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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Frankenstein Offline




Beiträge: 891

07.03.2022 00:32
#101 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #95
Es geht Russland um Sicherheitsbedenken, die ich nachvollziehbar finde.

Nein. Wenn überhaupt, dann geht es um Putins Sicherheitsbedenken. Aber auch die spielen keine Rolle.

Es geht ausschliesslich um Putins Narzissmus und seine wahnhafte Ideologie. Mit Russland an sich hat das herzlich wenig zu tun, es gibt auch keine russische Regierung in dem Sinne, was wir im Westen darunter verstehen.

Putin ist russischer Diktator und Alleinherrscher so wie es Hitler im Deutschen Reich, Stalin in der Sowjetunion und Mao in China war.

HR2 Offline



Beiträge: 1.008

07.03.2022 00:49
#102 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #99


Das muss man doch verstehen, wir müssen daher dem armen verunsicherten Putin, der so sehr unter dem Untergang der Sowjetunion leidet, wohl alle seine Maximalforderungen erfüllen. Was sind schon ein paar Millionen (Unter-)Menschenleben gegen Putins Befindlichkeiten und sein verletztes Ego.


SO!

Die Ablehnung der EU führt zum Putinverstehen.
Der Feind des Feindes und so...
Bekloppt.

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

07.03.2022 03:10
#103 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Da ist man mal einen Tag nicht da ....

Also: Ich kann verstehen dass hier Emotionen hochkochen. Ich bin selber nicht ganz unschuldig, ich war dumm genug in einem anderen Thread das Wort Hirnriss hinzuwerfen, was am Ende auch falsch war. Ich schliesse mich also bei der folgenden Ermahnung selber mit ein:

Es mässigen bitte alle ihren Ton. Hier steht kein "Stuss", hier ist niemand "unterwürfig", hier hat auch kein Mensch Sympathien für den Tod von Zivilisten, etc. pp.

Ich werde jetzt nicht einzelne Beiträge durchmoderieren, aber wenn der Ton weiter abstürzt, werde ich den Thread schliessen.

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

07.03.2022 03:33
#104 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #75
Angesichts der NATO-Ausweitung, des vom Westen finanzierten Sturzes von Janukowitsch, den einseitig gekündigten Rüstungsabkommen und den zahlreichen ausgeschlagenen russischen Angeboten zur Kooperation würde ich das eher umgekehrt behaupten. [

Und nichts davon ist stichhaltig. Janukowitsch hat seine Macht schlicht demokratisch verloren, das mag Putin nicht passen, aber so ist es eben mit einer echten und nicht lupenreinen Demokratie. Und das man Abrüstungsabkommen aufkündigt, an die sich die eine Seite nicht hält, ist irgendwo nahe liegend. Man muss sich ja nicht lächerlich machen. Und wie schon gesagt: Die NATO darf sich erweitern wie sie will, das geht den lieben Putin schlicht nichts an.

Zitat
Die feindselige Haltung ging im Ursprung nicht von Russland aus, es sei nochmals auf Putins Rede im Bundestag verwiesen.


Eine Rede ist doch vollkommen(!) irrelevant, wenn jemand gegenteilig handelt. Ich muss da immer an "Mars Attacks!" denken, wo die Marsmenschen mit den Lausprechern "Wir kommen in Frieden" rumlaufen, während sie die Menschen abmeucheln. Die Feindseeligkeit, die Putin an den Tag legt, wird doch nicht durch fromme Reden relativiert. Alle Imperialisten dieser Welt haben immer gerne friedliche Reden gehalten. Man könnte fast sagen, das ist deren Hobby.

Zitat
Einen neutralen Pufferstaat zu einem offen feindselig auftretenden Bündnis mit Erstschlagdoktrin und einer Geschichte von versuchten und realisierten Regime Changes würde ich nicht als illegitime oder überzogene Forderung ansehen.


Sie vielleicht nicht. Aber das ist nicht maßgebend. Es gibt nirgendwo auch nur ansatzweise das "Recht auf einen Pufferstaat", alleine die Idee ist nicht nur abwegig sondern auch schlicht menschenfeindlich. Und es ist eine hochgradig absurde Forderung, die keinesfalls einem legitimen Anspruch sondern rein der puren Waffengewalt entspringen kann. Natürlich gibt es eine faktische Wirkung von Gewalt. Aber das legitimiert ja nichts. Davon mal ab, dass es auch faktisch ans Groteske grenzt: Zum einen hat Russland diverse Grenzen mit alles andere als freundlichen Regimen (beispielsweise auch eine nicht kleine Grenze zu den USA), genauso wie China kapitalistische Nachbarn hat und die USA auch mit Kuba leben.

Zitat
Bei Österreich und Finnland geht das ja auch.


Was aber Sache der Österreicher und Finnländer ist. Wenn sich Finnland morgen entscheidet in die NATO einzutreten (was denen durchaus zu empfehlen wäre), so geht das einen Herrn Putin einen feuchten Kericht an.

Zitat
Es ging mir bei all diesen Beispielen nicht um einen Vergleich mit der aktuellen Situation in der Ukraine, sondern allein darum, aufzuzeigen, dass das Selbstbestimmungsrecht in der Realität nicht existiert.


Das Selbstbestimmungsrechte der Völker ist so ziemlich die zentrale Komponente des Völkerrechts selber.....

Zitat
Wenn man die Interessen seines großen Nachbarn bei seinen Entscheidungen nicht berücksichtigt, mag das formal legitim sein, klug ist es aber nicht und schlimmstenfalls endet es da, wo die Ukraine jetzt steht. So realistisch muss man sein.


Was am Ende die Kapitulation vor der Gewalt ist. Dann bräuchten wir aber gar keine zwischenstaatlichen Verträge, Gerichte, Organisationen. Die ganze UN wäre für den Fuß, das ganze Procedere für den Fuß. Weil am Ende nur die Gewalt stünde. Und eigentlich war der Gedanke des Völkerrechtes genau damit aufzuhören.

Zitat
Ich glaube übrigens nicht, dass der Iran seine atomaren Ambitionen gegen Israel einsetzen würde und damit seine postwendende Vernichtung in Kauf nähme.


Ich schon. Weil die Jungs schlicht irre sind, zumindest nach westlichen Maßstäben. Wer sein Leben auf eine Belohnung im Jehenseits ausrichtet, hat nicht das geringste Problem damit sich umzubringen. Wir reden von einer Nation, die Kinder auf Minenfelder schickt, wenn das opportun erscheint.

Zitat
Auch der Iran will Atomwaffen als Versicherung gegen einen US-Angriff.


Und nebenbei: Offiziell strebt der Iran keine Atomwaffen an. Er ist ungefähr so ehrlich wie der große Mann im Kreml.

Zitat
Ich bin weit davon entfernt, jetzt hier auch noch den Iran schönzureden,


Sind sie nicht.

Zitat
aber wenn man so absolutistisch auf ein Selbstbestimmungsrecht pocht, dann bitte auch konsequent.


Wie gesagt: Die Amerikaner haben das Selbstbestimmungsrecht der Iraner nie in Frage gestellt. Im Unterschied zu Kiew stehen keine Truppen vor Teheran. Auch in den letzten 100 Jahren nicht.

Zitat
Eins noch: Zelensky hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Absicht geäußert, eigene Atomwaffen herstellen zu wollen.


Fun fact, auch wenn es hier schon genannt worden ist: Neben Südafrika ist die Ukraine der einzige Staat, der seine Nuklearkapazität freiwillig abgegeben hat.

Zitat
So? Die Schweinebucht, Operation Mongoose, Operation Northwoods, drölfzig Attentatsversuche auf Castro?


Und wo sind die amerikanischen Truppen jetzt genau?

Zitat
Da kann man doch verstehen, dass Kuba nach einem Pakt mit der Sowjetunion gestrebt hat, oder etwa nicht?


Sicher. Und das hat nichts damit zu tun, dass zufällig beinharte Steinzeitkommunisten in Kuba mit den Steinzeitkommunisten in Moskau zufällig eine ähnliche Sicht der Welt teilten.....

Zitat
Die Abwehrraketen in Polen sind ja auch rein defensiv. Der Hersteller wirbt allerdings überraschenderweise damit, dass sie sich per Softwareupdate innerhalb von 5 Minuten in nukleare Angriffswaffen umwandeln lassen.


Und welche sollten das sein?

Yago Offline



Beiträge: 469

07.03.2022 05:55
#105 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #104

Zitat
Die feindselige Haltung ging im Ursprung nicht von Russland aus, es sei nochmals auf Putins Rede im Bundestag verwiesen.

Eine Rede ist doch vollkommen(!) irrelevant, wenn jemand gegenteilig handelt.



Das hätte der Startpunkt sein können für bessere Beziehungen. Man hat Putin nicht mitspielen lassen, nachdem unter Jelzin für alle der Rubel rollte.

Das wollte man nicht oder nahm den Wunsch nicht wahr. Und Gott hat auf alles ein Preisschild geklebt.

Wenn die Welt wusste, dass Putin die Ukraine angreifen wird, hätte die westliche Welt sofort, während der Manöver in Russ oder davor, ihre Armeen dorthin schicken sollen. Hat sie nicht. Heute könnten alle Anrainerstaaten zum Eigenschutz mit Militär der Nato vollgestopft werden. Tut man nicht.

Es wird rumgeeiert, es herrscht eine unklare Verkehrslage. Jeder lügt, betrügt, verheimlicht...

