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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.002

15.03.2017 21:15
#1551 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #1548
Ihre (und R.A.s und n_s_ns) Vorstellung von Journalismus war wahrscheinlich nie Realität.
Über diesen Punkt habe ich in der Folge dieser Diskussion ebenfalls nachgedacht und ich halte ihn für valide.

Allerdings kam mir dabei ein anderer Gedanke. Das Versagen der Presse besteht wohl viel weniger darin, dass sie nicht die Rolle des Kritikers einnimmt (also in der Verweigerung der ihr zugedachten Rolle), sondern darin, dass sie die Rolle des Kritikers überall (auch im Parlament) verhindert (also das Einnehmen einer ihr nicht zugedachten Rolle). Sie tut dies durch die Konstruktion von dem, was ich alternative Realität (nach Wille und Vorstellung) nenne.

Mein hypothetisches Beispiel oben mit der AfD mag das veranschaulichen. Selbst Kritiker im Parlament, welche versucht hätten "Checks und Balances" in Gang zu bringen, wären wohl von der Presse daran gehindert worden. Es war ja wirklich nicht (nur) die Pressekritik die fehlte, sondern vor allem auch, das die Presse Kritik nicht zuließ, indem sie diese weitgehend moralisch diskreditierte.

Man denke zum Beispiel an den Skandal um den "angeblichen Schießbefehl der AfD", als diese "Gewalt als Ultima Ratio zur Grenzsicherung" thematisierte. Wie wir jetzt aus dem Buch Alexanders erfahren, war genau diese Fragestellung der Grund, warum der bereits beschlossene Grenzschließungsbefehl nicht umgesetzt wurde. Dieses Thema wäre also wohl keinen Skandal wert, sondern eine äußerst wesentliche Debatte gewesen, welche durch unsachliche, moralisierende Presseberichterstattung verhindert wurde. Stattdessen wurde diese Frage hinter vershlossenen Türen, unter hohem Stress, bereits Wochen zuvor von wenigen Personen entschieden - was möglicherweise, wie Emulgator es nennt, ein "außer Übung geraten über die demokratische Verfassungspraxis" darstellt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.391

15.03.2017 21:38
#1552 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #1548

Erstens: Die Demokratie ist viel älter als die periodische Presse, wie wir sie heute kennen. Funktioniert hat es trotzdem, und zwar indem die reinen Nachrichten, was passiert ist, ad hoc über Kaufmannsbriefe, Geschichtenerzähler und Reisende weitergegeben wurde. Die Regierungsakte wurden durch amtliche Bekanntmachungen (Aushänge, Ausrufer mit ihren Trommeln) weitergegeben. Die Abwägung von Vor- und Nachteilen vollzog schon immer jeder selber und mit seinem Umfeld. Ihre (und R.A.s und n_s_ns) Vorstellung von Journalismus war wahrscheinlich nie Realität.


Erm... Nein. Die Entstehung der modernen Massendemokratie ist mit dem Entstehen der ersten Massenmedien gekoppelt, in dem Fall Journale. War in England (da zuerst, id frühen 1700ern) so, in F, in D, id USA. Alles andere war Verlautbarung offizieller Regelungen, und der Flurfunk, bzw. die Agora war immer auf die kleinteiligen Bürgerrepubliken beschränkt, die dann nach draußen hin als geschlossener Block auftraten. Und die waren in ihrem Umfang her, ob nun in Amsterdam, Hamburg oder Venedig latürnich eifersüchtig limitiert, & der Gruppendruck war entsprechend. Die Skepsis gegenüber der Mitbestimmung der ganzen Masse, die sich durch die Staatsphilosophien etwa bei Machiavelli bis vor Hobbes durchzieht, hat zwei Schienen: 1. (immer mit Exempeln aus dem alten Rom) die Partikulargruppen gehen wild aufeinander los = Bürgerkrieg; 2. der Mob, die Masse, kann sich nicht disziplinieren & fällt dem ersten Rienzi, der daherkommt, anheim = Despotie. Mit der Presse haben die unterschiedlichen Fraktionen jeweils eine Position, in der ihr Standpunkt sichtbar gemacht wird & wo das auch jedem Leser klar ist, daß hier Partei genommen wird (& daß das erlaubt & harmlos ist). Die englische Publizistik, ca. 1680 bis 1700 (wo das dann durch die Journale wie den Tatler, Spectator usf. abgelöst wird) ist voll mit Aberhunderten von Pamphleten, die klarstellen, daß es kein Weltuntergang ist, wenn die "falsche Partei" den Wahlkampf gewinnt. Denen steckt die Erfahrung des englischen Bürgerkriegs (wo das ja der Fall war) richtig in den Knochen.



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Florian Offline



Beiträge: 3.170

16.03.2017 01:27
#1553 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1551

Es war ja wirklich nicht (nur) die Pressekritik die fehlte, sondern vor allem auch, das die Presse Kritik nicht zuließ, indem sie diese weitgehend moralisch diskreditierte.



Ok, gutes Argument.

Allerdings war es genaugenommen nicht nur die Presse, die Kritik moralisch diskreditierte.
Daran haben sich viel mehr Leute beteiligt.

Die Medien natürlich.
Aber auch viele, viele Personen des öffentlichen Lebens haben da mitgemacht.
Selbst der Bundespräsident hat die Republik eingeteilt in ein "helles Deutschland" das Flüchtlinge willkommen heißt und einem "Dunkeldeutschland", dass das kritisiert.
Auch im persönlichen Umfeld haben wir wahrscheinlich alle erlebt, wie die in Diskussionen die moralische Keule herausgeholt wurde.

Positionen die in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit hatten (und die auch noch wenige Monate zuvor parlamentarisch z.B. von der Union vertreten wurden), galten auf einmal als faschistisch.
Ich glaube allerdings, dass der Bogen da überspannt wurde. Und ich spüre auch ein schlechtes Gewissen bei vielen Journalisten die sehr wohl wissen, dass sie da viel Renommee verloren haben.
(Einer der ersten, der das recht offen einräumte war Giovanni di Lorenzo in einem sehr nachdenklichen und lesenswerten Beitrag: http://cicero.de/berliner-republik/medie...rischen-aufgabe ).

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.002

16.03.2017 10:06
#1554 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #1553
Allerdings war es genaugenommen nicht nur die Presse, die Kritik moralisch diskreditierte.
Daran haben sich viel mehr Leute beteiligt.

Die Medien natürlich.
Ich muß zugeben, dass ich die Worte "Medien" und "Presse" nicht stringent nutze. Unter Medien könnte man ja immer auch social Media und Portale wie "Die Achse des Guten" oder ganz allgemein Blogs verstehen.

Auf was ich mich im Beitrag mit dem Wort Presse beziehe, sind im Kern der ÖRR und die großen Tages- und Wochenzeitungen, die nach meiner Wahrnehmung die Meinungsbildung in der Bevölkerung immer noch sehr, sehr maßgeblich prägen. Ich nenne sie im folgenden des Textes hier "relevante Medien".

Dass diese eminent wichtig sind für die Meinungsbildung der Öffentlichkeit, erlebe ich tagtäglich in persönlicher Erfahrung. Meinungen, welche ausserhalb eines "Tagesthemen Konsens" liegen sind faktisch nicht vermittelbar. Ein Beispiel: Alle in meiner Umgebung halten mich für einen moderaten, umgänglichen, überdurchschnittlich intelligenten Menschen von dem sie wissen, dass er ein naturwissenschaftliches Studium mit einem ziemlich guten Abschluß beendet hat. Wenn ich allerdings (was ich mittlerweile einfach nicht mehr tue) anhebe, die Energiewende oder die "Co2 Angst" in Frage zu stellen, ernte ich Reaktionen, wie sie wohl auch einem "langhaarigen Latzhosenträger" in den 70er Jahren entgegen schlugen, welcher sich über das schwere Schicksal der Juchtenkäfer beklagte. - Von Mitleid bis Aggression, ist da alles an Reaktionen dabei.

