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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Llarian Offline



Beiträge: 6.902

08.09.2016 23:27
#176 RE: Brexit Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #171
Je mehr Handel, desto weniger Chancen, dass es einen marktbeherrschenden Monopolisten gibt.

Bei aller gebotenen Höflichkeit, lieber Florian, aber das hat jetzt den Character von einem Kalenderspruch. Ich habe Sie nach einer ganz konkreten (!) Situation gefragt, nicht nach der Frage oder man in der Migros oder im Denner einkauft. Mit wem soll die Schweiz denn bitte handeln, wenn Sie die "Markteintrittsgebühr" der EU nicht zahlen will ?
Mit wem soll die Schweiz denn mehr handeln, um an dem Monopolisten EU vorbei zu kommen ? Und wie soll das technisch aussehen ?

Und nebenbei, auch wenns mit der Frage nichts zu tun hat: Gemessen an dem was die Schweizer verdienen, sind die Preise in der Migros nichts weltbewegendes.

Florian Offline



Beiträge: 3.134

08.09.2016 23:36
#177 RE: Brexit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #175
Zitat von R.A. im Beitrag #157
Aber wenn "keine Freizügigkeit" bedeuten soll, daß die Briten frei reisen dürfen und die Kontinentalen nicht - dann wird die EU das zu Recht verweigern.

Das geht jetzt ein wenig an der Realität vorbei, die meisten Brexiteers interessiert eine solche Freizügigkeit nicht. Warum auch ? Ist auch unsinnig, ich kann heute als Amerikaner ziemlich problemlos in die EU einreisen, genauso wie ich als EU-Bürger in den USA einreisen kann, dafür braucht es keine Brüsselsche Freizügigkeit.



Kleiner Hinweis:
"Freizügigkeit" ist etwas komplett anderes als "Recht zur Einreise".
"Freizügigkeit" bedeutet in seiner allgemeinen Form: freie Wahl des Wohnorts.
Das ist deutlich mehr als nur ein "Recht zur Einreise" (die z.B. nur einen zeitlich begrenzten Aufenthalt in einem Land vorsehen kann).

Amerikaner haben z.B. zwar in der EU Reisefreiheit. Aber nicht unbedingt Freizügigkeit.
Gleiches gilt umgekehrt.

Innerhalb der EU wird "Freizügigkeit" übrigens noch weiter definiert, nämlich incklusive der "Arbeitnehmerfreizügigkeit".
D.h. das Recht, eine Arbeitsstelle in dem betreffenden Land annehmen zu dürfen.

Florian Offline



Beiträge: 3.134

08.09.2016 23:43
#178 RE: Brexit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #176

Mit wem soll die Schweiz denn mehr handeln, um an dem Monopolisten EU vorbei zu kommen ? Und wie soll das technisch aussehen ?



Ah, ich glaube zu erkennen, dass wir hier aneinander vorbei reden.
Wenn Sie "Monopolist" schreiben, meinen Sie die EU?
Ich bin (wohl fälschlich) davon ausgegangen, dass Sie mit dem Begriff "Monopolist" nicht von Staaten sprechen würden, sondern von Unternehmen.

Also mein Argument ging darauf basierend wie folgt:

Wenn ein Staat sich dem internationalen Handel öffnet, dann erhöht sich die Zahl der UNTERHNEHMEN, die den Staatsbürgern ihre Ware anbieten können.
Der Wettbewerb nimmt also zu. Was gut für den Konsumenten ist, weil er dadurch mehr Wahlfreiheit hat.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

09.09.2016 00:57
#179 RE: Brexit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #157
[...] Was also genau die Brexiteers wollen - außer fleißige polnische Klempner schikanieren - ist ziemlich offen.
Und wenn man ihren schwammigen Parolen überhaupt etwas entnehmen kann, dann wollen sie weniger Ausländer in GB. Aber nicht unbedingt weniger Briten im Ausland. Und das werden sie so natürlich nicht kriegen. [...]

In der Tat schwammig. Beispielsweise beginnt das Resümee der "Vote Leave"-Kampagne, das im offiziellen Informationsblatt "The 2016 EU Referendum Voting Guide" der Wahlkommission abgedruckt ist (das Heftlein liegt mir vor; die online-Information hat die Statements der beiden Seiten seltsamerweise nicht) wie folgt:

Zitat
Our Last Chance To Take Back Control

Some facts

EU law controls UK migration policy. More than a quarter of a million people came to the UK form the EU in the last 12 months - the equivalent of a city the size of Newcastle. If this continues for a decade, there will be over two million extra people. EU laws means all members must accept 'free movement of people'. Many migrants contribute to society. They also affect public services. [...]


(die beiden anderen Punkte sind dann "The EU is growing" - hier wird mit der Türkei gedroht - und "We pay about £350 million a week to the EU budget" - mit der naiven Schlußfolgerung "Let's take back control and spend our money on our priorities like our NHS" - siehe das Ganze auch nochmal etwas anders hier).

Wie man sieht, liegt hier keine eigentliche Argumentation vor, es werden nur ziemlich simplistische (und in einfacher Sprache gehaltene) Behauptungen gemacht, aus denen dann der Leser den Schluß, wie schrecklich das alles sei, selber ziehen soll. Es ist auf den Bauch zielende Panikmache, schon angefangen mit "unsere letzte Chance..."; hypothetische Extrapolation ("wenn das ein Jahrzehnt so weitergeht" : warum ein Jahrzehnt? warum nicht ein Jahrhundert?), latente Xenophobie ("extra Leute", gewissermaßen Über- und Ausschuß über das korrekte Maß hinaus, so als siedelte sich jeder Austauschstudent gleich fest an und als wanderten nicht Briten auch in andere Länder aus)... dann kommt der merkwürdige Satz "viele Migranten tragen zur Gesellschaft bei", dessen Funktion im Argument unklar bleibt - er klingt mehr wie ein Dementi der vorher durchschimmernden Xenophobie -, und auch der letzte Satz ist enigmatisch : "affect public services" ist neutral, so daß man sich auf keine Zahlen oder Effekte festlegt, aber intendiert ist wohl, daß an Warteschlangen im medical centre nicht Mißwirtschaft des staatlichen Gesundheitswesens schuld ist, sondern die Millionen Leute aus der EU.