Mein Vorschlag ist, Putin die Ukraine zu geben als Lehrgeld, dass der Westen seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Alle Länder darum stellen sich wehrhaft auf. Lasst die Ukrainer, die wollen, zu uns kommen. Das Leben ist hier eh besser, obwohl meine Bekannte meint, dass die UA trotzdem ihre Heimat ist. Putin erledigt die Zeit oder ein Sniper. Dann schaut man neu.

Was mich immer etwas stört, ist, wenn die Freiheit mit konventionellen und auch mit Atomkriegen verteidigt werden soll. Ich werde nicht der Nutznießer davon sein. Ich werde zu denen gehören, die die Rechnung bezahlen. Ganz grob wäre mein Leben in Russ nicht viel anders als hier. Weil ich in meinem Gebiet gut bin. Da sind wir wieder bei Qualifikation.

Zu Ostzeiten musste ich einen Film sehen: Geh' und sieh! Der hat seine Wirkung nicht verfehlt. Wenn Biden neben mir an der Front steht oder Scholz, dann ist die Lage wohl ernst und ich komme mit. In den Torheiten der Regierenden, von UE empfohlen, stand bezüglich de Vietnamkrieges, dass in Vietnam die GI's starben, während im Pentagon immer Montags bei Tee und Keksen überlegt wurde, die Sache weiterlaufen zu lassen oder nicht. Dann gingen sie heim und chillten ihr Leben. Sie ließen auch zu, dass Menschen zwecks Informationsbeschaffung aus dem Hubschrauber geworfen wurden.

Ich bewerte das nicht, habe aber kein Interesse daran, mich an solchen, nicht persönlichen Auseinandersetzungen zu beteiligen.

Johanes Offline




Beiträge: 2.605

07.03.2022 10:30
#106 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #100
Johannes schrieb:


Edit: Das mit der polnischen Putzfrau ist sowas von Klischee.
Abgesehen davon ist die Stimmung in Polen völlig anders. Dort hat man immer schon vor den Ambitionen Russlands (und dem Erstarken des deutschen Rechtextremismus) gewarnt. Eingekesselt zu werde ist nämlich das Alptraumszenario von Polen.



Das Klischee habe ich ganz bewusst benannt. Es entspricht der Realität,
auch wenn die polnische Putzfrauenquote rückläufig ist.

Und gerne erläutern Sie hier die Stimmung in Polen ob dieses russischen Angriffkrieges auf die Ukraine.
Ich bin gespannt.


Ich erkläre hier gar nichts. Da entspreche ich mal voll dem Klischee.

Sehen Sie sich die Handlungen der polnischen Regierung an, sie wollen den Ukrainern sogar Flugzeuge zur Verfügung stellen:
https://www.tagesschau.de/ausland/amerik...ebatte-101.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/mosk...n/28135670.html

Sieht für mich nicht so aus als wäre da viel Sympathie für Putin gewesen.

alpha_beta Offline



Beiträge: 143

07.03.2022 12:48
#107 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Das Video von John Mearsheimer von 2014 ("Why is Ukraine the West's fault"; https://www.youtube.com/watch?v=JrMiSQAGOS4 ) ging schon seit einigen Wochen rum. Jetzt gibt es eine aktuelle Diskussion u.a. von Mearsheimer zu Hintergründen der ganzen Geschichte und weiterem Material zum Maidan 2014: https://www.youtube.com/watch?v=ppD_bhWODDc . Das meiste sind keine neuen Informationen, aber man sollte die Fakten einfach im Hinterkopf haben.

Wie man die Interessen Russlands weiter komplett ignorieren kann - oder besser, da im heutigen Diskussionston jeder meint die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, insbesondere die Moralinkrieger die im Narrativ des Medienwindes umhersegeln: Wie man die aggressive Nato-expansion immer noch leugnen kann ist unglaublich. Unglaublich, aber in Sachen Realitätsverweigerung und Tatsachenverdrehung ist man in den letzten 2 Jahren doch schon etwas abgehärtet.

Und auch wenn man es sich im Westen die Welt zurechtleugnen kann: Wie werden die Sanktionen in der restlichen Welt aufgenommen? Nicht nur, dass der Westen Hab und Gut von unbeteiligten Bürgern rechtswidrig konfisziert, jetzt werden die Sanktionen auch noch von der ganzen Welt verlangt! Pakistan macht den ersten Anfang: "Sind wir eure Sklaven?"* Ja, das mag "nur" Pakistan sein die hier so deutlich werden. Aber so wird es ebenfalls von Indien, China, Vietnam und vielen anderen Nationen in der Welt ebenfalls gesehen: Wie ein Haufen alter, weißer Kolonialmächte, zu alt und schwach um selbst militärisch zu kämpfen, weshalb sie sich wie Hyänen zusammenrotten und den totalen Wirtschaftskrieg jeder Nation erklären, die sich nicht den dreisten Forderungen des Westens beugt.

Würde ich der obigen Beschreibung zustimmen? Nö. Man muss sich aber keine Illusionen machen dass es nicht so gesehen wird, nur weil man sich auf der Seite der (vornehmlich) Guten wähnt.

*https://twitter.com/thehill/status/1500627564062195712

Tristram Shandy Offline



Beiträge: 46

07.03.2022 13:08
#108 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #104
Janukowitsch hat seine Macht schlicht demokratisch verloren, das mag Putin nicht passen, aber so ist es eben mit einer echten und nicht lupenreinen Demokratie.

Nein, er hat seine Macht durch einen verfassungswidrigen, westlich gesteuerten und finanzierten Putsch verloren. (remember Victoria Nuland, "Fuck the EU")
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Und das man Abrüstungsabkommen aufkündigt, an die sich die eine Seite nicht hält, ist irgendwo nahe liegend.

Der ABM-Vertrag wurde von den USA gekündigt, weil sie einen Raketenabwehrschirm errichten wollten. Die Russen haben bis heute nichts Vergleichbares. Der Vertag sollte im Kalten Krieg ein Gleichgewicht herstellen, da ein Abwehrschild die Abschreckungswirkung eines Erstschlages reduziert. Um dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, haben die Russen nach der Kündigung durch die USA Hyperschallrakten entwickelt, die von dem Schirm bislang nicht erfasst werden können.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Eine Rede ist doch vollkommen(!) irrelevant, wenn jemand gegenteilig handelt.

[Putins Rede im Bundestag] Es ist ja nicht nur die eine Rede. Russland hat sogar mal seine Aufnahme in die NATO ins Gespräch gebracht, was aber brüsk zurückgewiesen wurde. Man betreibt sogar eine gemeinsame Raumstation und die Russen haben den Shuttleservice für die Amerikaner übernommen. Die Russen waren ursprünglich nicht feindlich gesonnen, das ist der Punkt.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Es gibt nirgendwo auch nur ansatzweise das "Recht auf einen Pufferstaat", alleine die Idee ist nicht nur abwegig sondern auch schlicht menschenfeindlich.

Auch in den diversen Sicherheitsabkommen findet sich immer ein Passus, der eine Einbeziehung der Umfeldes beinhaltet und dass eine Bündniswahl unter Wahrung der Sicherheitsinteressen Dritter erfolgen muss. Ganz so absolut wie Sie das darstellen, ist die Rechtslage m. E. nicht. Und laut der NATO-Russland Grundakte soll russischen Sicherheitsinteressen Rechnung getragen werden. Das wurde und wird aber nicht gemacht, jedenfalls aus russischer Sicht.
Etwas ähnliches steht auch hier: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/h...mension_der.pdf

Zitat
Zwar hat die freie Bündniswahl weiterhin uneingeschränkte Gültigkeit. Jedoch muss bei Bündnisbeitritten und den daraus resultierenden militärischen Optionen die regionale Stabilität im Auge behalten werden. Beitritte sollten am besten in einem abgestimmten Rahmen vereinbart werden


Zitat von Llarian im Beitrag #104
Was am Ende die Kapitulation vor der Gewalt ist. Dann bräuchten wir aber gar keine zwischenstaatlichen Verträge, Gerichte, Organisationen. Die ganze UN wäre für den Fuß, das ganze Procedere für den Fuß. Weil am Ende nur die Gewalt stünde.

Idealerweise halten sich alle an geltende Verträge. In der Realität gilt aber, dass sich der Mächtigere nur an Abkommen hält, wenn sie ihm nutzen. Was das angeht sind die USA und die NATO beispielsweise alles andere als ein Vorbild, man erinnere an Jugoslawien oder Libyen etc. pp.
Das ist halt der Realismus, von dem ich sprach. Wenn man diese Realität nicht anerkennt, schlittert man in Situationen wie die jetzige.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Weil die Jungs schlicht irre sind, zumindest nach westlichen Maßstäben. Wer sein Leben auf eine Belohnung im Jehenseits ausrichtet, hat nicht das geringste Problem damit sich umzubringen. Wir reden von einer Nation, die Kinder auf Minenfelder schickt, wenn das opportun erscheint.

[Thema Iran] Wenn die Israelis Ihrer Ansicht wären, könnten sie sich ihren nukleares Schreckgespenst auch sparen. Es hätte ja eh keinen Effekt. Offensichtlich sehen die Israelis das aber anders.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Sind sie nicht.

[Iran schönreden] Bin ich doch. Ich rechtfertige überhaupt nichts, sondern verwende den Iran als Beispiel für mit zweierlei Maß messen. Über meine eigene Position zum Thema Iran sagt das nicht aus. Ich bin ja auch nicht derjenige, der das Selbstbestimmungsrecht verabsolutiert, das sind ja Sie. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn der Iran (meinetwegen) komplett entwaffnet wird. Aber jemand, der das Selbstbestimmungsrecht ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen will, müsste damit konsequenterweise ein Problem haben.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Im Unterschied zu Kiew stehen keine Truppen vor Teheran. Auch in den letzten 100 Jahren nicht.