Woran liegt das, dass sich naturwissenschaflich teils völlig unbeleckte Menschen so sicher sind, über wissenschaftliche Themen ein fundierteres Urteil fällen zu können wie ich, der ich mich mit vielen solcher Themen beschäftigt habe? - Ohne das sie meinen Argumenten inhaltlich begenen würden, ausser mir irgendwelche Zeitungsartikel zu zeigen (die immer mehr Propaganda als Wissenschaft sind in meinen Augen). Es kann nur daran liegen, dass für sie eine unverrückbare Wahrheit festeht, welche sie aus der durch die Medien generierte Feedbackschleife ziehen, die ich "alternative Realität" nenne.


Zitat von Florian im Beitrag #1553
Aber auch viele, viele Personen des öffentlichen Lebens haben da mitgemacht.
Das interpretiere ich eben gerade als die Wirkung meiner These, dass die relevanten Medien eine alternative Realität (nach Wille und Vorstellung) konstruieren, an welcher sich das Handeln der Verantwortungsträger entscheidet.

Das Buch von Alexander bringt dazu geradezu das Paradebeipiel: Die Grenschließung war beschlossen. In den "relevanten Medien" wurde Merkel für ihren "humanitären Akt" noch gefeiert. Die auch (möglicherweise vor allem) daraus enstehende Angst vor unschönen Bildern bei der Grenzschließung verhinderte dann in der Folge, dass jemand schlußendlich die Verantwortung für die Grenschließung zu tragen bereit war. So blieb die Grenze offen.

Ich spekuliere natürlich, bin mir aber ziemlich sicher: Wäre die Grenzöffnung zu Beginn kritisch beleuchtet worden in den "relevanten Medien", wären die möglichen Verletzungen der parlamentarischen Spielregeln, mögliche Rechtsbrüche direkt und laut thematisiert worden, anstatt sich an der eigenen "humanitären Besoffenheit" zu berauschen, wären die Grenzen eine Woche nach Merkels Öffnung wieder geschlossen gewesen. Die Worte "Wir schaffen" das", diese Diskussion hier und vieles mehr, hätte es nicht gegeben.

Mir ist klar, es ist eine zugespitzte und provokante Behauptung: Aber ohne das Verhalten der "relevanten Medien" wären die politischen Fehlentwicklung des letzten Jahres, wie auch die damit einhergende Stärkung der extremen, politischen Ränder undenkbar.


Zitat von Florian im Beitrag #1553
Auch im persönlichen Umfeld haben wir wahrscheinlich alle erlebt, wie die in Diskussionen die moralische Keule herausgeholt wurde.
Weil diese moralische Keule ein fogerichtiges Handeln in der von den "relevanten Medien" geschaffenen Realität war.


Zitat von Florian im Beitrag #1553
Positionen die in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit hatten (und die auch noch wenige Monate zuvor parlamentarisch z.B. von der Union vertreten wurden), galten auf einmal als faschistisch.
Der springende Punkt meiner These ist ja eben gerade, dass die Verteilung von Mehrheiten nicht relevant ist, sondern stattdessen die durch die "relevanten Medien" konstruierte Wirklichkeit, die öffentlich weitgehend als Mehrheit verstanden wird und an der sich die Handelnden ausrichten. So werden aus rechtsstaatlichen, bürgerlichen und relevanten Positionen schnell Faschismus.

Schopenhauer hatte schon Recht. Die Welt ist "Wille und Vorstellung" und man kann dies nicht nur als tiefgründige erkenntnistheoretische Feststellung begreifen, sondern auch als gesellschaftlichen Mechanismus.


Zitat von Florian im Beitrag #1553
(Einer der ersten, der das recht offen einräumte war Giovanni di Lorenzo in einem sehr nachdenklichen und lesenswerten Beitrag: http://cicero.de/berliner-republik/medie...rischen-aufgabe ).
Allerdings schließt auch Lorenzo mit dem Satz:

"... weil ich der Meinung bin, dass unsere Medien zu den besten und freiesten auf der Welt gehören."

Mit dem "frei" hat er zweifelsohne Recht, was das Wort "besten" umso mehr zur Fehleinschätzung werden lässt.

Das ist was ich weiter oben meinte als ich sagte, dass es Anzeichen zu Besserung gibt, es aber noch ein weiter Weg ist. Es wird erkannt, dass etwas falsch läuft, das es eigene Fehler gab. Man weigert sich aber in die "tatsächlichen Abgründe des eigenen Versagens" zu blicken. Nachdenken (und das weiß ich nur zu gut) schmerzt eben doch, wenn Selbstreflektion an die eigene Substanz geht.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Frank2000 Offline




Beiträge: 3.420

16.03.2017 10:49
#1555 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Selbstreflektion bei einigen Handelnden ( seien es Politiker, Journalisten oder Künstler) bringt gar nichts, so lange das "System" solche Konvertiten schnell genug diskreditieren und aussortieren kann.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Florian Offline



Beiträge: 3.170

17.03.2017 12:36
#1556 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #1538

Das Buch ist gestern erschienen.
Und bei Amazon mittlerweile auf Rang 3.


Korrektur:
"Die Getriebenen" ist mittlerweile auf Platz 1 der Amazon-Bestseller-Liste.

Gestern war der Autor übrigens Gast bei Markus Lanz.
(Abrufbar in der zdf-Mediathek).

Mein Eindruck war, dass Alexander von Lanz dort sehr fair behandelt wurde.
Was ja keine Selbstverständlichkeit ist. Man vergleiche das mit dem Umgang mit Sarrazin, dem letzten faktenorientierten Sachbuchautor eines Ausländer-relevanten Bestsellers.
Natürlich sind Alexander und Sarrazin nicht direkt vergleichbar. Alexander thematisiert im wesentlichen Regierungshandeln, Sarrazin in erster Line gesellschaftliche Entwicklungen.
Dennoch würde ich drauf wetten: Wäre Alexanders Buch im Dezember 2015 erschienen, wäre er in einer Talkshow in einem ähnlich Tribunal zerfleischt worden wie weiland Sarrazin.

Übrigens hatte man auch den Eindruck, dass die anderen Lanz-Gäste (eine breite Palette von Axel Schulz mit Alice Schwarzer) gerade zu an Robin Alexanders Lippen hingen.

Dieses Buch hat einen Effekt - und der wird Merkel nicht gefallen können.
(Wiewohl Alexander mit Merkel sehr fair umgeht. Aber dennoch: die Fakten sprechen halt für sich).

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.002

17.03.2017 15:04
#1557 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #1556
Dieses Buch hat einen Effekt - und der wird Merkel nicht gefallen können.
Ich kann natürlich nur für mich persönlich sprechen, aber in diesem Punkt bin ich mir ganz und gar nicht sicher.

Für mich "gewinnt" Merkel in diesem Buch. Nicht etwa, weil ich plötzlich Ihre Enscheidungen begründet finde, sondern weil ich ihr Handeln beginne zu verstehen, als Folge einer Entwicklung, getrieben von öffentlicher Meinung, zwischenmenschlichen Nöten, Eitelkeiten und Angst vor Verantwortung. "Die Getrieben" ist ein excellenter Titel. Das wird mir klar, je mehr ich von dem Buch lese.

Wir müssen nun überhaupt nicht darüber diskutieren, was man von einem Regierungschef erwarten können muß. Ich sage lediglich, dass ich das Geschehene jetzt verstehe, ohne dass ich Merkel "komische Moral", "Dummheit", "böse Absicht" oder ähnliches unterstellen muß. Ich kann es verstehen mit Eigenschaften, die auch mir nicht fremd sind, die ich nachvollziehen kann.

Merkels grundsätzliche Position in der Migrationsfrage, so wie ich es lese, unterscheidet sich gar nicht so sehr von meiner. Ich halte sie sogar für äußerst vernüftig. Im Buch wird sogar ihr Argument zitiert, dass wer undifferenziert jeden hier willkommen heißt, irgendwann den wirklich Bedürftigen wird nicht mehr helfen können. Ein Argument, dass ich in einer Kritik an ihrem Handeln (hier als Gastbeitrag erschienen), einmal selbst formulierte. Sie hat dieses Argument nur nicht durchgehalten und in der Folge am Ende sogar das Gegenteil behaupten müssen.