Im Fazit: schwammige Sätze, mit denen nichts konkret ausgesagt ist, die aber ideal dazu dienen, vorhandene Ressentiments anzusprechen. Und mehr als das war aus den Brexiteuren auch in den zweieinhalb Monaten seither noch nicht herauszukriegen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.09.2016 05:17
#180 RE: Brexit Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #174
Zitat von Martin im Beitrag #172


Welche Marktabschottung? Die Preise in der Schweiz sind hoch, weil die Kosten (Gehälter, Mieten) hoch sind, und die zudem mit dem Franken mit gestiegen sind.



Richtig.

Aber glauben Sie mir: die Marktabschottung spielt da auch eine Rolle.
Zum einen natürlich die Zölle, speziell auf Lebensmittel.



Das Milch-'Fass' würde ich nicht aufmachen wollen. Natürlich versucht die Schweiz, die seit Jahrzehnten von einer Agrarsubventionitis der EU (mit der gleichen Intention) umgeben ist, ihre Landwirtschaft angemessen zu schützen. Einerseits ist das aber ein komplexes Thema ist dem ich mich nicht ausreichend auskenne, zum Anderen betrifft es eine Größenordnung von 1% der Schweizer Wirtschaft, für die Diskussion m.E. vernachlässigbar.

Gruß, Martin

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.09.2016 05:36
#181 RE: Brexit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #160
Da stimme ich ja völlig zu. Selbstverständlich sollte man die EU in einigen Punkten reformieren und dabei auch Zuständigkeiten neu ordnen. Hat aber mit Freihandel wenig zu tun tun und die Briten haben auch nicht für Austritt gestimmt, weil sie in ihren wenigen kleinen Flüssen mehr baggern wollen.


Dies war ja als Beispiel gemeint für Regularien, die nichts mit Freihandel zu tun haben. Das Beispiel ist auch sicher nicht der treibende Faktor für einen Brexit, da ist das vorrangige Thema nach wie vor die Personenfreizügigkeit.

Zitat
Exakt das habe ich geschrieben. Man muß erst den Nachweis erstellen und bei Grenzübertritt wird dann überprüft, ob er vorliegt. Und das ist selbstverständlich umständlicher als der echte Binnenmarkt ohne Grenzkontrollen und Zollbehörde.

In der Praxis ist das ein Blick auf die Frachtpapiere. Man kann dazu 'Prüfung' sagen, der Aufwand ist aber kein ernsthaftes Handelshemmnis.

Zitat
Sicher, aber der Teufel liegt im Detail. Der Streit um TTIP zeigt sehr gut, wieviel Potential jedes dieser Details haben kann.
Und natürlich kann sich der Exporteur auf diese veränderten Details einstellen - aber das kostet halt Aufwand und Geld und benachteiligt ihn entsprechend



Ich hatte hier in der Vergangenheit zu Produkten bei denen ich viele Jahre Erfahrung habe kommentiert. Das TTIP-Marketing hat dort zwar Potential avisiert, ich kann aber kein nennenswertes identifizieren.

Zitat
Auch für diese populäre These fehlt jeder Beleg. Sondern im Gegenteil kann man davon ausgehen, daß ein kleinerer Handelsraum wie GB im Schnitt nur schlechtere Bedingungen aushandeln kann als ein großer Handelsraum wie die EU.



Das stimmt im Prinzip, für China spielen gelegentlich aber auch politische Erwägungen eine Rolle. Beispielsweise ein 'Teile und Herrsche'.

Gruß, Martin

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.09.2016 05:59
#182 RE: Brexit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #179

In der Tat schwammig. Beispielsweise beginnt das Resümee der "Vote Leave"-Kampagne, das im offiziellen Informationsblatt "The 2016 EU Referendum Voting Guide" der Wahlkommission abgedruckt ist (das Heftlein liegt mir vor; die online-Information hat die Statements der beiden Seiten seltsamerweise nicht) wie folgt:

Zitat
Our Last Chance To Take Back Control



Kampagnen werden meist auf Schlagworte reduziert, ich erwarte von solchen Broschüren nicht viel Futter für Diskussionen. Um ein besseres Verständnis zu bekommen würde ich als erstes Camerons vier Forderungen an die EU heranziehen, mit dem er der Brexit-Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen wollte https://www.gov.uk/government/speeches/p...ch-on-europe.de.

Die vier Punkte sind unter den Abschnitten 'Wirtschaftliche Steuerung und die Eurozone', 'Wettbewerbsfähigkeit', 'Souveränität und Subsidiarität', 'Zuwanderung' zusammengefasst. Zwar auch noch nicht detailliert, aber in Prosa einigermaßen nachvollziehbar. Für mich liest sich das vernünftig, für Europäische Superstaatler natürlich katastrophal. Die letzteren dominieren noch immer Brüssel, und die meisten heben sozialistische Anwandlungen. Cameron hätte mehr Unterstützung verdient gehabt.

Gruß, Martin

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

09.09.2016 08:41
#183 RE: Brexit Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #182
Zitat von Fluminist im Beitrag #179

In der Tat schwammig. Beispielsweise beginnt das Resümee der "Vote Leave"-Kampagne, das im offiziellen Informationsblatt "The 2016 EU Referendum Voting Guide" der Wahlkommission abgedruckt ist (das Heftlein liegt mir vor; die online-Information hat die Statements der beiden Seiten seltsamerweise nicht) wie folgt:

Zitat
Our Last Chance To Take Back Control



Kampagnen werden meist auf Schlagworte reduziert, ich erwarte von solchen Broschüren nicht viel Futter für Diskussionen. Um ein besseres Verständnis zu bekommen würde ich als erstes Camerons vier Forderungen an die EU heranziehen, mit dem er der Brexit-Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen wollte https://www.gov.uk/government/speeches/p...ch-on-europe.de.

