahr im Verzug" oder so ähnlich heißt es ja wohl, stattfinden dürfen. Das ist auch zu unser aller Schutz der Privatsphäre unabdingbar.
Bliebe dann nur noch der Umgang mit einem Parlamentarier, der offensichtlich sein Privatleben so ausgerichtet hat, das er als Politiker mit Ambitionen zu Höherem nicht tragbar ist, bzw. erpressbar ist oder sein könnte.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Llarian im Beitrag #253Der Rechtstaat kennt keine ungeschriebenen Gesetze.
Sind Sie da vollkommen sicher? Wenn selbst das Bundesverfassungsgericht dann und wann die Zulässigkeit der Bezugnahme auf ungeschriebene Prozessgrundsätze in die Urteile aufnimmt, scheint es doch welche zu geben.
Auch das Verfassungsgericht macht Fehler. :)
Keine Sorge, ich bin mir der Arroganz der Aussage durchaus bewusst: Ich halte nur das, was Frau Limbach sich hier hat einfallen lassen, tatsächlich für einen deutlichen Fehler. Ich kann nachvollziehen warum das in diesem Kontext passiert ist, aber ich halte es für sehr unglücklich. Effektiv steht da: Wenn sich jemand permanent daneben benimmt, dann kann man ihm den Rechtsweg auch beschneiden, auch wenn es dazu keine schriftliche Anweisung gibt. Man zieht sich hier auf "allgemein anerkannte Grundsätze" zurück. Ja, aber was ist das ? Wo kann ich das nachlesen ? Ach ja, kann ich ja nicht, weil es ist ja nicht geschrieben sondern nur allgemein anerkannt. Ich traue deutschen Richtern im Allgemeinen zu, dass sie nicht ganz so willkürlich urteilen, aber solche Formulierungen öffnen natürlich die Chance dazu. Und das sollte nicht sein. Gesetze müssen klar und verständlich für alle formuliert sein. Und zwar schriftlich.
Aber ich habe ja auch nicht gesagt der deutsche Staat sei ein perfekter Rechtsstaat. Ein Rechtsstaat ohne Zweifel. Aber durchaus verbesserungsfähig und noch weit vom Ideal. Und das Verfassungsgericht, so sinnvoll es manchmal urteilt, hat auch durchaus (siehe GEZ/Rundfunk Urteil, siehe Gleichstellung, siehe Wehrdienst) schon so manchen Bock geschossen.
Zitat von Nola im Beitrag #261Lieber Llarian, so sehr es mir "gegen den Strich" geht, was die Gesetze unseres Rechtsstaates angeht muß ich Ihnen Recht geben. Hausdurchsuchungen sollten nur bei "Gefahr im Verzug" oder so ähnlich heißt es ja wohl, stattfinden dürfen. Das ist auch zu unser aller Schutz der Privatsphäre unabdingbar.
Das freut mich liebe Nola, dass ich Sie überzeugen konnte (oder Sie schon vorher überzeugt waren. ). Manchmal kommt man sich hier schon wie der einsame Rufer vor, dabei ist es von meiner Empfindung her so, dass ich hier Dinge schreibe, die selbstverständlich sein sollten.
Zitat Bliebe dann nur noch der Umgang mit einem Parlamentarier, der offensichtlich sein Privatleben so ausgerichtet hat, das er als Politiker mit Ambitionen zu Höherem nicht tragbar ist, bzw. erpressbar ist oder sein könnte.
Wie schon oben geschrieben, ich habe keinerlei Mitleid mit Edathy. Ich konnte ihn vorher schon nicht leiden, und Pädophile sind mir auch nicht sympathisch. Da er sonst nix kann, wird er wohl wieder als Soziologe arbeiten und meine zentrale Hoffnung dabei ist, dass wir nicht bald alle Harz4 für ihn zahlen müssen, denn das würde ich nicht ausschliessen wollen (kann nix, ist politisch untendurch und hat auch nix besonderes gerlernt). Für mich war (und ist) die Frage von Bedeutung wie wir die Rechtsstaatlichkeit hier bewerten und was man tun kann, damit das nicht zum Standard wird (wobei ich den Eindruck habe, das ist leider schon so). Was aus Edathy wird ist mir herzlich Wumpe.