Der Punkt ist, dass sie den notwendigen Mut nicht aufbrachte ihre Ansicht gegen eine Öffentlichkeit, ethisches Empfinden (getrieben durch die Kirchen) und Emotion durchzusetzen. Und hier muß ich sagen, dass ich in der Nachbetrachtung immer mehr zum Schluß komme, dass die Deutschen letztendlich die Flüchtlingspolitik bekommen haben, die sie wollten und dass ich das "ethische Empfinden" der Kirchengemeinden diesbezüglich bisher wohl unterschäzte.

Ich selbst komme aus einer katholischen Familie. Ich erinnere mich an einen Sonntagnachmittag im Familien und Freundeskreis. Es war im Früjahr 2015. "Flüchtlinge" war mir persönlich überhaupt kein gegenwärtiges Thema, als die Sprache darauf kam, mit dem Tenor man müsste alle Aufnehmen. Als ich nur anhob, ökonomische und rechttstaatliche Bedenken anzumelde, kam ich zu den ethischen gar nicht mehr. So schnell schlug "Indignation und Entsetzen ob eines so kaltherzigen Familienmitglieds" in "familiäre Agression" um. Getrieben von "Kirchenmoral". Diese Art der "Ausgrenzung" (was wohl ein zu starkes Wort ist), ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Dennoch habe ich diesen Mechanismus bisher unterschätzt. Er erscheint mir immer mehr als ein wesentlicher Treiber des Geschehens der "Flüchtlingskrise".

In diesem Sinne gewinnt Merkel für mich in diesem Buch in zweierlei Hinsicht:
1) Sie erscheint mir ein durchaus effizient lernender Mensch. Sie handelt pragmatisch und sie erscheint mir auch, über ihre Grundsätze hinaus, dazu zu lernen.
2) Sie ist ein Mensch mit Emotionalen Nöten, die man versteht. (Das Angst vor Verantwortung für ein Regierngschef untragbar ist, wird nicht jeder folgern. Es werden sich genügend finden, die dies gar positiv sehen.)

Es verliert für mich viel eher Seehofer, der in den entscheidenden Stunden lieber seinen Emotionen nachgab, als der Kanzlerin vielleicht mit "Rücken stärken" den Schubs in die richtige Richtung zu geben.

Merkel hat Positionen, die ich grundfalsch finde (Energiewende, Klima, Linkskurs der Union) aber auch Positionen, welche ich richtig finde (wie die zur Migration, welche sie sich nicht umzusetzen traute). Sie erscheint mir dabei (nach Lektüre des Buches) wieder berechenbar und lernfähig. Mancher mag, aus ihrer Emotionalen Not, welche in dem Buch zum Ausdruck kommt, sogar Sympathie für sie generieren.

Ob das für mich persönlich reicht, dass ich sie als Option für 2017 sehe, glaube ich nicht. Die Alternativen sind allerdings denkbar schlecht und sie erscheint mir nicht mehr der "politische Amokläufer" zu sein, für den ich sie noch kürzlich hielt. Man wird sehen wie sich Merkel und die Alternativen die nächsten Monate entwickeln.

Ich halte es nicht für undenkbar, dass dieses Buch Merkel helfen wird.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

crastro Offline



Beiträge: 212

17.03.2017 16:22
#1558 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Der verehrte n_s_n gibt in seinen Beiträgen auf dieser Seite zwei Beispiele aus seinem persönlichen Umfeld zu den Themen Klimawandel/Flüchtlinge, wo eben dieses Umfeld sich konstant einer Diskussion verweigert; selbige könnte wohl das eigene Weltbild gefährden.

Nicht direkt dazu passend, aber am aktuellen Beispiel von "Ängsten" betreff Trump gibt es einen interessanten Bericht auf youtube zu einer Dame namens Byron Katie, die mit ihrer Methode, genannt "work", solche Ängste abzubauen versucht.Da ich weder Psychologe noch sonstwie vom Fach bin, kann ich das nicht wirklich beurteilen, allerdings ist mein Eindruck, daß die Versuchsperson tatsächlich mit viel Einfühlungsvermögen von ihren Ängsten in diesem Punkt befreit wird.

https://www.youtube.com/watch?v=LaedBS5Sn1Y

Das lässt sich vermutlich ganz ähnlich auf andere Themen anwenden.

Edit:
Es ist natürlich sehr "amerikanisch" gemacht, aber ziemlich eindrucksvoll.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.03.2017 16:40
#1559 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557
Für mich "gewinnt" Merkel in diesem Buch. Nicht etwa, weil ich plötzlich Ihre Enscheidungen begründet finde, sondern weil ich ihr Handeln beginne zu verstehen, als Folge einer Entwicklung, getrieben von öffentlicher Meinung, zwischenmenschlichen Nöten, Eitelkeiten und Angst vor Verantwortung. "Die Getrieben" ist ein excellenter Titel.
Offen gesprochen halte ich jemanden, der sich so treiben läßt, für besonders führungsunfähig. Als Lebenseinstellung halte ich es für am wichtigsten, sein Handeln allezeit sachlogisch erklären zu können. Wenn zwischenmenschliche Nöte und Ängste, gar vor Verantwortung, um die man bei der Kandidatur selber gebeten hat, das Handeln bestimmen, dann macht man etwas grundlegend falsch. Ich möchte sogar behaupten, daß man dann sogar unfähig ist, selber geführt zu werden, und noch schlimmer, daß man ein "лишный человек" ist. Dieser Typus von Mensch handelt genau so. Er erbt, tut aber nichts zielführendes für seine Erhaltung. Es ist eine Anleitung zum Unglücklichsein.


Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557
Ich selbst komme aus einer katholischen Familie. Ich erinnere mich an einen Sonntagnachmittag im Familien und Freundeskreis. Es war im Früjahr 2015. "Flüchtlinge" war mir persönlich überhaupt kein gegenwärtiges Thema, als die Sprache darauf kam, mit dem Tenor man müsste alle Aufnehmen. Als ich nur anhob, ökonomische und rechttstaatliche Bedenken anzumelde, kam ich zu den ethischen gar nicht mehr. So schnell schlug "Indignation und Entsetzen ob eines so kaltherzigen Familienmitglieds" in "familiäre Agression" um.
Thoma von Aquin, der ja gewissermaßen der "Gründervater" der abendländisch-katholischen Theologie ist, pflegte, die die Meinung, die er bestritt, stets möglichst vollständig darzustellen, bevor er sie verwarf. Es wirkt sehr versachlichend und mäßigend, so vorzugehen, gerade wenn es hitzig wird.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557
Merkel hat Positionen, die ich grundfalsch finde (Energiewende, Klima, Linkskurs der Union) aber auch Positionen, welche ich richtig finde (wie die zur Migration, welche sie sich nicht umzusetzen traute).
Haben Sie nicht den Verdacht, daß diese Positionen ähnlich entstanden sind wie die "Willkommenskultur"?

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.002

17.03.2017 17:46
#1560 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #1559
Offen gesprochen halte ich jemanden, der sich so treiben läßt, für besonders führungsunfähig.
Ich stimme Ihnen hierin zu hundert Prozent zu, habe das ja auch festgestellt.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557
Das Angst vor Verantwortung für ein Regierngschef untragbar ist, wird nicht jeder folgern.

Ich folgere das definitiv.

Zitat von Emulgator im Beitrag #1559
Thoma von Aquin, der ja gewissermaßen der "Gründervater" der abendländisch-katholischen Theologie ist, pflegte, die die Meinung, die er bestritt, stets möglichst vollständig darzustellen, bevor er sie verwarf. Es wirkt sehr versachlichend und mäßigend, so vorzugehen, gerade wenn es hitzig wird.
Interessante Perspektive. Ich glaube das in dem vorliegenden Zusammenhang zwar nicht, kann mich aber natürlich irren. Mir erscheint es plausibler, dass Merkel sich mit ihrer Überzeugung der Mehrheitsmeinung gebeugt hat - was aber im Kern auf das selbe herausläuft wie das was Sie schreiben. - Nur, dass die Motivation der Handlung jeweils eine andere sein dürfte.