Die vier Punkte sind unter den Abschnitten 'Wirtschaftliche Steuerung und die Eurozone', 'Wettbewerbsfähigkeit', 'Souveränität und Subsidiarität', 'Zuwanderung' zusammengefasst. Zwar auch noch nicht detailliert, aber in Prosa einigermaßen nachvollziehbar. Für mich liest sich das vernünftig, für Europäische Superstaatler natürlich katastrophal. Die letzteren dominieren noch immer Brüssel, und die meisten heben sozialistische Anwandlungen. Cameron hätte mehr Unterstützung verdient gehabt.

Gruß, Martin


Dem letzten (Ab)satz stimme ich ohne weiteres zu. Aber Camerons höchst vernünftige Forderungen haben mit Brexit überhaupt nichts zu tun. Sie waren der Versuch, britische Vorstellungen, die auch von einem Teil der anderen Mitgliedsstaaten mitgetragen hätten werden können, in die EU einzubringen und so die EU in der konstruktiven Rolle eines wichtigen und unabhängig denkenden Mitglieds reformieren zu helfen. Aber da hatte Cameron nicht nur den Anti-EU-Teil seiner Partei und die Protestkonkurrenz UKIP gegen sich - denn diese waren nie für eine Reform der EU, sondern für Austritt -, sondern stieß ebenso vorherseh- wie bedauerlicherweise auch bei EU-Führung und führenden Mitgliedsstaaten (Frankreich, Deutschland etc) auf taube Ohren und eine eiskalte Schulter.

Es ist richtig, er hätte mehr Unterstützung verdient gehabt, auch bei seinem Verhandlungsversuch vor knapp einem Jahr; aber er hat sie nicht bekommen, von seiner Partei zum Teil nicht, und EU-seitig überhaupt nicht. Deshalb sind seine Punkte, so vernünftig sie waren, vom Tisch. Die EU hat eine Chance zur Reform verpaßt, weil sie sie gar nicht haben wollte, und in GB ist eine interne Krise der konservativen Partei zur Regierungs- und Verfassungskrise ausgewachsen.

Statt vernünftiger Worte wird nun Politik mit demagogischen und vorhandene Vorurteile ansprechenden, dabei aber nichtssagenden und sich nicht festlegenden Schlagworten gemacht. Ob das für Kampagnen immer so sein muß, halte ich für fragwürdig; mein Punkt ist der, daß es hier so gemacht wurde und, obwohl die Kampagne seit zweieinhalb Monaten vorbei ist, auch weiterhin so gemacht wird - wohl zwangsläufig, weil hier die Schlagworte der Kampagne nicht eine fürs Volk kondensierte Kurzfassung des Programms sind, sondern nur Stellwände, die die Abwesenheit eines Programms kaschieren.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.09.2016 09:22
#184 RE: Brexit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #183
Aber Camerons höchst vernünftige Forderungen haben mit Brexit überhaupt nichts zu tun.


Die Forderungen haben mit dem Brexit soweit zu tun, dass damit Forderungen der Brexit-Verfechter kanalisiert werden sollten, und wie ich schrieb, der Wind aus den Segeln genommen werden sollte. Dem Ruf nach mehr Souveränität wäre mit der Option einer Ablehnung von EU-Gesetzen Rechnung getragen worden, der Forderung nach besserer Einwanderungskontrolle, bzw. Rücknahme einiger Anreize für die Freizügigkeit bei der EU-Einwanderung hätte diejenigen, die in dieser Sache Sorge hatten beruhigt. Nimmt man das Wahlergebnis hätten Cameron bereits wenige % gereicht, um eine Brexit-Entscheidung zu kippen.

Ich nehme Camerons Forderungen als Referenz, weil er die die Kernthesen der Brexit-Befürworter kannte und sie damit adressieren wollte. Wenn sich die Brexit-Forderungen heute etwas radikaler lesen, so liegt das an der Verhärtung der Fronten, an der einige EU-Großmuftis heftig mitgearbeitet haben. Vielleicht sind sie auch sauer, weil sie sich verkalkuliert haben.

Gruß, Martin

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

09.09.2016 10:11
#185 RE: Brexit Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #184
Ich nehme Camerons Forderungen als Referenz, weil er die die Kernthesen der Brexit-Befürworter kannte und sie damit adressieren wollte. Wenn sich die Brexit-Forderungen heute etwas radikaler lesen, so liegt das an der Verhärtung der Fronten, an der einige EU-Großmuftis heftig mitgearbeitet haben. Vielleicht sind sie auch sauer, weil sie sich verkalkuliert haben.

Ich sehe ein, daß Sie hier ein Spiegelbild- oder Schattenverfahren anwenden wollen. Die Ansichten der Anti-EU-Fraktion in der konservativen Partei sowie auch von UKIP (einer Partei ohne direkten politischen Einfluß, deren Existenz und Bereitschaft, abtrünnigen Konservativen ggf. eine neue Heimat zu bieten, es aber den EU-Gegnern in der konservativen Partei leichter gemacht haben, auf ihre Parteiführung Druck auszuüben) sind aber ohnedies bekannt. Camerons Forderungen an die EU wurden von diesen nie akzeptiert und wären allenfalls als Kompromiß durchgegangen, wenn Cameron bei EU-Partnern und Wählerschaft Erfolg gehabt hätte. Die "Brexit-Forderungen" (genau genommen bisher immer nur eine: Austritt aus der EU ohne Berücksichtigung irgendwelcher Detailfragen) waren von jener Seite seit je genauso radikal und verhärtet vorgebracht worden wie heute. Nur waren sie vor dem 23. Juni eine extreme Minderheitenposition in der Politikerszene. Jetzt sind sie plötzlich Staatsaufgabe No. 1, und es wird sehr schmerzlich erkennbar, daß das ganze Sinnen und Trachten ihrer Proponenten bisher ganz auf Einwerben von Zustimmung unter den Wählern gerichtet war und ist und sich noch niemand konkrete Gedanken darüber gemacht hat, wie diese Forderung im einzelnen aussehen soll oder umgesetzt werden kann. Die Hardliner sind ja nach wie vor der Ansicht, daß das Land einfach aus der EU austreten und dann nach und nach (und mit etwas Glück) wieder Handels- und politische Beziehungen mit anderen Ländern entwickeln könne, so als ginge das Leben nicht weiter und so als käme es in Wirtschaft und Handel, aber auch im Leben der Menschen nicht auf jeden einzelnen Tag an.