Das stand aber schon mehrfach auf der Agenda, es gab Drohnenangriffe und Unterstützung von Iran-feindlichen Terrororganisationen. Und dass in benachbarten Ländern sehr wohl Truppen standen, brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Neben Südafrika ist die Ukraine der einzige Staat, der seine Nuklearkapazität freiwillig abgegeben hat

Ja. Und mit dem NATO-Beitritt hätten sie de-facto Zugriff auf eine noch viel größere Nuklearkapazität. Und damit haben die Russen ein Problem.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Und wo sind die amerikanischen Truppen jetzt genau?

[Thema Kuba] Das ist genau so unerheblich wie die Frage, wo die russischen Truppen in 60 Jahren sind. Entscheidend für den Vergleich ist, dass Kuba damals einer realistischen Bedrohung ausgesetzt war.
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Und das hat nichts damit zu tun, dass zufällig beinharte Steinzeitkommunisten in Kuba mit den Steinzeitkommunisten in Moskau zufällig eine ähnliche Sicht der Welt teilten.....

Spielt das für die freie Bündniswahl jetzt plötzlich doch eine Rolle? Gilt die also doch nur selektiv, nach Gutdünken?
Zitat von Llarian im Beitrag #104
Und welche sollten das sein?

["defensive" Abwehrraketen der USA]
https://de.wikipedia.org/wiki/Mk_41_Vert...aunching_System
Von den Dingern können ebenso Cruise-Missiles abgefeuert werden. Die Amerikaner behaupten allerdings, das nicht tun zu wollen. Allerdings behaupten sie auch, der Abwehrschild in Polen gelte dem Iran.
Putin glaubt das jedenfalls nicht: https://www.youtube.com/watch?v=JvpVzjqKGrE
Putin spricht vor Journalisten über das amerikanische Abwehrsystem: https://www.youtube.com/watch?v=ppD_bhWODDc&t=3265s



Heute gehört uns Deutschland, und morgen der ganzen Welt...

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

07.03.2022 13:16
#109 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von alpha_beta im Beitrag #107

Wie man die Interessen Russlands weiter komplett ignorieren kann - oder besser, da im heutigen Diskussionston jeder meint die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, insbesondere die Moralinkrieger die im Narrativ des Medienwindes umhersegeln: Wie man die aggressive Nato-expansion immer noch leugnen kann ist unglaublich.



Das einzige unglaubliche hier ist, wie Menschen wie Putin oder Sie glauben das Recht zu haben, über andere Menschen herrschen zu dürfen. Es wurde hier Ihnen schon mehrmals erklärt: weder Sie noch Putin haben moralisch das Recht, über das Schicksal der Ukraine oder Finnlands oder oder zu entscheiden. Ob sich die Ukraine einem Verteidigungsbündniss anschließen will oder nicht, geht Putin rein gar nichts an.

Natürlich kann ein Putin sich über die Moral hinwegsetzen, aber muss dann damit leben, in den Ländern mit Meinungsfreiheit als das bezeichnet zu werden, was er ist: als Mörder, Diktator, Imperialist und Faschist.

Ich bin mir bewusst, dass nicht ALLE Russen hinter Putin stehen. Schließlich ist Putin grade in einem Blutrausch und hat Russland in ein gigantisches Gefängnis verwandelt mit kompletter Abschaffung der Meinungsfreiheit, Berufsverboten und Verhaftungen von Journalisten, Bloggern und Zivilisten, Zensur, Reisebeschränkungen und so weiter.

Und Menschen wie Sie, die wie eine kaputte Schallplatte alle moralischen Argumente ignorierend Putin verteidigen, müssen damit leben, ebenfalls als das wahrgenommen zu werden, was Sie sind:

[GELÖSCHT]
So, und das geht nicht und damit hat Frank2000 jetzt eine gelbe Karte. Ich hatte mich deutlich ausgesprochen. Mäßigung.
Llarian (als Moderator)

___________________
Verbote sind Freiheit. Meinungen sind Terror. Quoten sind Leistung. Linke Regierung ist Familie. (c) Rot-Grüne Allianz
“Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt”, Georg Cristof Lichtenberg
"Warum halten sie Begriffe wie 'Zigeunersoße' für rassistisch, aber 'Schei** Juden' für harmlos?", Hamed Abdel-Samad

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

07.03.2022 13:48
#110 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von alpha_beta im Beitrag #107


Wie man die Interessen Russlands weiter komplett ignorieren kann - oder besser, da im heutigen Diskussionston jeder meint die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, insbesondere die Moralinkrieger die im Narrativ des Medienwindes umhersegeln: Wie man die aggressive Nato-expansion immer noch leugnen kann ist unglaublich. Unglaublich, aber in Sachen Realitätsverweigerung und Tatsachenverdrehung ist man in den letzten 2 Jahren doch schon etwas abgehärtet.




Es ständig zu wiederholen macht es ja nicht plötzlich wahr. Es geht hier wohl schlicht um eine gänzlich unterschiedliche Einschätzung was "aggressiv" ist. Und ich befürchte das hat implizit etwas mit der moralischen Bewertung zu tun.

Es gibt grundsätzlich drei Paradigmen bzgl. der Ordnung der Welt (sei es als faktische Feststellung, wie etwas sei, oder als Ideal, wie etwas seien soll):

1. Nationale Souveränität ("Nationalismus" - hat häufig eine negative Konnotation, ich meine hier aber nicht übersteigerte Volkstümmelei)
2. Imperiale Souveränität ("Imperialismus")
3. Supra- und postnationale Ordnung ("Globalismus")

Alle drei Paradigmen haben Unterformen und insb. beim ersten stellt sich die Frage, was eine Nation seien soll (Ethnonation, Zivilnation oder schlicht als Synonym für ein formal über rechtliche Staatsangehörigkeit definiertes Staatsvolk im Rahmen des Status Quo).

Ich wollte darüber auch - da zur Entwirrung der Diskussion notwendig - mal längere Ausführungen schreiben.

Festzustellen ist hier: Putins Einflusssphärendenken und seine "legitimen Sicherheitsinteressen" in der Ukraine Fallen in Kategorie 2: Imperiales Einflusssphärendenken. Es gebe ein irgendwie natürlich dem russischen Einflussbereich zufallendes Territorium, in dem die Interessen des russischen Reiches souverän sind und Priorität haben gegenüber nationaler Selbstverwaltung - die eingeschränkt durch diese imperiale Souvernität durchaus zugestanden werden kann, sofern sich jemand unterwirft. Evt. auch als "eigenständiger" Nationalstaat im Sinne des Völkerrechtes - aber untergeordnet unter russische Interessen, die auch mit Angriffskriegen durchgesetzt werden dürfen.

Dabei stelle ich fest, das im Kontext des russischen imperialen Anspruches gegenüber Russlands Nachbarnationen

a) von rechts orienterten Putinverstehern oder Antiwestlern westliche Unterstützung für Paradigma 1 ("Nationale Souveränität") gerne als Teil eines Plans zu Förderung von Paradigma 3 ("Globalismus") gesehen wird und dieses wiederum mt einem Spezialfall des Paradigma 2 ("Imperialismus") gleichgesetzt wird (genauer: Als westlicher/amerikanischer Imperialismus, der als parktisch gleich dem suparnationalen, globlistischen Tendenzen gesehen wird), während Putins Imperialismus als Verteidigung von Paradigma 1 ("Nationale Souveränität") gegen Paradigma 3 ("Globalismus") missverstanden wird

und

b) von links orientierten Putinverstehern oder Antiwestlern westliche Unterstützung für Paradigma 1 ("Nationale Souveränität") unmittelbar als Paradigma 2 ("Imperialismus") missverstanden wird (genauer: Als westlicher/amerikanischer Imperialismus), während Putins Imperialismus als heroischer oder zumindest verständlicher Kampf gegen Unterdrückung durch westlichen Imperialismus und Machtstreben gilt.

Nachtrag: Ich erwarte jetzt als Antwort unter anderem eine Polemik der Art "Wollen Sie etwa sagen, der Westen/die Amis stehe immer prinzipientreu hinter der nationalen Souvernität anderer Staaten? So wie im Irakkrieg meinen Sie?". Daher gleich Vorweg: Nein, sage ich nicht. Im Westen gibt es Strömungen zugunsten jeder der 3 Positionen, wie in Russland und anderen Kulturkreisen sicher auch. Im Westen äußert sich das auf Grund ihrer pluralistisch-demokratischen Systeme darin, dass mal die eine und mal die andere Strömung mehr Einfluss erhält und den Ton angibt. Anstatt also das große Fass aufzumachen, was "die wahre Natur" des Westens sei bzw. "das wahre Denken, welches den Westen lenkt", sollte man auf die konkrete Situation schauen: In diesem Fall handelt der Westen konform mit Paradigma 1 - in Worten wie in Taten.

Umgekehrt wurde Russland allerdings nun 20 Jahre vom gleichen Diktator regiert. Er hatte am Anfang noch nicht die gleiche diktatorische Macht, die musste er sich erst aufbauen. Das ändert nichts daran, dass Russland seit 20 Jahren von Putin gelenkt wird. Davor war Russland durchaus dem Paradgima 1 nicht immer abgeneigt, sowohl unter Gorbatschow als auch unmittelbar nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion in den frühen Jahren des Russischen Föderation. Aber seit Putin die Zügel in der Hand hält ist Russland auf Kurs des Paradigma 2. Das ist also nicht das intrinsisch "russische Paradigma", aber es ist Putins Paradigma.