Zitat von Emulgator im Beitrag #1559
Haben Sie nicht den Verdacht, daß diese Positionen ähnlich entstanden sind wie die "Willkommenskultur"?
Der Verdacht liegt zumindest sehr nahe und damit gäbe sie dem Deutschen Volk wohl, was es "glaubt zu wollen". Womit wir auch wieder bei Presse und alternativen Realitäten sind. (Kleine Seitenanmerkung zum Wort "Fake News". - Ich finde es eine interessante Lebenserfahrung, dass beim Gegenüber gerne die eigenen Fehler überdeutlich benannt werden. Sicher steckt ein gut verstandener, soziologischer Mechanismus dahinter.)

Meine Anmerkungen im Beitrag oben waren auch nicht als Verteidigung Merkels gedacht. Ich wollte auf Florians Bemerkung eingehen, Merkel verlöre in jedem Fall durch das Buch. Daran habe ich meine Zweifel und ich wollte illustrieren warum.

Merkel (und dieses Zitat fiel sogar bei Lanz so) ist entweder eine Heilige oder die "Gottseibeiuns". Für diejenigen, welche sie als Heilige sehen, wird sich nichts ändern durch das Buch. Davon dürfen wir ausgehen. Für diejenigen, die Sie für den "Gottseibeiuns" halten wird sich schlimmstenfalls (aus Merkels sicht) ebenfalls nichts ändern. Ein paar Menschen werden aber beginnen sie als Menschen zu sehen und sie positver als vorher bewerten.

Ich habe diesen Impuls, der in mir beim Versuch des vorurteilsfreien Lesen des Buchs entstand, versucht zu beschreiben. Nun weiß ich um die Emotionalität dieses Impulses und werde versuchen mich ihm nicht hingeben (Es gibt ja auch eine "Sehnsucht" in fast jedem, nach der Lösung des Problems). Die Existenz des Impulses aber immerhin muß ich zur Kenntnis nehmen. Die Unterstellung, dass sich viele Menschen von Impulsen leiten lassen, dürfte ebenfalls nicht allzu gewagt sein. Und als letztes kommt hinzu: Die Alternativen zu Merkel könnten derzeit schlechter nicht sein.

Insofern würde ich begründen, dass Merkel durch dieses Buch (leider?!) gewinnen könnte.

Ich hoffe, man wird mir die nun folgende Spekulation nicht gleich als Verschwörungstheorie auslegen, aber ich halte es durchaus für möglich, dass dieses Buch (auch) geschrieben wurde, um Merkel zu helfen. Wie gesagt hört man Alexander bei Lanz sagen, es sei ihm ein Anliegen Merkel nicht als Heilige oder Teufel zu sehen, sondern im Graubereich dazwischen. Wenn man unterstellt, dass sich der Graubereich traditionell eher vom "unteren Bereich der Skala" nährt, als von denen die in Merkel (nach wie vor) einen Engel sehen, könnte man dem Buch durchaus auch dieses Kalkül unterstellen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Yago Offline



Beiträge: 469

18.03.2017 05:46
#1561 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557
Zitat von Florian im Beitrag #1556
Dieses Buch hat einen Effekt - und der wird Merkel nicht gefallen können.
Ich kann natürlich nur für mich persönlich sprechen, aber in diesem Punkt bin ich mir ganz und gar nicht sicher.

Für mich "gewinnt" Merkel in diesem Buch. Nicht etwa, weil ich plötzlich Ihre Enscheidungen begründet finde, sondern weil ich ihr Handeln beginne zu verstehen, als Folge einer Entwicklung, getrieben von öffentlicher Meinung, zwischenmenschlichen Nöten, Eitelkeiten und Angst vor Verantwortung. "Die Getrieben" ist ein excellenter Titel. Das wird mir klar, je mehr ich von dem Buch lese.

Wir müssen nun überhaupt nicht darüber diskutieren, was man von einem Regierungschef erwarten können muß. Ich sage lediglich, dass ich das Geschehene jetzt verstehe, ohne dass ich Merkel "komische Moral", "Dummheit", "böse Absicht" oder ähnliches unterstellen muß. Ich kann es verstehen mit Eigenschaften, die auch mir nicht fremd sind, die ich nachvollziehen kann.

Merkels grundsätzliche Position in der Migrationsfrage, so wie ich es lese, unterscheidet sich gar nicht so sehr von meiner. Ich halte sie sogar für äußerst vernüftig. Im Buch wird sogar ihr Argument zitiert, dass wer undifferenziert jeden hier willkommen heißt, irgendwann den wirklich Bedürftigen wird nicht mehr helfen können. Ein Argument, dass ich in einer Kritik an ihrem Handeln (hier als Gastbeitrag erschienen), einmal selbst formulierte. Sie hat dieses Argument nur nicht durchgehalten und in der Folge am Ende sogar das Gegenteil behaupten müssen.

Der Punkt ist, dass sie den notwendigen Mut nicht aufbrachte ihre Ansicht gegen eine Öffentlichkeit, ethisches Empfinden (getrieben durch die Kirchen) und Emotion durchzusetzen. Und hier muß ich sagen, dass ich in der Nachbetrachtung immer mehr zum Schluß komme, dass die Deutschen letztendlich die Flüchtlingspolitik bekommen haben, die sie wollten und dass ich das "ethische Empfinden" der Kirchengemeinden diesbezüglich bisher wohl unterschäzte.




Sie haben versucht, Merkels Position einzunehmen, um zu verstehen, warum sie so gehandelt hat, wie sie es tat. Das ist gut. Wie müssen auch nicht diskutieren, was von einem Staatschef zu erwarten ist. Solange das Ergebnis rückgängig gemacht werden kann, kann er machen, was er will. Mit Milliarden korrumpieren gehört ja zum politischen Tagesgeschäft.

In Bezug zur Asylpolitik hat ein Beamtenapparat die Vor- und Nachteile der damaligen Situation aufgelistet. Das Ergebnis war die Vorbereitung der Grenzschließung, da eine ungebremste Einwanderung aus aller Herren Länder offenbar nicht vernünftig ist (auch nicht für die Transitländer in Europa). Merkel hätte diese Entscheidung nicht mal öffentlich diskutieren müssen, da sie der Rechtslage entsprochen hätte und sie ja Schaden vom Deutschen Volk abwenden soll. Dafür wird sie bezahlt. Man hätte gegebenenfalls darüber im Parlament abstimmen lassen können oder eine Volksbefragung durchführen können. Das hätte die Information aller Beteiligten vorausgesetzt. Das wollte man aber nicht. Ich teile da auch nicht Ihre Einschätzung, dass die Presse mit ihrer moralisierenden Wirkung die Ursache für die folgende Entwicklung war.

Allein im Regierungsapparat bis hinunter zu den Kommunen liegen die Daten vor, die benötigt werden, um als Außenstehender die Situation sachlich bewerten zu können. Das Problem ist allein, dass sich alle Nutznießer in der Regierung weigerten und bis heute weigern, den Preis für ihre Privilegien zu bezahlen. Sie verstecken sich hinter der Presse. Sie kollaborierten und verstärkten sich gegenseitig in ihrer Meinung durch gegenseitige Zustimmung. Das ist eine Art der Vermeidung des Seins.

Merkels Entscheidung, die Grenzen wegen unschöner Bilder nicht zu schließen, ist die Anstiftung zu Straftaten gegen das AuslG, zur Strafvereitelung im Amt (bei den Grenzschützern an der Grenze beginnend). Sie nahm durch ihr Unterlassen billigend Körperverletzungen bis hin zum Mord in Kauf. Es war klar, dass mit dem eingespülten Bodensatz anderer Länder solche Taten folgen würden und auch der IS den Finger heben würde. Weiter setzte sie in Gang, dass all diejenigen, die das Aussprachen, was sie wohl ursprünglich dachte, Nazis seien. Veruntreuung kann man auch dazu nehmen. Im Gegensatz zu Oma Meier mit dem WK II im Rücken war Frau Merkel sich klar darüber, was folgen wird.