Vielleicht noch ein Gedanke, der aber nicht am konkreten Objekt wichtig ist: Ich denke die Erpressbarkeit hat eher was damit zu tun, wie wir als Gesellschaft mit dem Privatleben von Politikern umgehen. Und ich meine das geht uns nix an. Zur Zeit der Bonner Republik war es auch kein echtes Geheimnis auf was Guido Westerwelle so stand und Helmut Kohls Küchenkabinett war zumindest durchaus öfter als Tratschthema. Es ist aber nie offen drüber geschrieben worden und offensichtlich waren beide nicht damit erpressbar. Ich würde mir solche Zeiten manchmal zurück wünschen. Juckts es mich wirklich ob Angela Merkel drei Liebhaber hat oder nicht oder sich Peer Steinbrück jeden Abend mit Honig einschmiert ? Nee, ohne groß drüber nachzudenken, eigentlich nicht. So lange die nix strafbares tun juckts mich nicht. Zumindest neige ich der Meinung zu, es sollte mich nicht jucken. Wenn jemand seine Privatssphäre öffentlich macht (gibt ja solche Promis), dann meinetwegen, aber so lange jemand sein Privatleben für sich behält sollte er auch das Recht dazu haben.
Zitat von Llarian im Beitrag #263Manchmal kommt man sich hier schon wie der einsame Rufer vor, dabei ist es von meiner Empfindung her so, dass ich hier Dinge schreibe, die selbstverständlich sein sollten.
Was das anbelangt, möchte ich anmerken, dass ich Ihnen reichlich vollumfänglich zustimme. Sie sind ganz gewiss nicht der einsame Rufer in der Wüste. Es gibt doch einige Menschen, die die gleiche Sichtweise haben.
Zitat von Llarian im Beitrag #255Die Frage ist wie sicher man ist und ob ein hinreichender (!) Verdacht da ist, der etwas solches vermuten lässt. Ein Anfangsverdacht reicht dafür aus gutem Grund gerade nicht. Eine Durchsuchung dient der Beweissicherung um Verdunkelung zu verhindern, sie ist kein polizeiliches Mittel um "mal zu schauen ob man was findet" (genau aus diesem Grunde gibt es den zunehmend ausgehöhlten Richtervorbehalt).
Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Wohnungsdurchsuchung eine gern genutzte Möglichkeit für eine Strafexpedition, wenn man auf legalem Weg den Delinquenten schlecht drankriegt. Das gute an der Wohnungsdurchsuchung ist ja, dass die Strafe unmittelbar vollzogen wird und der Ausgang des Beschwerdeverfahrens darauf überhaupt keinen Einfluss mehr hat.
Politische Abweichler fragen sich schon lange nicht mehr ob, sondern nur wann die nächste Strafexpedition kommt. Und wie sie kommt. Da gibt es dann schon mal eine großangelegten Razzia, bei der
Zitat von STERN 07.10.2010, Polizeirazzia in Rechtsextremen-Szeneknapp 200 Polizisten am Mittwoch Wohnungen und Treffs von Rechtsextremen in Thüringen, Bayern und Sachsen durchsucht
haben. Die wurden zwar nicht fündig. Aber immerhin stellten die Beamten Computer, Handys, CDs und Festplatten sicher, auf denen sie Anleitungen zum Bau von Sprengkörpern vermuten(!). Wie richtig die Vermutung ist geht daraus hervor, dass auch ein Anschlag auf einen Bus vermutet(!) wurde. Die Durchsuchung war keine Willkür, sondern basierte auf "Hinweisen" die die "Ermittler aus Telefonüberwachungen erhalten" haben. Die Notwendigkeit der Durchsuchungen ergibt sich auch daraus, dass einen Monat vorher schon mal eine Razzia durchgeführt wurde, bei der ebenfalls nichts gefunden wurde.