Zitat


Und auch wenn man es sich im Westen die Welt zurechtleugnen kann: Wie werden die Sanktionen in der restlichen Welt aufgenommen? Nicht nur, dass der Westen Hab und Gut von unbeteiligten Bürgern rechtswidrig konfisziert, jetzt werden die Sanktionen auch noch von der ganzen Welt verlangt! Pakistan macht den ersten Anfang: "Sind wir eure Sklaven?"* Ja, das mag "nur" Pakistan sein die hier so deutlich werden. Aber so wird es ebenfalls von Indien, China, Vietnam und vielen anderen Nationen in der Welt ebenfalls gesehen: Wie ein Haufen alter, weißer Kolonialmächte, zu alt und schwach um selbst militärisch zu kämpfen, weshalb sie sich wie Hyänen zusammenrotten und den totalen Wirtschaftskrieg jeder Nation erklären, die sich nicht den dreisten Forderungen des Westens beugt.

Würde ich der obigen Beschreibung zustimmen? Nö. Man muss sich aber keine Illusionen machen dass es nicht so gesehen wird, nur weil man sich auf der Seite der (vornehmlich) Guten wähnt.

*https://twitter.com/thehill/status/1500627564062195712



Im Falle Pakistans überrascht das nicht wirklich - das hörte man Begeisterung angesichts Putins Einmarsch in die Ukraine. Das war sehr interessant. Sagt viel über die dortige Regierung aus.

Andere Staaten halten sich evt. neutral. Ich denke nicht, dass dies etwas damit zu tun hat "den Westen" für imperialer zu halten als Putins derzeitiges Vorgehen. Man sieht wohl einfach keinen Vorteil darin, sich eine Seite auszusuchen (sich nicht emtotional in den Konflikt hinein ziehen zu lassen, wenn man nicht direkt involviert und weit weg ist, ist tatsächlich nüchterne Realpolitik im Eigeninteresse).

Interessant fand ich die Aussagen des nigerianischen Botschafters bei den Vereinten Nationen - und warum er sich nicht auf die Seite der imperialen Argumentation Putins stellt. Die Logik Putins und das überschreiben nationaler Souverenität als anti-imperial misszuverstehen wäre undurchdacht.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.03.2022 13:52
#111 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #109
Das einzige unglaubliche hier ist, wie Menschen wie Putin oder Sie glauben das Recht zu haben, über andere Menschen herrschen zu dürfen. Es wurde hier Ihnen schon mehrmals erklärt: weder Sie noch Putin haben moralisch das Recht, über das Schicksal der Ukraine oder Finnlands oder oder zu entscheiden. Ob sich die Ukraine einem Verteidigungsbündniss anschließen will oder nicht, geht Putin rein gar nichts an.

Natürlich kann ein Putin sich über die Moral hinwegsetzen, aber muss dann damit leben, in den Ländern mit Meinungsfreiheit als das bezeichnet zu werden, was er ist: als Mörder, Diktator, Imperialist und Faschist.

Ich bin mir bewusst, dass nicht ALLE Russen hinter Putin stehen. Schließlich ist Putin grade in einem Blutrausch und hat Russland in ein gigantisches Gefängnis verwandelt mit kompletter Abschaffung der Meinungsfreiheit, Berufsverboten und Verhaftungen von Journalisten, Bloggern und Zivilisten, Zensur, Reisebeschränkungen und so weiter.

Und Menschen wie Sie, die wie eine kaputte Schallplatte alle moralischen Argumente ignorierend Putin verteidigen, müssen damit leben, ebenfalls als das wahrgenommen zu werden, was Sie sind:
[Folgelöschung, siehe oben. Kein Verstoss durch das Zitat, ich bin nur nicht immer am Rechner. Llarian (als Moderator)]

Lieber Frank, wie wäre es mit Argumenten, statt Wüten und Beschimpfen. Beispielsweise erkenne ich nicht, dass alpha_beta das Schicksal der Ukraine entscheidet. Und innenpolitisch ist es nicht ungewöhnlich, dass es in einer kriegerischen Auseinandersetzung restriktive Maßnahmen gibt. Im WKII haben die USA m.W. gleich mal eine Menge Japaner eingesperrt. Was Abschaffung von Meinungsfreiheit angeht, da hat ja Maas hierzulande die Vorlage geliefert. Vor allem dürfte die ganze Liste des 'gigantischen Gefängnisses' schon einige Zeit für China gelten (inkl. 'Organentnahmen'). Das hat die Welt doch verhältnismäßig gelassen hingenommen.

Das Ganze ist ein 'scheiß Spiel', aber eine gewisse Ratio gibt es trotzdem. Dabei die Fehler des Westens einfach zu ignorieren ist schlicht dumm. Und dabei meine ich nicht nur Merkels Wirken, über das hier wahrscheinlich leichter Einigkeit zu erzielen ist.

Gruß
Martin

Tristram Shandy Offline



Beiträge: 46

07.03.2022 15:20
#112 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #110
Es gibt grundsätzlich drei Paradigmen bzgl. der Ordnung der Welt (sei es als faktische Feststellung, wie etwas sei, oder als Ideal, wie etwas seien soll):

1. Nationale Souveränität ("Nationalismus" - hat häufig eine negative Konnotation, ich meine hier aber nicht übersteigerte Volkstümmelei)
2. Imperiale Souveränität ("Imperialismus")
3. Supra- und postnationale Ordnung ("Globalismus")

Das ist in der Tat ein zentraler Punkt und m.E. entscheidend für die irrationale Geisterfahrt des Westens in den letzten Jahren, gar nicht mal nur auf den Ukrainekonflikt bezogen.
Putin ist ein russischer Nationalist, der auch lokale hegemoniale Ansprüche geltend macht. Für Putin ist die Geschichte wichtig, ebenso wie Grenzen und Völker. Diese Denkweise ist den im Westen tonangebenden, universalistischen no-border-no-nations Millenials mit PISA-Abitur vollkommen unverständlich.
Wenn man Rationalität für ein rassistisches Unterdrückungsinstrument alter weißer Männer hält, ist Putins klassische Denkweise aus dem vergangenen Jahrhundert ein Buch mit sieben Siegeln.

Ich würde auch darauf wetten, dass Putin sowohl die deutsche, als auch die amerikanische Geschichte besser kennt, als sämtliche Millenials aus Bundestag und Kongress zusammen, von der russischen Geschichte ganz zu schweigen.

Aus diesem Grund bin ich auch fest davon überzeugt, dass wir unter Schmidt, Kissinger, Genscher, Kohl und auch Clinton diese Situation in dieser Form niemals gehabt hätten, weil die alle Putins Denken nachvollziehen können bzw. konnten. Das haben besagten Personen auch selbst mehrfach geäußert und in den 90er Jahren war die Meinung, sich aus der Ukraine rauszuhalten, im Westen auch noch allgemeiner Konsens. Eine Mainstream-Wetterfahne wie den dementen US-Präsidenten muss man da, trotz seines Alters, dummerweise ausnehmen.

Dieser Generationskonflikt ist es auch, der die jetzige Situation so gefährlich macht. Im Westen sitzen an zentraler Stelle völlig ungebildete Leute, die Rationalität explizit ablehnen, rein emotional denken und handeln und sich von jeder Hysterie anstecken lassen. Nicht umsonst fordern so viele von der Sorte einen Eingriff der NATO. Die "Alten" hätten noch gewusst, dass das nahezu zwangsläufig in einen neuen Weltkrieg münden muss.



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Techniknörgler Offline



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07.03.2022 15:36
#113 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #112
Putin ist ein russischer Nationalist, der auch lokale hegemoniale Ansprüche geltend macht. Für Putin ist die Geschichte wichtig, ebenso wie Grenzen und Völker. Diese Denkweise ist den im Westen tonangebenden, universalistischen no-border-no-nations Millenials mit PISA-Abitur vollkommen unverständlich.


Oh doch, die verstehen das sehr wohl. Es ist schwer zu leugnen, dass es sich bei Putin um einen National-Imperialisten handelt (also keine Unterart des Paradigmas Nationale Souveränität, sondern eine Unterart des Imperialismus: Nationen werden, häufig in ihrem identitäteren Sinne von Ethnonationen, als existent anerkannt, aber einer Nation wird ein Vorherrschaftsrecht über andere zuerkannt, nationale Selbstbestimmung in allen drei Unterarten (Selbebestimmung einer Ethnie, Selbebestimmung einer Willensnation, Selbstbestimmung eines de-facto etablierten, formalisierten Staatsvolkes) abgelehnt. Die "im Westen tonangebenden, universalistischen no-border-no-nations Millenials mit PISA-Abitur" teilen dieses National-Imperialistische Paradigma nur nicht. Sie halten es nicht für legitim. Dafür muss man aber kein Globalist sein. Es gibt ja 3, nicht nur 2 Hauptparadigmen.