PS: Wenn mir entgegengehalten wird, das Vergangene sei humanitär geboten gewesen, weise ich nur darauf hin, dass nur die fittesten und mit Geld Versehenen die Überfahrt schaffen. Die Ärmsten und Kinder sterben weiterhin an Hunger und Kugeln. Humanitär wäre es, wenn Frau Merkel angeordnet hätte, alle Kinder und Frauen aus Aleppo via Luftwaffe nach Deutschland ausfliegen zu lassen. Dann ist Ruhe.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.420

18.03.2017 10:08
#1562 RE: Wir schafften das nicht Antworten

"Insofern würde ich begründen, dass Merkel durch dieses Buch (leider?!) gewinnen könnte."

So wie Sie das Buch beschreiben auf jeden Fall.

Insbesondere weil, so wie Sie das beschreiben, geschickt die Frage umgangen wird: welche negativen Folgen hatte die Grenzöffnung und was davon wusste Merkel?

Das Merkel grundsätzlich nur reagiert und niemals agiert kann doch nur Leute überraschen, die ganz fest die Augen zugemacht haben. Dafür brauche ich kein Buch lesen.

Entscheidend ist, dass Merkel die Verantwortung hatte. Und da gibt es nur zwei Möglichkeiten (und ich darf mich selbst zitieren):

a) Entweder Sie wusste, was passiert. 500.000 Illegale im Land. 20 Mrd Euro Kosten - bis jetzt. Verängstigte Frauen, Mord&Totschlag, eine zerrissene Nation. Demokratische und rechtsstaatliche Institutionen beschädigt, außenpolitischer Schaden.

b) Oder Sie wusste es nicht. Weil sie zu verblendet war und zu ideologisch vernagelt. Zu dumm, zu primitiv, zu was auch immer. Glaubte ihr eigenes Märchen vom "Wir schaffen das" und "wertvoller als Gold". Immerhin gab es MONATE Zeit, die Entwicklung zu beobachten und Fehler zu korrigieren. MO-NA-TE.

Im Fall a) gehört sie in den Knast im Fall b) in die Klapse.

Ich reagiere zunehmend allergisch darauf, wenn meine Umgebung an sich einfach Dinge unter Tonnen von Worten begraben will, bis einem der Kopf schwirrt. Warum sollte mich der Gemütszustand einer Merkel interessieren. Bei einem Polizisten würde ja auch niemand eine solche Entschuldigung akzeptieren ("Ich konnte die Verbrecher nicht aufhalten... klar hatte ich eine Waffe und hätte sogar noch Verstärkung rufen können.... aber dann wäre wieder so böse in der Presse über die Polizei berichtet worden.... und innerlich war ich so zerrissen: wer ist schon ohne Schuld... ?)

Merkel ist entweder ein Verbrecher oder hat den Kontakt zur Realität verloren (=durchgeknallt). Ihr könnt's euch aussuchen.

___________________
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Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

18.03.2017 10:28
#1563 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557
Für mich "gewinnt" Merkel in diesem Buch. Nicht etwa, weil ich plötzlich Ihre Enscheidungen begründet finde, sondern weil ich ihr Handeln beginne zu verstehen, als Folge einer Entwicklung, getrieben von öffentlicher Meinung, zwischenmenschlichen Nöten, Eitelkeiten und Angst vor Verantwortung.

Gewinnt der Mörder, weil man seine Motive versteht? Das ist eine gar nicht so rethorisch gemeinte Frage: Menschen handeln grundsätzlich(!) aus Kausalität heraus (von einigen schweren Erkrankungen des Vorderhirns mal abgesehen). Selbst Kettensägenmörder (um nicht wieder bei Adolf zu landen) haben Motive für ihre Taten und untersucht man ihr ganzes Leben, findet man die Ursachen heraus. Alles Handeln ist, unter völliger Kenntnis der Vorgeschichte, erklärbar. Das ist nichts besonderes. Was es aber vor allem nicht ist: Es ist nichts entschuldigendes.

Mir ist es am Ende eigentlich ziemlich egal ob sich Merkel von ihrem eigenen Gewissen (wohl eher dem inneren warmen Gefühl), der Presse oder von Angst vor Verurteilung getrieben war. Genauso wie es mir egal ist, ob der Mörder von einem Ehrbegriff getrieben war. Es gibt eine Verantwortung für das eigene Handeln (auch für das Nichthandeln), die nicht damit aufhört, dass man von etwas getrieben wird. Und Merkel traf 2015 nicht nur eine gravierende Fehlentscheidung (wie bisher geglaubt), sondern man muss zunehemend konstatieren, sie traf diese auch noch bewusst und in Kenntnis der Folgen.

Ich bin etwas zurückhaltend, wenn ich auf anderen Webseiten die Toten von Berlin (um das exemplarisch rauszugreifen) als Merkels Tote bezeichnet sehe. Sehe ich mir allerdings diesen absolut schändlichen und durch und durch widerlichen Umgang mit den Angehörigen dieser Opfer durch die Berliner Regierung an, dann hat der Kasus plötzlich etwas sehr wahres. Die mögen in dem Sinne getrieben sein (jeder Fehler folgt einem anderen Fehler den man vorher gemacht hat), aber es gehört zur menschlichen Verantwortung an einer Stelle die Entwicklung zu stoppen und sich nicht treiben zu lassen. Wenn in einer Kneipe ein Mann den anderen totschlägt, dann ist jeder Schritt bis dahin eine logische Kette. Aber er wird trotzdem verurteilt, weil es mehrere Möglichkeiten gab die Kette zu brechen. Merkel hat das nicht getan. Und das ist tatsächlich inzwischen in meinen Augen kein Fehler mehr, sondern inzwischen ein Verbrechen.

Emulgator Offline



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18.03.2017 11:14
#1564 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #1562
Entscheidend ist, dass Merkel die Verantwortung hatte. Und da gibt es nur zwei Möglichkeiten (und ich darf mich selbst zitieren):

a) Entweder Sie wusste, was passiert. 500.000 Illegale im Land. 20 Mrd Euro Kosten - bis jetzt. Verängstigte Frauen, Mord&Totschlag, eine zerrissene Nation. Demokratische und rechtsstaatliche Institutionen beschädigt, außenpolitischer Schaden.

b) Oder Sie wusste es nicht. Weil sie zu verblendet war und zu ideologisch vernagelt. Zu dumm, zu primitiv, zu was auch immer. Glaubte ihr eigenes Märchen vom "Wir schaffen das" und "wertvoller als Gold". Immerhin gab es MONATE Zeit, die Entwicklung zu beobachten und Fehler zu korrigieren. MO-NA-TE.

Im Fall a) gehört sie in den Knast im Fall b) in die Klapse.

Ich reagiere zunehmend allergisch darauf, wenn meine Umgebung an sich einfach Dinge unter Tonnen von Worten begraben will, bis einem der Kopf schwirrt. Warum sollte mich der Gemütszustand einer Merkel interessieren.
Dem letzten Punkt schließe ich mich an. Wir diskutieren über die Politik und Frau Merkel ja so, als wären es Kunstwerk und Künstlerin: "Was wollte die Maestria uns damit sagen? Was hat die Künsterlin sich gedacht, als sie das gemalt hat?"

In eine demokratische Republik paßt so etwas nicht. Wir reden hier schließlich von einer öffentlichen Sache, die die materiellen Lebensumstände vieler Menschen betrifft, nicht von einem Werk, das nur kunstsinnig Interessierte betrifft.

Weil aber weder Verantwortungslosigkeit eine Krankheit ist noch ein justiziabler Straftatbestand verwirklicht worden ist, sehe ich eine dritte Möglichkeit:

Das Amt des Bundeskanzlers ist im GG mit zuviel Macht ausgefüllt und von ihm ist zuviel abhängig. Insbesondere kann es nicht sein, daß Abgeordnete ihren Job riskieren, wenn sie gegen unfähige Kanzler das fällige Mißtrauen aussprechen. Außerdem ist es keine Gewaltenteilung mehr, wenn durch diese Abhängigkeit faktisch der Regierungschef alle Gesetze sich selber machen kann. Heute ist der Bundeskanzler ja sogar mächtiger als in der WRV der Reichskanzler.