Camerons Forderungen im gegenwärtigen Zusammenhang heranzuziehen ist schon deshalb leicht irreführend, weil sie eben genau das Gegenteil von Brexit sind. Im Grunde sind sie das Programm der "Remain"-Kampagne - denn nur ein Großbritannien in der EU kann diese Forderungen einbringen und möglicherweise durchsetzen -, die infolge des Mißerfolgs Camerons bei den EU-Partnern erheblich, wohl entscheidend, geschwächt wurde. Mit dem Votum vom 23. Juni sind diese Forderungen endgültig Geschichte. Jetzt kann GB nur noch entweder den kalten Brexit durchziehen, mit allen ggf. katastrophalen Folgen, oder im letzten Moment zurückzucken und bei der EU zu Kreuze kriechen; eine Verhandlungsposition, Camerons Forderungen zur EU-Reform überzeugend und mit auch nur der geringsten Aussicht auf Erfolg einzubringen, hat das Land nicht mehr.
Sicher, rein theoretisch wären Camerons Vorschläge immer noch eine vernünftige Basis für eine EU-Reform; aber daß eine solche Reform auch tatsächlich stattfinden wird, ist durch das Brexit-Votum noch einmal um Größenordnungen unwahrscheinlicher geworden.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.256

09.09.2016 11:24
#186 RE: Brexit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #183

Es ist richtig, er hätte mehr Unterstützung verdient gehabt, auch bei seinem Verhandlungsversuch vor knapp einem Jahr; aber er hat sie nicht bekommen, von seiner Partei zum Teil nicht, und EU-seitig überhaupt nicht. Deshalb sind seine Punkte, so vernünftig sie waren, vom Tisch. Die EU hat eine Chance zur Reform verpaßt, weil sie sie gar nicht haben wollte, ...


Das kann man gar nicht oft genug betonen. Die politischen Institutionen und selbsternannten Eliten der EU hatten dutzende Möglichkeiten, wenigstens die schlimmsten Auswüchse zu beseitigen. DUTZENDE. Die EU-Machthaber haben diese Möglichkeiten bewusst ignoriert in der Absicht, permanent stärkere Zwänge und "Alternativlosigkeiten" zu erzeugen, die dem Wähler wie überhaupt allen demokratischen Institutionen die Möglichkeit zur Mitbestimmung entziehen.

Das alles ist keineswegs Zufall gewesen: die Machthaber haben ganz bewusst jede Möglichkeit ausgenutzt, um die demokratische Grundlage der EU zu zerstören und den Wählern ihre Rechte zu entziehen. Natürlich nur weil man "das Beste wollte". Und es ist überhaupt nicht erkennbar, dass sich das in den nächsten 20 Jahren geändert hätte, denn das politische Personal bleibt ja das gleiche.

R.A. verteidigt dieses Vorgehen vehement mit dem Hinweis auf die edlen Ziele. Ich kann immer wieder nur staunen wie jemand, der von sich selbst sagt im liberalen Lager groß geworden zu sein, derart undemokratische Machenschaften zwar nicht liebt aber als leider notwendig akzeptiert. Ich. kann. das. nicht.

Eine EU, die auf der Machtergreifung und den undemokratischen Tricks von ein paar 10.000 selbsternannten Weltverbesserern beruht, werde ich nicht akzeptieren. Niemals. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.09.2016 11:33
#187 RE: Brexit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #175
Entweder ihr zahlt ein Eintrittsgeld oder wir handeln nicht mit Euch.

Richtig. Und das ist auch völlig legitim so. Die geographische Lage der Schweiz ist nicht Schuld der EU. Die Schweizer haben faire Bedingungen angeboten bekommen und akzeptiert. Es gibt keinen Grund daß die EU-Staaten Sonderlocken drehen, nur weil die Schweizer mit ihrer Mischung aus Isolierung und Mitmachen sich selber auf den Füßen stehen.

Zitat
Der Grund für die derzeitigen Fliehkräfte in der EU liegen nicht zuletzt darin begründet, dass sich das Machtprinzip inzwischen zum vorherschenden Prinzip entwickelt hat.


Nein.
Der Grund ist eine Unzufriedenheit in ALLEN westlichen Industriestaaten mit dem Status Quo von Demokratie und Sozialstaat. Diese Unzufriedenheit wird in Europa sehr stark auf das Feindbild Brüssel projeziert, in den USA gibt es das mit dem Feindbild Washington.
Diese Unzufriedenheit gibt es übrigens genauso in der Schweiz, die überhaupt kein EU-Mitglied ist.

Und wenn man dann die genauen Kritikpunkte anschaut, dann hat das fast nichts mit Brüssel selber zu tun. Sondern das sind dann Maßnahmen, die meistens zum grünen Paternalismus gehören und auf nationaler Ebene völlig genauso gefahren werden.

Zitat

Zitat
Der Zugang zum Binnenmarkt ist also für die Schweiz viel attraktiver als es der frühere Handel mit EG-Staaten war.


Das sagt der Pate auch über seine Versicherung. Allein, es mangelt an der Alternative.



Auch das ist nicht Schuld der EU. Die Welt hat sich verändert, die Rolle von Politik hat sich verändert. Als Reaktion haben die EU-Staaten einen Binnenmarkt geschaffen, der deutlich besser funktioniert als die reine EWG-Zollunion von früher. Die EU-Europäer haben das Recht dazu, sich ihr eigenes Leben durch solche Maßnahmen zu verbessern.
Und wenn die Schweizer wirklich die alte Welt mit den Einzelstaaten und Handelshindernissen lieber gehabt haben - ihr Pech. Sie haben überhaupt kein Recht darauf, daß die EU-Europäer ihre eigene Entwicklung nach den Wünschen von Außenstehenden gestalten.

Zitat
Die Schweiz hat ja gar nicht die Wahl, ob sie nach altem Prinzip handelt oder nicht, denn die EU vertritt ja die Haltung: Friss oder stirb.