Die BAO ZESAR (die Thüringer SoKo zur Illuminierung der Rechten Gefahr) hat auch mal ordentlich zugeschlagen. Sie durchsuchte mehrere "Objekte" wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Die Aktion war ein voller Erfolg. Beschlagnahmt wurden nicht nur "verdächtige Fotos", sondern auch "verschiedene Gegenstände", von denen die LKA-Fuzzies schon nach erster Inaugenscheinnahme annehmen, es könnte sich um "Softair- oder Luftdruckwaffen" handeln. Um sicher zu gehen, werden "die aufgefundenen Beweismittel … zur zweifelsfreien Klassifizierung einer waffenrechtlichen Begutachtung unterzogen werden". Was ich voll unterstütze. Kann ja sein, die "Gegenstände" sind gar keine "Luftdruckwaffen", sondern Panzerabwehrlenkraketen, Atom-U-Boote oder Fliegerabwehrkanonen. Der Zusammenhang zwischen Kriegswaffen, "verdächtigen Fotos" und "Softair- oder Luftdruckwaffen" ist mir zwar nicht ganz verständlich, aber als guter Untertan vertraue einfach mal den Fachleuten.
Die Müllers haben voriges Jahr übrigens die 80. Wohnungsdurchsuchung erlebt. Wie man hört, haben die schon Blumen bestellt, mir denen die die Büttel bei der 100. begrüßen werden. Viel Zeit wird wohl nicht vergehen bis dahin.
Der Richtervorbehalt ist schon von grundauf ein Witz (außer für die Betroffenen natürlich). Eigentlich, zumindest im Rechtsstaat, sollten Richter Leute sein, die ganz besonders auf das Gesetz eingeschworen sind. In Deutschland hat man sich für das Gegenteil entschieden. Hier dürfen die Richter (Richterliche Freiheit!) ohne an Recht und Gesetz zu denken, schalten und walten wie die wollen. Jede Schweinerei wird zur guten Tat, wenn sie denn nur von einem Richter begangen wurde. Der Richtervorbehalt Nonsens.
Und wenn die überhaupt keine Ausrede mehr finden, wenn sich nicht mal Nonsens wie "Telefonüberwachung" in Stellung bringen lässt, durchsuchen die eben, um möglicherweise entlastende Beweise zu finden.
Zitat von Llarian im Beitrag #255 Man muss sich schon über zwei Dinge bewusst sein: 1. Es ist ein massiver Eingriff in unsere Grundrechte, sprich die Verfassung (egal ob man sie jetzt Verfassung oder Grundgesetz nennt). Da muss schon ein recht massiver Grund vorliegen. 2. Eine Durchsuchung hat durchaus heftige Folgen, sie kann in aller Regel nicht geheim gehalten werden und kann soziale, berufliche als auch traumatische Folgen für den Verdächtigen haben.
Ob traumatisch ist sicher eine Frage der Definition. Aber es steckt einem in den Knochen, das auf jeden Fall. Und man verhält sich entsprechend. Persönliche Sachen werden grundsätzlich nur verschlüsselt gespeichert. Nicht dass ich was kriminelles täte, aber man will denen kein Schießpulver liefern. Auch bei Papier-Unterlagen ist man immer am überlegen. Einerseits muss oder sollte man verschiedene Sachen ein paar Jahre aufheben; wegen Gewährleistung und anderen Verjährungsfristen. Andererseits will man denen so wenig wie möglich Gelegenheit geben, das persönliche Leben auszuforschen.
Bei anderen bewirken Wohnungsdurchsuchungen das genaue Gegenteil. Wenn man beispielsweise Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder Beate Zschäpe heißt, sind die erlebten Wohnungsdurchsuchungen zwar ein Grund, alle Morde und Banküberfälle so zu begehen, dass am Tatort sowohl bei Tatvorbereitung als auch bei Tatdurchführung keine Fingerabdrücke, keine Fußabdrücke und keine DNA zurückbleiben, und dass man dabei auch von keinem Zeugen gesehen wird. Aber als quasi tätige Reue für so unkooperatives Verhalten legt man zentnerweise, dazu noch unbrennbare, Beweismittel griffbereit für die Polizei in die eigene Wohnung. So jedenfalls die offizielle Darstellung. Und diesen Stuss wollen wir doch nicht in Frage stellen. Oder?
Zitat von Llarian im Beitrag #253Der Rechtstaat kennt keine ungeschriebenen Gesetze. Das ist eine zentrale Eigenschaft des Rechtsstaates und nur um die geht es.
Wenn man das so scharf einengt, dann sind aber Großbritannien, Kanada, Australien und auch die von Ihnen zum Vergleich herangezogenen USA keine Rechtsstaaten, denn hier gilt neben dem geschriebenen Gesetz (statutory law) das ungeschriebene von Herkommen und Präzedenz, das im Ermessen der Richter liegt und von diesen gewissermaßen gestaltet wird (common law).