Ich denke mein Herausstellen der drei Paradigmen sollte nicht von der Feststellung getrennt werden, dass wir hier große Verwirrung und Verwechselungen der 3 Paradigmen haben. Interessanterweise aber nur sehr eingeschränkt von Seiten des Mainstreams, sondern gerade auch von linken wie auch rechten "Putinverstehern". Hier übrigens schlicht als sachliche Beschreibung gemeint: Menschen, die Versuchen Putins Handeln mit den für ihn günstigsten Interpretationen zu versehen, seine Aussagen mit Steelmaning(*) zu stärken und um Verständnis für ihne zu werben, häufig über das nachvollziehbare Maß hinaus. Der Begriff ist negativ konnotiert und wird häufig als Ad-Hominem-Label verwendet, aber mir fällt auch kein besserer Begriff ein. Die negative Konnotation kommt aber auch nicht aus dem Nichts: Ich glaube nämlich nicht, dass es sich hier um ein wirkliches Verständnis für Putin handelt und es hat die praktische Wirkung als unfreiwilliger "nützlicher Idiot" zu handeln, wenn zu der von mir beschriebenen Verwechselung der 3 Paradigmen beigetragen wird. Daher hier noch einmal meine Beobachtungen bzgl. der Argumentation der rechtsorientierten und linksorientierten Putinversteher:

Zitat
Dabei stelle ich fest, das im Kontext des russischen imperialen Anspruches gegenüber Russlands Nachbarnationen

a) von rechts orienterten Putinverstehern oder Antiwestlern westliche Unterstützung für Paradigma 1 ("Nationale Souveränität") gerne als Teil eines Plans zu Förderung von Paradigma 3 ("Globalismus") gesehen wird und dieses wiederum mt einem Spezialfall des Paradigma 2 ("Imperialismus") gleichgesetzt wird (genauer: Als westlicher/amerikanischer Imperialismus, der als parktisch gleich dem suparnationalen, globlistischen Tendenzen gesehen wird), während Putins Imperialismus als Verteidigung von Paradigma 1 ("Nationale Souveränität") gegen Paradigma 3 ("Globalismus") missverstanden wird

und

b) von links orientierten Putinverstehern oder Antiwestlern westliche Unterstützung für Paradigma 1 ("Nationale Souveränität") unmittelbar als Paradigma 2 ("Imperialismus") missverstanden wird (genauer: Als westlicher/amerikanischer Imperialismus), während Putins Imperialismus als heroischer oder zumindest verständlicher Kampf gegen Unterdrückung durch westlichen Imperialismus und Machtstreben gilt.



*)

Zitat
Steelmanning is the act of taking a view, or opinion, or argument and constructing the strongest possible version of it. It is the opposite of strawmanning.


Quelle: https://www.lesswrong.com/tag/steelmanning

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Tristram Shandy Offline



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07.03.2022 15:37
#114 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Noch eine Ergänzung zum Thema, die Russen würde die Furcht vor einem US-Regime Change nur vorgeben:

"Intel report: Kremlin sees US urging regime change in Russia (2017)"
https://apnews.com/article/f7691c24547c495ca7581b02b5ff287a
(Es gibt zahlreiche Artikel dazu)

Zitat
Kremlin leaders are convinced America is intent on regime change in Russia, a fear that is feeding rising tension and military competition between the former Cold War foes, the Pentagon’s intelligence arm has assessed. [...]
“The Kremlin is convinced the United States is laying the groundwork for regime change in Russia, a conviction further reinforced by the events in Ukraine,” the report says, referencing the claims by President Vladimir Putin’s government that the U.S. engineered the popular uprising that ousted Ukraine’s Russia-friendly president, Viktor Yanukovich, in 2014. Russia responded by annexing Ukraine’s Crimea region and supporting pro-Russian separatists in eastern Ukraine.
“Moscow worries that U.S. attempts to dictate a set of acceptable international norms threatens the foundations of Kremlin power by giving license for foreign meddling in Russia’s internal affairs,” the report says.


Die US-Geheimdienste sind also durchaus seit Jahren der Überzeugung, das die Befürchtungen der Russen "echt" sind und nicht nur Vorwand.
Das macht das beliebte "Wiederherstellung der Sowjetunion"-Narrativ, was nach wie vor überall gepredigt wird noch unglaubwürdiger.


//edit: Zitat erweitert



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Techniknörgler Offline



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07.03.2022 15:55
#115 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #114
Noch eine Ergänzung zum Thema, die Russen würde die Furcht vor einem US-Regime Change nur vorgeben:
[...]

Die US-Geheimdienste sind also durchaus seit Jahren der Überzeugung, das die Befürchtungen der Russen "echt" sind und nicht nur Vorwand.
Das macht das beliebte "Wiederherstellung der Sowjetunion"-Narrativ, was nach wie vor überall gepredigt wird noch unglaubwürdiger.



Überhaupt nicht, denn es handelt sich schlicht nicht um einen Widerspruch: Diese Vorstellung von "aceptable international norms", welche dem Kremel aus seiner Sicht von den USA/dem Westen aufgezwungen werden sollen, meint schlicht die Normen, nach denen sich die Russische Föderation nicht einen Einlfusssphärenreich gegen den expliziten Willen der osteuropäiscehn Staaten (wieder-)aufbauen darf. Und mit "foreign meddling in Russia’s internal affairs" ist nicht (nur) eine Einmischung anderer Staaten in die Innenploitik der russischen Föderation gemeint, sondern das Eingehen von Bündnissen und Kooperationen zwischen den Staaten, die aus Sicht des Kremels zum erweiterten russischen Reich gehören (seiner imperialen Einflusszone) mit Staaten von außerhalb der beeinflussten Einflusszone. Also Einmischung in die "inneren imperialen Angelegenheiten", nicht in die inneren nationalen Angelegenheiten.

Man muss sich halt klar machen, dass Russland hier "Innere Angelegenheiten" nicht gemäß der Paradigmas "Nationale Souveränität" definiert, sondern in Übereinstimmung mit dem Paradigma "Imperiale Souveränität".


Nachtrag:
Putin und der Kremel tragen aber selber zur Verwirrung bei, wenn sie von "nationalen Angelegenheiten und Interessen" reden, aber in Wahrheit "imperiale Angelegenheiten und Interessen" meinen.

Leider stellt der meinungsbildende Mainstream dies auch nicht ausreichend heraus, da hier eine Verklärung der supra- und postnationalen Paradigmas ("Globalismus") vorherrscht und Nationalismus und Imperialismus daher gerne in einen Topf geworfen und gleichgesetzt werden. Putinversteher von Rechts spielen da aber auch gerne mit.

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Tristram Shandy Offline



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07.03.2022 16:31
#116 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #114
"Intel report: Kremlin sees US urging regime change in Russia (2017)"
https://apnews.com/article/f7691c24547c495ca7581b02b5ff287a
(Es gibt zahlreiche Artikel dazu)


Ich habe den kompletten Report gefunden, leider nur in ein benutzerfeindlichen Viewer lesbar, deshalb kopiere ich mal ein paar Stellen raus:
https://archive.org/details/russia-milit...age/14/mode/2up

Zitat von Russia Military Power Report 2017

Moscow seeks to promote a multi-polar world predicated on the principles of respect for state sovereignty and non-interference in other states’ internal affairs, the primacy of the United Nations, and a careful balance of power preventing one state or group of states from dominating the international order.
[...]
Moscow undoubtedly views the United States and its NATO partners as the principle threat to Russian security, its geo-political ambitions, and most importantly, the Kremlin’s continued hold on power. This perception of vulnerability vis-a-vis the United States is most clearly evident in the latest Russian National Security Strategy published in December 2015. The document identifies the United States and its NATO allies as Russia’s main threat, and accuses the West of pursuing a deliberate policy of containment against Russia to sustain its domination of the post-Cold War international order and deprive Moscow of its rightful place on the world stage.
[...]
The security strategy also cites the buildup of NATO military capabilities closer to the Russian border, the deployment of U.S. missile defense capabilities in Europe, and the ongoing U.S. pursuit of strategic non-nuclear precision weapon systems as a serious threat to Russian security.
[...]
Russia also has a deep and abiding distrust of U.S. efforts to promote democracy around the world and what it perceives as a U.S. campaign to impose a single set of global values.
[...]
The Kremlin is convinced the United States is laying the groundwork for regime change in Russia, a conviction further reinforced by the events in Ukraine. Moscow views the United States as the critical driver behind the crisis in Ukraine and the Arab Spring and believes that the overthrow of former Ukrainian President Yanukovych is the latest move in a long-established pattern of U.S.-orchestrated regime change efforts, including the Kosovo campaign, Iraq, Libya, and the 2003-05 “color revolutions” in Georgia, Ukraine, and Kyrgyzstan.
[...]
Moscow identified new threats to state and public security posed by foreign nongovernmental organizations (NGOs), “color revolutions,” and the use of social media to foment unrest and undermine political and social stability,” reflecting Russian officials’ allegations that Western powers seek to provoke regime change in Russia.



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Johanes Offline




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07.03.2022 16:48
#117 RE: Eine Zeitenwende Antworten

@all:
Darf ich die Damen und Herren und Diverse daran erinnern, dass wir hier ein Diskussionsforum sind?
Wir sitzen sozusagen alle am Runden Tisch und reden über ein politisches Thema. Weder wird das Ergebnis der Diskussion irgendwo zu direkten Folgen führen, noch diskutieren hier die wirklichen Verantwortlichen mit. (Jedenfalls wäre ich sehr überrascht darüber, wenn sich hinter den Nicks die Weltpolitiker verbergen sollten. )

Was wir machen können, ist Argumente austauschen.

Höchstens die rein abstrakte Argumentation könnte irgendwas verändern.