Richtig. Und die EU hat jedes moralische Recht dazu. Wir wollten einen echten Binnenmarkt, und dazu müssen wir nicht die Schweizer um Erlaubnis fragen.

Zitat
Und am Ende vermutlich das ist, was die Briten am Ende auch wollen.


Genau das ist eben die Frage. Die Brexiteers wollen das vielleicht, "die Briten" wahrscheinlich nicht - wenn sie erst einmal gemerkt haben, was da eigentlich dran hängt.
Genau das ist die Funktion der Botschaft aus Japan: Den Briten zu zeigen, daß eine Reduzierung der bisher üblichen Freiheiten konkrete Defizite und Nachteile mit sich bringen wird.
Die Amis können mit diesem reduzierten Niveau leben, weil sie von einem noch niedrigerem Level kommen und weil ihre geographische Lage anders ist. Die Briten müßten vom schon erreichten Niveau wieder runter, das ist immer viel schwerer.

Zitat
die meisten Brexiteers interessiert eine solche Freizügigkeit nicht.


Weil die Brexiteers zu einem großten Teil wirtschaftlich abgehängte Landeier und Rentner sind, die persönlich nie auf die Idee kommen würden, mal irgendwo anders in Europa zu studieren oder zu arbeiten. Und natürlich ist diese Freizügigkeit eine Freiheit, von der immer nur eine Minderheit Gebrauch machen wird. Die Frage ist nur, ob die Mehrheit der Minderheit das wirklich versauen will.
Denn auch hier zeigt die japanische Intervention: An der Freizügigkeit Weniger hängen durchaus auch die Arbeitsplätze von Vielen, die selber nicht von der Freizügigkeit Gebrauch machen.

Zitat
Die Fliehkräfte in Europa wegzuschreiben mag bequem sein ...


Natürlich gibt es diese Fliehkräfte - aber das ist weit weg von der Behauptung, daß sich "die Nationen" ein Ende der EU wünschen würden.

Zitat
In Deutschland ist es die AfD, in England die UKIP, in Frankreich der Front National, in den Niederlanden die PVV, in Österreich die FPÖ, in Schweden die Schwedendemokraten, in Belgien Vlaams Belang, in Finnland die Wahren Finnen und das sind nur die, die mir direkt einfallen. Und das sind alles keine Splitterbewegungen.


Es sind keine Splitterbewegungen, aber sie repräsentieren in keinem Land auch nur annähernd eine Mehrheit.
Und sie sind allesamt in ihrer intellektuellen Qualität und im Begreifen der modernen Strukturen so schwach, daß ich sie als Diskussionspartner nicht ernst nehmen kann - selbst wenn sie mal zufällig einen richtigen Punkt kritisieren.

Zitat
Wenn ich sehe mit welch abstossenden Ressentiments heute schon gegen die Briten gehetzt wird, mit welchem Hass in Griechenland gegen die Deutschen argumentiert wird, mit welchen Parolen in Polen gegen die Deutschen geschrieben wird (nur drei Beispiele), dann stelle ich fest, dass die EU derzeit nicht mehr Frieden erreicht, sondern mehr Spaltung.


Diese Ressentiments werden im wesentlichen von genau den Leuten verbreitet, deren Parteien Du oben als EU-Gegner aufgeführt hast. Es ist nicht Schuld der EU, wenn die EU-Gegner Haß verbreiten.

Zitat
Vor 15 Jahren, als die EU noch nicht das war, was sie heute ist, habe ich mich als Deutscher in Griechenland deutlich (!) wohler gefühlt.


Und wer hetzt in Griechenland gegen die Deutschen? NICHT die EU und ihre Anhänger.
Sondern genau die Sorte Leute, die in AfD und Co. das große Wort führen. Tsipras und Höcke passen gut zusammen.

Zitat
Es soll gerade (!) und unbedingt im deutschen Interesse sein, jetzt, und zwar genau jetzt, möglichst gute Handelsverträge mit den Engländern zu schliessen, die uns beiden gemeinsame Vorteile veschaffen.


Selbstverständlich. Und weil wir genauso ein Recht darauf haben, unserere Interessen zu vertreten, werden diese Verträge in etwa so aussehen wie mit der Schweiz. Und nicht so, wie die Brexiteers das haben wollen. Mit dem Buchhändler hat das überhaupt nichts zu tun.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.09.2016 11:50
#188 RE: Brexit Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #186
R.A. verteidigt dieses Vorgehen vehement mit dem Hinweis auf die edlen Ziele.

Aber überhaupt nicht.
Ich verteidige hier keinen Schulz und keinen Juncker. Sondern ich will eine reformierte EU, die Vorstellungen von Cameron gehen ziemlich in diese Richtung.

Aber ich sehe immer noch deutlich mehr Vorteile in der EU als Nachteile. Und ich bin nicht bereit, Europa geistigen Pygmäen à la Schulz oder Farage zu überlassen.

Ich will nicht die EU verlassen, weil Gabriel dort das Glühbirnenverbot durchgedrückt hat; ich will nicht die Bundesrepublik verlassen, weil dort Merkel unc Genossen gerade freidrehen; ich will mein Bundesland nicht verlassen, weil die unsolide Finanzpolitik machen und ich will meine Stadt nicht verlassen, weil der OB den Autoverkehr schikaniert.

Auf welcher politischen Ebene auch immer Mist gebaut wird oder dumme Politiker tätig sind, muß man eben politisch dagegen vorgehen. Es ist schon vom Ansatz her abstrus, wegen irgendwelcher politischer Fehler die entsprechende politische Ebene in toto abschaffen zu wollen.

