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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 1.528 Antworten
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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.185

Heute 13:40
#1526 RE: Aus der Chronik des laufenden Wahnsinns Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #1525
Spanien wäre da für mich das Paradebeispiel eines Landes, das sich ohne Gewaltausübung des Volkes von einer faschistischen Diktatur zu einer liberalen Demokratie entwickelt hat.

Einwurf am Rande: Spanien unter Franco (und Portugal unter Salazar) würde ich nicht unter Faschismus subsumieren. Da fehlen zweieinhalb konstituierende Elemente, die in Italien unter Mussolini vorhanden waren:

(1) Das Gefühl der Opferrolle und des aufzuhaltenden und mit Gewalt umzukehrenden nationalen Niedergangs. Ja, natürlich waren die Zeiten des spanischen Kolonialreichs lang vorbei, aber Franco hat keine Anstalten gemacht, weitere Kolonien über Marokko hinaus zu erwerben, sehr im Gegensatz zu Mussolini mit seinen mare nostro-Bestrebungen. Insofern rechne ich dieses Kriterium halb. Aber:

(2) Die Vergötzung der Moderne, der Maschine, der Geschwindigkeit. Es gab im Spanien Francos kein Analogon zu Gabriele D'Annunzio und den anderen futuristisch-faschistischen Poeten Italiens.

(3) Der Kult der Gewalt und des Stärkeren in bewusster Abgrenzung und Gegenbewegung zur christlichen Kultur.

(Alle drei Kriterien, dazu noch die Mobilisierung der Massen im Zuge eines Nationalismus, waren bei den Nazis auch vorhanden. Dort aber natürlich dazu noch der Antisemitismus, der dort dermassen zentral - und nicht nur als eine weitere Eigenschaft unter anderen - war, dass es m.E. angemessen wäre, die Nazibarbaren als "Faschisten plus" zu titulieren, oder eben tatsächlich als etwas ganz anderes sui generis.)

Spanien und Portugal sind besser als klerikal-reaktionäre Diktaturen einzuordnen. Nicht jede Diktatur, die nicht auf Marx zurückgreift, ist automatisch faschistisch.

Neben Italien und (mit den obigen Einschränkungen, Deutschland) sehe ich als faschistisch heutzutage am ehesten noch China.

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Non delectent verba nostra, sed prosint. - Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 75, 3

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.406

Heute 14:12
#1527 RE: Aus der Chronik des laufenden Wahnsinns Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #1526
Einwurf am Rande: Spanien unter Franco (und Portugal unter Salazar) würde ich nicht unter Faschismus subsumieren.


Ich halte es grundsätzlich für sehr schwierig (bis unmöglich) definierende Elemente für den Begriff "Faschismus" zu finden. Letztenendes ist es ein (heute linkes) Schlagwort für alle rechtsnationalistischen Bewegungen, die sich vor 100 Jahren als Antwort auf die kommunistischen Bewegungen gegründet haben. Das spiele ich aber gerne mit, von mir aus.

Franco bspw. war nach dieser Definition der ultimative Faschist; seine Herrschaft würde ich nicht als theokratisch-reaktionär beschreiben, sondern als rein reaktionär; die theokratischen Elemente waren in einem Katholikenstaat nötig, um nicht Volk und Kirche gegen sich aufzuhetzen (wobei man davon ausgehen kann, dass Franco selbst, obwohl nicht gläubig, auch kein Problem mit der Kirche und dem gesellschaftlichen Einfluss selbiger hatte).

Letztendendes ging es ihm aber nur um eine Sache, nämlich den Kommunismus auszumerzen. Es hat vermutlich in der Menschheitsgeschichte keinen anderen Staatsführer gegeben, der derart dezidiert reaktionär war. Als die Kommunisten alle tot waren, ist ihm auch nicht mehr viel eingefallen; da hat er dann auf seine neoliberalen Berater gehört, deren Politikvorschläge Spanien sehr schnell von der dritten in die erste Welt katapultiert haben.

Nebenbei eben auch ein Grund, warum die Machtübergabe dort unblutig verlaufen ist: Franco war eben kein Ideologe... dem war klar, dass er die Macht mit seinem Ableben dem König übertragen wird, und wusste ganz genau, dass der König als erstes eine freiheitliche verfasste Demokratie einführen wird. Er selbst hat sich dabei eher als derjenige gesehen, der die Drecksarbeit macht damit die Spanier frei leben können (weil keine Kommunisten mehr zur Wahl stehen).

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.185

Heute 14:26
#1528 RE: Aus der Chronik des laufenden Wahnsinns Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #1527
Ich halte es grundsätzlich für sehr schwierig (bis unmöglich) definierende Elemente für den Begriff "Faschismus" zu finden.

Sehe ich gar nicht so. Letztendlich ist eine Definition eine Abgrenzung: wenn ich X als A definiere, nach der Definition Y aber kein A ist, dann habe ich X von Y unterschieden. (Natürlich können dann gewisse Zeitgenossen versuchen, die Definition so hinzubiegen, dass es halt keinen Unterschied mehr gibt.)

Und da würde ich dann eben die Unterschiede zwischen Franco/Falange und Mussolini/Faschisten als deutlich genug sehen, um die in zwei getrennte Töpfe zu stecken.

"Alle rechtsnationalistischen Bewegungen, die sich als Antwort auf den Kommunismus bilden" hört sich halt auch schon sehr nach AfD an. Sehen Sie die als faschistisch? Ich nicht, aus den ausgeführten Gründen.

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Non delectent verba nostra, sed prosint. - Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 75, 3

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.406

Heute 14:32
#1529 RE: Aus der Chronik des laufenden Wahnsinns Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #1528
"Alle rechtsnationalistischen Bewegungen, die sich als Antwort auf den Kommunismus bilden" hört sich halt auch schon sehr nach AfD an. Sehen Sie die als faschistisch?


Die Linken sagen "ja"...
Das ist aber auch nicht vergleichbar, weil das Programm der AfD ja auf der Grundlage einer liberalen Verfassung beruht. Im Gegensatz zu den extremen, politischen Bewegungen vor 100 Jahren, als sich kein Mensch für Rechtsstaatlichkeit interessiert hat und es ausschließlich darum ging, wer das staatliche Gewaltmonopol in die Finger bekommt...

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