Zitat von Llarian im Beitrag #253Der Rechtstaat kennt keine ungeschriebenen Gesetze. Das ist eine zentrale Eigenschaft des Rechtsstaates und nur um die geht es.
Wenn man das so scharf einengt, dann sind aber Großbritannien, Kanada, Australien und auch die von Ihnen zum Vergleich herangezogenen USA keine Rechtsstaaten, denn hier gilt neben dem geschriebenen Gesetz (statutory law) das ungeschriebene von Herkommen und Präzedenz, das im Ermessen der Richter liegt und von diesen gewissermaßen gestaltet wird (common law).
Lieber Fluminist, hier wird der Unterschied zwischen "germanischem Recht" und "römischem Recht" deutlich. Unser (kontinental-)europäisches Rechtsempfinden ist vom römischen Recht geprägt, während das angelsächsische Rechtsempfinden eben stark vom germanischen Recht, genauer dem Recht der Angeln und Sachsen und Normannen geprägt ist. Römisches Recht ist stark kanonisch, während im germanischen Recht immer stark mit dem Präzedenz- und Fallrecht, also "Common Law" gearbeitet wurde. Natürlich sind die angelsächsischen Länder dennoch Rechtsstaaten - und eine DDR ist dennoch ein Unrechtsstaat gewesen, obwohl dort römisches Recht das Recht geprägt hat.
Zitat von Llarian im Beitrag #263Vielleicht noch ein Gedanke, der aber nicht am konkreten Objekt wichtig ist: Ich denke die Erpressbarkeit hat eher was damit zu tun, wie wir als Gesellschaft mit dem Privatleben von Politikern umgehen. Und ich meine das geht uns nix an. Zur Zeit der Bonner Republik war es auch kein echtes Geheimnis auf was Guido Westerwelle so stand und Helmut Kohls Küchenkabinett war zumindest durchaus öfter als Tratschthema. Es ist aber nie offen drüber geschrieben worden und offensichtlich waren beide nicht damit erpressbar. Ich würde mir solche Zeiten manchmal zurück wünschen. Juckts es mich wirklich ob Angela Merkel drei Liebhaber hat oder nicht oder sich Peer Steinbrück jeden Abend mit Honig einschmiert ? Nee, ohne groß drüber nachzudenken, eigentlich nicht. So lange die nix strafbares tun juckts mich nicht. Zumindest neige ich der Meinung zu, es sollte mich nicht jucken. Wenn jemand seine Privatssphäre öffentlich macht (gibt ja solche Promis), dann meinetwegen, aber so lange jemand sein Privatleben für sich behält sollte er auch das Recht dazu haben.
Ich weiss nicht so recht. Natürlich ist es mir vollkommen egal, ob Politiker homosexuell, Bondageliebhaber oder asexuell sind - auch Promiskuität interessiert mich nicht. Bestimmte, grenzwertige Dinge sind bei einer Wahlentscheidung aber vielleicht doch von Interesse - zumindest, wenn sie Auswirkungen auf die Allgemeinheit oder die Politik haben könnten. So macht eine abseitige Präferenz vielleicht nicht erpressbar - die Bestellung von nicht ganz eindeutig legalem Material aber vielleicht schon. Um lieber mal eine unverfänglich Allegorie zu wählen: ich wüßte schon gerne, ob ein Politiker gerne Reden von J. Göbbels beim Sex abspielt - denn diese Präferenz könnte durchaus Auswirkungen auf seine spätere Leistung haben. Und ein Politiker, der mit seinen Geschwistern ..., hat - abseits der Erpressbarkeit - sicher auch politische Interessen, die ursächlich in dieser Präferenz sind. Und nicht immer kann man alles aus den Programmen entnehmen. Immer häufiger kauft man die Katze im Sack.