Und deswegen widern mich UKIP oder AfD oder wie die ganzen Typen heißen so an. Ich halte sie in der Regel nicht für Nazis und haben sogar in vielen Punkten (gerade gegen die Grünen) gemeinsame inhaltliche Positionen mit denen.
Aber die grundsätzliche Politikauffassung dort ist einfach destruktiv. Blinde kitschige Nostalgie nach den angeblich besseren Zeiten vor EU, vor dem Mauerfall, vor der Globalisierung, vor was auch immer. Irgendwelche konstruktive Zukunftsgestaltung ist mit denen schon grundsätzlich nicht möglich, weil die gar nicht kapieren, wie die heutige Realität aussieht.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

09.09.2016 21:50
#189 RE: Brexit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #136
Sehr interessant. Ausgerechnet die sonst so zurückhaltend-höflichen Japaner sprechen hier nicht "durch die Blume", sondern geben den Briten Klartext.
Eine kurze Erläuterung findet sich hier.
Die noch kürzere Zusammenfassung auf deutsch heißt: "Wenn Ihr schon so einen Schrott wie Brexit macht, dann sorgt wenigstens dafür, daß sich in der Praxis nichts ändert."
Eine Stellungnahme, die gerade dem neuen "Brexit-Minister" sehr ungelegen kommt, weil sie die Meßlatte für seine Verhandlungsziele noch ein Stück höher hängt.

Dann lassen wir doch den frischgebackenen Brexit-Minister einmal selbst zu Wort kommen, damit man sehen kann, wie weit das ganze Unternehmen Wolkenkuckucksheim von jeglicher Realität entfernt ist - und weil heute gerade der 9. September ist, den sich jeder aus den Fesseln der EU befreite Brite im Kalender rot anstreichen darf:

Zitat von David Davis am 11. Juli 2016
So be under no doubt: we can do deals with our trading partners, and we can do them quickly. I would expect the new Prime Minister on September 9th to immediately trigger a large round of global trade deals with all our most favoured trade partners. I would expect that the negotiation phase of most of them to be concluded within between 12 and 24 months.

So within two years, before the negotiation with the EU is likely to be complete, and therefore before anything material has changed, we can negotiate a free trade area massively larger than the EU. Trade deals with the US and China alone will give us a trade area almost twice the size of the EU, and of course we will also be seeking deals with Hong Kong, Canada, Australia, India, Japan, the UAE, Indonesia – and many others.


USA und Australien haben inzwischen auch schon abgewunken.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.525

10.09.2016 02:08
#190 RE: Brexit Antworten

Kürzestfristige Na-Also & Ach-Wo-Denn Horizonte für die Gewichtung von Erfolg & Gegenteil beim Brexit - & vor allem, wenn noch gar nichts, GAR NICHTS, Null, Nada, vertraglich auch nur aufs Gleis gesetzt, anvisiert worden ist, ist schlicht Kokolores. Oder bösartig. Nicht nur wg. kurzfristiger Panikeffekte, weiterlaufender Effekte aus Altlasten, volatilem Freistil wie bei den Börsen ("stärkster Indikator"; klar doch, bei selektierten Post-festum-Prohezeiungen.). Der Zeithorizont ist auf 5 Jahre zu terminieren. Mindestens 3. Dann können wir Kassensturz machen. Und dann zeigen sich auch nicht-Brexit-Effekte, wenn etwa der Rest-EU die nächste Tranche aus Hellas abgefordert wird oder der Sultan beschließt, 100% Staatsstütze aus EUrabistan für sein Kalifat wären echt cool. (Wären sie ja auch .) Beispiel: Die Energiewende des zukünftigen Weltenergielieferanten No.1 wurde 2014 für maustot erklärt, als die Ölpreise unter die Gestellungskosten absackten - die Saudis haben sich in Reaktion darauf letal verzockt. Sie wurde 2015 für tot erklärt, nachdem die Zahl der stillgelegten Frack-Bohrungen die Hälfte der Neubohrungen überschritt. Zweiter Satz mit X. Die Engländer fangen genau damit in diesem Jahr in Yorkshire wieder an, geplant ist diesmal: großformatig. (Niemand weiß, was daraus wird. Aber wäre es nicht DIE Ironie, wenn die Rest-EU deren bester Kunde würde? Außer natürlich DE, wg. Putins Veto; weil wir die einzigen verbleibenden nennenswerten Ölabnehmer Russlands im Zeithorizont 10-Jahre-plus seien werden. Gottseidank hat der Zar mit Nordstream I+II plus Energiewende beste Möglichkeiten, uns in der Hinsicht erpressen zu können.) Bei der Krisis 2008/2009 waren die Prognosen & Panik auf Kürzestperspektive heiße Luft; 1931/32 waren dagegen alle panikartigen Gegenmaßnahmen von Hoovers Austerität bis Brünings Notverordnungen entgegen sämtlicher Expertokratie für den Siphon. Mit dem bekannten Resultat.

Geht auf Wiedervorlage zum 9.9.2021.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Martin Offline



Beiträge: 4.129

10.09.2016 08:29
#191 RE: Brexit Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #190


Geht auf Wiedervorlage zum 9.9.2021.


Die Migranten können nicht so lange warten http://www.politplatschquatsch.com/

Gruß, Martin

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.09.2016 14:56
#192 RE: Brexit Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #135
Zitat von Fluminist im Beitrag #134

Zitat von British High Commissioner to Malaysia speaks on BREXIT
We do not underestimate the challenge ahead. But we will seize it, and we will make the best we can of this new reality.
So I want to explain where we stand and what we are doing about it.
First, Brexit means Brexit.
Second, we will make a success of it.
Third, Britain remains Britain.
Britain is a great country, thriving and prospering on the world stage.
Indeed we have just proved how globally competitive we are achieving second place in the medals table at the Rio Olympics.
No one should ever under-estimate us nor write us off. Nor doubt our resolve.

"Wir schaffen das" auf Englisch.

Allerdings haben die Briten mit diesen Durchhalteparolen ja auch schon positive Erfahrungen gemacht, siehe z.B. "Blut, Schweiß und Tränen" [...]


Der Erfolg setzt (neben Glück) aber die entsprechende Leistungs- und Leidensbereitschaft der Bevölkerung voraus, und da können bei der Generation Handy & Safe space schon Zweifel aufkommen; beispielsweise bei einem weiteren nach dem Referendum frisch zum Minister umgebackenen (wenn gleich politisch altbackenen und schon länger angeschimmelten) Brexiteur:

Zitat von Grauniad, 9. 9. 2016
Liam Fox, the international trade secretary, has launched an attack on Britain for “growing fat and lazy”, making it ill-prepared for the business deals that need to be done after leaving the EU.
Fox, a former GP and staunch Eurosceptic, suggested business executives would rather be playing golf on a Friday afternoon than negotiating export deals.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.09.2016 10:23
#193 RE: Brexit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #189
Dann lassen wir doch den frischgebackenen Brexit-Minister einmal selbst zu Wort kommen, damit man sehen kann, wie weit das ganze Unternehmen Wolkenkuckucksheim von jeglicher Realität entfernt ist ...