Ulrich Elkmann Offline




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18.03.2017 11:48
#1565 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #1562
Insbesondere weil, so wie Sie das beschreiben, geschickt die Frage umgangen wird: welche negativen Folgen hatte die Grenzöffnung und was davon wusste Merkel?


Genau das ist auch, was mich bei der Lektüre des Buchs - das als reine Chronik dieser sechs Monate ja unübertroffen ist, weil man da die ganze alternativlose Hilflosigkeit vorgeführt bekommt - zutiefst ärgert: am Ende läuft das auf ein "nun sind sie halt da" hinaus, mit der gleichen kompletten Ausblendung der Frage, welche Folgen das für die nächsten Jahre und für die weitere Zukunft dieses Landes hat.

Darwin Award ist Darwin Award. Egal, ob die Beteiligten da nur blind, hilflos oder in arger Absicht agiert haben. Festzuhalten bleibt: wir haben es hier mit der ersten Krise zu tun, in der es wirklich ernst wird, für jedermann sichtbar - und sämtliche Verantwortlichen, die gesamte Politik & die Medien, reagieren mit Hilflsogikeit, mit Augenvershcließen und mit Lügen als einzigem Mittel, das zu kaschieren. Die komplette Folgenlosigkeit daraus für alle, die diese Krise durch ihr Veragen hereigeführt haen, ist nicht nachgeordnet, sondern gehört ebenso zu zu diesem Versagen.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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18.03.2017 12:04
#1566 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #1563
Gewinnt der Mörder, weil man seine Motive versteht? Das ist eine gar nicht so rethorisch gemeinte Frage:
Ich denke ja. Ein Möder kann in der Beurteilung mancher Menschen dadurch gewinnen, dass sie seine Motive verstehen. Je empathischer Menschen veranlagt sind, je größer ihr Harmoniebedürfnis ist, umso eher kann dies geschehen.

Dass Deutschland in gewisser Hinsicht zu signifikannten Teilen von überdurchschnittlich empathischen und harmoniebedürftigen Menschen bevölkert wird, könnte man spätestens seit der "Flüchtlingskrise" folgern.

Es geht mir nicht um richtig und falsch, sondern um Wirkungen die möglich sind. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass das was man selbst für richtig hält, die einzig mögliche Wirkung ist. Man wird dabei aber nicht weit kommen, will man Dinge und austehende Wirkungen richtige einschätzen.

Herzlich


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nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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18.03.2017 12:32
#1567 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #1564
Wir diskutieren über die Politik und Frau Merkel ja so, als wären es Kunstwerk und Künstlerin:
Zumindest was mich betrifft, scheint hier ein Mißverständnis vorzuliegen. Ich wollte nicht die Politik Frau Merkels diskutieren, sondern die Wirkung des Buches, die ich eben nicht so eindimensional erwarten würde, wie mancher hier möglicherweise annimmt.

Dafür wollte ich die Gedankengänge und Emotionen skizzieren, die eine solche Wirkung bedingen könnten. Gedankengänge und Emotionen, die ich selbst als Impuls beim Lesen bemerkt habe und deren Einfluß auf die Urteilsfindung ich persönlich bei vielen Menschen in unserem Land nicht unterschätzen würde. Ich habe auch versucht darzulegen, warum ich zu dieser Einschätzung komme.

Wir sind hier in einem Diskussionsraum der versucht möglichst emotionsfrei zu einem Urteil zu kommen. Das dürfte so ziemlich das perfekte Komplement zur politischen Meinungsbildung im Alltag vieler Menschen sein. Daher sollte man nach meiner Meinung vorsichtig damit sein, Schlüsse, welche man hier für selbstverständlich hält, auf den öffentlichen Raum zu übertragen. Das erscheint mir sogar offentsichtlich falsch zu sein, denn wäre es so, hätten wir in unserem Land eine völlig andere Politik.

Das folgende ist meine subjektive, hochspekulative Meinung: Wenn man dem Buch Alexanders drei mögliche Kalküle unterstellt, a) Merkel Schaden zu wollen, b) sachliche Aufarbeitung, c) Merkel helfen zu wollen, halte ich c) (mit kleinem Vorsprung vor b)) für am wahrscheinlichsten.

Wenn man eine Einschätzung über die Folgen eines Sachverhaltes treffen will, in welchem das Handeln anderer Menschen eine Rolle spielt, setzt das voraus, dass man auch das Handeln dieser Menschen richtig einschätzt (und nicht einfach von sich auf andere schließt). Das erscheint mir sogar wesentlich entscheidender zu sein, als mit stringenter Logik den Sachverhalt an sich richtig zu analysieren (das dürfte hierfür sogar recht unwichtig sein).

Wäre es anders, würden wir hier in ZkZ wohl nicht Diskussionen führen, die von dem was man in Alltagsgesprächen erlebt, Lichtjahre entfernt sein dürften.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Nola Offline



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19.03.2017 11:45
#1568 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat
Zitat Ulrich Elkmann
(...) Genau das ist auch, was mich bei der Lektüre des Buchs - das als reine Chronik dieser sechs Monate ja unübertroffen ist, weil man da die ganze alternativlose Hilflosigkeit vorgeführt bekommt - zutiefst ärgert: am Ende läuft das auf ein "nun sind sie halt da" hinaus, mit der gleichen kompletten Ausblendung der Frage, welche Folgen das für die nächsten Jahre und für die weitere Zukunft dieses Landes hat. (...)



Insbesondere zeigt sich die "Hilfslosigkeit" (was für ein freundliches Wort gemessen an den Auswirkungen) im Kapitel "Der Deal" beginnend Seite 263

Mein Versuch dieses Kapitel mit meiner Einschätzung entlang der genannten Fakten wiederzugeben:

Am 7. März 2016 also ziemlich genau vor einem Jahr, hatte der türkische Ministerpräsident A. Davutoglu (er wurde von Erdogan im Mai geichen Jahres als Ministerpräsident abgesetzt) BK Merkel in die Vertretung der Türkei bei der EU bestellt obwohl das Abkommen mit der Türkei ausgehandelt war und am kommenden Tag von den 28 Regierungschef beschlossen werden sollte. Was also war so wichtig am späten Sonntagabend in Brüssel?

Als Davutoglu mit Verspätung erscheint ( Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ist auf Bitte von Merkel auch anwesend) legt er Merkel und Rutte ein Dokument vor und der "Deal" sollte dahingehend geändert werden. 12 Punkte auf einer DinA4-Seite. Wesentliche Punkte sind hierbei die Verpflichtung der Türkei alle Flüchtlinge die über die Ägäis Griechenland erreichen zurückzunehmen, dafür soll aber für jeden Syrer, der zurück in die Türkei gebracht wird ein anderer Syrer aus der Türkei legal in die EU einreisen dürfen.(Man erhofft sich damit das kriminelle Schlepperwesen auszuschalten, aber die Auswahl, welche "Syrer" die seit Jahren im Lager der Türkei möglicherweise "auf Kurs gebracht" wurden bleibt der Türkei vorbehalten.) Merkel ist einverstanden, obwohl diese Abschiebungen zwingend der griechischen Zustimmung bedurft hätte, die aber nicht geladen war...

Eine weitere Forderung von Davutoglu ist eine feste Zahl an Flüchtlingen die er nach Europa schicken darf, wegen des zu erwartenden Rückstaus aus Syren und Irak (wenn die Ägäis dicht ist); die Werbung hierfür lief über Merkel schon seit Wochen "Legale Migration statt illegale Migration". Weil Merkel zu feige war dies öffentlich zu bekennen und um das wahre Ausmaß zu verschweigen wurde nicht schriftlich festgelegt, das es sich hierbei um jährlich ca. 150.000 bis 250.000 Flüchtlinge handelt, die nach Europa umgesiedelt werden sollen. Fakt ist, Merkel, Rutte und Davutoglu haben sich darauf geeinigt ohne Abstimmung in den Parlamenten und was uns betrifft ohne Zustimmung des Bundestag (der nie beschlossen hatte Flüchtlinge zu Hundertausenden von Ungarn nach Deutschland zu holen) und der in besagter Brüssler Nacht gemachten Zusage Merkels einer o. g. Kontingentübernahme die somit für Deutschland eine unbekannte Höhe darstellt, da bekanntlich das Boot der meisten EU-Staaten voll ist. Rutte und Merkel haben die Zusagen also Für Deutschland bzw. für die Niederlande ggemacht und wollen Ihre "Nachbarn" nun auch davon überzeugen, falls nicht, nu ja dann bleibt eben das Kontingent an von der Türkei ausgesuchter Zuwanderung an zwei Ländern hängen. Da keiner so richtig was weis, machen sich die Innenpolitiker Hoffnung auf eine "Verrechnung" im Rahmen der Familienzusammenführung. Dennoch, eine exakte Zahl wurde vermieden, dafür aber der Zusatz vereinbart "Europa solle seine Aufnahmebereitschaft an die Verhältnisse in der Türkei anpassen".