Zitat von Techniknörgler im Beitrag #110
1. Nationale Souveränität ("Nationalismus" - hat häufig eine negative Konnotation, ich meine hier aber nicht übersteigerte Volkstümmelei)
2. Imperiale Souveränität ("Imperialismus")
3. Supra- und postnationale Ordnung ("Globalismus")


Die Aufteilung der Welt in hegominiale Interessensphären ist letztlich willkürlich. Es mag vielleicht naheliegend sein, dass Russland die Ukraine dominiert -- was zum Teil auch auf Zufälligkeiten beruht, könnte ja auch andersrum sein, wenn ein paar geschichtliche Ereignisse anders gewesen wären -- , aber was ist mit Polen, Deutschland?

Mit der Denkweise aus (2) bringt man die Welt meines Erachtens in Gefahr. Wenn man so denkt, dann sollte man überkreuzende Interessensphären und Länder, die nicht 100% einem Land folgen, einfach akzeptieren. Das entspricht meines Erachtens mehr unserer Zeit.

Außerdem hat dieses imperiale Denken die Tendenz, sich immer weiter auszudehnen.

Zitat von Techniknörgler
[...]schlicht als Synonym für ein formal über rechtliche Staatsangehörigkeit definiertes Staatsvolk im Rahmen des Status Quo).



Das ist meines Wissens der Status quo und damit gegenwärtig die einzige Ordnung, die nicht ins Chaos führt.

Es besteht langsam die Tendenz der zunehmen den Verrechtlichung der Politik. In der EU und durch die WTO ist das bereits sehr, sehr weit fortgeschritten, doch letztlich kann immer noch jeder Staat aus jeder Organisation austreten.

Zitat von Techniknörgler
Im Westen gibt es Strömungen zugunsten jeder der 3 Positionen, wie in Russland und anderen Kulturkreisen sicher auch.



Die Rechtfertigung, die der Westen für den Irak offiziell vorgebracht hat, war im Nachhinein falsch. Man kann aber immer noch argumentieren, dass Saddam nicht grade der Herrschaft war, den sich irgendjemand wünscht.

Im Falle der Ukraine erfolgte aber der Angriff klar auf eine westlich gesinnte Demokratie. Es mag zwar sein, dass dort nicht alles perfekt war, aber die grundsätzliche Orientierung war in Richtung Rechtsstaat, Demokratie, individuelle Selbstbestimmung.
Das war weder im Irak, noch in Afghanistan so der Fall.

Jetzt kann man philosophieren, ob das auch eine Art "Werteimperialismus" war. Das wurde von Intellektuelle im Westen vor 20 Jahren ja ausreichend gemacht.
Ich glaube aber, dass das für viele Leute in der Bewertung einfach auch mit einfließen wird.

Kurz gesagt: Das Ziel eine Demokratie zu errichten wird einfach anders bewertet als jenes, ein Marionettenregime zu errichten, welches nur demokratisch aussehen soll.
Und ja, auch hier stellt sich wiederum das faktische Problem, wie man diese beiden Fälle unterscheidet.

Ich denke aber, im vorliegenden Fall ist die Situation relativ eindeutig. Die Propaganda ist zu eindeutig.

Zitat von Techniknörgler
Sagt viel über die dortige Regierung aus.



Kennen Sie die Hintergründe, werter Herr @Techniknörgler ?

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #112
Putin ist ein russischer Nationalist, der auch lokale hegemoniale Ansprüche geltend macht.


Wieso darf dann, werter Herr @Tristram Shandy, russland solche Ansprüche geltend machen, aber z. B. Polen oder die Ukraine keine Sicherheitsinteressen?

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #112
Diese Denkweise ist den im Westen tonangebenden, universalistischen no-border-no-nations Millenials mit PISA-Abitur vollkommen unverständlich.


Diese Aussage disqualifiziert in meinen Augen Ihren Beitrag zumindest etwas.
Die Implikation ("PISA-Abitur") ist klar: Wer anderer Meinung ist, der ist ungebildet und hat einfach etwas nicht verstanden.

Dabei ist Ihre Begründung meines Erachtens intellektuell löchrig.

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #112
Nicht umsonst fordern so viele von der Sorte einen Eingriff der NATO.


Das ist in der Tat irrational und könnte Weltkrieg 3 auslösen.



"Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten." (Matthäus 7,12)
"Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese." (Mark. 12,31)

Llarian Offline



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07.03.2022 17:07
#118 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Yago im Beitrag #105
Das hätte der Startpunkt sein können für bessere Beziehungen. Man hat Putin nicht mitspielen lassen, nachdem unter Jelzin für alle der Rubel rollte. Das wollte man nicht oder nahm den Wunsch nicht wahr.

Der Wunsch alleine genügt doch nicht. Bessere Beziehungen benötigen eine Gegenleistung, Handel beispielsweise. Das dumme ist, dass die Kleptokratie Putins dazu nicht in der Lage ist, Russland ist bettelarm und lebt vom Export von Rohstoffen. Da kann man das Maul entsprechend auch nicht so weit aufreissen. Das große Problem Russlands, bzw. speziell Putins ist die gewaltige Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Russland hält sich für eine Supermacht. Hat aber tatsächlich nicht einmal die halbe Wirtschaftsleistung Deutschlands, weltweit liegt man auf Platz 11.

Zitat
Wenn die Welt wusste, dass Putin die Ukraine angreifen wird, hätte die westliche Welt sofort, während der Manöver in Russ oder davor, ihre Armeen dorthin schicken sollen. Hat sie nicht.


Weil sie im Unterschied zu einem anderen Beteiligten keine Lust haben den dritten Weltkrieg zu starten. Ist ja nicht so, dass Putin nicht fleissig mit seinen Atomwaffen wedelt.

Zitat
Heute könnten alle Anrainerstaaten zum Eigenschutz mit Militär der Nato vollgestopft werden. Tut man nicht.


Eben weil es nicht geht, so lange die Staaten nicht in der NATO sind. Deswegen wollen die ja unbedingt da rein.

Zitat
Es wird rumgeeiert, es herrscht eine unklare Verkehrslage. Jeder lügt, betrügt, verheimlicht...


Aber so überhaupt nicht. Es ist erstaunlich wie klar und deutlich der Konflikt liegt.

Zitat
Mein Vorschlag ist, Putin die Ukraine zu geben als Lehrgeld,


Und wer hat das zu vergeben? Sie? Gehört Ihnen die Ukraine? Ich denke nicht. Wie meinen Sie sich anzumaßen so etwas vergeben zu dürfen?

Zitat
Was mich immer etwas stört, ist, wenn die Freiheit mit konventionellen und auch mit Atomkriegen verteidigt werden soll. Ich werde nicht der Nutznießer davon sein.


Sie sind die ganze Zeit der Nutznießer davon. Die Freiheit musste schon immer verteidigt werden und es sind eben diese Waffen, die Ihnen ermöglichen diesen Text zu schreiben.

Zitat
Ganz grob wäre mein Leben in Russ nicht viel anders als hier.


Meinen Sie? Ich bin kein Fan von der doofen Formulierung "Dann geh doch rüber, wenns Dir nicht passt", aber hier ziehen Sie sich den Schuh an: Dann finden Sie es heraus! Ich habe nämlich ehrliche Zweifel daran. Ich bin mit einiger Wahrscheinlichkeit einer der höchst qualifiziertesten hier und das in einem sehr gefragten Zweig. Und ich glaube nicht ansatzweise, dass mein Leben in Russland so gut verlaufen würde (und ich habe hier viel, sehr viel auszusetzen). Ich bin mit nur darüber im klaren, dass man noch so toll qualifiziert sein kann, dass man nicht auf dem selben Lebensstandard lebt in einem Land, dessen Bruttosozialprodukt pro Einwohner nicht einmal ein Viertel des deutschen entspricht (und das ist schon nicht hoch). Auf den einzelnen Bürger gerechnet liegt Russland auf Platz 65 (das ist hinter Trinidad oder Rumänien um mal eine Vorstellung zu geben). China wird Russland in den nächsten 2 Jahren überholen, und zwar pro Kopf. Sie können noch so gut sein, wenn man sich ihr Gehalt nicht leisten kann, kommen sie damit nicht weit.

Zitat
Ich bewerte das nicht, habe aber kein Interesse daran, mich an solchen, nicht persönlichen Auseinandersetzungen zu beteiligen.


Dafür haben Sie aber eine Menge geschrieben. :)
Und bei aller Höflichkeit: Natürlich bewerten Sie. So wie wir alle. Wer wirklich neutral ist hält die Klappe, liest vielleicht was andere schreiben, aber äußerst sich nicht mit Vorschlägen zur Sache. Was ja in dem Sinne auch nicht falsch ist, aber dieses "das ficht mich alles nicht an und ich bewerte nicht", das ist am Ende unehrlich.

Tristram Shandy Offline



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07.03.2022 17:30
#119 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #117
Wieso darf dann, werter Herr @Tristram Shandy, russland solche Ansprüche geltend machen, aber z. B. Polen oder die Ukraine keine Sicherheitsinteressen?

Wie ich schon mehrfach schrieb, ist das einfach das Recht des Stärkeren. Das ist nicht schön, das muss man aber gezwungenermaßen hinnehmen. Das ist ja nun auch keine russische Spezialität. Wenn Deutschland der Schweiz mit der "Kavallerie" droht ist das vom Prinzip her auch nichts anderes. Wenn Deutschland oder die EU das wollen, muss die kleine Schweiz sich fügen, auch wenn sie das nicht will und formal auf ihre "Unabhängigkeit" pochen kann. Aber die Realität sieht leider anders aus, zwischen Staaten gilt mehr oder weniger das Recht des Stärkeren, deshalb ist ein Kräfteausgleich auch so wichtig und eine unipolare Welt nicht unbedingt erstrebenswert.