Vor allem sieht man an diesem Beitrag schon sehr schön, wie man sich aufs Schwarze-Peter-Spiel vorbereitet.

Teresa May hat ihn losgeschickt um zu verhandeln und die Versprechen der Brexiteers einzulösen.
Und jetzt sagt er:

Zitat
we can do deals with our trading partners, and we can do them quickly. I would expect the new Prime Minister on September 9th to immediately trigger a large round of global trade deals with all our most favoured trade partners.

(Hervorhebung von mir).
Mit anderen Worten: Er versucht den Ball wieder zurückzuspielen und die PM soll nun in Kurzzeit alle die Super-Handels-Abkommen liefern, die die Brexiteers an der Realität vorbei versprochen haben.
Die PM wird einen Teufel tun und dieser Aufforderung nachkommen. Die Verantwortung wird an Davis kleben bleiben.

Und da paßt auch Fluminists zweites Zitat von Liam Fox. Wenn die goldenen Zeiten nicht so kommmen, wie von Fox und Konsorten versprochen - dann sind halt die faulen Manager schuld.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

12.09.2016 14:00
#194 RE: Brexit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #188
Zitat von Frank2000 im Beitrag #186
R.A. verteidigt dieses Vorgehen vehement mit dem Hinweis auf die edlen Ziele.

Ich will nicht die EU verlassen, weil Gabriel dort das Glühbirnenverbot durchgedrückt hat; ich will nicht die Bundesrepublik verlassen, weil dort Merkel unc Genossen gerade freidrehen; ich will mein Bundesland nicht verlassen, weil die unsolide Finanzpolitik machen und ich will meine Stadt nicht verlassen, weil der OB den Autoverkehr schikaniert.

Auf welcher politischen Ebene auch immer Mist gebaut wird oder dumme Politiker tätig sind, muß man eben politisch dagegen vorgehen. Es ist schon vom Ansatz her abstrus, wegen irgendwelcher politischer Fehler die entsprechende politische Ebene in toto abschaffen zu wollen.


Das ist mE ein Strohmann., Es geht doch den meisten EU-Krtikern hauptsaechlich um den instutionellen Rahmen und erstmal gar nicht um konkrete Politik-Inhalte. Welche Kompetenzen soll die EU haben und welche nicht? Und anhand welcher demorkatischer und rechtsstaatlicher Verfahren sollen diese Kompetenzen ausgeubt werden?

In beiden Fragen sehe ich (und vermutlich ebenso Frank) so viel im Argen, dass ich dei EU fur nicht reformierbar halte. Es gibt bei den herrschenden Eliten schlicht keinen Respekt fuer demokratische Grundprinzipien.

Und wenn eine Regierung ihre Kompetenzen ueberschreitet und an die selbst gesteckten Regeln nicht haelt, ja, dann moechte ich schon diese Ebene verlassen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

12.09.2016 14:06
#195 RE: Brexit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #193

Vor allem sieht man an diesem Beitrag schon sehr schön, wie man sich aufs Schwarze-Peter-Spiel vorbereitet.

Teresa May hat ihn losgeschickt um zu verhandeln und die Versprechen der Brexiteers einzulösen.
Und jetzt sagt er:

Zitat
we can do deals with our trading partners, and we can do them quickly. I would expect the new Prime Minister on September 9th to immediately trigger a large round of global trade deals with all our most favoured trade partners.
(Hervorhebung von mir).
Mit anderen Worten: Er versucht den Ball wieder zurückzuspielen und die PM soll nun in Kurzzeit alle die Super-Handels-Abkommen liefern, die die Brexiteers an der Realität vorbei versprochen haben.
Die PM wird einen Teufel tun und dieser Aufforderung nachkommen. Die Verantwortung wird an Davis kleben bleiben.



Immerhin scheint das ja dann einigermaßen transparent abzulaufen, trotz höherer Komplexität als TTIP. Da kann dann jeder bis zum Abschluss mitreden. Geht doch .

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.09.2016 15:23
#196 RE: Brexit Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #194
Es geht doch den meisten EU-Krtikern hauptsaechlich um den instutionellen Rahmen und erstmal gar nicht um konkrete Politik-Inhalte.

Das halte ich nun für ziemlich neben der Realität.
Die EU-Kritik speist sich ganz überwiegend aus der Ablehnung konkreter politischer Maßnahmen (Glühbirnenverbot, Subventionsverbote, Gurkenkrümmung, Ölkännchen ...).

Zitat
Welche Kompetenzen soll die EU haben und welche nicht?


Dazu müßte man ja überhaupt mal wissen, welche Kompetenzen die EU hat und welche nicht. Was bei vielen EU-Gegnern nur rudimentär der Fall ist.
Und es geht Brexiteers, AfD und Genossen ja nicht um eine EU-Reform, sondern um einen EU-Austritt.

Zitat
Es gibt bei den herrschenden Eliten schlicht keinen Respekt fuer demokratische Grundprinzipien.


Das kommt vor, ist aber kein EU-Problem.

Zitat
Und wenn eine Regierung ihre Kompetenzen ueberschreitet und an die selbst gesteckten Regeln nicht haelt, ja, dann moechte ich schon diese Ebene verlassen.


Also Austritt aus der Bundesrepublik?

Was die EU-Ebene betrifft hätte ich schon mal konkrete Beispiele genannt, wo die "Regierung" (wer genau ist damit auf EU-Ebene gemeint?) ihre Kompetenzen überschritten hat.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

12.09.2016 15:26
#197 RE: Brexit Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #195
Immerhin scheint das ja dann einigermaßen transparent abzulaufen, trotz höherer Komplexität als TTIP. Da kann dann jeder bis zum Abschluss mitreden. Geht doch .

Ja, so transparent wie des Kaisers neue Kleider.