Somit erstellt das türkische Innenministerium eine Liste (wenn es nach Plan läuft), wer als Person "geeignet" ist Bestandteil des Kontingent zu sein und hieraus soll das UN-Flüchtlingswerk dann auswählen. Das diese Auswahl auch ein Zuwachs an vermehrten Problemfällen bedeutet braucht nicht erwähnt zu werden und das ohne Entscheidungsbefugnis Deutscher Richter oder Beamter sondern eines fremden Staates.

Bei dem Deal geht es aber nicht nur um das Flüchtlingsproblem (wobei ich nach wie vor glaube, das Erdogan diese Situation selbst erschaffen hat, indem er die Flüchtlinge sammelte und diese (bis auf die paar Schlepperbanden und die bekannten Folgen) als Erpressungspotential gegenüber der EU und insbesondere gegen Merkel nutzen würde. Davutoglu will liefern, was sogar Erdogan nicht geschafft hat, nämlich die Visafreiheit für alle türkischen Staatsbürger innerhalb der EU. Angeblich (lt. Robin Alexander) sagt auch Merkel genau das dem türkischen Ministerpräsidenten in der Brüsseler Nacht zu. Ab Juni 2016 sollen Türken in ganz Europa reisen können. Allerdings unter Erfüllung der schon vor Jahren aufgestellten EU-Bedingungen. In jener Nacht wurde auch die Vorgehensweise beschlossen, wie man die übrigen EU-Staaten von all dem überzeugen könne. Nur eine Gegenstimme im EU-Rat und alles ist hinfällig.

Die Lösung: Martin Selmayr (Der Deutsche Martin Selmayr gilt in Brüssel als designierter Kabinettschef Junckers als der neue starke Mann hinter den Kulissen. lt. Spiegel vom 10.09.2014) hat sie noch in gleicher Nacht gefunden. Die bereits beschlossenen Verteilmechanismen die im vergangenen Jahr beschlossen wurden, also Flüchtlinge aus Griechenland, Italien oder Ungarn sollen jetzt aus der Türkei verteilt werden und damit ist kein neuer Beschluß nötig.

Als der EU-Türkei-Deal, den Merkel und Rutte mitformuliert haben den anderen Staats- und Regierungschefs jetzt als "neuer, überraschender Vorschlag" der Türkei präsentiert wird, bedrängt Merkel den Ratspräsidenten Tusk das Abkommen noch in gleicher Nacht zu beschließen.

Der Deal selbst ist in dieser Form nicht umgesetzt worden.

Und so dreht es sich weiter und weiter, daß vernebelte politische Karussell der "Volksvertreter". Man muß es nur wissen und deshalb meine Leseempfehlung.
Lesenswert auch deshalb um einmal mehr zwischen "politischer Öffentlichkeitsarbeit" und Wirklichkeit zu unterscheiden.

In den am Schluß des Buches folgenden Danksagungen erfolgt auch der Dank an Deniz Yücsel die entscheidende Phase des Türkeideals zu rekonstruieren.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Nola Offline



Beiträge: 1.719

19.03.2017 18:36
#1569 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat
Zitat Ulrich Elkmann
(...) mit der gleichen kompletten Ausblendung der Frage, welche Folgen das für die nächsten Jahre und für die weitere Zukunft dieses Landes hat. (...)



Wenn dies kein Fake ist...


https://www.wochenblick.at/merkel-hofft-...en-einwanderer/

Zitat
Englische Medien sind über ein Strategiepapier der Bundesregierung empört: „Haben sie nichts gelernt? Merkel-Regierung hofft auf 12 Millionen Migranten.“
(http://www.express.co.uk/news/world/7659...isis-12-million)

Man muss es heute schon aus britischen Medien erfahren: Es gibt ein geheimes Papier der deutschen Bundesregierung, welches die Masseneinwanderung nach Deutschland feiert.
Regierung „hofft“ auf 12 Millionen bis 2060

Die Medien hierzulande haben noch gar nicht über das Strategiepapier berichtet, welches Anfang Februar zur internen Verwendung verbreitet worden sein dürfte. Im Dokument heißt es gar wörtlich: „Aus bevölkerungswissenschaftlicher Sicht erscheint auch eine höhere dauerhafte Zuwanderung von 300 000 möglich.“



... dann ist für unsere Zukunft gesorgt.

♥lich Nola

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Zettel im August 2008

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

20.03.2017 12:41
#1570 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1557

Der Punkt ist, dass sie den notwendigen Mut nicht aufbrachte ihre Ansicht gegen eine Öffentlichkeit, ethisches Empfinden (getrieben durch die Kirchen) und Emotion durchzusetzen. Und hier muß ich sagen, dass ich in der Nachbetrachtung immer mehr zum Schluß komme, dass die Deutschen letztendlich die Flüchtlingspolitik bekommen haben, die sie wollten und dass ich das "ethische Empfinden" der Kirchengemeinden diesbezüglich bisher wohl unterschäzte.



Was das Zurückscheuen vor einer bereits beschlossenen Grenzschließung angeht, kann ich Merkels Motive sogar nachvollziehen - ohne sie gutzuheißen, man denke nur mal daran, wie ein Staatsmann vom Schlage Helmut Schmidt während der Entführung der Landshut agiert hat. Aber nachvollziehbar ist die Angst vor hässlichen Bildern an der Grenze schon; N.B.: die hässlichen Bilder haben wir danach vor dem Kölner Hauptbahnhof gehabt, oder in unzähligen "Einzelfällen", von denen höchstens die Lokalpresse berichtet.

Viel schockierender fand ich allerdings das Kapitel über Merkels Wettlauf mit dem österreichischen "Wunderwuzzi" Sebastian Kurz. Um es aus meiner Sicht zu rekapitulieren:
- Österreich war dabei, gemeinsam mit den Westbalkan-Staaten die Balkanroute zu schließen.
- Dies hat man in Berlin durchaus bemerkt.
- Man hätte sich dort nun zurücklehnen können, nach dem Motto: "Mal schauen, was der junge Mann so fertig bringt." Wäre die Schließung der Balkanroute nicht möglich gewesen, hätte sich Merkel bzgl. der Unmöglichkeit, Grenzen schließen zu können, bestätigt fühlen können. Und im Erfolgsfall wären deutlich weniger Migranten gekommen (und so ist es ja auch gekommen...) - und in Berlin hätte man immer noch Empörung heucheln können.
- Stattdessen begab sich die Bundeskanzlerin zu Erdogan nach Istanbul - zwei Wochen vor der dortigen Parlamentswahl - und verhalf dem Sultan zu einem werbewirksamen Triumph.
- Und selbst, als dann de facto tatsächlich die Balkanroute geschlossen wurde, was wohl auch der türkischen Führung klar machte, dass ihre Karten nicht mehr so gut waren wie gedacht, ließ sich Merkel auf einen mehr als fragwürdigen Deal mit Davutoglu ein. Und der Satz (sinngemäß): "Die Balkanroute ist geschlossen." verschwand aus der Abschlusserklärung des Europäischen Rats.

Und bei diesem Punkt frage ich mich seit Lektüre des Buches: warum?

Die Furcht vor hässlichen Bildern an der Grenze kann ich verstehen - besonders angesichts der Stimmung, die zumindest in den Medien in jenen Tagen transportiert wurde, verbunden mit der Vorgeschichte und Merkels Ruf als "Eiskönigin".