Zitat von Johanes im Beitrag #117
Diese Aussage disqualifiziert in meinen Augen Ihren Beitrag zumindest etwas.
Die Implikation ("PISA-Abitur") ist klar: Wer anderer Meinung ist, der ist ungebildet und hat einfach etwas nicht verstanden.

Nicht wer begründet anderer Meinung ist, aber wer sich rein von Emotionen leiten lässt und keinerlei Kenntnis über Hintergründe hat. Auf die Mehrzahl der genannten Gruppe trifft der Vorwurf der Unbildung und moralinsauren Hysterie m.E. exakt zu. Außer Putin = Hitler kommt da doch nichts. Oder halten Sie Gestalten wie Ricarda Lang, Helge Lindh oder AOC in den USA usw. usf. für intellektuelle Leuchttürme?

Zitat von Johanes im Beitrag #117
Dabei ist Ihre Begründung meines Erachtens intellektuell löchrig.

Können Sie das etwas ausführen?



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Techniknörgler Offline



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07.03.2022 18:02
#120 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #119
Zitat von Johanes im Beitrag #117
Wieso darf dann, werter Herr @Tristram Shandy, russland solche Ansprüche geltend machen, aber z. B. Polen oder die Ukraine keine Sicherheitsinteressen?

Wie ich schon mehrfach schrieb, ist das einfach das Recht des Stärkeren. Das ist nicht schön, das muss man aber gezwungenermaßen hinnehmen.



Das ist in der Tat meistens die scheinbare Begründung für eine Unterstützung des imperialen Paradigmas ("Ist halt Realpolitik!").

Nur, warum gilt dass dann nicht auch einfach für den "westlichen Imperialismus", der ein globalistisches Paradigma durchsetzen wolle?

Nochmals: Der Westen ist nicht monolytisch für Globalismus. Aber wenn dass die Kraft ist, die sich im Westen de-facto als das stärkere Machtzentrum durchsetzen und etablieren kann und der Westen wiederum der stärkste Player ist - warum gilt "Macht gibt Recht" dann nicht auch einfach hier? Und jeder, der sich dem in den Weg stellt, ist im Unrecht. Und muss die Konsequenzen spüren. So wie Putins Regime nun halt Wirtschaftssanktionen. Ist halt Realpolitik.

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Johanes Offline




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07.03.2022 18:26
#121 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #114
Die US-Geheimdienste sind also durchaus seit Jahren der Überzeugung, das die Befürchtungen der Russen "echt" sind und nicht nur Vorwand.


Soweit ich das verstehe, ist die Aussage aber mehrdeutig.

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #115
Leider stellt der meinungsbildende Mainstream dies auch nicht ausreichend heraus, da hier eine Verklärung der supra- und postnationalen Paradigmas ("Globalismus") vorherrscht und Nationalismus und Imperialismus daher gerne in einen Topf geworfen und gleichgesetzt werden.


Das ist ja auch Prima Propaganda und in der Argumantation nicht mal 100% unschlüssig.

Die Wahl zwischen einer "globalistisch" geordneten Welt und Gewaltherrschaft verschiedener Nationalimperien fällt mir jedenfalls leicht.

Bis jemand die Frage stellt: Was wäre eine Weltregierung anderes als all die Weltreiche in der Geschichte?

Zitat von Llarian im Beitrag #118
Es ist erstaunlich wie klar und deutlich der Konflikt liegt.


Das, werter Herr @Llarian, sehe ich ähnlich. Macht einen fast wieder skeptisch.

Aber die realen Handlung + die fast dreisten Lügen als Begründung sind schon eine Kombination, die es leicht macht zu urteilen.

Die "Putinversteher" versuche ja auch gar nicht unbedingt, die russische Version zu teilen, sondern denken sich "wahre Motive" hinter den Lügen aus. Damit stimmen sie stillschweigend zu, dass Russlands Begründung falsch ist.

Zitat von Llarian im Beitrag #118
Und ich glaube nicht ansatzweise, dass mein Leben in Russland so gut verlaufen würde (und ich habe hier viel, sehr viel auszusetzen).


Wie meinen Sie das?
- Wenn Sie jetzt aktuell nach Russland auswandern würden oder
- Wenn Sie direkt in Russland geboren worden wären?

Mein Eindruck ist, dass die Osteuropäer sozusagen dafür "bestraft" werden, dass sie im Sozialismus lebten. Ebenso wie heute die Menschen aus Venezuela oder Kuba.

Bei gleicher Qualifikation und Begabung sind die Chancen dort einfach nicht gleich.

Zitat von Llarian im Beitrag #118
Ich bin mit nur darüber im klaren, dass man noch so toll qualifiziert sein kann, dass man nicht auf dem selben Lebensstandard lebt in einem Land, dessen Bruttosozialprodukt pro Einwohner nicht einmal ein Viertel des deutschen entspricht (und das ist schon nicht hoch).


Damit haben Sie vollkommen recht.
Deshalb sollte man schon aus Eigeninteresse daran arbeiten, dass die eigene Umgebung nicht in Armut versinkt.

Zitat von Llarian im Beitrag #118
China wird Russland in den nächsten 2 Jahren überholen, und zwar pro Kopf.


Ich frage mich, was das wohl für uns bedeuten wird.

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #119
Wie ich schon mehrfach schrieb, ist das einfach das Recht des Stärkeren.


Wo ist denn Ihr Problem mit der NATO-Osterweiterung?
Die Frage ist ernst gemeint. Denn zusammengeschlossen ist die NATO klar stärker als Russland und wenn diese es nun in die Schranken weisen wollen, wäre das ja nach dem selben Recht legitim.

Zitat von Tristram Shandy
Wenn Deutschland oder die EU das wollen, muss die kleine Schweiz sich fügen, auch wenn sie das nicht will und formal auf ihre "Unabhängigkeit" pochen kann.



Dann hätte ich eine andere Frage:
Wieso betrachte Sie das auf Eben der Staaten, nicht auf Ebene der einzelnen Menschen?

Auch wiederum ernst gemeint.

Zitat von Tristram Shandy
Zitat von Johanes im Beitrag #117
Dabei ist Ihre Begründung meines Erachtens intellektuell löchrig.

Können Sie das etwas ausführen?



Siehe z. B. oben.

Frankenstein Offline




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07.03.2022 18:41
#122 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Tristram Shandy im Beitrag #119
Wie ich schon mehrfach schrieb, ist das einfach das Recht des Stärkeren. Das ist nicht schön, das muss man aber gezwungenermaßen hinnehmen. Das ist ja nun auch keine russische Spezialität. Wenn Deutschland der Schweiz mit der "Kavallerie" droht ist das vom Prinzip her auch nichts anderes.

Ernsthaft?

Sie setzen den flapsigen Spruch eines Ministers mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg eines selbstherrlichen Diktators gleich, der skrupellos über Zehntausende (mit seinen anderen Kriegen eher wohl Hunderttausende, aber vielleicht wird's auch noch siebenstellig) von Leichen geht?

Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis:

Wenn Leute - beispielsweise in Teenager-Kreisen - den Spruch bringen "Ich bring Dich um!", dann ist das nicht nur nicht wortwörtlich gemeint, das ist auch schon "vom Prinzip her" nicht das Gleiche wie eine konkrete Morddrohung eines Räubers oder Vergewaltigers.

Johanes Offline




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07.03.2022 18:43
#123 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #120
Nur, warum gilt dass dann nicht auch einfach für den "westlichen Imperialismus", der ein globalistisches Paradigma durchsetzen wolle?


Im alten chinesischen Kaiserreich oder im römischen Reich fällt "Globalismus" und Imperialismus zusammen.

Wo wäre, werter Herr @Techniknörgler, der reale Unterschied zu den großen Weltreichen der Geschichte?

Ich meine, viele Staaten haben für sich in Anspruch genommen, die Welt zu ordnen und dabei zwischen der Zivilisation und den Barbaren unterschieden. Und ein gewisses Verständnis des Rechts aufrecht erhalten zu wollen, das nahmen ebenfalls viele Herrscher für sich in Anspruch, von den Römern, über die islamische Expansion bis hin zum fernen China.

Zitat
Nochmals: Der Westen ist nicht monolytisch für Globalismus. Aber wenn dass die Kraft ist, die sich im Westen de-facto als das stärkere Machtzentrum durchsetzen und etablieren kann und der Westen wiederum der stärkste Player ist - warum gilt "Macht gibt Recht" dann nicht auch einfach hier? Und jeder, der sich dem in den Weg stellt, ist im Unrecht. Und muss die Konsequenzen spüren. So wir Putins Regime nun halt Wirtschaftssanktionen. Ist halt Realpolitik.



Das ist vor allen Dingen sinnlos.

Zumindest in der Form.

Es gab ja durchaus Denker, bei denen irgendwo explizit oder implizit die Gleichung auftaucht: Macht = Recht.

Nur ist in dem Fall jede normative Argmentation sinnlos. So als würde man sagen, "wer dieses Schachspiel gewinnt, der ist der Gute". In dem Augenblick kommt es nicht mehr darauf an, zu erklären, wieso denn Spieler Schwarz ein guter Mensch ist und den Sieg ehrlich verdient. Es sei denn, man glaubt an eine Art "Gottesurteil" oder "Urteil des Schicksals", das den Guten gewinnen lassen wird und will den Sieger vorhersehen.

Falls man wirklich denkt, "der Gewinner ist der Gute", dann kann man auf normative Argumente verzichten und nur noch das eigentliche Spiel analysieren.