Man sieht an diesem Beispiel das grundsätzliche Problem direkter Demokratie gegenüber repräsentativer Demokratie, daß (während bei dieser Personen gewählt werden, die zwar nicht immer verantwortungsbewußt zu handeln scheinen, aber zur Verantwortung gezogen werden können) bei jener per Volksentscheid Beschlüsse gefaßt werden können, für deren Konkretisierung und Umsetzung sich dann niemand verantwortlich fühlt.
Oder wenn man die Lehre nicht so allgemein fassen will, können wir doch erkennen, daß es für ein bindendes Referendum (nicht so sehr ein konsultatives, was das vom 23. Juni eigentlich hätte sein sollen) unabdingbar ist, daß für jede der zur Auswahl vorgelegten Möglichkeiten vorher klar festgelegt ist, was ihre Umsetzung bedeutet und wer dafür in welchem Zeitrahmen zuständig ist. Diese genaue Prüfung des Inhalts wurde hier aufs sträflichste vernachlässigt.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

12.09.2016 16:09
#198 RE: Brexit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #197
Zitat von Martin im Beitrag #195

Man sieht an diesem Beispiel das grundsätzliche Problem direkter Demokratie gegenüber repräsentativer Demokratie, daß (während bei dieser Personen gewählt werden, die zwar nicht immer verantwortungsbewußt zu handeln scheinen, aber zur Verantwortung gezogen werden können) bei jener per Volksentscheid Beschlüsse gefaßt werden können, für deren Konkretisierung und Umsetzung sich dann niemand verantwortlich fühlt.


Ich schließe mich da erst mal Ulrich Elkmann an: Abwarten und Tee trinken.

Zitat:Oder wenn man die Lehre nicht so allgemein fassen will, können wir doch erkennen, daß es für ein bindendes Referendum (nicht so sehr ein konsultatives, was das vom 23. Juni eigentlich hätte sein sollen) unabdingbar ist, daß für jede der zur Auswahl vorgelegten Möglichkeiten vorher klar festgelegt ist, was ihre Umsetzung bedeutet und wer dafür in welchem Zeitrahmen zuständig ist. Diese genaue Prüfung des Inhalts wurde hier aufs sträflichste vernachlässigt.


Das ist die deutsche Vorgehensweise - obwohl es bei Merkel auch nicht so geklappt hat. Merkel 2002 ist das Gegenteil von 2016. Die Angelsachsen geben eher die Richtung vor und bearbeiten dann das Detail. Da ist eine gewisse Inkompatibilität, die den deutschen Kommentatoren das Leben so unberechenbar macht.

Gruß, Martin

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

12.09.2016 16:18
#199 RE: Brexit Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #198
Die Angelsachsen geben eher die Richtung vor und bearbeiten dann das Detail.

Die Angelsachsen haben seit 1066 in Großbritannien nichts mehr zu melden.



Aber im Ernst, es stimmt, daß die Briten tendentiell eine unklarere, weniger genau definierte Lage favorisieren. Insofern war das Bedürfnis, im Hinblick auf ihre EU-Mitgliedschaft ein klares Ja oder Nein festzulegen, von vornherein eher unbritisch - und es hätte ja auch jeder Ausgang des Referendums die Ausgangslage und Verhandlungsposition von Großbritannien gegenüber der EU geschwächt - bei einem Ausgang pro EU wäre jede Androhung von Austrittgelüsten zwecks Herausverhandlung von Sonderkonditionen mit dem Hinweis, daß ja die Bevölkerungsmehrheit hinter der EU stünde, beiseitezuwischen gewesen; bei dem Ausgang contra EU gibt es auch keinerlei Druckmittel gegenüber der EU mehr. Von vornherein eine lose/lose Situation. Daß das Referendum überhaupt angesetzt wurde, war eine völlig ungünstige, durch die Anti-EU-Fraktion innerhalb der konservativen Partei erzwungene Entscheidung. Im Grunde war Camerons Vorstoß zu einer inneren Reform der EU schon zu jenem Zeitpunkt gescheitert.

Und jetzt, die Durchführung des Referendums, ohne auch nur den geringsten Schimmer eines Plans für den Brexit in der Schublade zu haben, geht weit über das normale Maß britischer Flexibilitätslust hinaus. Es folgte nicht nur eine Regierungskrise, sondern eine Art Implosion des politischen Theaters; es kommt nicht von ungefähr, daß die Regierung jetzt durchgehend mit vorher zweitrangigen Figuren und zuvor schon gründlich diskreditierten Politikern wie Liam Fox besetzt ist. Wer sich von dem, was diese nun aushecken, die große Handelsfreiheit jenseits von EU-Vorgaben und -Bürokratie erhofft, sollte seine Erwartungen zurückschrauben: alles, was man bisher hören konnte, geht eher in die Richtung des staatlichen Wirtschaftsinterventionismus und der Zwangsbeteiligung am kollektiven Neuschöpfungswerk; die Worte von Liam Fox sind da nur ein erster Anklang.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.827

12.09.2016 16:51
#200 RE: Brexit Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #198
Das ist die deutsche Vorgehensweise - obwohl es bei Merkel auch nicht so geklappt hat. Merkel 2002 ist das Gegenteil von 2016. Die Angelsachsen geben eher die Richtung vor und bearbeiten dann das Detail. Da ist eine gewisse Inkompatibilität, die den deutschen Kommentatoren das Leben so unberechenbar macht.
Nein, das sogenannte "Brexit-Referendum" war gar keine Volksabstimmung sondern eine Volksbefragung (consultative referendum). Ersteres ist auch im britischen Recht mit einer juristisch exakten und langen Gesetzentwurf verbunden. Beim Brexit war es nur eine Wischi-waschi-Frage, die gerade deswegen keine rechtliche Bindekraft haben kann, eben nur eine Volksbefragung. Es ist genau dieses merkeleske Übermoralisch-überdemokratischsein, das hier von Cameron, Farage und Johnson gespielt wurde, wenn jetzt alle meinen, diese Wischi-waschi-Frage mit Bedeutung füllen zu müssen. Sie müssen nicht und, wie wir jetzt sehen, sie können auch nicht.

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