Zitat Die Sichtung und Auswertung von beschlagnahmten elektronischen Daten darf nur in Anwesenheit einer Vertreterin oder eines Vertreters der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag erfolgen. Diese oder dieser kann der Öffnung und Auswertung einzelner Dateien widersprechen, soweit offensichtlich Daten der Fraktion oder rein parlamentarischen Inhalts betroffen sind.“
Zitat von adder im Beitrag #267Lieber Fluminist, hier wird der Unterschied zwischen "germanischem Recht" und "römischem Recht" deutlich. Unser (kontinental-)europäisches Rechtsempfinden ist vom römischen Recht geprägt, während das angelsächsische Rechtsempfinden eben stark vom germanischen Recht, genauer dem Recht der Angeln und Sachsen und Normannen geprägt ist. Römisches Recht ist stark kanonisch, während im germanischen Recht immer stark mit dem Präzedenz- und Fallrecht, also "Common Law" gearbeitet wurde. Natürlich sind die angelsächsischen Länder dennoch Rechtsstaaten - und eine DDR ist dennoch ein Unrechtsstaat gewesen, obwohl dort römisches Recht das Recht geprägt hat.
Danke für die Erläuterung! Um Mißverständnissen vorzubeugen: selbstverständlich wollte ich nicht den Schluß ziehen, daß die "angelsächsischen" Länder keine Rechtsstaaten seien - sie sind bekanntlich die prototypischen Rechtsstaaten par excellence-, sondern im Gegenteil die Behauptung
Zitat von Llarian im Beitrag #253Der Rechtstaat kennt keine ungeschriebenen Gesetze.
in Frage stellen.
Gemeint war mit der Behauptung wohl das wichtige rechtsstaatliche Prinzip, daß bei der Rechtsprechung im einzelnen Fall keine Willkür herrschen darf; das wird im einen Modell durch schriftliche Niederlegung der Gesetze angestrebt, im anderen durch den Grundsatz der Gleichbehandlung analoger Fälle. Letzterem liegt zwar auch Schriftliches zugrunde, die Sammlung der vorangegangenen Urteile, aber es ist für den Laien dennoch sehr schwer bis unmöglich, den exakten Gültigkeitsbereich des ungeschriebenen Gesetzes vorherzusehen. In gewissem Grade gilt dies auch bei den geschriebenen Gesetzen, sonst bräuchten wir als Richter keine ausgebildeten Juristen, sondern nur mit dem Gesetzestext gefütterte Automaten.
Zitat Juckts es mich wirklich ob Angela Merkel drei Liebhaber hat oder nicht oder sich Peer Steinbrück jeden Abend mit Honig einschmiert ? Nee, ohne groß drüber nachzudenken, eigentlich nicht. So lange die nix strafbares tun juckts mich nicht.
So ganz egal ist es doch nicht. Wenn jemand als Abgeordneter einen Gesetzentwurf initiiert, daß Fleisch doppelt und dreifach besteuert werden soll, um "das Volk gesünder zu machen", ist die Information, daß der Betreffende einge"fleischt"er Vegetarier ist, durchaus hilfreich, genauso wenn A. M. plötzlich, angeblich mit Rücksicht auf "unsere eingewanderten Mitbürger" eine Gesetzesänderung vorantreibt, die die Vielehe erlaubt (Beispiel beliebig variierbar).
Zitat von adder im Beitrag #268 So macht eine abseitige Präferenz vielleicht nicht erpressbar - die Bestellung von nicht ganz eindeutig legalem Material aber vielleicht schon.
Ich gebe zu, ich bin am Anfang auch auf diesen Trick der Staatsanwaltschaft Hannover hereingefallen. Aber es ist tatsächlich nur ein Trick. Die Frage der Legalität ist tatsächlich gar nicht so zweideutig, aber das wollte der Staatsanwalt bewusst verbergen, deswegen hat er den Quatsch (!) von Kategorie 1 und 2 aufgeworfen. Das Strafrecht kennt das aber gar nicht. Eine Sache ist strafbar oder nicht, etwas dazwischen, so "ein bischen strafbar", gibt es eigentlich nicht. Ich habe weiter oben einen sehr lesenswerten Link dazu gepostet.
Zitat ich wüßte schon gerne, ob ein Politiker gerne Reden von J. Göbbels beim Sex abspielt - denn diese Präferenz könnte durchaus Auswirkungen auf seine spätere Leistung haben.
Natürlich könnte sie. Aber es geht trotzdem keinen was an. Wenn wir Politiker eine Privatsspähre zugestehen, und da gehe ich als selbstverständlich von aus, dann muss die in ihrer Privatheit unabhängig vom Inhalt oder von der Moral sein. Strafbarkeit ist sicher nicht privat, aber Reden von Göbbels zu hören ist schlicht auch nur schmuddelig, nicht illegal.