Aber bzgl. der Schließung der Balkanroute bin ich ratlos - was hat Merkel hier dazu getrieben, diese Schließung hintertreiben zu wollen? (Es wird ja darauf verwiesen, dass die Regierungen der Balkanländer gegenüber den Österreichern oft sagten, die Deutschen seinen gegen die Schließung.) Und was hat sie zu diesen irrsinnigen Deals mit der Türkei getrieben? (Obschon sie doch angeblich mit Erdogan gar nicht klarkam und die Idee des Türkei-Deals laut dem Buch von Schäuble kam.)

War es Eitelkeit? Der Wunsch, unbedingt Recht zu behalten, was die Nichtschließbarkeit von Grenzen angeht? Das Bedürfnis, es dem jungen Mann mal zeigen zu wollen, wer hier die Chefin ist?

Wie gesagt: bei diesem Punkt bin ich ratlos...

Beste Grüße,

C.M.D.

Florian Offline



Beiträge: 3.170

20.03.2017 13:05
#1571 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #1570

Und bei diesem Punkt frage ich mich seit Lektüre des Buches: warum?

Die Furcht vor hässlichen Bildern an der Grenze kann ich verstehen - besonders angesichts der Stimmung, die zumindest in den Medien in jenen Tagen transportiert wurde, verbunden mit der Vorgeschichte und Merkels Ruf als "Eiskönigin".

Aber bzgl. der Schließung der Balkanroute bin ich ratlos - was hat Merkel hier dazu getrieben, diese Schließung hintertreiben zu wollen?


In der Tat: seltsam.

Es gibt hier noch einen verwandten Punkt über den ich mich wundere:
Kernaussage des Buches ist ja, dass die Schließung der deutschen Grenze bereits beschlossen war und die Mittel für die operative Umsetzung des Beschlusses vorhanden waren. Dass dies dann lediglich aus politischen Erwägungen unterblieb.

Wie kann man sich dann als Bundesregierung hinstellen und behaupten, eine Grenzschließung sei unmöglich? Und jeden der das dennoch fordert mit Vokabeln wie "Schießbefehl" zu verunglimpfen?
Denn diese behauptete Unmöglichkeit ist ja eine Lüge. Erkennbar daran, dass die Bundesregierung dies selbst bereits gedanklich durchexerziert und für machbar befunden hatte.

Wie politisch blöd ist es, diese Lüge in die Welt zu setzen?
Erstens einmal verbittert man damit große Teile der Bevölkerung (nämlich alle, die sich als kaltherzige Mauerschützen denunzieren lassen mussten).
Und zweitens: Die Lüge kann ja nicht ewig geheim bleiben.
Spätestens mit diesem Buch ist sie aufgedeckt.
(Und als faktische Unwahrheit ist sie spästens offensichtlich, seit die Balkanländer die Balkanroute geschlossen haben.
Was übrigens eine mögliche Erklärung für Merkels Verhalten gegenüber dem Kurz-Vorstoß sein könnte:
Wenn Kurz Ideen funktionieren wird damit offensichtlich, dass das Gerede von nicht zu schützenden Grenzen Blödsinn war. Und das wollte sich Merkel vielleicht nicht vorhalten lassen).

Nun, jetzt hat sie den Salat.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.002

20.03.2017 13:46
#1572 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #1570
Und was hat sie zu diesen irrsinnigen Deals mit der Türkei getrieben?
Mit der Beschreibung des Versuchs der deutschen Regierung, innerhalb der EU die Quotenreglung zu erzwingen, im Hinterkopf würde ich vermuten, dass sich Merkel, respektive die Beteiligten Akteure, immer mehr verrannt haben. Was hier von Merkel et al an Politik innerhalb der EU betrieben wurde, ist mit "katastrophal" noch sehr wohlwollend umschrieben.

Man konnte und wollte wohl nicht mehr zurück. Man wollte Recht behalten. Koste es, was es wolle.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

20.03.2017 14:58
#1573 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1572

Man konnte und wollte wohl nicht mehr zurück. Man wollte Recht behalten. Koste es, was es wolle.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht



Und das ist ein verdammt hoher Preis, den dieses Land jetzt (und auf unabsehbare Zeit) zu zahlen hat. Und wenn wir diesen Preis für die Rechthaberei der Regierung Merkel zahlen müssen: um so schlimmer.

Beste Grüße,

C.M.D.

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

20.03.2017 15:10
#1574 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #1571

In der Tat: seltsam.

Es gibt hier noch einen verwandten Punkt über den ich mich wundere:
Kernaussage des Buches ist ja, dass die Schließung der deutschen Grenze bereits beschlossen war und die Mittel für die operative Umsetzung des Beschlusses vorhanden waren. Dass dies dann lediglich aus politischen Erwägungen unterblieb.

Wie kann man sich dann als Bundesregierung hinstellen und behaupten, eine Grenzschließung sei unmöglich? Und jeden der das dennoch fordert mit Vokabeln wie "Schießbefehl" zu verunglimpfen?
Denn diese behauptete Unmöglichkeit ist ja eine Lüge. Erkennbar daran, dass die Bundesregierung dies selbst bereits gedanklich durchexerziert und für machbar befunden hatte.

Wie politisch blöd ist es, diese Lüge in die Welt zu setzen?
Erstens einmal verbittert man damit große Teile der Bevölkerung (nämlich alle, die sich als kaltherzige Mauerschützen denunzieren lassen mussten).


Ja. Aber all denjenigen, die der "Willkommenskultur" zunächst folgten und sich mit ihren Konsequenzen nicht auseinandersetzen wollten, bot diese regierungsamtliche Lüge eine wunderbare Begründung dafür, diese kritische Auseinandersetzung zu verweigern. Und das sind nicht wenige - gerade in der älteren Generation, wovon mein Vater aus Gesprächen im Freundeskreis leidvoll zu berichten weiß.

Zitat von Florian im Beitrag #1571
Und zweitens: Die Lüge kann ja nicht ewig geheim bleiben.
Spätestens mit diesem Buch ist sie aufgedeckt.


Was die Aufdeckung der Lüge in diesem Buch angeht, bin ich mir nicht so sicher. Einerseits: ja, es verkauft sich offenkundig sehr gut. Andererseits: eine Suche nach "Die Getriebenen" in Google News findet eine doch recht überschaubare Zahl an Artikeln. Mein Eindruck ist: man kann es nicht kaputtschreiben wie seinerzeit bei Sarrazin, also versucht man es weitgehend wenn nicht zu verschweigen, dann doch möglichst niedrig aufzuhängen.

Zitat von Florian im Beitrag #1571
(Und als faktische Unwahrheit ist sie spästens offensichtlich, seit die Balkanländer die Balkanroute geschlossen haben.
Was übrigens eine mögliche Erklärung für Merkels Verhalten gegenüber dem Kurz-Vorstoß sein könnte:
Wenn Kurz Ideen funktionieren wird damit offensichtlich, dass das Gerede von nicht zu schützenden Grenzen Blödsinn war. Und das wollte sich Merkel vielleicht nicht vorhalten lassen).

Nun, jetzt hat sie den Salat.




Punkt 1: sie kann immer noch behaupten, der Rückgang sei dem Türkei-Deal zu verdanken. Zu einem Teil mag das sogar zutreffen - wie groß dieser Teil ist, kann unterschiedlich ausgelegt werden. Für mein Dafürhalten ist der Beitrag von Kurz und Co. eindeutig größer.

Punkt 2: wir haben den Salat. Leider.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.03.2017 15:43
#1575 RE: Wir schafften das nicht Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #1572
Man konnte und wollte wohl nicht mehr zurück. Man wollte Recht behalten. Koste es, was es wolle.

Das ist m. E. Merkels Grundproblem.
Fehler machen andere Politiker auch, und solche zuzugeben macht nie Spaß.
Aber das Ausmaß, in dem sie nach einer Fehlentscheidung immer noch weitere Fehler draufhäuft, nur um den Anfangsfehler nicht zugeben zu müssen - das ist schon einmalig.

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