Um den Bogen zu schlagen: Wie es da aussieht, hat Putin einfach auf so ziemlich jeder Ebene verspielt. Wirtschaftlich, Diplomatisch, Propagandistisch, in Sachen Stabilität seines eigenen Systems und auch militärisch.

P.S.: Bei Denkern, die die Gleichung Macht = Recht aufstellen, scheint mir das aber alles noch ein wenig komplizierter zu sein.
Hobbes z. B. sagt an einer Stelle, das derjenige, der die Macht de facto an sich reist, durch den Gesellschaftsvertrag wiederum Anspruch auf Loyalität habe. Das tut er aber, weil seine Theorie sozusagen vor allen Dingen gegen den "Krieg aller gegen Alle" argumentiert. Sozusagen, "besser Zentralgewalt als Bürgerkrieg".
Für einen Intellektuellen ist es aber sicherlich erst Mal interessanter, Macht =/= Recht zu postulieren. Was aber das Problem aufwirft, dass z. B. ein Gerichtsurteil zwar rechtskräftig, aber im normativen Sinne falsch sein kann. Ich brachte ja schon das Beispiel von den Katholiken und einigen Gerichtsurteilen in Deutschland oder den strengen Liberalen.
Es könnte im Extremfall sogar sein, dass in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte nicht eine Gesellschaft existierte, die normativ richtig lag. Es gibt Autoren, die zumindest zu dieser Ansicht geneigt zu haben scheinen, mit verschiedenen Begründungen.
Ich will mich hier ausschweigen.

Gruß

Johanes.



"Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten." (Matthäus 7,12)
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Techniknörgler Offline



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07.03.2022 19:26
#124 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #123
Im alten chinesischen Kaiserreich oder im römischen Reich fällt "Globalismus" und Imperialismus zusammen.Wo wäre, werter Herr @Techniknörgler, der reale Unterschied zu den großen Weltreichen der Geschichte?Ich meine, viele Staaten haben für sich in Anspruch genommen, die Welt zu ordnen und dabei zwischen der Zivilisation und den Barbaren unterschieden. Und ein gewisses Verständnis des Rechts aufrecht erhalten zu wollen, das nahmen ebenfalls viele Herrscher für sich in Anspruch, von den Römern, über die islamische Expansion bis hin zum fernen China.


Drei mögliche Unterscheidungsmerkmale:

1. Der Umfang. Ein oder zwei Kontinente beherrschend? Oder tatsächlich die ganze Welt ordnend? In Anspruch genommen haben das auch Rom und China. Aber die dachten ihr Teil des Erdkreises sei das Zentrum der Welt. Wirklich den ganzen Planeten umspannend ist sowieso erst mit heutiger Technik und Wissen vorstellbar und erst heute tatsächlich realistisch geworden.

2. Die Konkurrenzlosigkeit. Imperien sind nicht alleine. Sie sind sich dem nicht immer und zu allen Zeiten bewusst, obwohl sie es hätten wissen können. Aber weder Rom noch China waren alleine. Das andere Imperium war weit genug weg, um nicht in direkter Konkurrenz zu stehen. Das macht es einfacher, einen Alleinstellungsanspruch in seinem Einzugsbereich zu posutlieren, aber die jeweils andere Macht war nicht vollkommen unbekannt, auch wenn in der offiziellen Propaganda und im Alltag nicht präsent. Handel geschah halt indirekt. Im übrigen galt die scheinbare Konkurrenzlosigkeit auch nur auf dem jeweiligen Höhepunkt. Rom hatte lange Zeit sehr wohl ernst zu nehmende Konkurrenz, bevor es sich durchsetzte und "seine Welt" ohne Rivalen dominierte. Es gab z.B. Karthago. China wurde von den Mongolen eingenommen und wusste, warum es die große Mauer baute. Aber trotzdem waren es auch mit Konkurenz Imperien mit imperialem Anspruch und Wirklichkeit. Der Nationalstaatsgedanke mit seinem Ideal der nationalen Souveränitiät und dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen ist viel, viel jünger.

3. Die Ideologie/das Weltbild. Das halte ich sogar für das entscheidende Kriterium, welches Globalismus von einem schnöden Weltimperium abgrenzt. Das ist in der Form wirklich neu. Es würde aber auch hier zu weit führen, da extrem komplex. Das wäre eine ganze Artikelserie wert und dafür habe ich aktuell nicht die Zeit. Nur so viel (einer von vielen Aspekten): Der Römer wussten: Rom ist die zivilisatorische Krone. China war sich klar, es ist das Reich der Mitte, das Zentrum und der Höhepunkt der Zivilisation. Ein Amerikaner der das gleiche von Amerika denkt und die Welt ordnen will, wäre ein amerikanischer Imperialist. Aber der akademisch-progressive Kosmopolit denkt gar nicht, dass Amerika im besonderen oder Europa im besonderen oder der Westen als ganzes die zivilisatorische Krone darstellen. Er meint über solchen Dingen zu stehen und abstrakte, nicht-kulturelle universelle Werte erkannt zu haben und zu vertreten. Und jeder der guten Willens ist und nicht Dumm, der kann das auch und würde das auch. Nicht unbedingt von selber, aber zumindest sobald jemand diese Werte von jemandem erklärt (oder sollte ich sagen offenbart?) bekommt, der sie schon verinnerlicht hat. Klappt das nicht, na dann ist jemand nicht guten Willens oder Dumm - oder beides. Oder zu alt. Dann muss man sich an die jungen Menschen wenden. Möglichst früh. Am besten über das Bildungssystem. Das dieses Weltbild de-facto im Westen besser Fuß fassen kann als in anderen Kulturkreisen ficht da nicht an. Es stört auch nicht, ein evt. "Amerikanisches Imperium" ist da nur das Werkzeug um sich in einem dialektischen Prozess selber zu überwinden - zugunsten eine supra- und postnationalen Weltordnung (denn der alte, angebliche "Amerikanische Imperialismus" wird wiederum mit Nationalismus in einen Topf geworfen und dann auch so genannt, entsprechend gilt dessen Überwindung als "postnational" und nicht "postimperial").

Und ja, der Marxismus strebte das gleiche an. Das Sowjetimperium diente einer Ideologie mit ähnlichem Anspruch.

Es greift daher auch zu kurz Putin vorzuwerfen, er trauere primär dem Sowjetimperium hinterher. Ich denke, er verklärt das Russische Imperium, für welches aber das Sowjetimperium ein ausreichender Ersatz war. Als diese Ersatz der "gut genug" war, weg fiel, entstand eine unerträgliche Leere. Diese versucht man aber nicht mit dem Ersatz zu füllen, sonder wenn schon, dann mit etwas, dass näher am Original liegt. Das russische Imperium hat keinen universalen Anspruch, sondern "nur" einen Imperialen. Das machte Putin auch immer wieder klar. Er kritisierte die Sowjetideologie für ihren universellen Anspruch. Er kritisierte die Sowjetideologie für ihren Anspruch abstrakte, universelle Werte losgelöst von der Tradition und Kultur zu prägen.

Dass die Krim, die zu Russland gehörte, einer "eigenständigen" Sowjetrepublik Ukraine übertragen wurde, das kritisierte er als Fehler Lenins. Aber solange es eine Sowjetrepublik als Teil einer de-facto von oben herab zentral regierten Sowjetunion war, war das verschmerzbar. Als diese auseinander brach und die Ukraine ein unabhängiger Nationalstaat wurde, da fiel dieser "ausreichende" Ersatz für das Russische Reich weg. Jetzt möchte er nicht den Fehler der Sowjetunion wiederholen. Er dient keiner universellen Ideologie. Das Imperium ist genug.

Das beruhigt nur nicht Polen, Rumänien, die baltischen Staaten, die (insbesodnere Polen) weder auf Russischen Imperialismus noch auf eine neue universelle (globalistische) Ideologie Bock haben. Aber zweimal kann jeder raten, welche Gefahr sie gerade als größer Einschätzen (mE zu Recht!).

Aber nochmal zurück zum Globlaismus: Der ist in der Tat neu. Also nicht so neu. Wie bereits geschrieben, der Marxismus ist auch so drauf. Aber auch der ist ein Produkt des 19. Jahunderts, damit zwar älter als heutiger akademischer, postmoderner Progressivismus, aber bei weiterm nicht antik.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Tristram Shandy Offline



Beiträge: 46

07.03.2022 19:28
#125 RE: Eine Zeitenwende Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #122
Ernsthaft?

Sie setzen den flapsigen Spruch eines Ministers mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg eines selbstherrlichen Diktators gleich, der skrupellos über Zehntausende (mit seinen anderen Kriegen eher wohl Hunderttausende, aber vielleicht wird\'s auch noch siebenstellig) von Leichen geht?

Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis:

Wenn Leute - beispielsweise in Teenager-Kreisen - den Spruch bringen "Ich bring Dich um!", dann ist das nicht nur nicht wortwörtlich gemeint, das ist auch schon "vom Prinzip her" nicht das Gleiche wie eine konkrete Morddrohung eines Räubers oder Vergewaltigers.



Meine Güte, ich komme mir schon vor wie Jordan Peterson bei Cathy Newman. "So you're saying..."

NEIN, das setze ich nicht gleich. Wenn Ihr Textverständnis dafür nicht ausreicht zu erkennen, wo hier das Vergleichsmoment liegt, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.

Und wenn Sie schon nichts Substantielles beizutragen haben, verschonen Sie mich wenigstens mit Ihrer plumpen Rabulistik. Danke.



Heute gehört uns Deutschland, und morgen der ganzen Welt...

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