Zitat Und ein Politiker, der mit seinen Geschwistern ..., hat - abseits der Erpressbarkeit - sicher auch politische Interessen, die ursächlich in dieser Präferenz sind.
Möglich. Aber auch sein gutes Recht. Poltiker sollten, Betonung liegt auf sollten, einen Querschnitt durch die Bevölkerung darstellen, dazu gehören auch Vorlieben, die nicht im Mainstream liegen. Nun ist Geschwisterliebe strafbar (sie sollte es nach meinem Dafürhalten nicht sein, aber das ist ein anderes Thema und der Status quo ist halt "strafbar), und gehört insofern nicht zur Privatsspähre. Dinge, die aber dazu gehören, egal ob wir sie als schmuddelig empfinden, gehören dorthin. Und wenn sie die Politik beeinflussen, dann ist das eben so. Eine freie Gesellschaft muss das aushalten, wir machen ja nicht nur Politik für Mehrheiten. Nehmen wir folgendes Beispiel, weil ungefährlicher: Sich auspeitschen zu lassen gilt im allgemeinen in Deutschland als anrüchig. Aber nicht verboten. Nun wird ein Politiker, wenn es um politische Maßnahmen gegen Auspeitschungen geht, vielleicht eher aus privaten Gründen dagegen votieren. Na und ? Ist das falsch ? Er vertritt mit seiner Ansicht eine Minderheit, unsere Gesellschaft wird davon nicht gefährdet.
Zitat Immer häufiger kauft man die Katze im Sack.
Das ist immer das Problem einer repräsentativen Demokratie. Ich sehe das nur eher als Randproblem, denn so Partikulärinteressen sind genau das, partikulär. Dadurch entstehen keine Mehrheiten. Wenn dagegen in Deutschland die Umweltmafia wieder ganz offen Politiker einkauft, macht mir das viel mehr Sorgen (ja weiss ich, auch ein anderes Thema). Aber ein Cohn-Bendit, ein Tauss oder ein Edathy, die machen keine Mehrheiten und auch keine Gesetze. Sie würden vielleicht in Extremsituationen das Zünglein sein können, aber da wäre schon vorher soviel schief gelaufen, dass die nicht das Problem sind. Es gibt durchaus einige Grünen Politiker, die ganz offen für ungebremste Zuwanderung von aussen eintreten. Mit Sicherheit einige aus privaten Gründen. Ich finde das trotzdem so spannend nicht. So lange der Politiker offen das tut, was er ankündigt und sich bei seinen Wähler rechtfertigen kann, ist das doch in Ordnung. Mich interessiert doch auch nicht warum beispielsweise ein Guido Westerwelle zum Liberalismus gekommen ist (vielleicht über einen liberalen Liebhaber, was weiss ich ?), mich interessiert ob er liberale Politik durchsetzen kann. Was er nicht konnte, das ist aber ein drittes, anderes Thema. :)
Zitat von alteseuropa im Beitrag #271 Wenn jemand als Abgeordneter einen Gesetzentwurf initiiert, daß Fleisch doppelt und dreifach besteuert werden soll, um "das Volk gesünder zu machen", ist die Information, daß der Betreffende einge"fleischt"er Vegetarier ist, durchaus hilfreich,
Für wen ? Wo ist das Problem ? Ich finde das ziemlich unwichtig, die Frage die Sie und mich betrifft ist doch einzig darin zu suchen, ob wir mehr für das Fleisch bezahlen wollen. Sie müssen den Politiker ja nicht wählen, wenn er Politik macht, die Sie nicht wollen. Und vom Ergebnis sehe ich auch nicht den Unterschied ob der Vegetarier ist oder nicht: Vielleicht kann er es sich leisten. Vielleicht isst er wenig Fleisch. Vielleicht juckt es ihn nicht. Vielleicht ist sein Nachbar Metzger.
Ich will Ihnen absolut nix böses, liebe(r) alteseuropa, aber ich vermute Ihnen ist nicht aufgefallen, dass man sich sehr schnell einem Agitationsprinzip unterwirft: Statt sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Fleisch mehr besteuert werden sollte, setzt man stattdessen an der Quelle (also der Person) an, die den Vorschlag macht. Das ist eine Methode, mit der sich die linke Agitation seit Jahrzehnten, und das sehr erfolgeich, beschäftigt. Ich denke das ist nicht sinnvoll. Wenn ich Ihnen hier erzähle, dass ich beispielsweise steigende Energiepreise für verheerend für unser ganzes Land halte, und das auch entsprechend begründe, dann finde ich die erste Frage ob ich vielleicht auch RWE Aktien besitze durchaus unhöflich. Wenn ich etwas fordere und das nicht begründen kann (beispielsweise die Vorratsdatenspeicherung) und trotzdem immer wieder dafür eintrete, dann dürfen Sie die Frage irgendwann stellen. Aber so lange ich meine Meinung vernünftig begründen kann, ist es unhöflich sich nicht mit der Begründung sondern mit der Person zu beschäftigen. Und nebenbei: Irgendeinen Grund gibt es immer, wir handeln alle nicht sinnlos.
Zitat von Fluminist im Beitrag #270 Gemeint war mit der Behauptung wohl das wichtige rechtsstaatliche Prinzip, daß bei der Rechtsprechung im einzelnen Fall keine Willkür herrschen darf; das wird im einen Modell durch schriftliche Niederlegung der Gesetze angestrebt, im anderen durch den Grundsatz der Gleichbehandlung analoger Fälle. Letzterem liegt zwar auch Schriftliches zugrunde, die Sammlung der vorangegangenen Urteile, aber es ist für den Laien dennoch sehr schwer bis unmöglich, den exakten Gültigkeitsbereich des ungeschriebenen Gesetzes vorherzusehen.
Das Gesetz ist ja geschrieben, nur eben in Form von Präzedenzfällen. Das es für den Laien oftmals nicht möglich ist den Präzedenzfall oder auch das schriftliche Gesetz richtig auszulegen, ist ein bis heute ungelöstes Problem. So oder so, es existiert schriftlich, man kann es nachlesen und die Fiktion des perfekten Juristen könnte es auslegen. Aber dafür muss er es nachlesen können. Was Frau Limbach in ihrem Urteil schreibt ist aber der Hinweis auf bewusst nicht schriftlich gefasste Grundsätze. Und das ist eine formale Katastrophe und öffnet der Willkür Tür und Tor, das kann schlicht alles heissen was ein Richter jetzt für einen ungeschriebenen Grundsatz hält. Ich sehe auch die Unterschiede zwischen den beiden Rechtssystemen nicht in Form der Nichtschriftlichkeit, sondern eher darin, dass das eine aus "präventiven" Gesetzen besteht, dass andere eher aus vergangenen Entscheidungen. Dazu kommt dann die Auslegung, die im angelsächsischen Raum den Character von "neu geschaffenem Recht" haben, während so etwas in Deutschland eigentlich nur den Obergerichten zufällt. Wie dem aber auch immer sei, man kann es nachlesen und es gilt der universelle Grundsatz: Keine Strafe ohne Gesetz. Was bei ungeschriebenen Gesetzen eben so einfach nicht mehr ist.
Zitat Sie müssen den Politiker ja nicht wählen, wenn er Politik macht, die Sie nicht wollen.
Eben. Und deswegen ist es nicht schlecht, vor der Wahl zu wissen, ob der Betreffende RWE-Aktionär, Besitzer von 20 Windrädern, überzeugter Bigamist, Sadist, 10mal geschieden ist, sich mit Honig einschmiert (um Ihr Beispiel zu nehmen, und sich deswegen ständig nur um Imker kümmert). Gerade wenn derjenige nicht alles sagt, können solche Hintergrundinformationen nützlich sein. Das hat nichts mit Klatsch und Tratsch zu tun, auf den Sie abheben. Natürlich gibt es den wirklich uneigennützigen Volksvertreter, der trotz Woll-Aktien nicht alle zum Stricken und Häkeln animinieren will, den Liederjahn, der trotzdem frauenfreundlich ist, die Feministin, die vielleicht doch auch ein Herz für Männer hat, das mag ja alles sein. Trotzdem sind Eigenschaften nicht ganz von der Person zu trennen, und es ist nützlich, vor einer Wahl zu wissen, mit wem man es ungefähr zu tun hat.
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